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Nr. 101 49. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Jetzt auch noch Lichtstreik.

Gastwirte machen den Anfang.- Mittelständler bilden Zentralstreikleitung.

Am geftrigen Montag nahm der Borstand des Reichstartells des selbständigen Mittelstandes zu der Frage des Lichtstreits Stellung und erklärte sich grundsätzlich für den Streit; für alle in den Lichtstreit getretenen Orte soll eine 3entralstreitleitung gebildet werden, die für die örtlichen Aktionen Richtlinien aufstellen wird. Es sollen sofort Berhandlungen mit der Reichs regierung aufgenommen werden, die zum Ziel eine Senfung der werkgebühren und aller öffentlichen Abgaben haben sollen. Um heutigen Dienstag wird die Berliner Ortsgruppe des Reichstartells zur Proflamierung eines Lichtstreits Stellung nehmen. Wie wir hierzu erfahren, gibt die Bewag an die Gewerbe­treibenden den Strom nach einem Kleingewerbetarif ab, der für die Kilowattstunde 10 Pfennig in Ansatz bringt. Die Ber: liner Houshaltungen zahlen bekanntlich 20 Pfennig pro Kilowatt­stunde. Außerdem haben von rund 1000 Elettrizitätsmerten in Deutschland bereits 780 und von 870 Gaswerten 650 ihre Tarife gefentt. Der entscheidende Gesichtspunkt ist aber der, daß die Ueberschüsse der Elektrizitätswerke in der heutigen Zeit zur Grund­lage der Kommunalfinanzen geworden sind. Bei Erperi­menten wie einem Lichtstreik könnten sehr leicht die Gemeinden, die fich fast alle in großer Notlage befinden, unmöglich in der Lage sein, die immer noch wachsende Last der Wohlfahrtsausgaben weiter zu tragen.

Ein teilweiser Lichtstreif ist übrigens nach dem Muster des Bierboykotts am gestrigen Montag bereits eingetreten. Der fommu­nistische Kampfausschuß der Berliner Gastwirte" hat beschlossen, daß die hinter ihm stehende Minderheit der Gastwirte von heute ab die Außenfronten ihrer 2otale nicht mehr beleuchtet und sich bei der Innenbeleuchtung auf ein Mindestmaß beschränkt. Diesem Beschluß der kommunistisch orientierten Gastwirte hat sich ins zwischen auch der Berband nationaler Gastwirte" angeschlossen. Diese die ursprüngliche Bierbontottbewegung außerordentlich verschärfen den Maßnahmen sind der Ausdrud für die Berzweiflungsstim­mungen, von denen sich weite Schichten des Mittelstandes gefangen nehmen lassen. Troßdem muß sich auch ein Licht streit legt

hin zum Schaden der Gastwirte auswirken. Denn wenn es schon fein Bier gibt, kann man feinem Gast zumuten, trüb­selig in einer nur von Talglichtern erhellten Wirtschaft zu fizen. Sudem ist der Bierbontott im Begriff, an der Uneinigkeit der Ber­lirer und Hamburger Gastwirte zu scheitern. So hat der radikale Kampfausschuß" den Verband nationaler Gastwirte aus der ge­meinsamen Streifleitung ausgeschlossen, weil dieser Verband, hinter dem vor allem die Nationalsozialisten stehen, eine Sonder veranstaltung im Kriegervereinshaus abgehalten hat. Gemeinsam ist aber beiden Berbänden die Angriffsstellung gegenüber der Lokal tommission". Dieser wurde das schärfste Mißtrauen ausgesprochen und der Rücktritt des Führers des Deutschen Gastwirteverbandes, Reichstagsabgeordneten Köster, verlangt.

Auch die Hamburger Bierstreifleitung hat Kösters Rücktritt ver­langt. Hier ist die Gastwirtefront übrigens noch mehr zersplittert ols in Berlin . Auf Grund der Erklärungen der Reichsregierung, mit den Boykotteuren nicht zu verhandeln, will ein erheblicher Teil der Hamburger Gastwirte bereits die Bewegung abbrechen. Um den Ausschank von Bier im Wartesaal des Hamburger Hauptbahnhofs zu unterbinden, brachten streifende Gastwirte dort am Sonntag einen sogenannten Kanonenschlag zum Abbrennen. Es brach eine Banik unter den wartenden Reisenden aus, die fluchtartig den Warte­faal verließen. Auf die merkwürdige Doppelrolle, die die Brauereien in der ganzen Bontottbewegung spielen, werden wir noch ausführ licher zu sprechen kommen.

Schließlich kam der jetzt von seinem Amt als Preistommiffar entbundene Oberbürgermeister von Leipzig , Dr. Goerdeler, in einer Rundfunkrede, die er gestern abend hielt, auch auf den Bierstreit in Berlin und Hamburg zu sprechen. Goerdeler schilderte, wie es trog der entgegenkommenden Haltung des Reichsfinanzministers und des preußischen Handelsministers zu der Boytottbewegung fam. des preußischen Handelsministers zu der Boykottbewegung fam. Er betonte aber auch, daß feiner biefer Streits zum Er­folg führen wird. Eine Staatsgewalt, die sich derartigen Streits beugen wollte, riskierte die Auflösung des gesamten Staatswejens. Außerdem bestreiten die Gemeinden aus den Einnahmen der Bier­steuer die Ausgaben für die Wohlfahrtserwerbslosen.

