Morgenausgabe
Nr. 119
A 60
49. Jahrgang
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Der Borwärts" erscheint wochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend". Jllustrierte Sonntagsbeilage Bolk und Zeit"
Freitag
11. März 1932
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Heute Lustgarten!
Aufmarsch der Eisernen Front
17½ Uhr spricht Aufhäuser
Wir marschieren alle!
Breslau , 10. März.( Eigenbericht.)
Die beiden Nationalsozialisten, die am Mittwoch pormittag den gemeinen Feuerüberfall auf den Breslauer Sozial demokraten Günther verübten, fonnten von der Breslauer Kriminalpolizei noch nicht ermittelt werden. Wahrscheinlich haben sich die Mordbuben zu Gesinnungsgenoffen aufs Land geflüchtet. Die bisher verhafteten acht Nationalsozialisten, die zu fammen mit den nach Gesuchten in der Uferstraße Flugzettel verteilten, verweigern der Polizei jede Aussage.
Die Annahme seiner zweiten Kandidatur zur Reichspräsidentenwahl hat Hindenburg unter anderem damit begründet, daß er Deutschland nicht sehenden Auges den Paffionsweg des Bürgerkrieges beschreiten lassen wolle. Mit diesem schlichten Wort hat er die innenpolitische Situation, die sich nach einem Siege der Rechten ergeben würde, treffend gekennzeichnet. Hätten in den letzten Jahren die bürgerlichen Berufspolitiker, die bei allen möglichen Gelegen heiten als ihrer politischen Weisheit legten Schluß ein Pat tieren mit den Nationalsozialisten empfahlen, diefelbe flare Erkenntnis vom Wesen und vom Machthunger der sogenann ten nationalen Opposition" besessen, dann stände das Ge spenst des Bürgerkrieges nicht in so bedrohlicher Nähe. Heute sind sich aber wohl alle politischen Kreise darüber im flaren, daß ein Sieg der Nationalsozialisten das Signal zu inner- Breslau , Genosse ma che, sprachen. Beide Redner rechneten aufs politischen Auseinandersetzungen sein würde, für die der Name Bürgerkrieg" leider teine Uebertreibung wäre.
Der Reichswehrminister Groener hat sich in den letzten Monaten wiederholt gegen das bloße Gerede vom Bürgerkrieg gewandt und auf den Schaden hingewiesen, den die fortwährenden Bürgerkriegsgerüchte nicht nur der öffentlichen Sicherheit, sondern auch der Wirtschaft zufügen. Ich bin darin mit ihm ganz einer Meinung. Gewiß hat die Wirtschaftsnot die Unsicherheit bedenklich vermehrt, gewiß hat die ungehemmte Heßpropaganda der Radikalen eine Bestiali tät in die politischen Auseinandersetzungen getragen, die deutlich erkennen läßt, bis zu welchem Grade sich der Zünd stoff bereits aufgehäuft hat.
Aber wo heute an irgendeiner Stelle der Versuch gemacht werden sollte, Bürgerkriegsdrohungen in die Tat umzusetzen, da würde dieser Bersuch sofort im Keim erstickt werden.
Die Machtmittel des Reiches und der Länder sind stark genug, um die grausamste Selbstzerfleischung des deutschen Bolles, den Bürgerkrieg, zu verhindern. Geleitet und, wenn nötig, eingesetzt von verfassungstreuen Regierungen sind sie verläß liche Garanten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.
Heute! Aber wie würde es nach einem Siege der Nationalsozialisten sein? Nach Artikel 53 der Reichsverfassung ernennt der Reichspräsident den Reichskanzler und auf dessen Borschlag die Reichsminister. Nun fennen wir aber doch den Wunschzettel der Herren Nationalsozialisten nicht erst seit dem Tage, an dem die Harzburger Front an der Unersättlichkeit der Hitler - Leute scheiterte. Wir wissen seit den Septembertagen 1930, daß fie auf eine unmittelbare Beeinflussung der Sozialpolitik zugunsten der Arbeiter durch die Präsentation eines Reichsarbeitsministers feinen Wert legen. Die Ankurbelung der Wirtschaft interessiert sie auch nicht in erster Linie, also fönnen sie auch auf den Reichswirtschaftsminister verzichten. Auch die Ministerien der Finanz, der Justiz, der Post und des Verkehrs sind für sie nicht die größten Anziehungspunkte. Dagegen war für sie schon vor den Berhandlungen mit den Gruppen der Harzburger Front Die Besetzung der Bosten des Reichskanzlers, des Reichswehr ministers und des Reichsinnenministers die conditio sine qua non. Bei weiteren Erfolgen würden sie sich mit diesen
Die in der Eisernen Front zusammengeschlossenen Verbände peranstalteten am Donnerstagabend im Großen Saal des Breslauer Gewerkschaftshauses eine mach toolle Brotest fundgebung gegen den Naziterror, in der der Borsigende des Orts vereins der SPD. und der sozialdemokratische Bürgermeister von schärffte mit den nationalsozialistischen Banditen ab, die schon seit Monaten in beiden schlesischen Provinzen ihr blutiges Handwerk betreiben.
