Beilage
Sonnabend, 19. März 1932
baturo? me Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
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Im Rahmen einer Artikelserie, die er in dieser Zeitung über Südafrika veröffentlicht hat, beginnt Professor Stawran seinen vom 4. Dezember 1930 datierten Weihnachtsbrief" mit folgenden Worten: Heute also am 4. Dezember ift der Tag für uns Deutsch- Afrikaner, an dem wir unsere Weihnachts poft fertig. stellen müssen. Denn alle Technik der Neuzeit hat es noch nicht vermocht, die ungeheure Entfernung von rund 12 000 Kilometer in weniger als drei Wochen zu überbrücken."
Stur etwas über ein Jahr ist seitdem verfioffen und wie haben sich dennoch inzwischen die Verhältnisse gewandelt! Als ich am 20. Januar in London antam, um zwei Tage später meine Afrifareise anzutreten,
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nahm gerade an diesem Tage ein Flugzeug feinen Start nach Kapstadt , wo es nach 10- bis 11tägigem Flug eintreffen sollte. Es war der Anfang eines regelmäßigen, einmal wöchentlich stattfindenden Luftdienst es zwischen England und der südafrikanischen Union. Die gesamte Londoner Presse besprach ausführlich das Ereignis die ,, Times" brachte gleich zwei Artikel in ihrer betreffenden Morgenausgabe, welches sie als neues wichtiges Bindeglied zwischen Großbritannien und feinen mannigfachen ajritanischen Besitzungen in geradezu überschwenglichen Worten pries. In Afrika angefommen, erfahre ich, daß die neue Verkehrseinrichtung einen ziemlich normalen Berlauf nimmt. Regelmäßig einmal in der Woche geht ein Flugzeug von London nach Kapstadt und eins von Kapstadt nach London ab. Das eine oder das andere dieser Flugzeuge stieß allerdings unterwegs qui große Schwierigkeiten, mußte eine Notlandung vornehmen und nermochie erst mit einiger Verspätung ans Ziel zu gelangen.
innerlich unzusammenhängenden Territorien zu sein, nunmehr als ein in sich geschlossenes organisches Ganzes erscheint. Der Traum zwei große Kolonien einverleibt und ihnen seinen Namen verliehen Cecil Rhodes , des Mannes, der dem britischen Imperium hat, ist endlich in Erfüllung gegangen. Hierin vor allem liegt, wie ich glaube, der wahre Grund für das begeisterte Echo, das die Eröffnung der neuen Luftlinie in weitesten Kreisen des englischen Bürgertums zu weden vermocht hat.
Leistung ebenso wie als wirtschaftliche Errungenschaft die neue| statt wie bisher ein Kompler von zwar aneinandergereihten over Berkehrsverbindung sein mag, zum vollen Verständnis der schier enthusiastischen Begeisterung, die ihre Eröffnung in der englischen Welt ausgelöst hat, werden mir doch nur gelangen können, wenn wir auch die politische Seite des Vorganges ins Auge faffen: Denn die eben erschloffene neue Luftlinie darf gleichsam als Symbol und Berwirklichung des imperialistischen Gedankens in Großbritannien angesehen werden.d
Von dem Moment an, wo das Flugzeug afrikanischen Boden berührt, nimmt es ununterbrochen seinen Beg durch teils von Eng land abhängiges, teils mit England verbundenes Territorium, ohne dieses bis zu Ende wieder zu verlassen. So durchfliegt es Aegyp ten, das bei aller ,, Unabhängigkeit" noch immer recht abhängig ist von England, dann den von England und Aegypten gemeinsam regierten Sudan , hieran anschließend die Kolonialgebiete ganda und Kenya und das Mandatsgebiet Tanganyifa, ferner Nord- und Südrhodesien sowie schließlich das Do minion: die füdafrikanische Union . Diesen vielen ganz verschieden gearteten Ländern verleiht der neue Verkehrsweg Einheit und Zusammengehörigkeit, dergestalt, daß das mächtige, vom Mittelmeer bis hinab zum Südkap sich erstreckende Ostafrifagebiet,
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Im Lichte dieser Betrachtung aber erklärt sich auch die Tatfache, warum der Borgang in Südafrika eine so verhältnismäßig fühle und nüchterne Aufnahme gefunden hat. Weil einfach die wichtigste Vorausseßung, um eine Begeisterung auszulösen, mie wir sie in England angetroffen haben die imperialistische Einstellung der Bevölkerung, in Südafrika in großem Maße fehlt. Man begrüßte daher wohl die neue Errungenschaft als bedeutende technische Leistung und ob der wirtschaftlichen Erleichterungen, die zu bringen sie berufen ist, aber wegen ihrer politischen Auswirkungen zu jubeln, glaubte man feinen Anlaß zu haben. Das führt uns zur Frage der politischen Strömungen in der füdafrikanischen Union . Doch soll dies Gegenstand einer befonderen Betrachtung bilden, mit dessen Darstellung wir uns im nächsten Briefe beschäftigen wollen.
