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BERLIN Donnerstag 17. März

1932

Der Abend

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Nr. 130

B 65 49. Jahrgang

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Haussuchungen bei den Nazis

Preußen will durchgreifen/ Putschvorbereitungen aufgedeckt

Auf Anordnung des preußischen Innenministeriums finden heute in ganz Preußen Haussuchungen bei den Geschäftsstellen der NSDA P. sowie bei den Standarten der SA. und SS. statt. Diese Haussuchungen waren notwendig, nachdem während des Wahltages an vielen Orten Bewaffnung und Mobilmachung der SA. sichtbar geworden ist.

Otto Braun gegen Volksbetrüger

Am 24. April wird aufgeräumt!

Der Preußische Landtag lehnte in seiner heutigen Zu dieser Maßnahme teilt der preußische Minister Plenarsizung ohne Aussprache einen kommunistischen Antrag ab, der des Innern mit: Einwirkung auf die Reichsregierung verlangte, den geplanten Osterfrieden, der eine Beeinträchtigung des Wahlkampfes bedeute, nicht zu verhängen.

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Die polizeilichen Feststellungen im Gesamtgebiet des Freistaats Preußen haben ergeben, daß am Wahltage die sogenannten SA. Formationen der NSDAP. in Alarm Bereit schaft standen. Die Anordnung dieser Maßnahmen war von der Münchener Befehlsstelle ergangen. Es kann nicht die Aufgabe der preußischen Behörden sein, sich mit dieser Befehlsstelle über die Gründe der Alarm"-Anordnung auseinanderzusetzen. Denn es tommt weniger darauf an, ob für die Maßnahme legale" Motive oder illegale Absichten maßgebend waren, als vielmehr darauf, daß viele Gruppen der NSDAP . im Lande bei der Durchführung des ,, Alarms" sich schon auf gewalt. same Auseinandersehungen einrichteten.

Es ist auch belanglos, ob die Leitung der NSDAP . die Vorberei­tungen ihrer Parteibezirke zum Bürgerkrieg offiziell billigt oder verleugnet. Die vielfachen Feststellungen der Polizei in fast allen Gebieten des preußischen Ostens und Nordens lassen teinen Zweifel darüber aufkommen, daß ,, System" in den Vorbereitungen lag und mit dem Temperament einzelner örtlicher Führer nicht erklärt werden kann. Sie waren auch nicht erst am Tage der Präsidenten­wahl angeordnet, sondern schon vor längerer Zeit ge= troffen. Bringt man sie mit den prahlerischen Reden der NSDAP . Führer vor der Präsidentenwahl in Verbindung, dann gewinnt man den Eindruck, daß mindestens viele Gruppen und Unterführer der SA. ernsthafte Gewaltmaßnahmen ins Auge gefaßt haben.

Im Kreise Oldenburg in Holstein war den Angehörigen der SA. aufgegeben worden, sich am 12. März für längere Zeit mit Proviant zu versehen. Der Grund für diese Anordnung war die Absicht, die SA.- Leute auf Kraftwagen nach Berlin zu transportieren.

In die gleiche Richtung weisen die Feststellungen Wandsbek, nach denen in den letzten Tagen vor der Wahl SA. - Kommandos bei den Landwirten Quartier gemacht haben für das be­vorstehende Zusammenziehen größerer SA. For mationen. Ueberall sind dann auch am Wahltage im süd­lichen Holstein Zusammenziehungen der SA. in größeren Trupps beobachtet worden.

Wie ernst es der SA. - Leitung mit ihren Plänen gewesen ist, beweisen die Mitteilungen, die unter anderem im Kreise Süd­Tondern( Schleswig ) ein SA.- Führer in einer vertraulichen Führerbesprechung gemacht hat. Dieser Führer wies auf die Not wendigkeit schleuniger Aufstellung von SA. - Reserven hin, da ja nun die aktive SA. vom Lande fortgezogen werden müßte. Denn die aktive SA. müsse den zur Macht gekomme­nen Hitler in den Großstädten unterstützen, da dort die Polizeikräfte nicht ausreichten. Die attive SA. würde für diese Tätigkeit Gewehre aus den Beständen der Polizei erhalten!

Gleichzeitig mit dieser planmäßigen Zusammenziehung der SA. geht die verstärkte unterirdische Arbeit in der staat­lichen Bolizei, um diese in ihrer verfassungstreuen Haltung wankend zu machen. In Flugblättern, die illegal verbreitet wurden, forderte die NSDAP . die Polizeibeamten auf, me der Gummi­fnüppel noch Schußwaffen gegen Nationalsozia listen oder SA. Leute anzuwenden. Die wenige Tage vor dem Wahltage in Berlin erfolgte Verhaftung des Schußpolizei­leutnants Lange und des Polizeiwachtmeisters Schulz-Briesen hat den Nachweis dafür erbracht, daß auch die Nationalsozialisten versuchen, Polizeibeamte zum Berrat von Dienstgeheimnissen zu verleiten. Nach eigenem Eingeständnis der Verhafteten haben sie auf Veranlassung von Nationalsozialisten Pläne der polizeilichen Waffen- und Munitionslager an maßgebende Stellen der NSDAP weitergeleitet.

