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Nr. 12949. Jahrgang

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1. Beilage des Vorwärts

Großstadtgegensätze

Donnerstag, 17. März 1932

anwaltschaftsrat Dr. Dombrowski. Der wartenden Frau Ernst erflärte der falsche Kriminalassistent aber, Staatsanwaltschaftsrat Dombrowski werde jezt auf vierzehn Tage in Urlaub gehen und in seiner Ab­wesenheit werde ein Assessor H. die Sache bearbeiten, mit dem er, ,, Krause", auf Grund seiner guten Beziehungen die Haftentlassung. durchsetzen

Modernster und einfachster Feuermelder burdſeßen werde. Dazu sei aber Geld nötig, und zwar mindestens

Vom Rande des Häuser gewirres der Großstadt kaum 1000 Meter von der neuer­dings durch ihren Lucas- Cranach- Fund bekannt gewordenen Kirche von Karlshorst  kommt man auf breiter schnurgerader Straße zum ehemaligen Flugplatz. Er ist zu einer dichten Randsiedelung umgestaltet und seine Laubenkolonien bilden den Ver­bindungsgürtel zu dem gleichfalls in Groß- Berlin eingemeindeten benachbarten Bies­dort. Fleißige Menschen haben hier unter mühsamsten Bedin­gungen dem kargen Sandboden ein Kleingartenparadies abgerungen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt brachliegende Kräfte fristen dort

Ein ,, Treuhänder".

ein mehr als bescheidenes Dasein. Die Schicksalsverbundenheit der Siedler kommt naturgemäß in der gemeinsamen Bekämpfung der Feuersgefahr zum Ausdruck. An vier rasch erreichbaren Punkten des weitverzweigten Geländes befinden sich Glaskästen, deren Scheibe im Notfalle von jedermann unschwer ein­gedrückt werden kann. Der Feuermelder gibt dann, laut am Meldekasten angebrachter Anweisung mit dem aus dem Kasteninnern herausgenommenen Horn langgezogene Signale und alarmiert- in der Richtung auf das Feuer deutend die freiwillige Brandhilfe der Kolonie. Hier würde sich die be­kannte Tante aus ,, Leberecht Hühnchen" entschieden wohler und geborgener fühlen als im Innern der Riesenstadt, wo man zum nächsten Feuermelder eilt, und die Feuerwache unmittelbar über Ort, Art und Umfang des Brandherdes verständigt.

Wieder Rechtsanwalt zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Einen Parallelefall zum Fall des Rechtsanwalts Dr. Haver, der sich am Tage seines Prozeßbeginns das Leben nahm, bildete die Ver­handlung gegen den Rechtsanwalt Alwin Gollner. Hier mie dort waren die Gerupften Auslandsdeutsche; hier wie dort flossen die Gelder, die vom Reichsentschädigungsamt an die Klienten der Rechts anwälte gezahlt wurden, in deren Taschen. Dr. Gollner mußte sich vor dem Schöffengericht Schöneberg   verantworten. Die ihm von der Auflage präsentierte Lifte seiner Berfehlungen enthielt 17 Fälle; 13 Fälle von Unterschlagung, 5 Fälle von Untreue und 2 von Betrug.

Rechtsanwalt Dr. Gollner steht im 51. Lebensjahr. Nach dem Kriege mar er im Reichsentschädigungamt tätig und bekleidete als Borsitzender von Spruchtammern einen höchst verantwortungsvollen Boften. Dann ließ er sich als Rechtsanwalt nieder und benutzte die Kenntnisse und Erfahrungen, die er sich von seiner Tätigkeit her im Reichsentschädigungsamt zugelegt hatte, um seine Klienten zu schädigen. Seine ersten Verfehlungen erfolgten eigentlich be­reits im Jahre 1924. Jnimer wieder zögerte er mit der Auszahlung der Gelder, die er für seine Klienten vom Reichsentschädigungsamt erhielt; als die Sache zu brenzlich wurde, befriedigte er sie, indem er Gelder anderer Klienten angriff. Drei derartige Fälle sind bekannt geworden, jedoch nicht zur Anklage gebracht. Seit 1926 beginnen aber seine strafbaren Handlungen; bis zum Jahre 1930 fonnte er ungestraft in ihnen fortfahren. Der Hauptgeschädigte ist die Firma Heinrich Brand in Hamburg  . Als Rechtsanwalt Dr. Gollner für sie vom Reichsentschädigungsamt 26 000 m. ausgezahlt erhielt, verschwieg er ihr das und führte das Geld erst ab, nachdem er für die gleiche Firma ein Wiederaufbau- Darlehn in Höhe von 190 000 m. in Empfang nahm. Von dieser Summe verbrauchte er 40 000 m. für seine eigenen Zwecke. Nichtsahnend betraute die Firma ihren mustergültigen Anwalt mit umfangreichen Grundstücks­geschäften, auch mit der Durchführung eines Antrages auf ein weite­