,, Denn er war unser6
Störungen und Hemmungen dieser Art hofft man indeffen, gleich Erbauliches aus dem Goethejahr Von G. Herrmann Mostar
Kinderkrankheiten, bald überwunden zu haben. Man begrüßt allgemein das neue Unternehmen als willkommenes Mittel zur Beschleunigung und Erleichterung des Wirtschaftsverkehrs. Jedoch habe ich die große Begeisterung, wie ich sie in der Preise und auch bei einzelnen in London antraf, hier eigentlich taum gefunden. Mag fein, daß in unserer schnellebigen Zeit ein Monat schon genügend lang ist, um auch stärkere Eindrüde zu vermischen. Allein mir will es scheinen, als ob der tiefere Grund für diese relativ geringe innere Anteilnahme hier vornehmlich in einem piychologischen Moment zu fchen fei, nämlich in der durchaus anders gearteten ideologischen Ein stellung des Südafrikaners im Vergleich zum Durchschnittsengländer hinsichtlich der politischen Bertung des neuen Bertehrsweges. Dies soll im folgenden des näheren dargelegt werden.
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C to C"( From Cape to Cairo, zu Deutsch : vom Kap der guten Hoffnung bis Kairo ) ist ein Schlagwort, das der mehr tatkräftige als ideenschöpferische Cecil Rhodes geprägt und als befonderes Ziel großbritischer imperialistischer Politik erstrebt hat. Ihm schwebte eine Eisenbahnlinie vor Augen, die die füd= fichste Hauptstadt mit der nördlichsten Hauptstadt verbinden, also von einem Ende bis zum anderen Ende Afrifas reichen und so zugleich als Rüdgrat des großbritischen Kolonialreiches im schwarzen Kontinent dienen sollte. Dieser Eisenbahnbau ist wegen feiner ungeheuren technischen Schwierigkeiten nicht zur Ausführung gelangt. Auch der Plan, eine durchgehende Autobahn zu schaffen, mußte aus bem gleichen Grunde aufgegeben werden. Nun hat der C to C- Gedanfe" seine Vermirklichung erfahren; hat, durch ein eigenartiges Spiel der Worte, seine ursprüngliche Faffung fogar noch übertrumpfen tönnen: Croydon heißt der Lufthafen Londons . C to C" bedeutet somit jegt in Wahrheit:
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Rein technisch gesehen, stellt die neue Luftlinie unzweifelhaft Mit ihren 8000 Meilen eine Spigenleistung dar. also über 12 000 kilometer- bildet sie die längfte Strede, die bisher in regelmäßigen Dienst genommen wurde. Dabei mußten alle nur erdentlichen Geländeschwierigkeiten, für den Fall einer Notlandung, ins Auge gefaßt werden. Denn Seen und Sümpfe, Steppen und Urwald, Wüsten- und Gebirgslandschaft fomie die häufig wechseln den klimatischen Verhältnisse heischten jedesmal besondere Berüd fichtigung. So war es beispielsweise nötig, eine Landungs stelle in Höhe von fast 6000 Fuß zu errichten.
Sehen wir von Europa , das natürlich mit qllen technischen Hilfsmitteln ausgestattet ist, ab, so verdient vermerkt zu werden, daß auf dem afrikanischen Teil der Strecke
24 Haupt- und 42 Hilfslandungsstellen geschaffen worden sind. Werkstätten und meteorologische Stationen, aufs trefflichste ausgerüstet, find überall eingerichtet. Außerdem wurden 17 Radiostationen errichtet, von denen aus mittels Kurz oder Langmellen überallhin telegraphische oder telephonische Nachrichten übermittelt werden tönnen. Alles ist so eingerichtet, daß jederzeit der ganze Apparat pon einem Ende bis zum anderen in Bewegung gefegt werden fann.
Wiemohl in erster Linie für den Bostdienst bestimmt, follen die Flugzeuge auch zur Beförderung von Baffagieren dienen. Rund 40 Personen fönnen jedesmal an dem Flug teil nehmen. Deshalb ist Vorsorge dafür getroffen worden, daß ver fchiedene Flugpläge mit hotels verfehen wurden, wo die Passagiere zu übernachten in der Lage sind. Es gilt zudem als Regel, daß nur ein Teil des Tages geflogen wird; täglich 700 bis 1000 Meilen zu rund 100 Meilen in der Stunde. Und vermutlich wird, wenn das geschilderte Unternehmen einmal zur vollen Entfaltung gelangt ist, die Flugdauer noch eine wesentliche Schrumpfung erfahren.
