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Beilage

Dienstag, 8. März 1932

wohltätige Folgen

So erzieht man eure Kinder, Frauen!

Die Zuschrift, die wir hier veröffentlichen, stammt von einem Candlehrer. Die Fälle, die er aufführt, stehen nicht vereinzelt da. Bleibt die Frage, ob man sich die Verhebung der Kinder durch die Schule gefallen zu lassen braucht. Tie Reichsverfassung bestimmt ausdrücklich, daß die Erziehung in der Schule im Geiste der Bölkerversöhnung zu erfolgen hat. Wehrt euch also, Mütter, wenn man eure Kinder in der Schule verhetzt, beschwert euch und laßt nicht locker! Wenn wir in die Tage unserer Schulzeit zurückschauen, dann gedenken wir wohl auch mit einem leisen Schauder der Bücher, die unsere erste Schullektüre bildeten. Die moralisierenden Geschichten und Gedichte des Lesebuches steigen in der Erinnerung auf und die zahlreichen Schlachtenschilderungen und Kriegsgedichte des gleichen Buches. Im Schulbuch der Vorkriegs- und Kriegszeit fand die Militär- und Kriegsromantik jener großen Zeit" ihren stärksten Ausdruck: Die Schuljugend wurde vollgepfropft mit friegsfreund­lichen Ideen. Man sollte meinen, daß im Goethe- Jahr 1932, vier zehn Jahr nach dem schrecklichsten Kriege der Weltgeschichte, all diese friegshezerischen Dinge aus unseren Schulbüchern verschwun­den seien. Aber das ist ein Irrtum; nach wie vor ist die Kriegs­romantik eines der am häufigsten verwendeten Motive der Lese­buchgeschichten.

Seit Jahrzehnten sind Millionen von Kindern in Schule und Elternhaus zu dieser Anschauung erzogen worden: Krieg be= deutet nicht Schreden, Elend und Unmenschlichkeit, son­dern Glanz, Ruhm, Unsterblichteit. Der gesamte Geschichtsunterricht war auf diese Betrachtungsweise eingestellt. Ausführliche Schlachtengemälde, angewandte Strategie und Kriegs­taftit fennzeichneten ihn. Ebenso gewaltsam wurde und wird dem Kinde das Spielen mit Bleisoldaten und Kanonen aufgezwungen. Ein Spiel, das feineswegs so natürlich ist, wie viele Eltern glauben; das Soldatenspiel ist dem Kinde völlig wesensfremd und wird erst durch starke, von Erwachsenen ausgeübte Suggeſtionen zum Gegen­stand findlicher Sehnsucht. Ist es eigentlich nicht eine Ungeheuer­lichkeit, Kindern zu Weihnachten, dem Friedensfest, nachgeahmte Kriegsinstrumente, wie Gewehr und Säbel, zu schenken?

habenheit, daß davor Tod und Wunden und alle An­strengungen zurücktraten." Dieses Lesebuch ist noch heute an vielen Schulen in Geirauch.

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Nach wie vor enthalten Lese- und Realienbücher jene bekannten chauvinistischen Redensarten, die die Engländer als Bolk der Krämer", die Italiener als Volk der Kazelmacher", die Franzosen als das frivole" Bolt bezeichnen. Und noch immer ist Frankreich in den deutschen Schulbüchern der furchtbar dräuende Erbfeind", den wir siegreich schlagen wollen". Gedichte, die längst unzeitgemäß geworden sind, schüren den Rachegedanken gegen den welschen" Erbfeind. Jenes geschmacklose Gedicht Sedan ", das sich nicht scheut, im Blutrausch der Völkerschlacht" ein freudiges Ehre sei Gott in der Höhe" zu jubeln, das Lied von der Schlacht an der Kaybach, das für den Tod von Zehntausenden nur Sohn und Spott aufbringt( Fahrt wohl, ihr Franzosen, zur Oftfee hinab, und nehmt, Ohnehosen, den Walfisch zum Grab")," ühows Jagd" auf" französisches Henkerblut", tas triumphierend- gottes lästernde Mit Mann und Roß und Wagen, so hat sie Gott ge­schlagen", all diese friegsverherrlichende, völkerverheßende Poesie" nimmt noch heute einen breiten Raum ein in den Lesebüchern

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Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

unserer Schulen. Und demgegenüber nichts, das den Kindern Schrecken, Elend und Jammer jedes Krieges veranschaulicht.

