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BERLIN  Dienstag 1. März

1932

Der Abend

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Nr. 102

B 51 49. Jahrgang

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KPD  . nicht gegen Hitler!

Sie sagt: Ob Hindenburg   oder Hitler   ist einerlei

Die große Masse der Klassenbewußten Arbeiter will am 13. März Hitler schlagen. Darum wird sie für Hindenburg   stimmen. Die KPD.   dagegen macht für ihren Zählkandidaten Thäl= mann Propaganda und fördert damit Hitler  . Die Frage, ob Hitler Reichspräsident wird oder nicht, ist ihr zum mindesten ganz gleichgültig.

Die KPD. hat nichts dagegen, daß der Faschismus kommt, darum behauptet sie, er sei schon da.

Die Rote Fahne  " wendet sich an die Arbeiter und schreibt: Ihr wollte den Faschismus schlagen. Aber Hindenburg  ist der Faschismus. Wer Hindenburg   wählt, wählt Hitler  ! Wer Thälmann   wählt, der stärkt die proletarische Klasse, der wählt den Sozialismus.

Die Rote Fahne  " soll nur eine Frage beantworten: Glaubt sie, daß Thälmann   gewählt wird? Sie glaubt das ebensowenig wie wir! Für Thälmann   stimmen, heißt also nicht die proletarische Klasse stärken, heißt nicht den Sozialismus wählen. Vor sieben Jahren haben 1,9 Millionen von rund 30 Millionen für Thälmann  geftimmt es wäre traurig um den Sozialismus bestellt, wenn er nicht mehr Anhänger hätte.

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In Wirklichkeit hat damals nur eine kleine Minderheit von Sozialisten den Unsinn mitgemacht, für Thälmann   zu, stimmen, und ebenso wird es auch diesmal sein.

Thälmann wählen, heißt nicht den Sozialismus wählen, nicht die proletarische Klasse stärken, sondern es heißt, Hitlers   Aussichten stärken. Hitlers   Niederlage im ersten Wahlgang ist desto gewisser, je weniger Stimmen für bloße Zählfandidaten abgegeben werden. Darum ist jede Stimme für den Zählkandidaten Thälmann   ein Gewinn für hitler und den Faschismus.

Die Rote Fahne  " weiß das! Also kann sie sich nur retten durch die Behauptung, ob Hindenburg   oder Hitler gewählt werde, das sei gleichgültig, Hindenburg   wäre der Faschismus" ebenso gut wie Hitler  .

Glaubt die ,, Rote Fahne  " das? Sie kann es gar nicht glauben - denn hätten wir in Deutschland   schon den Faschismus, dann gäbe es teine Rote Fahne" mehr und keine tommunistische Präsidentschaftskandidatur, sondern die fommuniſti­schen Führer säßen in Moskau   und überließen es den Ar­beitern, die Suppe auszulöffeln, die sie ihnen eingebrockt haben.

Am 13. März 1920 brach der Kapp- Putsch   aus. Auch damals überließ die KPD  . den sozialdemokratischen Arbeitern den Kampf. Sie erklärte fich für neutral. Zum 13. März 1932 macht sie es genau fo, ja fie fördert durch Aufstellung einer sinnlosen Zähl­fandidatur bewußt den Faschismus. Sie hat in zwölf Jahren nichts gelernt!

Nicht Gleichberechtigung- aber...

Angebliche Angebote Tardieus an Nadolny.

Ritterliche Waffen!

Am 20. Februar fiel in Segeberg  ( Schleswig- Holstein  ) eine Horde von Nazis über einige Reichsbannerleute her, die ruhig in einer Gastwirtschaft saßen. Mit zehn dicken Knüppeln und Pfählen, einer 60 3entimeter langen Eisenstange und einem langftieligen Schmiedehammer fielen sie über ihre wehrlosen und überraschten Opfer her. Einem Reichsbanner­kameraden wurde die rechte Seite des Schädels mit diesem Hammer vollkommen zerschlagen.

