Einzelbild herunterladen
 

Nr. 105 49. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Das Bergwerk der Erwerbslosen.

Der Kurzzug der S- Bahn sauft unter dem fast vollendeten Stahlgefüge der neuen Ost­bahnbrüde hindurch und hält fauchend am Bahnsteig des Betriebsbahnhofes Rummels= burg. Vor dem Auge des Be­schauers dehnt sich in hübsch ge= schwungener Gratbildung ein gelber Höhenzug. Dahinter ragt als Wahrzeichen der Gegend in vollschlanker Linie der Was= serturm von Friedrichs a felde. Zu seinen Füßen breitet sich wie aus der Spielschachtel geschüttet, ein buntes Gewirr von Wohnlauben. Auf dem wuchtig ausladenden Plateau kommt die Pflanzenwelt nur färglich vorwärts. Sie vegetiert genau so fümmerlich unter den ungünstigen Daseinsbedingungen wie die Bewohner der Gegend,

die man vereinzelt und in Gruppen tagtäglich an den Hängen der Hügelkette, in emfiger Tätigkeit begriffen, beobachten kann. Aus schwarzen Bohrlöchern, die scharf umrissen sich ab­heben von der helleren Farbe der Berghalte, ragen ihre Oberkörper heraus. Mit Spizhacke und Gartenspaten, ja auch mit primitiveren Grabmertzeugen fördern sie eine dunkle Masse zutage. Es ist Torf. Viele, viele Schippen Sand müssen beiseite geschaufelt werden, ehe die Moorsohle erreicht ist. Gar häufig rieselt der leichte Boden nach und droht den zu verschütten, der allzu magemutig seinen Stollen tief in die Torfmasse hineingetrieben hat. Die feineswegs erftklassige Ausbeute an Heizstoff wird auf dem mit Säden abgedichteten, flapperigen Leiterwägelchen verstaut. Keuchend ziehen Mann und Frau auf pfadlosem Gelände heimwärts. Knirschend graben die Räder ihre tiefen Furchen in den nachsacken­den lofen Sand. Ein mühseliges Stück Arbeit, doch was tut man als Arbeits- und Erwerbsloser nicht alles, um im Elend nicht gänz­lich zu versaden und wenigstens zeitweise eine halbwegs warme Stube sein eigen zu nennen.

Droben setzt sich der Stadtbahnzug in Bewegung. Bon seinen Fenstern aus kann man die Anfahrtsstraße verfolgen, die zu der Bodenerhebung führt. Der Volksmund hat sie bezeichnenderweise

Arbeitslose auf der Torfsuche.

Bobtenstraße benannt. Doch ist der dahinter liegende obten en miniature" nicht eine natürliche Hügelreihe in der Norddeutschen Tiefebene, sondern ein künstliches Gebilde. Auf jener Anfahrtstraße brachte eine fleine lärmende und qualmende Lokomotive in den Jahren von 1925 bis 1929 Tag für Tag einen Lorenzug um den anderen heran, gefüllt mit Sand aus dem Labyrinth der Bau­schächte, in denen heute die jüngsten Linien der Berliner   Unter­grundbahn verkehren. Kipplore um Kipplore ergoß ihren Inhalt in den Rummelsburger See. Seerosen, Röhricht und Schilf wurden verschüttet. Berängstigt flüchtete die Vogelwelt aus der bisherigen paradiesischen Abgeschiedenheit dieses Naturidylls. Bald lagerte fich über den Pflanzenmodder der Druck von tausenden und abertaufen­den von Zentnern Sand, Kies und Steingeröll. Als dann die Stadt Berlin   den Sandbelag teilweise zu Bauzweden an der Südseite nach mehrjähriger Bause abhob, hatte sich der moorige Untergrund, wie die zutage tretende Sohle zeigte, unter dem gewaltigen Drud der lagernden Sandmassen fest vertorft.