Aber auch die für die Hand der Lehrer bestimmten Werte in den Lehrerbüchereien der Schulen lassen noch oft wenig von dem Geist der Völkerversöhnung, wie ihn Artikel 148 der Reichsverfassung erstrebt, merken. Im Hand- und Hilfsbuch für Lehrer, der deutsche Aussay in höheren Lehranstalten", er schienen 1927 und in zahlreichen Lehrerbüchereien vorhanden, findet man eine Disposition über das Aufsaythema: Der Krieg hat auch wohltätige Folgen". Da ist u. a. folgendes gesagt: Der Krieg ist ein Gegengift gegen die Wucher pflanzen des Friedens, wo der Rationalismus über den Idealismus siegt und alles erschlafft.(!) Die Kunst, namentlich Malerei und Poesie, erhalten großartige Gegenstände zur Verherr Der Krieg gibt Gelegenheit, Talente zu ent­lichung.(!!) wickeln; ohne Krieg wäre die Welt um manchen großen Mann ärmer.(!)- Mancher tätige Mann findet Gelegen­heit zu reichem Erwerb."( Siehe: Gegengift....")

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In dem als chauvinistisch verschrieenen Frankreich fämpft die Lehrerschaft seit Jahren für die Beseitigung aller friegshetze­rischen Schulbücher. Versagt die Behörde ihre Unterstützung, so werden derartige Bücher einfach boykottiert. Leider wird in Deutsch land die Schulbücherfrage längst nicht mit dem Nachdruck behandelt, den sie verdient. Vor allem fehlt es meist an der durchgreifenden Unterstützung der Schulbehörden, was oft daran liegt, daß Regierungs- und Schulräte selbst Herausgeber veralteter Schul­bücher sind und nicht gern auf erhebliche Nebeneinnahmen verzichten.

Frau und Wissenschaft

Wie wirkt sich das Studium der Frauen aus?

Erst seit einer Generation hat die Frau die Möglichkeit, sich| sie sind vielmehr ein Produkt des Berechtigungswefens wissenschaftlich zu betätigen. Es ist interessant, die Frage aufzu einerseits, der Wirtschaftskrise andererseits, die den Zutritt werfen, wie sich diese Befreiung der Frau in der Wissenschaft be­in die praktischen Berufe abriegelt oder doch um Jahre hinaus merkbar machte. Ein Urteil ist allerdings noch nicht möglich, da die Zeitspanne seit der Zulassung der Frau zum Studium nech viel verzögert. zu furz ist.

Der Weg der Frau zur Wissenschaft tommt in erster Linie zum Ausdruck in den rasch emporschnellenden Zahlen der weib

Und denfen wir einmal an die Lesebücher der Kriegszeit! Wie­viel menschliche Gemeinheit wurde da dem unverdorbenen Kinderlichen Studierenden an den Universitäten und sonstigen gemüt als heldenhafte Gesinnung gedeutet!

ten.

Ich erinnere mich eines Soldatenbriefes" in einem Lesebuch, in dem folgende Säße standen: Hei, da haben wir mit unseren Rarabinern dreingehauen, als gelte es, Klöße zu spal Hab auch viele Russenschädel zerschlagen! Hurra!" Mordgier statt Vaterlandsliebe! Hurrapatriotismus und Völkerhap das waren die Ideale, zu denen Millionen von Kindern erzogen wurden und noch werden! In Schroeders Landle sebuch für Ostpreußen findet man ein Gedicht Krieg" mit folgendem Refrain:

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" Ost und West in heller Blut,

Horch, es rauscht wie Krieg und Blut!

Herr! Das war der erste Schlag!

Wieviel Leiber der wohl brach! Kameraden, seid ihr da?