In fraffem Widerspruch zu der vom Führer der NSDAP . sogar beschworenen Berleugnung aller Gewaltpläne stehen auch die gerade in den letzten Tagen bei Angehörigen der SA. gemachten Waffenfunde. ( Fortlegung auf der 2. Seite.)

Angenommen wird mit den Stimmen der Regierungsparteien, Kommunisten und anderen Gruppen ein sozialdemokra tischer Antrag, dahin zu wirken, daß die für die Firma Chemische Fabrit von Dr. Hugo Stolzenberg in Altona - Eidelstaedt durch den Bezirksausschuß in Schleswig erteilte Erlaubnis zur Er richtung einer Anlage zur Herstellung von Giftgasen auf dem Fabrifgrundstüd in Altona - Eidelstaedt, Schnadenburgs allee 157, sofort rüdgängig gemacht wird, und daß dem Fabrit inhaber die Aufbewahrung von Phosgen auf dem Fabrifgrundstück unter allen Umständen untersagt wird.

Dann wird die politische Aussprache zur ersten Lesung des Haushaltsplanes für 1932 fortgesetzt.

Ministerpräsident Braun

der sogleich das Wort nimmt, führt aus, wer jetzt einen Blid auf unfer öffentliches Leben werfe, sehe als hervorstechendsten Zug die innere 3errissenheit unseres Voltes. Wir haben über sechs Millionen Arbeitslose; und wir hoben weitere Millionen Menschen in unserem Bolte, die zwar noch nicht arbeitslos find, aber doch auf das schwerste unter der schlechten Wirtschaftslage leiden. Statt auf das schwerste unter der schlechten Wirtschaftslage leiden. Statt daß nun alle Kräfte zufammengefaßt würden, um den Weg der Befreiung aus dieser Not zu verfolgen, sehen wir, daß leider weite Kreise des deutschen Volkes alle ihre Energie lediglich auf die innere 3erfleischung einstellen.

Meinungsfämpfe müssen sein, weil sonst das politische Leben stagnieren würde; sie brauchen aber nicht ausgetragen su merden mit Revolvern und Schlagringen, wie es in unserem politischen Leben leider üblich geworden ist.( Rufe bei den Kommunisten: Und mit dem Gummifnüppel!) Man muß schon sagen, daß die früher aus dem wilden Westen und aus gewissen Balkanstaaten berichteten

Die Weltwirtschaftslage.

Leipart referiert im Ausschuß des JGB.

Bern, 17. März.

Der Ausschuß des Internationalen Gewerkschaftsbundes frat am Mittwoch zu einer Konferenz zufammen, an der rund 70 Delegierte aus 15 Ländern teilnahmen. Die Eröffnungsansprache hielt der Borsitzende des JGB., der englische Gewerkschaftsführer Citrine. Nach der Begrüßung der Vertreter der internationalen Arbeiterschaft durch den Präsidenten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes wies Dr. Friedrich Adler, der Sekretär der sozialistischen Arbeiter­internationale auf die Gefahren der Arbeitslosigkeit, des Faschismus und des Militarismus hin.

Zustände noch den Ausdruck einer höheren Kultur darstellen gegen­über den jetzt bei uns herrschenden Zuständen.( Lebhafte zustim mung bei den Regierungsparteien.)

Der Abg. Dr. von Winterfeldt sagte, daß ihm die Be­handlung der Studenten nicht gefalle. Ich erwidere ihm: Weitesten Kreifen des deutschen Boltes gefällt das Berhalten der Studenten nicht.

( Lebhafte Zustimmung.) Die Studenten sind dazu berechtigt, ihre Staatsbürger rechte in Anspruch zu nehmen. Tun sie das, dann nehmen sie aber auch damit die staatsbürgerliche Pflicht auf sich, fich gefittet und ordentlich zu verhalten.( Sehr wahr!) Sie dürfen sich nicht beschweren, daß sie bei einer Verlegung dieser Pflicht so behandelt werden, wie andere Leute, die die Gefeße verlegen. Ein alter preußischer Grundsat sagt: Jedem das Seine! Das gilt auch für die Studenten. Wir dürfen nicht dulden, daß an den Hochschulen der Primat der Faust dem Primat des Kopfes über­geordnet wird. Früher war der Schlagring das Attribut ge­wiffer Zuhälter und Raufboldkreise. Heute ist er auch das Attribut gewisser national fich nennender studierender Kreise geworden. Es ist damit eine

