Beilage
Montag, 29. Februar 1932
Kleine Szenen aus dem Kampf um Marokko
In Genf tagt die Abrüstungskonferenz. Währenddes tobt im| nach Liebe. Neben ihm sitzt der Oberstleutnant unseres Bataillons, Fernen Osten der Krieg, und die Aktien der Kriegsrüstungsindustrie ein langer, hagerer, gemütlicher Spießbürger. steigen. Das Geschäft lohnt, der Krieg im Osten ist weit! Haben wir schon vergessen, was Krieg heißt? Ramón J. Sender zeigt ihn uns in seinem Roman mán, Kampf um Marokko "( Uebersehung aus dem Spanischen , Verlag der Bücherkreis, Berlin ).
Vor dem Stacheldraht.
wt.
Aus der Tiefe der Nacht und dennoch aus großer Nähe kommt ein leises Klagen, das bewußt gedämpft wird. Viance fragt: ,, Hallo, wer da?"
,, Nicht schießen, Kamerad! Ist hier Annual?" ,, Wer da?"
,, Hilfe! Ist hier Annual?"
,, Wachhabender!"
Es dauert einige Zeit, bis der Unteroffizier erscheint. Der Mann draußen glaubt sich verlassen und ruft:„ Um eurer Mutter willen, Kameraden! Ich bin von der ersten Kompanie, drittes Bataillon, Cerinjola. Ich bin zweimal getroffen, sie haben mir ein Bein zerschossen. Ist hier Annual?"
,, Nein, hier ist R."
Der Unteroffizier hat geantwortet. Der Verwundete seufzt und beginnt dann zu fluchen. Man sieht nichts; dichte Schatten liegen über dem Draht. Ein Offizier lehnt sich über den Wall: ,, Was ist los?"
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Der Verwundete wiederholt:„ Ich habe zwei Schüsse. Ich bin Das ist hier von der ersten Kompanie, die ihr abgelöst habt. nicht Annual? Heiliges Kreuz!"
,, Ist die Ablösung nach Annual gekommen?" ,, Keine Ahnung! Habt ihr's nicht gesehen? Ich bin mit am besten weggekommen."
Rerl!" bemerkt der Offizier ,,, du sprichst mit dem Adjutanten!" ,, Zu Befehl! Also: nein, Herr Leutnant! Der Kommandant ist gefallen und..."
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,, Schön, schön, ich will nichts mehr wissen. Hast du dein Gewehr noch?"
Ich habe drei mitgebracht!"
,, Dann hast du deine Pflicht getan. Nimm die Schlösser raus und wirf sie rüber! Paß auf, daß sie über den Wall fliegen!" Der Befehl stammt aus der Gewißheit, daß bald die Marokkaner vor dem Draht erscheinen und die Gewehre mitnehmen könnten. Für den Verwundeten ist es das Todesurteil. Er hat einen Augenblick nachgedacht; nun bittet er angstvoll:
,, Herr Leutnant, ich soll in drei Monaten entlassen werden!" ,, Was soll das heißen?"
,, Wenn ich geheilt werde, Herr Leutnant, bin ich gerettet." Schweigen. Dann fügt der Soldat heiser hinzu: ,, Herr Leutnant, ich hab nicht verdient, hier wie ein Hund zu verreden." Ich verbiete dir weiterzusprechen!"
Der Verwundete antwortet mit veränderter Stimme: zu Befehl!"
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Schüsse ganz nahe. Der Mann schweigt und drückt sich gegen die Erde. Dann ruft er leise: ,, Achtung! Hier sind die Schlösser! An einem hängt meine Erkennungsmarke. Sie kann vielleicht mit ihrer Erlaubnis, Herr Leutnant an meinen Unteroffizier geschickt werden. Er wird dann nach Hause schreiben."
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Der Unteroffizier ist unten in der Ebene gefallen; der Mann denkt nicht daran. Der Leutnant duckt sich, damit ihm keines von den Schlössern an den Kopf fliegt. Eins fällt weit hinten am Krankenbau nieder, das zweite in eine Patrouille, die gerade daherkommt. Das dritte bleibt draußen liegen. Dann legt der Verwundete den Kopf auf die Erde, um auszuruhen. Die Erkennungsmarke aus Aluminium in der Größe eines Fünfcentimostückes kam mit dem ersten Schloß. Der Leutnant liest T/ 7241. Er schreibt die Nummer in ein kleines Notizbuch und wirft die Marke weg. Gie hängt an einer schweißgeschwärzten Schnur.
