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Nr. 135 49. Jahrgang

Frühling

M

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 20. März 1932

child repell tofau

MAZwangsversteigerungen

mit

Makn­zetteln

Der Verkäufer ist eingenickt.

Heute ist Frühlingsanfang. Heute müßte auf dem Kalender die 20" ganz klein gedruckt sein, und statt der Zahl müßte ein Strauß Maiglöckchen oder ein Bund Osterkätzchen den jungen Tag grüßen: der Frühling ist da. Es gibt solche Kalender; aber diese wenigen lassen sich zweimal an den Fingern herzählen. Alle übrigen sind untertan der Zahl und nicht der Zeit. Denn diese sciroarzen und roten Zahlen auf den Kalenderblättern sind die stummen Mahner unserer Tage. Diese Zahlen vermögen Herzklopfen zu verursachen, seitdem leider die Zeit weniger nach Frühlingstagen, sondern mehr nach Fällig­keitsterminen rechnet. Für wie viele frohgemute Boots- oder Radbesitzer jeglicher Gattung mag der heutige Tag der letzte Termin zur Löschung ihrer Schuld sein? Dreimal bereits hatte der Mann vom Bootshaus und ebenso oft der Mann von der Motorradfabrik geschrieben:... wir wollen Ihnen deshalb noch einmal ein äußerstes Entgegenkommen zeigen, anderenfalls müßten wir jedoch zu unserem lebhaften Bedauern..." Nun ist dieser letzte Tag des Entgegenkommens da und statt den Himmel voller Geigen zu sehen, beginnt heute tausendfach der Anfang vom Ende manchen Frühlingstraumes.

In der eben vergangenen letzten Winterwoche veranstaltete der Märkische Kreis des bürgerlichen Deutschen Kanu- Verbandes seine traditionelle Bootsausstellung in der Hasenheide. Die Sonne schien warm und hell durch die hohen Fenster des Ausstellungsfaales, wohlgefällig spiegelten sich die frisch und blank ladierten Rajats und Kanus, und der Strom der Besucher ließ nichts zu wünschen übrig. Nur der Verkäufer vom ersten Bootsausstellungsstand gleich am Eingang, der hatte die Arme über die Brust gekreuzt und machte ein Ricerchen. Denn was er den Schleuten hätte fagen fönnen, das sagten seine Prospekte, die er ausgebreitet hatte, mindestens ebenso gut. Dieser schlafende Verkäufer war bezeichnend genug für die ganze Situation. Ber vor fünf Jahren um diese Beit, eine Woche vor Ostern, zu einem Bootsbauer tam und wollte noch schnell ein Paddelboot haben, zu dem sagte der Bootsbauer: Tja, lieber Herr, vielleicht in fünf Wochen, früher geht es nicht." Heute werden Paddelboote fonder Zahl fast verschenkt. Gebrauchte natürlich. Trotzdem überraschte es, wie teuer die neuen Boote auf der Aus­stellung waren. Für einen Faltboot- Einsizer, 4,50 Meter lang und 0,65 Meter breit, einschließlich Zubehör verlangte man sage und schreibe 195 Marf. Für einen Faltboot- 3weisiger, 5,20 Meter lang und 0,90 Meter breit, sogar bis zu 230 Mart. Alles Barpreise, ,, Bezahlung hat vor Versand bzw. Erhalt durch Nachnahme zu er folgen". Für ein 5,20- Meter- Baddelboot( Scharpie) aus Mahagoni wurden 210 Mart in bar verlangt, für ein ähnliches Boot, nur ge­flintert, nicht weniger als 340 Mart. Eine an der Havel gelegene Werft bot Ruderboote an: der billigste offene Einer mit 620 Mark und ein gedeckter Einer mit Steuermann, auch als Zweier ohne fahrbar, der sollte nicht weniger als 820 Mart tosten! Selbst noch bei einem Angelfahn, in Eiche gebaut, standen 300 Mark als Barpreis verzeichnet. So und ähnlich war es mit allem anderen. Die Preise für brauchbare Zelte begannen mit 50 Mart, und ähnlich teuer marschierte der ganze kostspielige Zubehör hinter drein. Wobei die Fabrikanten immerhin noch mildernde Umstände für sich in Anspruch nehmen können, denn von ihnen stammt ja im Grunde genommen die Mode nicht, in Nippessachen auf Havel und Dahme herumzukutschieren. Allerdings können die Verkäufer bei derartigen Preisen getrost ein Nickerchen machen.

Leere Bootsstände.

250 Mark zu kaufen. Und mit jedem verkauften Boot versinkt eine ganze Welt schöner Erinnerungen an glückliche, wunschlose Stunden.

Motorräder im Keller.