Was Menschenkraft und Menschensinn in den vorangegangenen Jahren rücksichtslos und willkürlich an Naturschöpfung zerstört hat, das hatte die ewig schaffende Natur in ihrem Schoße umgebildet und sie bietet es dem Erwerbslosen als willkommene Gabe.

Ein Tag der Brände!

Propellerfabrik in Waidmannslust   in Flammen.

In den gestrigen Nachmittagsffunden herrschte bei der Berliner  Feuerwehr   Hochbetrieb. Aus den verschiedenen Vororten liefen faft zur gleichen Zeit mehrere Alarme ein und in einem Zeitraum von tnapp einer Stunde waren etwa ein Duhend Löschzüge unterwegs. Der gefährlichste Brand entstand in den frühen

Nachmittagsstunden in der Propeller- und Möbelfabrik der Firma Schwarz am Oraniendamm in Waidmannsluft.

Bei der Arbeit sprang von einer Schleifmaschine ein Funke auf Hobelspäne über. Im Augenblick stand ein Teil des Betriebes auch schon in Flammen. Der Brand griff mit großer Schnelligkeit um sich und die Arbeiter hatten gerade noch Zeit, um fich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Mehrere Löschzüge eilten auf den Hilferuf an die Brandstelle und mit drei Schlauchleitungen wurde die Bekämpfung des gefährlichen Brandes aufgenommen. Leider konnte nicht verhindert werden, daß ein Vorratsraum, in dem größere Mengen Flugzeugpropeller lagerten, ein Raub der Erst nach zweistündiger angestrengter Lösch tätigkeit war die Hauptgefahr beseitigt. Der Schaden wird auf etwa 20 000 m. beziffert.

Flammen wurden.

Waldbrand in Tegel  .

Durch das anhaltend trockene und heitere Wetter der letzten Tage hat sich für die Waldgebiete in der Umgebung Berlins   die Feuersgefahr start erhöht. Allein gestern mußte die Feuerwehr zehnmal ausrücken, um Waldbrände zu bekämpfen. In den meisten

noch unbekannter Ursache ein Bootshaus in Brand. Zahlreiche Boote wurden vernichtet. Die Spandauer   Feuerwehr vermochte trotz großer Anstrengungen wenig mehr zu retten.

Brennende Wohnlaube.

Gestern, spät abends, entstand in der Laubenkolonie Marien­

dorfer Weg in Briz ein Schadenfeuer, das eine Wohn­laube vollkommen einäscherte. Die Ausdehnung des Feuers auf benachbarte Lauben konnte glücklicherweise verhindert

werden.

Strafanträge im Schultheiß- Prozeß.

Oberstaatsanwalt Sturm stellte nach Schluß seines Plädoyers die Strafanträge gegen das frühere Generaldirektorium der Schult­ heiß- Brauerei  . Gegen ka kenellenbogen wurden wegen Bilanzverschleierung, Untreue und Prospettbetruges ein Jahr jechs Monate Gefängnis und 50 000 Mart Geld­strafe beantragt, gegen Penzlin   wegen Bilanzverfchleierung und Prospektbetrug fieben Monate Gefängnis und 20 000 Mart Geldstrafe. Wegen Bilanzverschleierung wurden gegen Dr. Sobernheim vier Monate Gefäng­nis und 10000 Mart Geldstrafe, gegen uhlman 3 wei Monate Gefängnis und 10 000 Mark Geld. Strafe und gegen Funke 20 000 Mart Geldstrafe beantragt.

Fällen konnte die Gefahr schnell beseitigt werden; in Tegel   da Devisenschiebung Berlin  - Amsterdam  .