Der Wahnsinnige.
Im Abschnitt Süd, bei den Maschinengewehrnestern, tönt die Mitternacht von tausend unbestimmten Geräuschen. Weiter unten, im Krankenbau, wacht Gelärm auf. Der Loko, der Verrückte, hat einen Anfall. Er springt auf und rennt, unzusammenhängendes Zeug brüllend, davon. In einer Laubhütte spielen Offiziere Karten; auch der Kommandant ist da und schreibt an seinen täglichen vierzehn Briefen für seine Verehrerinnen. Er ist Witwer und verlangt
Der Loko bläst den Infanterieruf: Antreten! ,, Tararitaaa! Taratitiii! He, der Oberst schreibt Meldungen!"
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Es folgen ein paar nicht wiederzugebende Säße, dann scheint er den Faden seiner Gedanken gefunden zu haben.
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,, Wir müssen unsere Kakibroden durch die Berge schleppen, und ihr fauft derweil fühles Bier und spielt Karten! Der Oberst schreibt. Meldungen:„ Erstes Bataillon, vierte Kompanie: Ich teile Euer Hochwohlgeborenen mit, daß der Hauptmann genannter Kompanie doppelte Pension verdient, weil sie ihm fünfzig Leute abgeschossen haben. Orden und Kreuze her!- Schüßenfeuer! Sprung weise zurüd! Natürlich, wie die Grashüpfer! Wart! Die Tante schickt dir' n Kuchen und' n Brief auf rosa Glanzpapier. Schweinebande: meine Hosen sind ausgedient, meine Läuse verlangen neue; es zieht durch die Löcher! Einen Bosten in der Festung In die willste? Kostet vierhundert Duros, Rabatt gibt's nicht. Schreibstube kommste bloß, wenn du dir einen Domherrn zum Vater ausgesucht hast! Lazarett? Nichts für unsereinen! Lazarett gibt's nur für feine, reiche Bürgersöhne! Kehrt, marsch!- Ss! Päng! Da fliegt dir ne Wespe an die Feldflasche! Wenn du denkst, du hast dir Wasser für den Rückmarsch aufgehoben, bist du angeschmiert. Es rutscht dir in die Schuhe!"
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Dieser Mitternachtsprediger ist der Geist der Gerechtigkeit im Lager. Gerechtigkeit ist hier Wahnsinn. Schüsse auf allen Seiten. Feuer!" schreit der Loko. Gib ihm Saures! Rrrap! Rrrap! Kein Schwein kommt mir davon! Rrrap! Rrrap!"
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Ein Offizier regt sich auf: Stopft dem Kerl das Maul! Wann schafft ihr ihn endlich in die Festung?"
,, Festung?" lacht der Loko. ,, Erst zahlste vierhundert Duros, dann bringen sie dich hin."
,, Wenn er nicht sofort Ruhe hält, komm ich mit dem Knüppel!" brüllt der Offizier, der den Spitznamen Kaminoneta, d. h. kleines Laftauto hat.
,, Raminoneta heißt du? Wie das zu dir paẞt! Den Namen hast du seit der Schweinerei bei Annual; da kamst du schneller als die Autos in die Festung zurück. Wie hast du das bloß fertiggefriegt? Du solltest doch an der Front sein? Schwindel nicht erst!" Der Offizier springt wütend auf. Seine Kameraden, denen er reichlich unsympathisch ist, halten ihn mit Mühe zurück und machen ihm lachend klar, daß es ungerecht wäre, den Kranken zu prügeln. Ramioneta läßt sich nicht beruhigen. Endlich kommt ein Militärarzt und verbürgt sich dafür, daß der Loto bald schlafen wird.
,, Es ist ein armer Kerl", fügt er hinzu ,,, hat einen Klaps und obendrein Gasvergiftung. Am 5. Juli trieb der Wind Gaswolfen bei Tizzi Aja rückwärts: fast alle Leute vom Blockhaus an der Bahn haben was abgefriegt."
