1932
Der Abend
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Nr. 100
B 50 49. Jahrgang
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Großfeuer im Altersheim
Zwölf Hospitaliten umgekommen
Durch einen Brand wurde heute früh eine Altersversorgungsanstalt in Svaerdsjoe in der Provinz Dalekarlien vernichtet. Das Feuer entstand kurz nach 5 Uhr und griff mit ungeheurer Schnelligkeit um sich. Mehrere Insassen der Anstalt mußten sich durch die Fenster retten. Elf Personen wurden vom Rauch erstickt und eine Person verbrannte. Die Ursache der Katastrophe ist noch nicht geklärt.
Panit beim Wohnungsbrand.
Mehrere Hausbewohner verletzt.
Ein nächtliches Feuer, das in der Parterrewohnung des Hauses Friedrichstraße 30 in Friedrichshagen zum Ausbruch tam, rief unter den Bewohnern des zweistödigen Gebäudes eine regelrechte Panik hervor.
In der Nacht zum Sonntag ertönten gegen 3 Uhr plötzlich laute Rufe: Feuer- Feuer!" Aus den Fenstern der Parterremohnung Friedrichstraße 30 schlugen die hellen Flammen empor, nur mit dem Notwendigsten bekleidet eilte die Wohnungsinhaberin, eine alleinstehende Frau, ins Freie. Die Hilferuje hatten in Sekunden das ganze Haus alarmiert. Das Treppenhaus war aber bereits derart verqualmt, daß den Mietern der beiden oberen Stockmerte der Rückweg ins Freie abgeschnitten war. Bis zum Erscheinen der alarmierten Feuerwehr hatte die Situation derart bedrohliche Formen angenommen, daß mehrere Bewohner aus dem ersten Stockwerk in die Tiefe sprangen. Dabei erlitten eine Frau Sch. und ihr Sohn schwere Knochenbrüche. 3 wei kleine Kinder, die durch Rauchgase bereits betäubt waren, fonnten durch Feuerwehrleute, die mit Rauchschuhmasten in das völlig verqualmte Gebäude eingedrungen waren, gerettet werden.
Die von dem Feuer betroffene Wohnung brannte völlig aus. Die Feuerwehr hatte nahezu zwei Stunden zu tun, um den Brand auf seinen Herd zu beschränken. Die Entstehungsursache konnte bisher nicht festgestellt werden.
Brotpreiserhöhung verboten.
Berliner Bäder protestieren.
Der Reichskommissar für Preisüberwachung Dr. Goerdeler hat gestern eine Erhöhung des Brotpeises untersagt. Der Kleinverkaufspreis für Brot im Gewicht von mindestens 500 Gamm, zu dessen Herstellung mehr als 30 Proz. Mahlerzeugnisse des Roggens ver wendet werden, darf nicht über den Stand der Tektvergangenen Woche erhöht werden. 3u widerhandlungen werden mit Geldstrafe geahndet. Diese Anordnung tritt mit der Bekanntgabe in der Funkstunde Berlin am 28. Februar in Kraft.
Das Berliner Bädergewerbe protestiert dagegen, daß diese Verfügung ergangen sei, ohne die Vertreter des Gewerbes zu hören und ohne daß gleiche Zwangsmaßnahmen gegen den Mehlhandel ergriffen würden. Heute nachmittag wird eine Gesamtsizung sämtlicher Vertrauensleute des Zweckverbandes, der Brotfabrikanten in den Germania Sälen stattfinden, in der zu dem Vorgehen Stellung genommen werden soll. Außerdem ist für Mittwochnachmittag nach dem gleichen Ort eine Protest tundgebung einberufen worden. Die Vertreter des Bäckergewerbes wollen heute versuchen, neue Verhandlungen mit Dr. Goerdeler herbeizuführen.