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Zusamme

ROMAN

von

S.Rosenfeld

bruch

Aus dem Russischen übertragen von Werner Bergengruen  . Wenn sie auf ehemalige Kameraden zu sprechen famen, von deren weiterem Schicksal sie nichts wußten, so erzählten sie mitunter Dinge von einem alle Begriffe übersteigenden Blutdurst, von einer scheinbar vollkommen unerklärlichen Grausamkeit. Einigen Häftlingen, die doch selbst allerhand miterlebt und allerhand feuchte Angelegenheiten" hinter sich hatten, gingen diese Geschichten zu weit, fie erwiderten mit durchaus ablehnenden Bemerkungen.

Die Mörder, deren es unter den Landstreichern eine ganze Reihe gab, erzählten nie von ihren Taten; wollte ein anderer davon beginnen, so fielen sie ihm mit Schärfe ins

Wort.

Einen, der eine Geschichte dieser Art zum Besten geben mollte, suchte der Mann ohne Gedächtnis zweimal zum Schweigen zu bringen, aber er ließ sich nicht hindern. Er erzählte, wie er einmal mit drei Freunden bei Nacht in das Haus eines begüterten Geistlichen eingedrungen war; mit offensichtlichem Bergnügen malte er alle Einzelheiten aus, verweilte lange bei unwesentlichn Nebendingen und schilderte besonders eingehend die Qualen seiner Opfer.

,, Also, ich sage ihm: Väterchen", sage ich ,,, wo hast du dein Geld?" Ich habe feins", antwortet er. Nein, Geld habe ich nicht."" Bäterchen", sage ich, fage es uns schon lieber. Dein Geld müssen wir haben, und wenn wir dich in Stücke schneiden sollten."

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res Wiederaufbaudarlehen in Höhe von 125 000 M. Die Firma verlor alles in allem an Gollner 130 000 M. Andere Klienten verloren zwar haft. Es sind darunter Summen von 1000 bis 10 000 M. Im ganzen weniger, die Berlufte waren aber schließlich nicht weniger schmer flossen in die Tasche dieses Rechtsanwalts nach der Anklage etwa 200 000 M. Klientengelder. Wozu Dr. Gollner sie verbrauchte, ließ fich nicht feststellen.

Das Gericht verurteilte den Rechtsanwalt Gollner, der sich selbst verteidigte, wegen Untreue in 13 Fällen, darunter in 9 Fällen in Tateinheit mit Unterschlagung, und wegen Unterschlagung und Be­truges in 2 weiteren Fällen zu einer Gesamtstrafe von zwei Jah ren Gefängnis. Dem Antrag auf Strafausfegung wurde nicht entsprochen. Der Staatsanwalt hatte drei Jahre Gefängnis beantragt. Mit dem Fall des Rechtsanwalts Dr. Gollner ist die Moabiter Liste der ungetreuen Anwälte leider noch nicht abgeschlossen.

Falscher Kriminalist im Buchmacherskandal.

Syndifus Ernst gegen Kaution haftentlassen.

Der wegen Divisenvergehens verhaftete frühere Buchmacher­Syndikus des Reichsverbandes Deutscher Buchmacher, Josef Ernst, ist am geftrigen Mittwoch gegen eine Raution von 10.000 Mart auf freien Fuß gefekt worden. Das Verfahren gegen ihn, geht weiter, wahrscheinlich wird die Hauptverhandlung schon dem­nächst vor dem Schnellschöffengericht stattfinden.

in Höhe der für Ernst angebotenen Kaution von 10 000 m. Um die Sache endgültig zum Abschluß zu bringen, verabredete sich der Schwindler mit Frau Ernst gestern Nachmittag noch einmal in einem Café in der Nähe des Kriminalgerichts. Inzwischen hatte aber Frau E. auf Anraten der Verteidiger die Kriminalpolizei benachrichtigt, die dann den falschen Kriminalassistenten festnahm. Es handelte sich um einen vierzigjährigen Friedrich Hilgner, von dem noch festgestellt werden muß, wie er von der Tatsache, daß ein Antrag auf Haftentlassung gegen Sicherheitsleistung für Ernst schwebte, Kenntnis erhalten hatte.

Die Grube brennt.

Acht Bergleute im Schacht bei Teplit eingeschlossen. Prag  , 16. März.( Eigenbericht.)