Verhaffung am Kurfürstendamm.

gegen mußten unweit des Schießplages fünf Löschzüge und zahlreiche Waldarbeiter eingesetzt werden, um wertvollen Hochwald vor der Vernichtung zu schüßen. Insgesamt brannte ein Gebiet von etwa zwei Quadratkilometern. Das Unterholz fiel den Flammen zum Opfer. Der Hochwald konnte gerettet werden. Nachdem das Feuer durch Aufwerfen von Gräben eingefreist war, wurde aus dem Tegeler Forst eine zweite Brandstelle gemeldet. Diesmal brannte es nordwestlich der Sendestation. Eine große Rauchsäule kennzeichnete weithin, die etwa 20 000 Quadratmeter um­fangreiche Brandstelle. Auch an dieser Stelle hatten drei Lösch- festgenommen werden. Er wird dem Untersuchungsrichter des Land­züge stundenlang mit den Löscharbeiten zu tun.

Am Pichelssee in Pichelsdorf geriet gestern mittag aus

Bon Beamten der Zollfahndungsstelle Berlin   wurde gestern der Direktor£. Ringwald am Kurfürstendamm   wegen Bergehens gegen das Devisengeseh verhaftet. R. hatte in Verbindung mit dem Direktor einer Amsterdamer Bank Schiebungen mit Vor­zugsaktien vorgenommen, bei denen es sich um Werte in Höhe von 800 000 m. handelte. Während es dem Holländer gelang, noch rechtzeitig über die Grenze zu kommen, konnte R. ganz überraschend gerichts 3 vorgeführt werden.

Es war aufgefallen, daß der Mann am Kurfürstendamm   ein großes Haus führte und in häufiger Reihenfolge die Besuche von

Donnerstag, 3. März 1932

Ausländern empfing. Die Beamten der Zallfahndungsstelle stellten den Direktor und seinen Kreis unter Beobachtung. Dabei ergab es sich, daß der Direktor einer Amsterdamer Bank, Hauser, ein regelmäßiger Gast war. Der Holländer kam nach Berlin   und über­brachte R. Vorzugsaktien der Deutschen Reichsbahn  . Die auch in Berlin   notierten Summen erhielt der Holländer und verschwand damit wieder nach Amsterdam  .

Berlins   Eiserne Front.

Glänzende Versammlungsberichte aus allen Bezirken.

-

Auch gestern wieder hat die Eiferne Front den Berlinern gezeigt, daß fie in Einmütigkeit auf der Wacht steht, um den An­sturm des Faschismus abzuwehren. Im Tiergarten und im Wedding  , in Kreuzberg   und in Spandau  , in Zehlendorf   und in Schöneberg  , in Neukölln und Pankow  , in Treptow   und Baumschulenweg   überall veranstalteten Sozialdemokraten und freie Gewerkschaftler, Reichs­bannerkameraden und Sportler öffentliche Kundgebungen, die überfüllt waren und zum Teil polizeilich gesperrt werden mußten. Mancher het deshalb leider umsonst den Weg gemacht. Er möge fich damit trösten, daß gerade dieser Majjenandrang ein Beweis für den entschlossenen Kampfwillen der deutschen   Republi­faner gegen Hitlers   Braunes Haus   ist. Die Redner, u. a. Surf Heinig und Luife Kähler, Maderholz, Otto Meier   und Brandes, Dr. Mofes, Friedländer, Urich und August Niemann, Künstler und Goti­furcht, Jodel, Meyer und Snell, wurden immer wieder von stürmi­ichem Beifall unterbrochen. Ueberall wirkten die Freunde vom Reichsbanner und die Genossen der Arbeiterjugend begeistert mit. Die Berliner   Arbeiterschaft hat die Notwendigkeit der Stunde klar erkannt: wir müffen Hitler   schlagen, deshalb wählen wir Hindenburg  !

Bierstreif am Ende.

Heute Verhandlungen mit Regierung und Magiftrat.

Die Lokalfommission der Gastwirtsvereinigungen Groß- Berfins beschloß gestern abend gegen 11 Uhr nach einer ziemlich erregtea Bersammlung in den Räumen der Industrie- und Handelskammer, den ihr angeschloffenen Berbänden die Einstellung des Bier­streits mit Rücksicht auf die durch Vermittlung der Industrie. und Handelskammer in Aussicht gestellten Berhandlungen mit den Regierungsstellen und auf Grund der vom Reichs­finanzminister gemachten Zujagen auf Senkung der Biersteuer zu empfehlen.