Ein schwacher Trost ist den Wassersportlern geblieben: den Motorradfahrern geht es nicht besser. Denn den vielen heute arbeits­losen Metallarbeitern, die sich noch in den letzten Monaten der bereits abflingenden Konjunktur eine Maschine zulegten, denen war damit noch nicht allzuviel gedient, daß sie ihr Rad beim Finanzamt abmeldeten. Zumal bis 220 Kubitzentimeter Hubraum ein Motor­rad überhaupt steuerfrei ist, eine 300- Kubitzentimeter- Maschine vierteljährlich 7 Mark und eine 750- Kubitzentimeter- Maschine vierteljährlich 16 Mart Kraftfahrzeugsteuer Loftet. Entschieden wich­tiger war es für diese jungen Männer, von der Garagenmiete los zukommen. Wenn auch nicht mehr wie 1927 für eine Motorradbog 15 Mart gefordert werden, so sind für Arbeitslose selbst die jetzt wohl allgemein verlangten 7,50 Mark immer noch ein drückender Tribut. So gingen die Arbeitslosen und Abgebauten in die Garagen und nahmen zuerst das Vorderrad von ihren Maschinen. Dann das Hinterrad, dann nahmen sie den Motor aus dem Rahmen,

und alles wanderte, gut eingefettet, zur Ueberwinterung in den Keller. Tausende von Motorrädern stehen oder standen in diesem Krisenwinter in den Kellern. Unterdessen stöhnen die Garagen­befizer.

Doch wenn die Garagenbefizer stöhnen, müßten die Motorrad­befizer eigentlich weinen. Ueber ihre schönen Räder, die ſie, durch die Not gezwungen, für ein Butterbrot weggeben müssen. Das Wüstenmodell von FN, die 350er- Maschine des Typs Sahara , eine gute Solomaschine, die neu über 1000 Mart foftet, ist gebraucht, falls fie nicht mehr als 5000 Kilometer Fahrt hinter sich hat, für 200 Mart zu haben. Ein 750er- Harley- Davidson mit Beiwagen, 7000 Kilometer gefahren, von einem Fachmann tadellos gehalten, neu 2700 Mart, ist für 1000 Mart völlig unverfäuflich. Genau so find ja Motorboote unverkäuflich. Heute liegen die Dinge ſo, daß schwere Beiwagenmaschinen höchstens noch den Preis des Bei­magens erzielen, die Maschine gibt es zu.

Am kommenden Sonntag ist Ostern. Einstmals hatten die Paddler und Ruderer und Motorradfahrer keine Sorgen, wohin sie fahren werden. An diesen Ostern wird die Fahrt ins Grüne etwas schwer werden.

Uralzeffs Russengeschäft

Die Raiffeisenbank unter Anklage

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Uralzeff verteidigt sich

Uralzeff verteidigt sich. Uralzeff flagt an. Er ver-| Adresse nicht ermittelt werden konnte, wohnte im Palasthotel, teidigt sich, indem er behauptet, das Russengeschäft, diese mysteriöse Angelegenheit, die im Mittelpunkt der Berliner Verhandlung steht, sei ein reelles Geschäft geweien; er flagt an, indem er die Raiff­eisen- Bank selbst wegen ungeheurer Berluste, die sie an ihm gehabt hat, verantwortlich macht. Er behauptet, daß die Raiffeisen- Bant die Sicherheiten, die sie von ihm erhalten, verschleudert und ver­geudet habe.

Haben Sie dem Gelddisponenten der Raiffeisen- Bant, Rechts­anwalt und Notar Lange, etwas abgeben müssen? fragt der Vorsitzende. Uralzeff zögert mit der Antwort und sagt schließlich: Ja. 5 bis 15 Proz. von dem gewährten Kredit: Die Raiffeisen- Bant hätte keinen Pfennig verloren, wenn dort nicht eine unglaubliche korruption geherrscht hätte, wenn der Futterneid zwischen den einzelnen Direktoren nicht so stark gewesen wäre. Zu den Sicher heiten, die die Raiffeisen Bank für den gewährten 9- Millionen­Kredit gehabt hat, zählt Uralzeff auch