,, Sehen Sie, meine Herren," pflegte unser guter, after Literatur lehrer zu uns Seminaristen zu sprechen ,,, da gibt es tatsächlich Leute, die behaupten, daß Schiller größer wäre als Goethe. Das ist Unfirm, sage ich. Gewiß hat Schiller ausgezeichnet zu dichten verstanden; feine Balladen gefallen mir sogar besser als die von Goethe, weil sie viel mehr Moral haben. Aber Goethe, meine Herren Goethe war nicht nur ein tüchtiger Dichter, nein, er war auch ein tüchtiger Mensch!. Er allein von allen Erscheinungen der deutschen Literaturgefchichte hat uns bewiesen, daß man Gebhichte machen und trogdem Minister werden kann.
Also sprach unser alter Schmus". Dem Goethe- Jahr blieb es vorbehalten, auch Goethes anderweitige bürgerliche Tugenden ins rechte Licht zu rüden und jedem deutschen Bereinsmitglied zu zeigen, daß Goethe auch in seinem Verein eine führende Rolle gespielt hätte. So schreibt das Blatt der österreichischen Hausbefizer, aus und Grundeigentum" benamst, das Folgende:
Am 22. März feiert das deutsche Bolt das Gedächtnis seines größten Mannes, deffen Todestag sich zum hundertsten Male jährt. Die Hausbesiger haben einen besonderen Anlaß, Goethe zu ehren, nicht nur weil Goethe doppelter ausbesizer mar und ums in dem unermüdlichen Bemühen, sein herrliches Heim auf dem Frauenplan immer schöner und behaglicher zu gestalten, heute noch ein Vorbild fein fann, sondern auch, weil er den Hausbesig geradezu als Symbol bürgerlicher Kultur betrachtete, wie besonders die liebevollen Schilderungen seines Vaterhauses im ursprünglichen und im umgebauten Zustand in feiner Autobiographie und viele Stellen in Hermann und Do rothea " beweisen. Unsere Mitglieder sollten daher, wenn sie schon nicht eine selbständige Goethe- Feier veranstalten, doch eifrig an folchen Feiern mitwirken oder sie wenigstens besuchen. Unfer Kreisobmann, Professor Dr. Johann Czerny in Burkersdorf, der befannte Literarhistoriker, hat sich bereit erklärt, nach Maßgabe feiner freien Zeit zu solchen Feiern als Festredner zu erscheinen. Nun wissen wir's also: Goethe war nicht Dichter, wie wir mei Nun wissen wir's also: Goethe war nicht Dichter, wie wir mei nen, Goethe war nicht Minister, wie der alte Schmus meinte, sondern Goethe war in erster Linie Hausbejizer... Da man Goethe nicht mehr zum Hausbesiz gratulieren fann, fann man mur dem Haus befiß zu Goethe gratulieren, was hiermit geschehen fei, doch aber in denjenigen unserer Mitbürger, die kein Haus- und Grundeigentum befizen, ein schmerzliches Bedauern darüber auslösen tönnte, daß fie Goethe nicht zu den ihren zählen tönnen. Deshalb fei auf einige meitere Möglichkeiten hingewiesen, den Jubilar durch die verschieden sten Berufsschichten zu beschlagnahmen.
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Dichter ist immer ein Feind des Einkaufs in den großen Warenhäusern gewesen, und zwar nicht nur deshalb, weil es damals Warenhäfer noch gar nicht gab; vielmehr hat er in prophetischer Vorauslegung des Kommenden seinen Standpunkt bereits begründet, und zwar im 3 auberlehrling". Da heißt es näm
lich am Schluß:
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Jit die Ecke, Bejen! Bejen!
Seid's gewefen. dar
Bahrlich eine eindringliche Predigt darüber, wie bitter sich bei Bürstenwaren das schlechte Material zu rächen pflegt! Und der große Dichter verfäumt es auch nicht, einen Ratschlag zur Abhilfe zu erteilen: Denn als Geifter
Ruft euch nur zu seinem Zwede Erst hervor der alte Meister."
Darum: fauft Meisterarbeit, hört die Mahnung Johann Wolfgang von Goethes, der selbst Meisters Lehr- und Wander. jahre durchgemacht hat: Kauft beim Fachmann!"