Durch die Finsternis vor der Laubhütte marschiert die Ronde. Ein Horchposten meldet dem Unteroffizier ernst und verhalten: Nichts Neues!" Es flingt, als tomme die Stimme aus weiter Ferne.
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Ich gehe wieder am Krankenbau vorüber Den Loko hat man zur Ruhe gebracht. Außer ihm sind noch zwei Wahnsinnige da. Einer ererziert den ganzen Tag am Bau entlang: er läßt den Kopf dabei hängen und geht so trumm, daß er nur mit großen Sprüngen Gleichgewicht halten kann. Wenn er halt oder fehrt macht, brüllt er unartikulierte Laute, Kommandos. Ich kann diese Besessenheit nicht mit ansehen, ohne daß verzweifelter WiderDer andere, ein schweigsamer, zurüdspruch in mir laut wird. haltender, schüchterner Mann, belästigt niemand. Er späht eifrig nach allen Seiten und hält beständig ein halbvolles Töpfchen mit Wasser in der Hand. Bei Nacht steht es in Reichnähe neben ihm. Steigt er aus dem Bett, um eins der häufigen Bedürfnisse Geistes franker zu befriedigen, so muß er es unbedingt mitnehmen. Er läßt es nicht eher von sich, als bis er sich wieder niedergelegt hat. Das Sonderbare ist, daß er das Wasser nicht austrinkt, sondern nur alle halbe Minute in fieberhafter Unruhe nachsieht, ob es noch da ist. Durstwahnsinn!
Auf der Flucht.
Biance sieht auf die Leichen, als ob fie ihn nichts angingen, sondern eine urgewöhnliche Naturerscheinung wären. Die Sonne geißelt seinen Rücken; er benußt das Gewehr als Stock und geht mit bloßem Kopf weiter. Wo hat er die Müze verloren? Er fühlt
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
fich plötzlich greisenhaft alt; das drückt ihn fast zu Boden. Gewohn= heitsmäßig beobachtet er alle Vorsichtsmaßregeln, studiert jeden Schatten, nuht jede Geländedeckung. Er klärt den Weg auf einen Kilometer im voraus auf. Da fizt jemand auf einem Stein neben einer Klettenstaude. Bewaffnet? Nein! Sieht aus wie ein Soldat. Seine ruhige Haltung bestätigt, daß keine Gefahr droht.
Als er heran ist. erhebt sich der Soldat und weist ihm eine ungeladene Pistole. Seine Augen tränen, seine Alpargata ist blutig. Er reicht ihm eine Feldflasche, die mit bitterer Flüssigkeit fast bis zum Rand gefüllt ist.
Biance trinkt mit Genuß.
,, Kein Harn!"
,, Nein, Bier."
Viance sieht ihn erstaunt an. Der Mann trägt eine schmuzige, stellenweise verfärbte Soldatenmüze, aber seine Hosen haben einen tadellosen Schnitt.
,, Von welchem Bataillon bist du?"
Ich bin Offizier."
,, Zu Befehl!
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Ich komme von R. Wo soll ich mich melden?" Der Offizier zuckt die Achseln; dann stammelt er: Wo du Luft hast! Es ist ganz gleich."
Biance bemerkt den zerschmetterten Fuß des Offiziers. Der Mann wird nicht viel wiegen.
,, Ich nehme Sie auf den Rücken, solange es geht."
,, Auf keinen Fall! Du bist auch verwundet. Ich gehe selbst oder warte, bis sie von Drius kommen."
Mit unglaublicher Schnelligkeit rast auf der Straße, wie ein Gespenst, ein Kraftwagen heran und bremst. Viance läuft ihm entgegen; der Offizier hintt langsam hinterher, einen schwachen Hoffnungsstrahl in den Augen. Viance springt aufs Trittbrett: ,, Befehl, Herr Kommandant!" Ein höherer Offizier, noch jung, mit verschlossenem, beinahe unheilverkündendem Gesicht, daneben zwei andere Offiziere mit ärgerlichen Mienen. Der Kommandant fragt mit einer Handbewegung; Viance erfühnt sich: Dritte Kompanie, zweites Bataillon. Ich komme von R." Sie unterbrechen ihn mit
einem neuen Wink; die Schüsse kommen näher.