Urteil im Evangelischen Bankprozeß

Unverantwortliche Gewissenlosigkeit der Direktoren.

3m Prozeß gegen die Direktoren der Evangelischen Zentral- charakteristische Berquidung von Religion und Geschäft bank Friedrich Paul Rund und Adolf Rund verurteilte das deutlich hervor. Zahllose Meine Sparer hätten ihren legten Pfennig Schöffengericht Berlin- Mitte Friedrich Paul Rund Derloren. Erschütternd hätten die Tränen und Berzweiflungsrufe wegen Depotverbrechens und Bilanzverfchleierung zu zwei Jabber fleinen Sparer gewirkt, die in ihren Briefen zum Ausdrud ren drei Monaten Gefängnis, Adolf Rund wegen Beihilfe zu diesen Straftaten fowie wegen Betruges gegenüber dem Zentralausschuß für innere Mission und dem Reich zu zwei Jahren Gefängnis. Die Untersuchungshaft wurde beiden Angeklagten voll angerechnet, die Haftbefehle wurden aufrecht­

erhalten.

Dienstag, 1. März 1932

märtigen Prozesse in Moabit zeigten, daß wir uns in einem Stadium der Zerrüttung der wirtschaftlichen Moral befinden, die zu einem Ruin der Volksmohlfahrt und des Staates führen tönne. Dagegen müsse mit strengen Strafen vorgegangen werden, um eine Gesundung und Reinigung herbeizuführen.

Zwei Todesurteile.

Sühne für die Bluttat auf der Buchholzer Chauffee.

Das Schwurgericht III verurteilte den 26jährigen Wächter Paul Rohrbach und den 22jährigen Bäder Hermann Witt. ft od wegen gemeinschaftlichen Mordes und mehrerer weiterer ge­planter Verbrechen aus§ 1 des Republikschuhgefehes zum Tode und zu je drei Jahren sechs Monaten Zuchthaus sowie zum dauernden Berlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Ferner wurde der 25jährige Fleischhauer Erwin Senz wegen Teilnahme an den Verab­redungen zu Gewalttätigkeiten gegen Leib und Leben auf Grund des § 1 des Republikschuhgesetzes zu einem Jahr sechs Monaten Zucht­haus und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt. Der Kraftdroschken­führer Engel wurde freigesprochen.

Selbst aus den schrecklichen Bluttaten der letzten Zeit, Taten der Not, der sittlichen Verwilderung und seelischer Ber­wirrung, hebt sich der Mord am Chauffeur Bohl am 7. November vorigen Jahres auf der Buchholzer Chaussee durch seine ganz be­fondere Sinnlosigkeit hervor. Das Verbrechen war begangen wor den, ohne daß die Täter vorher auch nur den leisesten Versuch ge­macht hätten, sich davon zu überzeugen, ob ihnen überhaupt irgend welche Beute winkt. Man war von vornherein darauf ausgegangen, den Chauffeur zu erschießen, und hatte den Plan nach allen Regeln der Totschlagskunst ausgeführt. Es ist die Vermutung ausgesprochen worden, daß die Mörder es in diesem Falle überhaupt nicht auf Geld abgesehen hatten; sie wollten sich bloß in den Besiz des Führerscheins sezen, um hinterher ein Auto zu stehlen und mit diesem einen lohnenden Raub zu begehen. Dann hätte die Tat für sie selbstverständlich ,, Sinn" gehabt. Nachdem alle ihre forg­sam durchdachten Pläne mißlungen waren, und der Chauffeur Engel sich an diesem Abend geweigert hatte, sie zu fahren, waren sie nicht mehr fähig, ihre Ungeduld zu zähmen. Unglaublich aber, wie diese drei jungen Leute Rohrbach und Wittstod nur geringfügig vor­bestraft, Senz gänzlich unbestraft wochenlang mit Raubplänen umgingen und Wittstock selbst seinen leiblichen Onkel nicht verschonen wollte. Und der unbestrafte Chauffeur Engel? Von seiner ersten erzwungenen Fahrt zur Buchholzer Chaussee im Oktober, als der Bäckermeister Bahse beraubt werden sollte, wußte er, daß seine Fahr­gäste einen Revolver besaßen und es mit dem Raube ernst meinten. Aus Furcht vor den lebeltätern wagte er es aber nicht, zur Polizei zu gehen. So hatte Wittstock vielleicht nicht ganz unrecht, als er ihm im Gerichtssaal zurief: Sie sind am Tode schuld, Sie hätten die Tat verhindern fönnen, wenn Sie zur Polizei gegangen wären.

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Juwelier Wiese schuldlos.

Auf Kosten der Staatstaffe freigesprochen.