Es wird weiter gekämpft!

Vom Waffenstillstand in Schanghai   nichts zu merken. Shanghai  , 1. mäz. 7.40 Uhr. Während aus Genf   optimistische Nachrichten über Friedens­bemühungen eintrafen, wütete in Tschapei einer der größten Brände, die dort bisher geherrscht haben. Riesige Flammen be­leuchteten den nächtlichen Himmel.

Nachdem bei Einbruch der Dunkelheit das Artilleriefeuer etwas nachgelassen hatte, wurde dann wieder die ganze Nacht hindurch weitergefämpft. Das dauernde Raffeln der Maschinengewehre zeugte von der Schärfe des Kampfes.

Bald nach Tagesanbruch hörte der Kampf in Tschapei auf. Ueber dem Stadtviertel liegen wieder dichte Rauchmassen. Es herrscht völlige Stille. Aber von einem Waffenstillstand ist nichts zu bemerken, und den vorliegenden Meldungen zufolge wird die 11. japanische Division binnen zwei Stunden auf dem Wege nach Kiangwan sein. In chinesischen Kreisen herrscht die Ansicht, daß die Drohung des japanischen Befehlshabers, die chineji­schen Eisenbahnen durch Luftangriffe zu zerstören, die Möglichkeit einer Konferenz am runden Tisch ausschaltet.

Ernste Stunden in Finnland  .

Waffengewalt gegen Lappo?

Helsingfors  , 1. März.( Eigenbericht.) Die Lage ist außerordentlich gespannt. Aus allen Teilen des Landes strömen bewaffnete und mit weißen Binden versehene Faschisten nach Mäntsälä  , dem gegenwärtigen Hauptsitz der Lappo- Bewegung. Die Entscheidung zwischen den Lappo- Faschisten und der Re­gierung scheint nur noch mit Waffengewalt möglich zu sein.

Die finnische Regierung hat zur Abwehr des Lappo- Aufstandes, der seit Sonnabend in der Umgebung von Helsingfors   im Gange ist, am Montag das Republikschutzgesetz in Kraft gesetzt und die Aus­gabe gedruckter Nachrichten, Mitteilungen durch Telephon, Radio und Telegramme unter Kontrolle gestellt. Diese Kontrolle ist gleich­bedeutend mit dem Belagerungszustand. Die Regierung ist entschlossen, jeden Vormarsch auf Helsingfors   mit Waffengewalt zu unterbinden. Sie hat zu diesem Zweck sämtliche Garnisonen mobilisiert.

Katalog der Ritterlichkeit.

Paris  , 1. Märs.( Eigenbericht.) Hitlers   Heuchelei und der politische Banditismus seiner Anhänger

Der Unterredung, die Tardieu am Montag in Genf   mit dem deutschen   Delegierten Nadolny hatte, wird in der französischen  Preffe große Bedeutung beigelegt.

Der Genfer   Korrespondent des E cho de Paris" meldet dazu, daß es sich um die Fortsehung der Unterredung handelte, die beide Staatsmänner in der vorigen Woche hatten. Bei dieser ersten Be­gegnung habe Tardieu dem Vertreter der Reichsregierung nicht ver­hehlt, daß Frankreich   die wichtigste Forderung Deutschlands  , nämlich die Gleichberechtigung auf militärischem Gebiet, die eine Revision des Teils V des Bersailler Vertrages nach sich ziehen müßte, richt 3ulaffen werde. Es handele sich jeht darum, u'm welchen Preis Deutschland   eventuell geneigt wäre, auf diese Forderung zu verzichten. Deutschland   erhebe zumindest An­spruch auf dieselben Waffen wie die Siegermächte und die Neutralen, und es wünsche eine Berstärkung des Heeres in der Weise, daß die Dienstzeit von 12 auf 6 Jahre herabgefeht werde. Dadurch würde die Zahl der ausgebildeten Reserven erhöht. Der Berichterstatter meint, daß sich eine Debatte üüber diese Fragen nicht mehr vermeiden lassen werde.