Lebe wohl, hurra, hurra!"

wissenschaftlichen Hochschulen( vor allem Technischen Hochschulen und Handelshochschulen). Während die ersten deutschen Studentinnen ihre Eramina noch im Ausland, häufig in der Schweiz , ablegen mußten, waren im Jahre 1914 bereits rund 3900 Frauen an den wissenschaftlichen Hochschulen Deutschlands eingeschrieben, die 4 Proz. aller Studierenden ausmachten; diese Zahl stieg bis zum Jahre 1930 auf etwa 175 000 14 roz. der Gesamtheit der Studierenden. Vor einem reichlischen Menschenalter legte die erste deutsche Frau nach regelrechtem Studium ihre Doftorprüfung an der Universität Berlin in theoretischer Physik und Mathematik mit dem Präditat ,, magna cum laude" ab. Seute erwerben in jedem Semester Sunderte von Frauen b Semester Hunderte von Frauen die Doktorwürde, im Verhältnis zur Gesamtzahl der weiblichen Studierenden ebenso viele mie männliche Studierende; und soweit sich aus dem bisher vor­liegenden Zahlenmaterial schon Schlüsse ziehen lassen, mit durch schnittlich dem gleichen Erfolg.

Die immer noch weiter ansteigenden Zahlen der weiblichen Und zwei Seiten nach diesem Erguß liest man in einem Kriegs- Studierenden, die an der Ueberfüllung unserer Hochschulen ganz bericht von General Ludendorff den nicht minder charakteristi- wesentlich beteiligt sind, sind allerdings nicht nur der Ausdruck eines schen Sazz: Die Schlacht war eine Höchstleistung des ruhm immer mehr zunehmenden Strebens der Frau nach wissenschaft reichen deutschen Heeres und von solcher Größe und Erlicher Schulung und Erkenntnis, ebensowenig wie beim Manne,

Das Schreckgespenst

Unbegründete Furcht vor Bevölkerungsverminderung

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Geburtenrüdgang und Bevölkerungsbewegung sind in den| Auf der anderen Seite ist eine langsame und fontinuierliche legten Jahren mehrfach Objekt düsterer Prophezeiungen geworden. Berbesserung der Lebenswahrscheinlichkeit in Form der Erhöhung Selbst angesehene Bevölkerungspolitiker äußern sich sehr pessimistisch. des Durchschnittsalters feit vielen Jahrzehnten festzu Abgesehen davon, daß sich der Kern des Problems bei einer 3iffer stellen. Noch im Jahre 1870 hatte im Durchschnitt jeder Deutsche von 6 Millionen Arbeitslosen verschiebt, wird zu untersuchen sein, nur die Aussicht, 35 Jahre alt zu werden. Innerhalb von 60 Jahren ob die Rechnungen der Pessimisten stimmen. Der Berliner Mathe hat sich das Durchschnittsalter und das ist selbstverständlich matifer und Statistiker Prof. Dr. R. v. Mises 3. B. tommt in eine Folge des hygienischen Fortschritts und der verbesserten Lebens der Zeitschrift Naturwissenschaften" zu dem Ergebnis, daß im bedingungen um nicht weniger als 22 Jahre erhöht. Eine Augenblick von einer Bevölkerungsabnahme nicht die Rede sein weitere Erhöhung ist unzweifelhaft auch für die Folgezeit zu er­fann, ja, daß im Gegenteil trotz Verminderung der Geburtenzahl warten. eine Bevölkerungszunahme bis zum Jahre 1945 auf 68 bis 70 Millionen für Deutschland zu erwarten ist, sofern nicht die gegenwärtigen schweren wirtschaftlichen Verhältnisse einen weiteren erheblichen Geburtenrüdgang im Gefolge haben. Alle bisherigen Untersuchungen über die Bevölkerungszu- oder abnahme unterschätzen fast durchweg die möglichen spontanen Alende­rungen. Der Krieg z. B. hat uns nicht nur 1,8 Millionen Tote getoftet, sondern außerdem noch eine Geburtenverminde rung von 3,5 Millionen im Gefolge gehabt, so daß die Menschen­verluste Deutschlands im Kriege insgesamt 5,3 Millionen betrugen. Diese ungeheure Lücke war bereits Ende 1920 durch einen gewaltigen Geburtenüberschuß ausgefüllt. Solche toloffalen Schwankungen fönnen also plößlich auftreten, und es ist durchaus wahrscheinlich, daß mit etwaigem Nachlassen der Wirt schaftskrise Eheschließungen und Geburten wieder stark zunehmen. Aber selbst, wenn man von solchen unvorhergesehenen Schwan fungen absieht, ist nach der Meinung von Prof. v. Mises fein An­laß zu Pessimismus. Zunächst einmal wird sich noch auf Jahrzehnte hinaus die Ueberalterung des deutschen Volkes für den Be­völkerungszuwachs günstig auswirken. Seit einigen Jahren stirbt in Deutschland jährlich nur jeder 85. Mann, während normaler= weise etwa jeder 57. sterben müßte. Diese abnorme 3iffer ist eine Folge des Krieges. Durch die Minderzahl der Geburten und durch die Frontverluste während des Krieges sind gerade diejenigen Altersklassen nach dem Kriege schwach besetzt gewesen, in denen die Sterblichkeit besonders groß zu sein pflegt: die Kinderjahre. Wenn also nur noch 12 Totesfälle auf je 1000 Lelende anstatt der zu er­martenden 18 entfallen, so ist das nicht ein besonderer Erfolg der Hygiene oder ein Beweis für einen besonders günstigen Gesund heitszustand, sondern lediglich eine Folge des Krieges.