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Todessturz aus dem D- Zug. Auf der Fahrt nach Westfalen verunglückt. Unweit der Station Erfner ereignete sich in den späten Abendstunden des Sonntags ein schwerer Unglücksfall. Der 51 Jahre alte Obermeister Nikolaus Demple, der für die Marienhütte in Westfalen in Ostdeutschland auf Montage gearbeitet hatte, befand fich mit dem D- 3ug 56 aus Justerburg auf der Heimfahrt. Aus noch ungeklärter Ursache stürzte D. aus dem Zug. Er wurde tot neben den Schienen aufgefunden.
Ein zweiter ungeflärter Todesfall auf den Schienen beschäftigt die Kriminalpolizei. Zwischen den Stationen Grunewald und Nikolassee wurde heute früh der 33jährige Posthilfsschaffner Robert Schubert tot aufgefunden. Der Kopf mar vom Rumpf getrennt.
umjammert Hindenburg- und fälscht den sozialistischen Aufruf
Der Fuchs, der den Hühnern Begetarismus predigt, ist ein alter Wiz der deutschen Tierfabel. Adolf Hitler , der in einem larmoyanten Brief an den Reichspräsidenten sich über mangelnde Ritetrlichfeit im Wahlkampf beschwert, übertrumpft den Fuchs um ein erhebliches. Hitler schreit nach Ritterlichkeit. Er hat es weiß Gott nötig. Sein eigener Brief liefert die besten Beispiele.
Daß dieser Brief im Kaiserhof- unter einem Lugushotel tut es Hitler nicht zunächst den Vertretern der Auslands=
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Bearbeitung der Wähler.
CB
S
5
Wählt
Hitler
Wenn der nun tot ift?"-" Dann stimmt er wenigstens nicht gegen uns."
presse, und zwar vier Stunden früher übergeben wurde als dem Reichspräsidenten selber, schon das ist bezeichnend für die " Ritterlichkeit" des Mannes, der in dem Briefe schreibt:.
„ Diese Methode, das Ausland gegen die freie politische Meinungsentscheidung mobil machen zu wollen, weise ich entrüft et zurück."
Dieses Säzlein des Briefes, mit dem Herr Hitler zunächst das Ausland gegen die freie politische Meinungsentscheidung mobil machen wollte, ist aber noch nach anderer Seite hin charakte= ristisch. Es verdankt seine Entstehung einer literarischen Fälschung! Adolf , der Ritter, behauptet nämlich in seinem Briefe an Hindenburg , daß der Aufruf des sozialdemokratischen Parteivorstandes„ Schlagt Hitler"( pergl." Vorwärts" vom 27. Februar) das Ausland mobilifiere, weil dieser Aufruf folgenden Sag enthält:
Hitler statt Hindenburg , das bedeutet: Chaos und Panik in Deutschland und ganz Europa , äußerste Verschärfung der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosennot, höchste Gefahr blutiger Auseinandersegung im eigenen Bolt und mit dem Ausland."
an die Ritterlichkeit appelliert, deren vorzüglichstes Kampf. mittel durch all die Jahre die systematisch betriebene ich mußigste Verleumdung ist?! Es ist die nationalsozia listische Presse, die auch nach rechtsfräftigen Berurtei lungen der Verleumder unentwegt die alten Lügen gegen die Sozialdemokraten abdruckt. Zehn und zwanzig rechtsfräftige Berurteilungen verhindern nicht, daß die Naziagitatoren landauf landab mit der Lüge agitieren, daß der Vorwärts" von Jakob Goldschmidt mit 800 000 m. bestochen worden sei. Zehn rechtsträftige Verurteilungen verhindern nicht, daß immer wieder in der Nazipresse die Lüge gegen Genossen Hilferding auftaucht, er babe für 120 000 M. Aufsichtsratstantiemen einem großen Ziga rettenfonzern 10 Millionen Mart Steuerschulden erlassen. Der von A bis 3 gefälschte angebliche Aufruf der Volksbeauftragten vom 9. November"( die Volks= beauftragten wurden überhaupt erst am 10. November gewählt) spielt in der nationalsozialistischen Agitation eine gewaltige Rolle. Oder soll man die Ritterlichkeit der Nazis in ihren blutigen Rampfmethoden fuchen? Entsprangen die Ueberfälle am Kurfürsten damm gegen wehrlose Passanten, die Mißhandlung von Frauen und Kriegsbeschädigten einem Gefühl der Ritterlichkeit? Ist das sy ste= matische feige Leugnen vor Gericht ritterlich? Ist es ritterlich, wenn in der Universität die sozialistischen Studenten von zehnfacher Uebermacht angefallen und sogar Studentinnen geschlagen werden? Wir erinnern an die viehische Bluttat in Bankau, wo ein bereits durch Revolverschüsse schwer verwundeter Landarbeiter von 15 SA:-Leuten vor den Augen seiner jammernden Frau zu Tode geschlagen und getreten wurde. Bollendete Ritterlichkeit! Die Hunderte von Ueberfällen auf alleingehende Reichsbannerkameraden oder kleine Gruppen nach der Methode 3wanzig ggen einen", auch sie zeugen von einem wahrhaft„ ritter. lichen" Geiste.