Ein paar Stunden nach einem Grubenbrand im Faltenauer Revier, der vier Todesopfer forderte, kam es gestern, furz vor Mitternacht, auf dem kohinoor- Schacht im Bruch bei Teplih in der Tiefe von 400 Metern zu einem neuen Brand­unglüd, das vermutlich a cht bisher vermißten Bergleuten das Leben gekostet hat. Zur Zeit der ersten größeren Explosionen befanden fich acht Bergleute unmittelbar an der Unglüdsstelle. Große Rauchschwaden sperrten ihnen jede Möglichkeit ab, sich in der Dunkel­heit zu orientieren. Sie flüchteten in die Pumpenkammer, vo einer von ihnen noch um 12 Uhr telephonisch die Werksleitung verständigte, daß sie von Rauchschwaden und Gasen bedroht seien. Das war das lehte Lebenszeichen der Eingeschlossenen.

Es besteht leider wenig Aussicht, sie noch lebend zu ber­gen. Die sofort eingesetzten Rettungsarbeiten mußten eingestellt werden, da bei der furchtbaren Size in den Stollen die Gummiteile die Eingeschlossenen doch noch in einen Luftschacht retten fonnten, der Gasmasken zerstört wurden. Die einzige Hoffnung, daß sich ist sehr gering, zumal heute Signale von außen durch den einzigen in Betracht kommenden Luftschacht unbeantwortet blieben. Von den übrigen, zur fritischen Zeit in der Grube befindlichen Sicherungs­mannschaften wurden etwa vierzig von den Kohlenoryd gasen betäubt. Ein Teil von ihnen mußte in das Spital ein­geliefert werden. Der Brand ist wahrscheinlich durch Selbstentzün dung von Kohlenstaub entstanden. Der Betriebsausschuß der Grube hatte wiederholt vergeblich auf die großen Gefahren­momente aufmerksam gemacht, die sich durch die große An­häufung von Kohlenstaubmassen in der Grube ergaben. Ein weite­res Verschulden der Werkleitung besteht unstreitig darin, daß der Sicherheitsdienst in der Grube während der Feierschicht nicht von

ortsbundigen Feuerwächtern, sondern von dem Aufsichtspersonal

versehen wurde.

Leichenfund in der Panke  .

Die Mordkommission wurde in den gestrigen späten Abend­ftunden nach Blankenburg   alarmiert, wo im Pantebett die Leiche eines Mannes gefunden wurde. Der Tote, der mit einem graubraunen Ulster bekleidet ist, lag mit dem Kopf halb unter dem Wasserspiegel. Die Mordkommission unter Während die Formalitäten für die Haftentlaffung schon eingeleitet Leitung des Kriminalkommissars Werneburg stellte fest, daß die waren, hatte sich ein Schwindler an Frau Ernst in der Maste Leiche etwa 4 bis 5 Tage im Wasser gelegen hat. Die eines Kriminalbeamten herangemacht. Er war am Freitag Polizei hat bei der Kürze der Untersuchung, die sich in der Dunkel­in der Wohnung des Ernst erschienen und hatte sich unter Vorzeigenheit im Scheinwerferlicht sehr schwierig gestaltete, noch nicht fest­einer Erkennungsmarte als ,, Kriminalassistent Krause" vorgestellt. Er stellen fönnen, ob es sich um einen Unglücksfall oder um ein Verbrechen handelt. behauptete, auf Grund seiner Beziehungen werde es ihm gelingen, Ernst aus der Haft herauszubekommen, und er verabredete sich mit der Ehefrau für gestern morgen vor dem Kriminalgericht. Während sie dann in einem Café martete, ging er in das Kriminalgericht, und zwar in das Zimmer des die Sache Ernst bearbeitenden Staats­

Theater in der Stresemannstraße. Die Premiere von Das Ende vom Lied" mit Friz Kortner ist von Donnerstag auf Freitag, den 18. März, abends 20 Uhr, verlegt worden. Die Donners­tag- Karten behalten Gültigkeit.

recen nicht. Also ich ihm mit dem Fuß an die Kaldaunen.  | hätten einmal eine ganze Familie umgebracht, aber einen Nicht einmal Biep" hat er gesagt. Schnauze zu, fein Ton. ,, Wo ist das Geld?"

Er sagt nichts. Seht da im Hemd, zittert, ist ganz blau, macht Stielaugen, sagt aber feinen Ton. Ich sage ihm: Paß auf, Väterchen", sage ich ,,, ich ziehe dir das Fell ab. Schon besser für dich, du sprichst. Wo ist das Geld?" Er sagt feinen Ton.

Meine Freunde fragen im Nebenzimmer die Popenfrau. Aber das Aas will auch keinen Ton sagen. Ich schreie ihnen zu:

Bringt sie her. Soll sie zusehen, wie wir ihrem Alten die Fersen räuchern."

Sie bringen sie an, Hemd herunter, sie ist splitternact. Den Bopen legen wir auf die Bant, binden ihn an und dann die Kerze ihm unter die Haden gehalten. Der hat aber ge­brüllt! Wir ihm Lappen in die Schnauze gesteckt und wieder mit der Kerze an die Fußsohlen.