Wenn man, wie das vor zwei Jahren der Oberregierungsrat im Statistischen Reichsamt Dr. Friedrich Burgdörfer ge­macht hat, der die Bevölkerungsbewegung für sehr weite Beiträume berechnete, so kommt man unter Zugrundelegung der gegenwärtigen Geburtenziffer allerdings schließlich zu einem Bevölkerungs­schwund". Es läßt sich nämlich aus der Absterbeordnung, wie das R. v. Mises eratt mathematisch nachgewiesen hat, ein Normal­wert, ein sogenanntes Geburtensoll berechnen, welches gerade wert, ein sogenanntes Geburten soll berechnen, welches gerade ausreicht, um den Bevölkerungsstand tonstant zu erhalten und die gegenwärtige Geburtenziffer liegt etwas unter diesem Normal­wert. Aber gegenüber der Burgdörferschen Folgerung weist R. v. Mises mit Recht darauf hin, daß es feinen Sinn hat, mit heute geltenden Zahlen Rechnungen anzustellen, die über zwei bis drei Jahrzehnte hinausreichen; v. Mises ist der Meinung, daß man vernünftigerweise Voraussagen auf höchstens 20 Jahre beschränken muß, und nach den in seinem Institut angestellten Berechnungen ist für die nächsten 15 Jahre wenigstens noch ein fontinuierliches Anwachsen der Bevölkerungszahl bis auf rund 70 Millionen zu erwarten. Was dann sein wird, können wir heute auch noch nicht annähernd übersehen, genau so wenig, wie sich im Jahre 1900 hätte voraussehen lassen, welche Gestalt die Absterbeordnung im Jahre 1925 annahm

Vorläufig ist also der Bevölkerungsschwund Deutschlands nur ein Schredgespenst für Nervöse. Ob in 20 Jahren Deutschland Geburtenül erschuß oder Geburtenmangel hat, das läßt sich ebensowenig voraussagen, wie die Frage, ob wirtschaftlicher Wohlstand oder wirtschaftliche Not herrschen wird. Wenn dann tatsächlich eine Geburtenverminderung in unerwünschtem Maße eingetreten fein sollte, so ist deren Bekämpfung die Sorge einer fernen unübersehbaren Zukunft. Dr. A. Wilhelm.

Sieht man sich die einzelnen Fakultäten auf ihren Anteil an weiblichen Mitgliedern an, so ergibt sich, daß er absolut und pro­zentual am größten in den historischen und philologischen Fächern der philosophischen Fakultät ist( 1928: 4300); darauf folgten im gleichen Jahre 2200 Studentinnen in der mathematisch- naturwissen­fchaftlichen Abteilung, 1900 Medizinerinnen, 1500 in den Fächern der Rechts- und Staatswissenschaften; die erstere Gruppe hat wohl ausschließlich, die zweite überwiegend das Ziel des Studien. rates. Diese Zahlen ergeben sich nicht nur aus besonderen weib­lichen Interefferichtungen, sondern spiegeln auch die praktischen Aus­sichten auf berufliches Fortkommen in den einzelnen Gebieten wieder. Es ist selbstverständlich, daß nicht alle diese Frauen zur Berufsausübung fonmmen; durch Heirat oder aus anderen Gründen scheidet ein großer Prozentsaz wieder aus; so gibt es in Deutsch land noch nicht 3000 Aerztinnen, obwohl gerade auch hier für die nächsten Jahre eine starte Zunahme zu erwarten ist. Berhältnismäßig gering ist die Zahl derer, die nach beendetem Studium wissenschaftlich weiterarbeiten. 58 weibliche Dozen ten lehren an deutschen Hochschulen( Universitäten und Technischen Hochschulen), worunter nur ein Ordinarius, aber 20 Privatdozenten sind. Den Stoffgebieten nach verteilen fie sich vor allem auf die Fächer der Naturwissenschaften und allgemeinen Medizin, der Philo logie und der wirtschaftlichen Staatswissenschaften und schließlich der Pädagogit. Weibliche Dozenten fehlen bisher für die theo logischen und die rein philosophischen Spezialfäher, ebenso für Geo graphie, Musit usw.