Wenn jetzt der Führer dieses politischen Banditismus, wenn Adolf Hitler den Reichspräsidenten anwinselt, daß man ihm nicht ritterlich genug begegne, so wirkt dieses heuchlerische Gehabe nur widerlich, und der jammernde Ritter Adolf erscheint als der vollendete Ritter von der traurigen Gestalt!
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Bor uns liegt ein nationalsozialistisches Werbeflugblatt, das die Frage Wen sollen wir wählen" folgendermaßen beantwortet: Nicht Hindenburg , denn er hat den Young- Plan unterschrieben, der heute unser Volk zum Lastträger und Spielball des internationalen Finanzkapitals macht!
Nicht Hindenburg , denn das bedeutet: Fortbestehen der heutigen Not, weitere Ausplünderung der Arbeiter, Beamten und Angestellten, Mord und Terror, alles geschah unter Reichspräsident von Hindenburg.
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ein
Wenn der Osaf der SA. Hindenburg für Mord und Terror verantwortlich macht, so ist das Gipfel an Ritterlichkeit". wer zweifelt daran?
Ritterlichkeiten in Adolfs Reich.
Nazibanditen schlagen Polizeibeamten nieder.
Hamburg , 29. Februar.( Eigenbericht.) In der Nacht zum Montag wurde ein unbekannter Mann von einem Nationalsozialisten schwer mishandelt. Ein Polizeibeamter, der herbeieilte, wurde darauf von dem Nationalsozialisten mit Unterstützung inzwischen herbeigekommener Personen, die das Abzeichen der NSDAP . trugen, angegriffen. Der Beamte wurde zu Boden gerissen, getreten und geschlagen. Trotdem der Beamte dann in höchster Notwehr einen Schuß abgab, ließ der nationalsozialistische Hauptangreifer nicht von ihm ab, so daß der Beamte, immer noch am Boden liegend, einen zweiten Schuß abgeben müßte, der den Täter traf. Dieser, ein 24jähriger aktiver Nationalsozialist, erlitt einen Bauchschuß. Er starb bald nach seiner Einlieferung in einem Krankenhaus. Es wurden sieben Mitglieder der NSDAP., die sich aktiv an dem Vorgang beteiligt hatten, festgenomm Aber ist es nicht grotest, wenn der Führer gerade der Partei Der mishandelte Polizeibeamte ist dienstunfähig.
Dieser Satz richtet sich, wie jeder sieht, feineswegs an das Aus land, sondern an die deutschen Wähler und Wählerin nen. Ihnen wird vor Augen geführt, daß mit der Wahl Hitlers zum Reichspräsidenten neue Kriegsgefahr heraufbeschworen würde. Nicht das Ausland, sondern der deutsche Wähler wird aufgefordert, am 13. März diese Kriegsgefahr zu verhindern, indem er nicht Hitler , sondern Hindenburg feine Stimme gibt!
Hitlers Behauptung, daß gegen seine Wahl der sozialdemofratische Aufruf das Ausland mobilisiere, erweist sich als glatte demagogische Fälschung!
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