Bürgermeister Genoffe Mache überbrachte der Kundgebung die Grüße des in der chirurgischen Klinik liegenden Genossen Günther, der seinen Kameraden mitteilen ließ, daß ihn trotz feiner schmerzhaften Wunden der alte sozialdemokratische Kampf
Positionen wohl faum noch begnügen und auch Post und Justiz mit Beschlag belegen. Durch allzu große Bescheidenheit haben sich die Herren ja nie ausgezeichnet. Aber wie dem auch sei: in unserer Betrachtung interessiert zunächst die Feststellung, daß sie die Auslieferung der gesamten staatlichen Machtmittel in ihre Hand als das nächste und höchste Ziel betreiben.
Dazu kommt noch ein anderes.
Der Artikel 47 der Reichsverfassung stellt fest, daß der Reichspräsident den Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht des Reiches hat.
man stelle sich einmal vor, daß dieser Reichspräsident Hitler hieße. Für den Psychologen mag es ungemein reizvoll sein, Betrachtungen darüber anzustellen, wie die Wehrmacht darauf reagieren würde! Der Politiker sieht die Dinge fo: wenn Oberbefehl und Verwaltung der Wehrmacht( Wehrministerium), Reichspräsidentschaft und Reichskanzleramt und schließlich das Reichsministerium des Innern sich in den Händen einer Partei befinden, dann sind nicht nur die Machtmittel, sondern auch die Verwaltungsbehörden im Besiße dieser Partei. Denn zur Zuständigkeit des Reichspräsidenten gehört auch die Ernennung und Entlassung der Reichsbeamten und der Offiziere, und wenn auch die Verfassung die Möglichkeit vorsieht, das Ernennungs- und Entes ist lassungsrecht auf andere Behörden zu übertragen taum damit zu rechnen, daß ein nationalsozialistischer Reichspräsident die Delegationsbefugnisse zugunsten eines Nicht- Pg. ausüben würde.
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geist beseele. Aus der Ansprache des Genossen Mache interessiert vor allem die Mitteilung, daß sich die SA. im Regierungsbezirk Breslau nachweisbar zu 38 Proz. aus früheren Kommu nisten zusammensete.
Zum Schluß der Kundgebung wurde eine Entschließung ange= nommen, die von dem Breslauer Polizeipräsidenten die sofortige Durchführung folgender Maßnahmen fordert:
1. Auflösung fämtlicher S.- Heime und Braunen Häuser in Breslau . 2. Verbot der Verteilung nationalsozialistischer Flugblätter in Bresiqu. 3. Berbot einer für Sonnabend angesetzten nationalsozialistischen Kundgebung, die als Konkurrenzveranstaltung zu einer Brüning- Versammlung aufgezogen wird und in der der Féme= mörder Heines sprechen soll.
4 Echärfftes Vorgehen der Breslauer Gerichtsbehörden gegen die natieralfozialistischen Mordbanditen.
Ein für Sonnabendabend von den Breslauer Nazis geplanter Fackelzug, der von der Polizei veretts genehmigt war, iourbe am Donnerstag vom Breslauer Regierungspräsidenten verboten. Der unmittelbare Anlaß zu diesem Verbot ist in den beiden nationalsozialistischen Bluttaten in Breslau zu suchen.
Amtes schwört, die Verfassung und die Gesetze des Reiches zu wahren. In diesen Verfassungsbestimmungen aber sehe ich die Meilensteine, an denen die legalen Wege der Ordnung und der Sicherheit enden und der Passionsweg des Bürgerkrieges beginnt.
Ich bin der letzte, der einen im öffentlichen Leben stehenden Mann nach einer Rede, nach einem Zeitungsartifel, nach einem( pielleicht noch aus dem Zusammenhang gerissenen) Wort beurteilen möchte. Herrn Hitler aber tut man wohl nicht unrecht, wenn man zur Beurteilung seiner politischen Persönlichkeit und seiner politischen Ziele die Bekenntnisse zugrunde legt, die er in seinem Buche Mein Kampf " zusammengetragen hat und die der Propaganda seiner Partei bis heute noch in hohem Maße Form und Inhalt geben. In diesem Buche hat er sich über den Vorkriegs- Reichstag frei nach Oldenburg- Januschau in folgender Weise geäußert:
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,, Die Parteien waren aufzulösen, der Reichstag, wenn nötig, mit Bajonetten zur Vernunft zu bringen, am besten aber fofort aufzuheben."
Das Wort stammt aus den Kampf"-Jahren, steht aber noch in einer im Jahre 1930 erschienenen Neuausgabe des Buches. So hat er's gehalten von Jugend an, und was er als Trommler gepflegt und getan", wird er als Reichspräsident nicht entbehren wollen. Der ganze Haß- und Lügenfeldzug der Nationalsozialisten gegen das System" hätte gar feinen Sinn, wenn sie wirklich die Verfassung und die Gesetze des Syſtems wahren wollten, und darum besteht die Gefahr, daß Nun läßt sich zwar einwenden, daß ja nach Artifel 54| ein Präsident Hitler das ausführt, was er post festum der Verfassung der Reichskanzler und der Reichsminister zu freilich!- in seinem Buche einer taiserlichen Regierung als ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichsfein Rezept anpries. Das aber wäre die Kriegserklärung an das republikatages bedürfen und daß nach einer anderen Verfassungsbestimmung der Reichspräsident bei der Uebernahme seines nische Deutschland , das wäre schon die erste Kriegshandlung.
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