,, Was ist hier los? Woher kommen die Schüsse? Wo ist General S.?"
,, Seine Exzellenz haben sich erschossen."
Der Fahrer wird ungeduldig. Der Kommandant und die Offiziere faffen die Pistolen beim Lauf. Viance hält sich am Rande der Karosserie fest und stottert etwas Sinnloses. Der Kommandant sagt: Na ja! schon gut!" und gibt ihm einen Stoß, während der Wagen anfährt. Viance fleht mit den Augen, stammelt:„ Neben dem Fahrer ist noch Platz. Ich habe drei Schüsse, Herr Kommandant!"
Der stößt ihn nochmals vor die Brust; als er bemerkt, daß Viance immer noch auf dem Trittbrett steht, schlägt er ihm mit dem Pistolenfolben wütend auf die Finger. Der verwundete Offizier flucht hinter dem Kraftwagen her.
Biance läßt los und fällt der Länge nach auf die Straße; ein Finger ist gebrochen. Der Wagen saust davon, das Dröhnen des Motors verhallt. Der Offizier reißt Biance in Wut und Verzweif= lung das Gewehr aus der Hand und fevert dreimal hinter dem Wagen her, der daraufhin die Fahrt noch mehr beschleunigt Biance
versucht die Finger zu bewegen, verlangt sein Gewehr zurück, zudt die Achseln und geht. Er denkt:„ Der Kommandant haut ab und fährt nach Hause. Ich seh nicht ein, warum ich meine Zeit mit dem Idioten hier verschwenden soll!"
Das meile Buch
Im Verlag E. P. Tal, Wien , erscheint unter dem Titel„ Der Staatsstreich" ein Buch des italienischen Faschisten Curzio Malaparte , das wir hier schon nach dem Erscheinen der fran zösischen Originalausgabe gewürdigt haben. Aber trotzdem ist es noch einmal angebracht, an Malapartes Urteil über den deutschen Faschismus zu erinnern:" Troß seinem schlagenden Wahlerfolg ist Hitler noch weit davon entfernt, das Deutschland Weimars in den Händen zu haben. Die Kräfte des Proletariats sind noch unangetastet: diese ungeheure Arbeitermasse, der einzige furchtbare Feind der nationalsozialistischen Revolution ist stärker als je, aufrecht, unverlegt, bereit, bis zum Ende die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen." Die Chancen des deutschen Faschismus haben sich seit der Niederschrift dieser Säße nicht gebessert. J. P. M.
MERCEDES- BENZ TYP 170 UND TYP STUTTGART
beweisen ihre unbestrittene Ueberlegenheit im Alltagsgebrauch
Beim A.D A C. Winterfahrbarkeitswettbewerb 19.- 21. Februar belegen unter ausgesucht schwierigen Bedingungen: Anlassen nach 16- stündigem Parken bei 14-18 Grad Kälte, Schneefahrbarkeitsprüfung querfeldein über Sturzäcker, Streckenfahrt und Bergprüfung auf ca. 17% iger vereister Steigung, Gelände- Höhenfahrt querfeldein über verschneiten Berghang zwei Mercedes- Benz , Typ Stuttgart und Typ 170, die ersten beiden Plätze.
Beide Wagen durchfahren als einzige von 21 Teilnehmern die schwierige Bergstrecke ohne fremde Hilfe, beide Wagen bewältigen als einzige von allen Teilnehmern die Gelände- Höhenfahrt.
Ein unter den schwierigsten Bedingungen erbrachter Qualitätsbeweis nicht nur für unseren bewährten Typ Stuttgart , sondern insbesondere auch für unseren neuen Typ 170, der auch in diesem öffentlichen Wettbewerb einen vollen Erfolg errungen hat. PREISE: Typ 170: 4 sitziger Innenlenker RM 4400.- ab Werk. Typ Stuttgart 200: 4-5 sitziger Innenlenker RM 5980.- ab Werk Typ Stuttgart 260: 4-5 sitziger Innenlenker RM 7180.- ab Werk DAIMLER- BENZ A.-G., BERLIN- CHARLOTTENBURG 2, SALZUFER 2-3 [ AN DER CHARLOTTENBURGER BRÜCKE]
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Budapester