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Erich Gottgetreu:

Heine über das Goethe- Jahr

Wie in Frankfurt für ein Goethedenkmal gesammelt wird, tommt einer mit der Subscriptionsliste auch zu Rothschild. Roth­ schild beugt sich vom Schreibtisch auf, sieht über die Brillen­gläser und fragt sachlich seinen Prokuristen: War der Ma it it Kunde von uns?" Alte Anekdote.

In den Bahnhofsbuchhandlungen ficht man jetzt schon eine Broschüre: Was jeder von Goethe wissen muß. Das wird nun langsam zu viel, und das wird nun noch schlimmer werden, eben ein richtiger Rummel Es ist daher wohl nicht unangebracht, einmal an das hübsche Sonett zu erinnern, das Heinrich Heine schrieb, als die Frankfurter ihrem großen Sohn ein Denkmal er­richten wollten:

Hört zu, ihr deutschen Männer, Mädchen, Frauen, Und sammelt Substribenten unverdrossen;

Die Bürger Frankfurts haben jezt beschlossen:

Ein Ehrendenkmal Goethen zu erbauen.

Zur Meßzeit wird der fremde Krämer schauen" So denken sie ,, daß Wir des Manns genossen, Daß Unserm Miste folche Blum' entsproffen,

Und blindlings wird man uns im Handel trauen."

O, laßt dem Dichter seine Lorbeerreiser,

Ihr Handelsherrn! Behaltet euer Geld.

Ein Denkmal hat sich Goethe selbst gesetzt.

Im Windelnschmuß war er euch nah, doch jetzt

Trennt euch von Goethe eine ganze Welt,

Euch, die ein Flüßlein trennt vom Sachsenhäuser !

fratisch zu, Goethe schien dadurch in seiner Eitelkeit etwas verletzt zu sein: und das war der Grund, weshalb er sich ablehnend verhielt, als ihn die Frankfurter im Jahre 1829 zum Ehrenbürger ernennen wollten. Aber auf diese Tatsache kann sich Heines im Jahre 1822 geschriebener Brief nicht beziehen.

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Festzustehen scheint, daß sich seinerzeit ein hochweiser Rat der Stadt Frankfurt nicht ganz geschickt benommen hat. Aber hat denn Heine, der Goethe sehr verehrte und erst etwas zurückhaltender wurde, nachdem er merkte, wie negativ ihn der Alte von Weimar beurteilte hat denn Heine im rechten Augenblick das rechte Wort gefunden? Er selbst erzählt über die denkwürdige Begegnung mit dem großen Kollegen: Ich hatte in so manchen langen Winter­nächten darüber nachgedacht, wie viel Erhabenes und Tiefsinniges ich dem Goethe sagen würde, wenn ich ihn einmal sehe. Und als ich ihn endlich sah, sagte ich ihm, daß die sächsischen Pflaumen sehr gut schmedten. Und Goethe lächelte..."

Walther Appelt: Der Gipskopf

Da machen se eine Briehe midn Geedhe. Fr was dn eegendlich? Nu, weilr hundert Jahre dohd is.

Wenn mier mal hundert Jahre dohd sinn, da kräht lee Hahn mehr nach uns.

Mier sinn doch ooch nich so beriehmt. Mier schdehn doch ooch nich in dr Lidderadurgeschichde. Unn was Bedeidendes geleidet hammr ooch nich.

Un Geedhe?

Heine zitiert dieses Sonett auch in seinem Berliner Brief" vom 16. März 1822 und bemerkt an dieser Stelle noch: Der große Mann machte, wie bekannt, allen Diskussionen dadurch ein Ende, daß er seinen Landsleuten mit der Erklärung: er sei| tenn'?! gar fein Frankfurter das Frankfurter Bürgerrecht zurückschickte."

Die Sache scheint sich aber doch etwas anders abgespielt zu haben. Daß Goethe zu seiner Vaterstadt große Liebe empfand, ist unbestreitbar; nicht zuletzt beweist er diese Liebe in dem wunder­vollen Denkmal, das er ihr in Dichtung und Wahrheit " setzt. Ob er sich selbst dafür ein steinernes Denkmal wünschte? Nun, er war nicht uneitel; sooo göttlich war er nun wieder nicht aber: er war doch auch wieder flug genug, in den Zahmen Xenien" zu schreiben:

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..3u Goethes Denkmal, was zahlst du jetzt?" Fragt dieser und jener, jener und der hätt ich mir nicht selbst ein Denkmal gesezt, Das Denkmal, wo fäm es denn her?"