Der Excelsior" meldet, daß man auf deutscher   Seite eine öffent­liche Aussprache vorziehe, die bis nach den Präsidentenwahlen ver­schoben werden solle. Auf französischer Seite würde man es lieber sehen, daß die öffentliche Debatte durch private Aussprachen überflüffig gemacht werde, die ein gerechtes Arrangement unter gleichzeitiger Respektierung der Berträge erlaube. Es dürfe bei biefer Debatte teine Zweideutigkeit geben.

Hitler   hat sich ein Berdienst erworben, das ihn sozusagen zum ,, Gendarmen" des politischen Kampfes erhebt: er hat sich beim Reichspräsidenten über Mangel an Ritterlichkeit beschwert. Adolf, der irrende Ritter des 20. Jahrhunderts, fühlt sich bereits auf den Fuß getreten, wenn in einem sozialdemokratischen Wahlaufruf völlig mit Recht festgestellt wird, daß eine Präsidentschaft Hitlers   höchste Gefahr blutiger Auseinanderseßung im eigenen Volt und mit dem Ausland" bedeutet.

Wir wußten bisher nicht, daß die Herrschaften so empfindlich sind, deren drittes Wort ,, Köpfe rollen" und ,, Aufhängen" ist.

Niemand konnte ahnen, daß die unentwegten Revancheschreier, die siegreich Frankreich   schlagen wollen", beleidigt tun würden, wenn man ihre Herrschaft mit Kriegsnähe gleichstellt. Wenn sie es selber von sich sagen, dann ist es Heldentum, verweist aber ein anderer auf ihre eigenen Worte, so ist das Mangel an Ritterlichkeit!

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Wir sind jedoch gerne bereit zuzulernen. Adolfs Mahnung zur Ritterlichkeit soll teine tauben Ohren treffen. Wir sind gerne bereit. aus den Worten und Taten der Nazihelden uns einen Katalog dessen anzufertigen, was für den deutschen   Edelmenschen ritterlich, honorig und lobenswert ist.

Alle nachstehenden Taten sind duhendweise von Nazis verübt worden, stellen also die Quintessenz des modernen Rittertums dar.

Ritterlich ist es, wenn man nachts auf jüdische Friedhöfe geht, die Gedenksteine Verstorbener umstößt und beschmiert, wenn mon Gotteshäuser mit hezerischen Bemalungen entweiht.

Ritterlich ist es, wenn man Gedenksteine für den ver­storbenen Reichspräsidenten Ebert   mit Hakenkreuzen beschmiert, wenn man Erinnerungsbäume an Ebert umhaut, wenn man die Schilder einer Rathenau- Straße demoliert oder sonst an Er­innerungszeichen für verstorbene republikanische Führer schändenden Unfug begeht.

Ritterlich ist es, wenn man einem Hindenburg­Bild die Augen aussticht und es verbrennt; ritterlich ist es, wenn man am Grabe eines Republikaners ausspuckt.

Ritterlich ist es, wenn man heimtückisch bei Nacht die Fensterscheiben von Gewerkschaftshäusern oder sozialdemokratischen Beitungsfilialen einwirft; ritterlich ist es, wenn man sozialdemo­fratische Plakate demoliert und Druckschriften anzündet.

Ritterlich ist es, wenn man im Kino mit Stinkbomben und weißen Mäusen gegen einen pazifistischen Film demonstriert; ritterlich ist es, wenn man mit ähnlichen Mitteln gegnerische Ver­fommlungen zu sprengen versucht.

Ritterlich ist es, wenn man das Gartenhaus eines sozial­demokratischen Abgeordneten, der die verbrecherische Vergangenheit eines Naziführers enthüllt hat, mit Dynamit in die Luft sprengt. Ritterlich ist es, wenn man auf einen eigenen ehemaligen Abgeord­neten, der verbrecherische Pläne enthüllt hat, ein nächtliches Re­