Den Heiratsvermittlungsbüros fei ebenfalls eine Beschäftigung mit Goethe warm ans liebespendende Herz gelegt: Goethe hat befanntlich immer unter den vielen Schwierigkeiten gelitten, die sich damals wie heute dem in den Meg stellen, der sich eine treue Lebensgefährtin ersehnt. Wie oft haben ihn diese Fragen beim Dichten gestört, und wie viel sonniger wäre sein Leben und Dichten verlaufen, wenn es damals schon Eheanbahnungsbüros gegeben hätte! weder wäre er so lange Zeit Junggeselle noch später jo lange Zeit
itmer gewesen, und die immer peinliche Einmischung in andere, schon bestehende Chebünde wäre ihm erspart geblieben. Andererseits bat Goethes Christiane aber doch bewiesen, daß auch nicht mehr allzu junge Damen ohne Barvermögen und Aussteuer ihr Glück und eine reiche Bartie machen können, und es sei deshalb jedem empfohlen, mit Rüdlicht auf das Goethe- Jahr sich vertrauensvoll an uns zu wenden.
,, Der Geist der Politif ist leicht zu faffen; Ihr durchstudiert die groß und kleine Welt, Um es am Ende gehn zu lassen, Mie's Gott gefällt.
Herr H., seines neuesten Zeichens braunschweigischer Regierungsrat, Und endlich sei noch, mit aller gebotenen Ehrfurcht, ein gewiffer darauf aufmerffam gemacht, daß Goethe, obwohl mangelhaften Interesses für Aufnordungsprobleme nicht imverdächtig, bereits eine genaue Anweisung darüber gegeben hat, wie man Reichspräsident wird. Er tat das im Faust", in der Schülerszene; daß man dort in allen jetzt tursierenden Goethe- Ausgaben das Wort„ Medizin" an Stelle des Wortes„ Politit" findet, ist natürlich auf dunkle Machenschaften der Weisen von Zion zurückzuführen, die diese GebrauchsBeispielsweise sei den Drogisten empfohlen, in ihrem Fachanweisung Herrn H., dem zweifellosen Erben Goetheschen Geistes, blatt zum Goethe- Jahr etwa folgendermaßen Stellung zu nehmen: unterschlagen wollten. Es heißt also da rigtig folgendermaßen: Die deutschen Drogisten haben einen besonderen Anlaß, Goethe zu ehren, nicht nur weil Goethe die bekannte Farbenlehre ge fchrieben hat und der größte Umfat in Leim, Del- und Kaseinfarben durch die deutschen Drogerien erzielt wird, sondern auch, meil Goethe die ungeheure Wichtigkeit der von uns vertriebenen Arzneien dichterisch unwergänglich dargestellt hat. Wir verweisen hier besonders auf den auch unseren Mitgliedern gewiß nicht unbekannten Faust", po Gretchen sogar in der Kirche ein startes Bedürfnis nach einem Fläschchen guten deutschen Borfüms empfindet, und wo sie, falls nicht eine gute und vorsichtige Drogerielundin zufällig ein Fläschchen bei sich gehabt hätte, gemiß einer vielleicht tödlichen Dhumacht erlegen und somit die Weiterführung des Faust" in Frage gestellt gewesen wäre. Aber auch die immense Wichtigkeit der Mittel, welche zur Behebung einer Mageaverstimmung geeignet erscheinen, hat Goethe erfannt; sagt doch Mephisto in furchtloser Offenheit: Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern, doch hit ich mich, mit ihm zu bre che n!" Es sei deshalb den redegewandten unter unseren Mitglieder empfohlen, sich bei den offiziellen Goethe- Feiern als Redner vormerken dann zu lassen und auf die Bedeutung des Doppeltkohlensauren Natrons sowie des Bullrich- Salzes für die deutsche Dichtung gebührend hinzuweisen."
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Vergebens, daß ihr ringsum missenschaftlich schweit Ein jeder lernt mur, mas er lernen fann; Doch der den Augenblid ergreift,
Der ist der rechte Mann.
Thr seid noch ziemlich wohlgebaut, An Kühnheit wird's euch auch nicht fehlen, Und wenn ihr euch mir selbst vertraut, Bertrauen euch die andern Seelen.
Ein Titel muß fie erit vertraulich machen, Daß eure Kunst piel Künste übersteigt;
Zimm Willkomm tappt ihr dann noch allen Siebenfachen, Um die ein andrer viele Jahre streicht
Ja, und wenn man das alles genau befolgt hat, und man wird doch nicht gewählt woran liegt das mur, woran liegt das mur, Herr H....??
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Vielleicht sollte man mal etwas ganz neues mit Goethe machen? Vielleicht sollte man ihn nicht als Minister und nicht als Auch der Verband deutscher Bürsten waren Fachge- Hausbesitzer und nicht als Drogisten und nicht als Wahlhelfer beschäfte hat vom Goethe- Jahr bei geeigneter Propaganda eine Beschlagnahmen- vielleicht follte man ihn mal lesen...? Allein wie bedeutungsvoll auch immer- als technische lebung des Umfazes zu erwarten; etwa fo:.. Deutschlands größter Aber das gehört freilich nicht ins Goethe- Jahr.
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