Wenn aber Goethe Wert auf die Erklärung legte, daß er ,, gar fein Frankfurter " sei, so geschah dies, soweit wir diese Dinge heute noch feststellen können, in anderem Zusammenhang: man hatte Goethe nach dem Tode seines Onkels, des Schöffen Tegtor, das Ratsherrenamt angeboten, das Goethe aber ablehnte, eben weil er damals schon ,, Auswärtiger", zu sehr mit Weimar und dem Herzog Karl August verbunden war. Goethe berichtet über die Sache in der ,, Campagne in Frankreich" am 29. Oktober 1792; er nennt hier die ihm angebotene Stelle ,, ehrenhaft wirksam", ,, denn der süße Gedanke, an irgend einem Regiment Theil zu nehmen, erwacht gar bald in der Brust eines jeden Republicaners". In den Akten des Frankfurter Stadtarchivs ist über das Angebot nichts festgelegt, da es vermutlich nur gesprächsweise behandelt * worden ist.

السكو

Später legte Goethe noch aus einem sehr materiellen Grunde Wert auf sein Nicht- Frankfurtertum: er stellte im Jahre 1812 den bei seiner Wiederholung im Jahre 1817 stattgegebenen Antrag, aus dem Frankfurter Bürgerverband entlassen zu werden, weil er als Miterbe seines mütterlichen Vermögens sehr stark zur Steuerleistung herangezogen wurde. Bei der Entlassung aus dem Bürgerverband ging es aber offenbar recht formell und büro­

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Amr erlaum Se mal! Sie schein' Geedhe iewrhaubt nich zu Nadierlich kenn' ichn. Gans genau. Den Gibbstobb.

Bie nem' Sie unsern greeßden Dichder? Enn Gibbstopp? Sie, lassen Se das niemanden heern. So eine Reschbefdlosigkeit! Ae Werk wie dr Faust werd filleicht in daufend Jahrn nich wieder geschriem!

Das is doch ooch nich needj. Ich habb da nischt dran ferlorn. Mier is dr dägliche Leidardikel im Ahmdbladd wichdjer wie de ganse deidsche Lidderadur. Ob se nu fon Geedhe is oder fon een andern folchn Gibbskopp.

Gie, jetzt werds mir awr zu dumm! Im Nahm' dr deidschen Nazzjohn frbidde ich mir das, daß Sie unsern erhahmnen Dichder­fürschden nochmal enn Gibbskopp nenn'! Ferschdanden?

Was heeßt ferschdanden? In mein' Dogen is un bleibdr eener. Un wenn Se's nu nochmal sagen, da nemm ich Ihn' das berseen­lich ieml.

Da gibbds doch nischt iewlzunemm. Komm' Se doch mal mit zu uns in de guhde Schduhme, da kenn' Se'n schdehn sehn offn Ferdikoh, den Gibbstobb. Da schdeht der nämlich seit zwansj Jahrn mit sein' finsdern Gesichd unn seiner Kinsdlermähne.

Was reden Sie da?! Geedhe soll enne Kinsdlermähne hamm unn enn finsdern Blick?

Jawohl. Unn aus Gibbs isfr. Unn im Lauf dr Jahre ä bissc grau geworden, fon Schdoob. Das war nämlich ä Hochzeidsgeschenk. Awr enn finsdern Blick hat Geehde nich, un oooch keene Kinsdler= mähne. Mißden Sie das filleicht mit Beedhofen ferwechseln? Beedhofen? Sie der Name kommt mir bekannt for. Un off den dähde das wohl zutreffen?

Ja, der werd meist so dargeschdellt.

Nu, da werd das schon so finn, wie Sie fagen. Dranschdehn duhds nämlich nich, wer der Gibbstobb finn soll. Awr urschbringlich warns ihrer zwee'e. Unn daß eener drfon dr Geehde war, das weeß ich beschdimmt. Awr dann war das ähm dr andre, der is uns mal rundergefalln und doddahl kabuddgegangn. Na meindwegen. Gibbs­fobb is Gibbsfobb. Unn wenn ſe uns damals was Brakdischeres geschenkt hädden, filleicht enne Kaffeemiehle oder enn Scheiereemer, da hädden mier uns sowieso mehr driewer gefreit.

Da schein' Sie ja nich fiel Kuldur in Leiwe zu hamm ! Wieso denn? Sinn das bei Ihn' filleicht teene Kuldur= gegenschbände: enne Kaffeemiehle unn ä Scheiereemer?