neue Spielart schlagender Berbindungen hervorgetreten.( Sehr gut! und Heiterfeit.) Ich weiß, daß zahllose Studierende trok ernsten Strebens vor einer sehr trüben Zukunft stehen, daß Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit sie erfüllt. Aber dadurch, daß sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen, bessern sie ihr Los nicht.( Lebhafte Zustimmung.) Das Volt, das troz sciner wirtschaftlichen Not noch immer erhebliche finanzielle Aufwendungen für seine höheren Lehranstalte macht, fann verlangen, daß diejenigen, die das Vorrecht genießen, diese Lehranstalten zu besuchen, sich gesittet und anständig wie jeder Staatsbürger benehmen.

Im Zusammenhang mit den leider notwendig gewordenen Sparmaßnahmen sagt man, Preußen baue die Kultur ab. Es ist gewiß schmerzlich, daß eine ganze Menge Errungenschaften auf fulturellem Gebiet, die wir im letzten Jahrzehnt michten, unter dem Druck der finanziellen Not bis zu einem gewissen Brade abgebaut werden müssen.

Auch jeht hat Preußen noch ganz erheblich höhere Aufwen­dungen für Kulfurzwede als das Preußen vor dem Krieg. Für die Universitäten hat das alte Preußen 1913 22,6 millionen ausgegeben, während im Jahre 1931 57,6 millionen verausgabt wurden.( Hört, hört!) Für die Technischen Hochschulen im Preußen von 1913 5,5 millioner. 1931 12.9; für Theater Preußen 1913 2, Preußen 1931 9.3 millionen; für höhere Schulen Preußen 1913 24,3 millionen, Preußen 1931 49,2; für Bolksschulen Preußen 1913 155 millionen, Preußen 1931 461 Millionen.( Stürmisches Hört, hört! bei den Mehrheits­parteien.)

Albert Thomas , der Direktor des Internationalen Arbeits- gewissen Diktaturländern, könnten wir viele Ausgaben sparen. amtes, frat für

Berkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden ein und betonte die Notwendigkeit der Bereitstellung von öffentlichen Arbeiten als wirksames Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Nachdem die Konferenz den Bericht des Vorstandes über die Tätigkeit des Internationalen Gewerkschaftsbundes im Jahre 1931 genehmigt hatte, referierte der Vorsitzende des Allgemeinen Deut­ schen Gewerkschaftsbundes ,

Leipart, über die Weltwirtschaftslage.

Er forderte die Stabilisierung der Währungen als Voraussetzung für einen Gesundungsprozeß der Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit fönne nut gemildert werden, wenn man die vorhandene Arbeit verteile. Da die private Wirtschaft verjage, sei der einzig gangbare Weg zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit ein Arbeitsbeschaffungs­programm, das von der öffentlichen Hand ausgehen müßte.

Jouhaug Frankreich schlug vor, daß die privaten Banken derjenigen europäischen Länder, die einen Goldüberschuß haben, einen Teil ihrer Goldreserven für eine Arbeitsbeschaffungsanleihe zur Verfügung stellten.

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Wenn bei uns der Analphabetismus so verbreitet wäre wie in ( Große Heiterfeit.) Auch für die Landwirtschaft macht Preußen jetzt ganz erheblich höhere Aufwendungen als das alte gelobte System. Insbesondere für die schwer notleidenden ö ft lichen Gren 3 gebiete hat die Allgemeinheit hauptsächlich auf An­regung des Reichspräsidenten toloffale Aufwendungen gemacht. Man darf diese Aufwendungen nicht vergleichen mit den vorhandenen Notständen, sondern mit der Leistungsfähigkeit der Ge­samtheit.( Sehr gut!) Danach gemessen sind

die Leistungen ganz ungeheuer, und die Wirtschaftskreise, die davon profitiert haben, sollten sich anders zum gegenwärtigen Staat einstellen, als sie es am 13. März gegenüber dem Herrn Reichspräsidenten getan haben.

( Lebhafte Zustimmung.) Wüßte man nicht, daß die ostpreußische Bevölkerung durch eine verlogene Agitation verwirrt worden. tft, müßte man sich geradezu schämen, ein Offpreuße zu sein. Ein Verbrechen ist es geradezu, diese Grenzbevölkerung in eine Angstpsychose vor ausländischen Gefahren zu versetzen. Bei einem wirklichen Angriff Bolens auf Ostpreußen würde das ganze Deutsche Reich und das ganze deutsche Bolt geschlossen vor unserer Grenzproving stehen.( Stürmischer Beifall.) Das mus