Gegen den Jumelier Wiese, bekannt unter dem Namen Irqu ring- Wiefe, war, wie erinnerlich, ein Berfahren wegen gewerbs mäßiger Fehleret eingeleitet worden. Es waren in Leipzig und Dresden zahlreiche Bieneinbrüche verübt worden, bei benen den Einbrechern viel Gold und Silber in die Hände fiel. Diese Bertgegenstände wurden zum Teil von einem gewiffen Entdeckung der Täter wurde auch Wiese in Haft genommen. Er Schönherr, der sich als Strüger ausgab, an Biese vertaust. Nach wurde aber bald darauf auf Antrag von Rechtsanwalt Walter Bahn vom Amtsgericht Leipzig im Haftprüfungstermin ohne Kaution freigelassen. Jetzt fand vor dem Großen Schäffengericht Leipzig eine zweitägige Berhandlung statt. Gegen die beiden Ein­brecher und den Hehler Schönherr wurde auf hohe Zuchthausstrafen erkannt, dagegen wurde Wiese von der Anflage der Hehlerei au i Kosten der Staatstaffe freigesprochen.

tamen. Die Evangelische Zentralbant habe ihren eigentlichen Bwed, den Genollenschaftlern Kredite zu verschaffen, in teiner Weise er füllt, sondern sie sei dazu übergegangen, in einer für eine Genossen fchaft wesensfremden Art Geldinstitut für Industrieunternehmungen zu werden. Aus allem Gehörten gehe die Bösartiteit der Staatsanwaltsschaftsrat Eichholz hatte beantragt: Begen man ben Zentralausschuß im Interesse der Wohlfahrtshilfe nicht Staatsanwaltsschaftsrat Eichholz hatte beantragt: Gegen ngetlagten hervor. Adolf Rund sei sich bewußt gewejen, daß Friedrich Paul Rund unter Versagung mildernder Um fallen lassen würde. Nach seinen Darlegungen in der Reichskanzlei stände wegen Depotverbrechens und Bilanzverschleierung eine habe man den Eindruck gewinnen müssen, daß die Zentralbant eine Gesamtstrafe von drei Jahren Zuchthaus , gegen Adolf fällige Schuldforderung von 2,3 Millionen Mart habe. Die zunächst Rund megen Beihilfe zum Depotnerbrechen und wegen Bilanz gezahlten 1,5 millionen Mart seien innerhalb weniger Tage prompt Derschleierung und Betruges gegenüber dem Zentralausschuß für abgehoben worden, aber nicht den für sie bestimmten Zweden, näm­Innere Mission eine Gesamtstrafe von zwei Jahren acht Molich der Befriedigung der Dresdner Bank, zugeführt worden. Mit naten Gefängnis, außerdem bei beiden Angeflagten Aufrecht den Geldern des Reiches über die Bau- und Bodenbank zur Sanie rung des Zentralausschusses- seien die unberechtigt ausgegebenen erhaltung des Haftbefehls. Depots eingelöst worden. Wenn das fein Betrug sei, dann gebe es überhaupt feinen Betrug. Leute, die in ihren Prospekten von sitt­lichen Pflichten sprechen, hätten besonderen Anlaß gehabt, sorgfam mit dem ihnen anvertrauten Gelde umzugehen. Anfänglich mögen die Angeklagten vielleicht nur leichtfertig gewesen sein, dann aber brachte in Gablonz seinen Urlaub und besuchte eine Bar. Dort hätten sie

"

Einleitend führte Staatsanwaltsschaftsrat Eichholz bei der Be gründung feiner Strafanträge aus, daß in dem Geschäfts­bericht der Evangelischen Sentralbant über deren Entwicklung gesagt wurde: Taufende von Kunden werden von der Evangelischen Zentralbant geführt, Zehntausende sollen und können geführt werden. Mancher tut sich auf seine evangelisch- Deutsche Ge­finnung etwas zugute und denkt gar nicht daran, daß unter Um­ständen seine eigenen Ersparnisse religions- und deutschfeindliche Ideen mit finanzieren helfen. Jeder muß daher mitwirken, an der von der Evangelischen Zentralbant vertretenen evangelisch- deutschen Sache." Aus diesem Prospett gehe die für den ganzen Prozeß

in unverantwortlicher Gewissenlosigkeit darauf losgewirtschaftet,

im Vertrauen darauf, daß, wenn man sich am Zentralausschuß und der Kirche halte, sie nicht fallen lassen würde. Aehnliches werde man auch demnächst in dem Devaheim Prozeß erleben. Die gegen.

Was sagt der Bär?

TEMENT

Berliner in Böhmen verhaftet.

Reichenberg in Böhmen , 29. Februar. Der Berliner Krantentaffenangestellte Arnold Karl Sch. ver­fam es in später Stunde zu einem Streit, in den Sch. ganz unnötig eingriff und in dessen Verlaufe er nicht nur das Land, sondern auch die Sudetendeutschen arg beschimpfte. Er wurde daher nach dem Schutzgesetz verhaftet und vor dem Kreisgericht Reichenberg zu 3 Wochen unbedingtem Arrest verurteilt, wobei 23 Tage Untersuchungshaft voll angerechnet wurden.

JUNO 6 20

JUNO

Berlin

JOSETTI

raucht

JUNO

Juno!

JUNO