Ein Ring

Mächtliche Szene/ Von Gerdland

ist ein Ballhaus für Portofasse- und Klassemänner mit Kazenellen­bogenfreiheit, für unbefriedigte, johannistriebbesessene Damen wie für fleine jämmerlich herausstaffierte Nutten, für bebauchte Grün­hütler und hungrige Gigolos.

Von der Galerie herab ruft eine Kodderschnauze dem Smoking­mann zu: ,, Määnsch, du hast woll mit Reißnäjels jejurjelt! Määnsch bistuuu heiser! Duuu, meder dir man aus, oller Meckeraujust!"

Ein Smokingmann mit zerhauener Preisborervisage steht auf, und dem Aroma aus foftbaren und billigen Parfüms. Denn das dem niederen Podium, auf dem in wenigen Sekunden das Damen­rabrennen fortgesetzt wird. Drei Mädchen in verschiedenfarbigen Blusen und Höschen sizen startbereit auf den Rädern... Das find sogenannte Tretapparate, die auf Rollen aufmontiert sind, die ihrerseits mit einem großen Tachometer im Hintergrunde verbunden find, dessen Zeiger, in den Farben der Kostümierung dieser drei Mädchen, die zurückgelegte Kilometerzahl anzeigen Es ist ein Radrennen auf dem Fleck, das von der findigen Direktion des Ber­gnügungshauses als Sechstagerennen der Bildschönen mit original Sportpalaststimmung" plakatiert worden ist. Es ist nicht uninter­essant, daß tatsächlich die meisten Prominenten des deutschen und amerikanischen Radrennsports, die Meisterschaftsfahrer Lewanow, Sawall, Ehmer und Kroschel, im Anfang ihrer Laufbahn diesem Sport gehuldigt haben und derartige Hobeltretapparate zweifellos zum Training benutzen. Das hier hat jedoch mit Sport nicht das mindeste zu tunt

Der Smokingmann stellt die Damen vor. Er betont, daß Prämien für die einzelnen Spurts dankend angenommen werden. Die Musit, die schmetternd die drei Etagen durchtofte, schweigt, die im Tanz verkrampften Paare halten inne. Die Tischtelephone und die Saalrohrpost ist außer Betrieb! An den Brüstungen ballt sich eine Wirrnis aus jungem und welkem Fleisch, Seide, Schmuck und Gier. Der kochende Atem, der Dunst aus Schminkefett und Schweiß vermengt sich mit dem Tabaksqualm, mit Alkoholdämpfen

Mexiko spricht zu uns...

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Schallplatten und ein Bericht

Die Merikaner sind kein einheitliches Volk. Der dritte Teil der Bewohner Merifos find noch Indianer, die Hälfte etwa Mischlinge, der Rest Zugewanderte. Die moderne Zivilisation wurde von Spaniern, die nach der Eroberung des Landes die alte, hochent­wickelte Maya Kultur ausrotteten, und von den geschäfts­tüchtigen Amerikanern ins Land gebracht. Dort, wo die Verkehrs­straßen abseits liegen, hat sich noch alte indianische Heimat erhalten; dort gehört der Mensch noch zum Boden, den er bestellt, wie ihn seine Bäter bestellten. In seinem Roman Die weiße Rose " erzählt B. Traven von solcher indianisch- merikanischen Heimat, die dem Goldhunger der Amerikaner zum Opfer fällt, aber erst, nachdem durch einen Mord der Besitzer Hacinto beseitigt ist, den gute amerikanische Dollarscheine nicht zur Hergabe seines Bodens überreden konnten. Ich kann die Hazienda nicht verpachten", sagt er dem Agenten. Ich habe fein Recht dazu. Mein Vater hat sie auch nicht verpachtet. Auch nicht mein Abuelo, mein Großvater. Auch nicht dessen Vater. Ich muß sie behalten für die, die nach mir fommen werden. Die wollen auch essen. Und die müssen sie behalten für jene, die wieder nach ihnen kommen werden. So war das immer. Ich habe ja die Orangenbäume und die Nußbäume auch von meinem Vater bekommen. Hätte er teine gepflanzt, dann würde ich keine Orangen und feine Zitronen und keine Nüsse haben. Das ist nun eben so mit der Hazienda. Das können Sie doch ver­stehen, Senjor Pallares?" Nein, Senjor Pallares kann das nicht verstehen. Er hat keine Heimat; er kennt feine. Er steht im Dienst der amerikanischen Dil- Company, die auf der Weißen Rose " Petro­leum bohren will, das tausendfach mehr einbringt, als die Früchte der Orangen- und Nußbäume, die jetzt dort wachsen. Er kennt feinen anderen Maßstab für die Werte des Lebens als den, der sich in den Zahlen eines Bankkontos ausdrücken läßt. Hacinto ist verrückt", sagt er im Büro seiner Company.