,, Wo ist das Geld?" ,, Hab keins."

Also wieder mit der Kerze. Die Haut zischt, stinkt, der Pope will sich losmachen, die Frau strampelt auf dem Bett, fie friegt ein Kiffen in die Schnauze gestopft, wird ein bißchen vorgefriegt, war ein strammes Frauenzimmer. Mach, was du willst, feiner sagt einen Ton. Wir sengen ihm den Bart ab, reißen ihm Haare aus der Mähne, das Frauenzimmer wird der Reihe nach vor seinen Augen abgetnutscht, aber von Geld feine Spur. Wir haben das Haus durchgewühlt, das unterste zu oberst. Nichts zu finden! Na, also müssen wir wieder abziehen. Ihm haben wir noch mit dem Beil­rüden die Kohlrübe taputt gemacht, und sie haben wir mit Kissen erstickt. Aber zum Mitnehmen hats nichts gegeben als ein bißchen Bruch eine Uhr, ein Armband, ein paar Ringe

meiter nichts."

,, Aber warum habt ihr sie denn umgebracht?" ,, Na, was denn sonst wohl? Sonst verpfeifen sie einen doch!" Das ist nun mal so. Läßt du so einen am Leben, der zeigt dich an. So einer muß hin werden, das ist eben nicht

anders."

Aus solchen Gründen also wurden ganze Familien Nur die Wir wußten ganz genau, daß er Geld hatte, es war niedergemegelt, einschließlich der kleinen Kinder. nur gehörig versteckt. Die Sache war richtig ausbaldowert, Säuglinge ließ man am Leben. Im Laufe dieses selben Ge­einer von seinen Leuten hatte es ausgequatscht. Aber der spräches wollte mir einer beweisen, daß es in solchen Fällen Pope   war geizig, er wollte das Geld nicht geben, ums Ver-| gar keine andere Möglichkeit gäbe, und so erzählte er, sie

Jungen von vier Jahren am Leben gelassen. Als das Kind und die Mörder später konfrontiert wurden, da erkannte es fie fofort aus der Menge der übrigen Verdächtigen heraus und erklärte mit Bestimmtheit: ,, Diese Onkel haben Papa und Mama mit dem Messer gestochen."

Also gebot die einfachste, unwiderleglichste Logit, bei einem Raubüberfall niemanden am Leben zu lassen, mit Aus­nahme der Brustkinder. Und danach hatten sich diese Männer denn auch gerichtet.

Um diese These zu erweisen, erzählten sie mir noch eine ganze Reihe Geschichten von geradezu unvorstellbarer Grau­samteit; aber wie sie sagten, mußte das alles nun einmal fein, wenn man die eigene Haut retten wollte.

Auf einem Gehöft hatte eine Räuberbande die ganze Familie umgebracht: den Besitzer und seine Frau, seine alten. Eltern, Knechte, Mägde und Kinder, insgesamt zwölf Men­schen. Zunächst hatten sie alles, was ihnen des Mitnehmens mert war, an sich genommen und als es ans Aufbrechen ging, da hatten sie sich zuerst nicht entschließen können, eine so große Anzahl mehrloser Menschen zu töten. Dann aber hatten sie miteinander beratschlagt und waren zu der Meinung ge­kommen, es ginge doch nicht anders. Und nun hatten sie allen zwölfen, die an Händen und Füßen gefesselt, mit Lappen und Tüchern geknebelt, auf dem Boden lagen, allen, vom Greis bis zum Widelfind, sachgemäß und methodisch die Gurgeln durchgeschnitten.

In einem anderen Falle hatten die Räuber das Besizer­ehepaar getötet. Beim Fortgehen, schon in der Tür, hörten fie plötzlich ein Kind weinen. Sie drehten sich um und sahen ein eben aufgemachtes, fünf- bis sechsjähriges Kind weinend in seinem Bett figen. Es blieb ihnen nichts übrig, als umzu­fehren und das Kind abzuschlachten.

Das alles wurde überaus fachlich erzählt, ganz ohne Um­schweife. Es sollte damit ja auch nur bewiesen werden, daß es in solchen Fällen eben nicht anders ging.

Burstein rief erschüttert: ,, Mein Gott, mein Gott! Das ist doch nicht möglich! Das kann doch gar nicht sein, daß man fleine Kinder umbringt! Das ist doch grauenvoll! Das gibt es doch gar nicht!"

Der Mann ohne Gedächtnis antwortete, ruhig wie immer: Es gibt alles. Einfach alles. Das sind dumme Redensarten. Es gibt noch ganz andere Dinge."

( Fortsetzung folgt.)