Die bisherigen Erfahrungen haben ergeben, daß die Frau fich im wissenschaftlichen Alltag und der wissenschaftlichen Klein. arbeit ebenso bewährt wie ihre männlichen Kollegen. Das Bild verändert sich allerdings sehr, wenn wir nach wissenschaftlichen Spigenleistungen von Frauen, nach ganz großen Entdecke rinnen und Erfinderinnen Ausschau halten. Da zeigt sich, daß es zwar zahlreiche geistvolle, hochgebildete Frauen von feiner Kultur man denke an Rahel Varnhagen und andere Frauen der Romantik, daß aber eigentlich große wissenschaftliche Leistungen von Frauen bisher nur in seltenen Fällen anzutreffen sind. Auf das Wert zweier bedeutender Frauen soll hier hingewiesen werden: auf die Entdeckung des Radiums durch Madame Curie und die Leistungen von Sonja Kowalewsky auf dem Gebiete der Mathematik.

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Die Russin Sonja Kowalewsky wird von ihren Lehrern geradezu als mathematische Urbegabung" bezeichnet. Um den engen, mit Vorurteilen belasteten Verhältnissen in ihrer adligen Familie und der politischen und sozialen Gebundenheit der Frau in Rußland in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu entgehen, schloß was damals aus diesem Grunde nicht ganz selten geschah- eine Scheinehe, um unter dem Schutz ihres Mannes über die Grenze nach Deutschland zu gehen, während sie als alleinstehende Frau unfehlbar wegen des Verdachts nihilistischer Umtriebe" zurück­geholt worden wäre. Sie studierte in Heidelberg ( u. a. bei Helm­hol) und vor allem in Berlin bei Weierstraß, der sie privat unterrichtete, weil sie an der Universität nicht zugelassen wurde. Sie promovierte zum Doktor an der Universität Göttingen und erhielt

1891 für ihre Arbeit ,, Ueber einen besonderen Fall des Problems der Rotation eines schweren Körpers um einen festen Punkt" einen Preis der französischen Akademie der Wissenschaften. Nach dem Tode ihres Mannes wurde ihr auf Grund ihrer mathematischen Leistungen eine Professur an der nicht allzulange vorher ge gründeten Universität Stockholm übertragen.

Eine der großen Deffentlichkeit noch bekanntere Leistung war die Entdeckung des Radiums durch Madame Curie , die aller­dings gemeinsam mit ihrem Manne erfolgte Diese Entdeckung er öffnete der Heilkunde das riesige Gebiet einer ganz neuen Strahlen­therapie- geradezu als Curie- Therapie bezeichnet und gab ihr damit ganz neue Heilmöglichkeiten, namentlich auf dem Gebiet der Krebsbekämpfung in die Hand. Frau Curie erhielt zweimal den Nobelpreis: im Jahre 1903 gemeinsam mit ihrem Manne, 1911 ein zweites Mal allein, nachdem es ihr gelungen war, das Radium rein herzustellen. Als ihr Mann im Jahre 1906 starb, übernahm Frau Curie seine Nachfolge im Lehramt der Univer sität und die weitere Forschungsarbeit im Pariser Radium­institut, der größten derartigen Forschungsstätte der Welt. Die Leistungen dieser Frau sind für die Wissenschaft und Praxis von unschägbarer Bedeutung geworden sie beweisen deutlich genug, daß auch eine Frau zu wissenschaftlichen Spizenleistungen durchaus befähigt sein kann. Dr. Hildegard Bernt.

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