"

"

Wenn ich auch einst vermelken muß,

Weiße Rose , du sollst blühen,

Ilno mein letter Lebenshauch Ist für dich mein Abschiedskuß."

Das Lied der Hazienda, dessen schwermütig schöne Melodie ebenso wie der Text vor Generationen die Huldigung eines Uns bekannten für die Heimat darstellte, ist indianischen Ursprungs. Es ist ein Lied, das heute noch in Merito gesungen wird, obwohl amerikanische und europäische Schlager diesen alten Liedern starte Konkurrenz machen. Die Kompositionen, die Merito in unserer

| Zeit hervorbringt, sind von diesen internationalen Melodien beein­flußt, weit stärker in vielen Fällen als von dem Kulturgut der alten Volkslieder. Aber das Volk singt diese Lieder aus der Vergangen­heit noch und schafft in ihrem Stil neue.

Die Spottlieder, mit denen die Vorfahren sich freund­schaftlich nedten, werden heute auf die" Gringos", die Amerikaner, gedichtet. Der verliebte Jüngling bringt auch heute noch seiner Angebeteten ein wohlflingendes selbst gedichtetes und komponiertes Ständchen. Wo der Boden noch nach der Väter Weise bewirt­schaftet wird und die Berührung mit den Fremden gering ist, hat sich ein reicher Schatz alter Lieder lebendig erhalten, die vom länd= lichen Leben und von ländlichen Sitten erzählen. Dort werden auch noch die alten Tänze getanzt, die indianischen, bei denen Männer oder Frauen allein tanzen, oder die späteren merikanischen, die von ihnen gemeinsam ausgeführt werden, aber ohne daß die Partnerin dabei umschlungen wird. Nur mit werbenden Gebärden wird sie vom Manne umtanzt.

So sehr lebt noch im Innern des Landes das europaferne Gestern, daß auch die drastischen Sitten der Vergangenheit bei be­stimmten Zeremonien in unserer Zeit noch treu befolgt werden. Der Anwärter für den Häuptlingsposten muß seine Qualitäten dafür beweisen, indem er in einer Konkurrenz Sieger bleibt, bei der es gilt, möglichst lange mit dem nackten Hinterteil über einem glühenden Kohlenstoß auszuhalten. Es ist nicht abzustreiten, daß er damit zeigen kann, daß er die Häuptlingseigenschaften, Ausdauer und Hartnädigteit, in ausgiebigem Maße befigt und daß er fein Weichling ist. Eine andere Sitte, die bisweilen recht gefährliche Folgen hat, hat sich ebenfalls erhalten, obwohl die Regierung alles mögliche zu ihrer Unterdrückung tut: die des Magueyrausches. Das Gift dieser Pflanze wirkt in kleinen Mengen erheiternd, im lebermaß genossen löst es aber Raserei aus, die zur Mordwut wer­ben kann. Die Indianer sollen es früher genossen haben, wenn sie gegen Feinde zogen.

In einem Rundfunkvortrag erzählte der Lektor der Bücher gilde Gutenberg, Erich Knauf , fürzlich einiges von diesen alten merikanischen Sitten, von denen Traven auch zum Teil in seinem Land des Frühlings" berichtet. Für diesen Rundfunkvortrag hatte Land des Frühlings" berichtet. Für diesen Rundfunkvortrag hatte Traven aus Mexiko Originalaufnahmen von Bolts liedern gesandt, die vor dem Mitrophon gespielt wurden. Ein liedern gesandt, die vor dem Mikrophon gespielt wurden. Ein Stück von der Welt, die seine Wahlheimat geworden ist, und die. er immer wieder mit soviel Liebe und Verständnis in seinen Büchern schildert, wurde lebendig.

Trude E. Schulz.

Es ist weit nach Mitternacht. Die Stimmung ist bis zur Siede­hijze gestiegen. Ein schmißverzierter Jüngling schlägt auf den Tisch, daß die Gläser im Umkreis zittern und beginnt ein Sauflied zu gröhlen... Die Oberkellner und die Bagen, die angeladten Bar­mädchen und die prozentualen Animiermaiden tragen ein ein­gefrorenes Lächeln vor sich hin, sie sind hundemüde...