Wie es heißt, ist in den Besprechungen, die die Handelskammer mit dem Reichsfinanzministerium gehabt hat, eine Senkung der Bier­steuer um 7 Mart zugesagt worden, außerdem soll über eine Er­mäßigung der Schankverzehr- und Luftbarkeitssteuer verhandelt werden. Die Verhandlungen finden heute mittag um 12 Uhr in der Industrie- und Handelskammer unter Borsitz von Präsident Gelpke statt. Die Regierung wird durch einen Vertreter des Reichsfinanz­ministeriums und den preußischen Handelsminister Dr. Schreiber vertreten, außerdem dürfte als Vertreter des Magiftrais der Stadt­fämmerer Dr. Asch, der besonders an der Schankverzehr- und Luft­barkeitssteuer intereffiert ist, feifnehmen. Für das Gastwirtsgewerbe ist eine Kommission aus sieben Vertretern gebildet morden, der Syndifus Dr. Hampe, Litfin, Lücke, Zöllner, Geisthardt, Eschtruth und Dumstren angehören.

Nationalsozialistische Erpressung.

Sie erfolgt mit deutschem Gruß und Heil Hiller". Uns liegt ein Flugblatt vor, das in Falkensee   im Orts­teil Finkenkrug verteilt worden ist. Es ist unterzeichnet: Mit deut­schem Gruß und Heil Hitler, gez. Kühle, Sturmführer R. 120/ V/ 24." Wir entnehmen dem Flugblatt diese Säße: ,, Auch Sie haben die Pflicht, wenn Ihnen an Arbeit, Brot und Sicherheit etwas gelegen ist, die Reihen der SA. und SA.- Reserve zu stärken und hierdurch dem Vaterlande zu dienen und sich selbst zu schützen. Wer trotz dieses legten Appells noch fernbleibt, wer nicht mithelfen will, bessere Zu­stände zu schaffen, und es vorzieht, mit der Pfeife hinterm Ofen zu figen, der ist gegen Deutschlands   Erneuerung und damit auch gegen

uns. Es werden Zeiten tommen, wo es Sie reut, und Sie Ihrer Gleichgültigkeit wegen oft die Augen zu Boden senken werden. Wenn die Freiheitsfahne über Deutschland   weht, dann werden wir alle Männer mit gesunder Faust, deren Namen in unserer Liste unauffindbar ist, fragen: Und wo warst Du? Was hast Du getan zur Befreiung Deines Volkes?"

Dieses Flugblatt der Nationalsozialisten ist eine Bedrohung

und Erpressung zugleich. Man droht mit dem nahen Kommen

des phantastischen Dritten Reiches, um an das Portemonnaie ängst­licher Leute zu appellieren. Die ganze Verlogenheit des Flugblattes zeigt sich darin, daß man die gefürchtete ,, Eiserne Front" bis zur Kommunistischen Partei einschließlich reichen läßt. Jeder Einsichtige weiß, daß die Kommunisten in der Sozialdemokratie, die den Haupt­bestandteil der Eisernen Front bildet, den bekämpfenswertesten Feind sieht.

Weiter lesen wir: ,, Machen Sie alle gefunden Fäust e für diesen lehten Appell( der SA. Red.) mobil." Gesunde Geister wären ja in der Tat auch nicht mobil zu machen. Der Schluß des Schreibens fündet eine Hausbettelei mit den Worten an: Ein Vertrauensmann wird in den nächsten Tagen mit einer Liste um ein Scherflein für den Altar Deutschlands   bitten."

"

Erpressung und Bedrohung und Appell an die gesunden Fäuste das ist ein Altar, der zwar nicht Deutschlands  , wohl aber der Nationalsozialisten würdig ist!

JUNO 4620%