Der Smokingmann vermerkt die Prämien: eine Schachtel Ziga­retten und eine Flasche Sekt und eine Bonbonniere und fünf Mark und so weiter. Und dann geht es los. Die Kapelle intoniert den Sportpalastwalzer. Zwei Finger im Mund, den Hausknochen.can den Lippen pfeift man mit. Die armen Geschöpfe da oben, das grobknochige, das zartgliedrige und das Mädchen mit dem email­lierten Puppengesicht, beginnen zu treten, zu trampeln, zu schwitzen. Es ist ein trostloser Anblick. Schiebung"-Rufe erschallen, Zoten fliegen, sadistische Lust tobt sich aus.

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An der Seite der Manager im Smoking verkündet durch sein Megaphon die neu gestifteten Prämien! Seine stoßheisere Stimme dringt mit einem unüberbietbaren Kräfteaufwand durch das Schmettern der Musik, durch das Schleifen der Tanzenden, durch den Trampellärm der drei Bildschönen mit den verzerrten Ge­sichtern, mit den krebsroten Körpern, mit der rinnenden Schminke und dem rinnenden Schweiß, mit den keuchenden Lungen in dieser Beſtluft.

Die Apparate fnattern auf den rasenden Rollen, die Zeiger bewegen sich vorwärts.

Ein feister Spießer, umgeben von mehreren ausgehungerten, grell gestrichenen Mädchen, der an diesem Abend den besonderen Wunsch geäußert hat, die Fahrerinnen sollten barfuß tanzen( sie tanzten dann tatsächlich auf Strümpfen mit den Eintänzern über das Parkett!!!), ein feister Spießer hat wieder etwas gestiftet. Und gleich darauf ertönt auch die Stimme des Managers: Ein echt goldener Ehering der Siegerin!"

Tobende Lache heult auf

Ein Ehering der Siegerin! Haha, föftlich! Zum Schreien, komisch! Haha, hihi!

Die Siegerin..., das ist die zartgliedrige Kleine mit den dunklen Augen, die so gar nicht zu dem frech einladend geschminkten Mund passen. Die Siegerin..., das ist die Kleine, der Not und Verzweiflung aus diesen Augen schreien.

Ich spreche mit ihr. Aber zwischen den belanglosen Worten und Säßen klingt und schluchzt etwas auf, das sagt mir: Glaube mir, nicht für mich opfere ich hier meine Gesundheit, glaube mir, nicht für mich sehe ich mich dem Hohn dieser entfesselten Menschen

aus

H

Vielleicht tut fie das hier für ihr Kind, für ihren Mann! Ich weiß es nicht. Will auch nicht fragen. Schon ist sie, die in diesem Spurt eine Flasche Sett, Zigaretten, Schokolade, Geld und einen Ehering gewonnen hat, von einer kleinen Menschenwoge fortgespült.

Ich sehe noch den feisten Mann mit dem vom Seft geröteten Geficht sich aus der Klette der hungrigen Mädchen lösen und auf die Schmale, Schlanke mit den sanften Hüften zugehen, um sie auf die aus dem Tragen dieses Utensils erwachsenden Verpflichtungen aufmerksam zu machen..

Dann gehe ich,... fliehe.

...

Rundfunkempfang auf Kamelshöder. Die Wüstenwanderer, die auf den Kamelen durch die unendlichen Sandweiten ziehen, brauchen sich jetzt nicht mehr über Langeweile zu beklagen: Der Rundfunk versorgt sie mitten in der ungeheuren Einöde mit den neuesten Nachrichten und allerlei Unterhaltung. Ein mohammedanischer Ge­lehrter, der fürzlich von einer langen Reise durch die abgelegenſten Gegenden Arabiens nach Aden zurückkehrte, überraschte seine Freunde dadurch, daß er über alle Ereignisse während seiner Ab­wesenheit auf dem laufenden war. Als man ihn fragte, wodurch er so gut unterrichtet sei, erwiderte er: Natürlich durch den Rundfunk." Er erzählte dann weiter, daß die Beduinen der Arabischen Wüste nicht nur Empfangsapparate an den Brunnen aufgestellt haben, an denen ihre gewöhnlichen Haltepläge liegen, sondern daß viele von ihnen Rundfunkgeräte auf den Höckern der Kamele angebracht haben, so daß sie während ihrer Fahrten auf dem Schiff der Wüſte" die Rundfunkprogramme der nächstgelegenen Sender hören fönnen,