das Affienpaket der Offwolle,

Sigt man also in den Werften noch auf erstaunlich hohen Rössern, so steht den Eignern von Bootshäusern das Wasser bis zum Halse. Es geht diesen Männern wie den Garagenbefizern. Als vor drei Jahren ein Paddelboot noch 10 Mart Standgeld pro Monat kostete und zudem ein guter Bootsstand nur mit Mühe zu haben war, da mit einem Male wuchsen, angelockt durch die verschwende­rische Konjunktur, die Bootshäuser aus der Erde wie Pilze nach das die Bank ihm verkauft hatte; es sollte ihm erst nach Bezahlung dem Regen. Jetzt in der Krise sitzt einer auf dem anderen und keiner des ganzen Kaufpreises zur Verfügung stehen. Die Raiffeisen Bank bekommt Geld ein. Noch im vorigen Jahr sagten sich viele Falt hatte, wie erinnerlich, mit den Aktien spekuliert, in sie 7 Millionen bootbefizer, warum sollen wir das Boot ständig mit nach Hause hineingeſtedt; in Wirklichkeit waren sie nicht mehr als 1 bis 2 Mil­lionen wert; es gelang, fie Uralzeff anzudrehen. Es wäre ein fabel­schleppen, lassen mir es doch für 4 oder 5 Mart im Monat gleich draußen. Heute ist nicht mehr ein Faltboot in den Bootshäusern, haftes Geschäft, fabulierten ihm die deutschnationalen schleunigst hat jeder den Stand gekündigt, das Boot nach Hause Herren, die Direktoren Dietrich, Seelmann, vor. Die Ueber­geholt und auf dem Boden verstaut. Das ist für die Besizer pri- nahme der Attien durch ihn war ein großer Tag. Zu den Sicher vater Bootshäuser ein arger Ausfall, wenn man bedenkt, welche heiten gehörte auch eine gelbe Ledertasche mit Perlen, starke Stellung sich das Faltboot im Wassersport der Nachkriegszeit Brillanten und Schmucksachen. Auch ein Stück aus dem erobert hatte. Ein Bootshausbefizer schildert seine Lage wie folgt: Schage des Zaren befand sich darunter. Die Tasche wurde in einen Er hat Platz für 200 Boote. In dieser oder jener Ede war wohl Banktresor eingeschlossen. Als man ihn später einmal aufmachte, war die Tasche so gut wie leer. Die Schlüssel zum Tresor befanden immer noch ein Stand frei, aber im wesentlichen war in den letzten Jahren alles so gut wie vermietet. Jetzt ist die Hälfte der Stände fich in den Händen der beiden Direktoren Dietrich und Seelmann. Das Verfahren gegen Uralzeff wegen Betruges wurde eingestellt. unvermietet. Das ist ein monatlicher Verlust von rund 500 Mart. Man habe angenommen, sagt der Staatsanwalt, daß seine An­Die übriggebliebenen Bootsbesitzer tönnen entweder die Miete gar nicht mehr bezahlen, oder die in Lohn und Gehalt Abgebauten gaben über den Inhalt der Kassette vieles für sich hätten. Bo maren also die Juwelen geblieben? Nicht minder mysteriös war zahlen nur schleppend. Von Monat zu Monat werden die Rück­das Verschwinden von 88 Teppichen, von den 110, die als stände höher. Der Mann meinte, sein Laden sehe einem Rechtsbüro Sicherheit gegeben waren. Und die Bilder im Werte von eine ähnlicher als einem Bootshaus. Jeden Tag sizt er auf dem Amts= Million Mark hingen heute noch in den Villen der Direktoren, gericht und ist dabei noch froh, wenn es schließlich zu einem erflärt Uralzeff. Endlich ist man beim mageren Vergleich mit kleinsten monatlichen Raten tommt. Und wenn die Schulden schon zu sehr aufgelaufen sind, bieten die Ruffengeschäft. Schuldner die Uebereignung des Bootes gegen Erlaß ber rüd­ständigen Miete an. Aber sagt der Besizer- was soll ich denn mit den ganzen Booten anfangen, es ist doch kein Käufer da."

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Diese Schwierigkeiten haben die Bereine glüdlicherweise noch nicht. Hier wirkt die Solidarität der Mitglieder der Krise entgegen. Wer arbeitslos ist, dem wird der ohnedies niedrige Beitrag erlassen oder zum mindesten gestundet. Der arbeitslose Vereinspaddler oder -ruderer behält die Nuhuießung seines Bootes und braucht am Wochenende auf die paar schönen Stunden der Entspannung vom Elend der Stadt nicht zu verzichten. Schwieriger ist es dagegen fchon, Segelboote durchzuhalten. Wer als Segler bereits E H= emige Hilfe" bezieht, fann natürlich nicht mehr das teure Segel­bootstandgeld bezahlen. Die Folge find fast unglaubliche Schleuder­verkäufe: gut erhaltene Segelboote mit 20 Quadratmeter Segel­fläche, die nen 1000 Mart getoftet haben, sind heute schon für

Die Raiffeisen- Bank war Ende 1924 mißirauisch geworden. Sie drängte auf Rückzahlung der Millionentredite Uralzeff vertröstete sie mit einem Spritsomuggelgeschäft mit Amerifa und mit einem Ruffengeschäft. Sein Jugend­freund Stromberg habe für 2 Millionen Dollar Chemikalien auf illegalem Wege nach Rußland geliefert. Er, Uralzeff, sei dabei mit 250 000 Dollar beteiligt. Sie wissen doch, hält ihm der Vorsitzende vor, es wird behauptet, daß dieses Russengeschäft in Wirklichkeit nicht existiert habe, und daß es auch feinen Stromberg gebe. Haben Eie irgendwelche Beweise, daß er existiert und daß Sie das Geschäft mit ihm gemacht haben? Nein, Beweise besigt Uralzeff nicht, das Geschäft war ein Vertrauensgeschäft. Stromberg war eine erterri­toriale Persönlichkeit, er tam aus Sowjetrußland nach Deutschland , faufte hier unter Umgehung der Handelsvertretung waren ein und schickte sie noch Rußland . Er hatte in Hamburg ein Büro, dessen

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was nicht festgestellt werden kann, besaß einen Privatsekretär namens Eberhard, dessen Aufenthalt Uralzeff unbekannt ist. Stromberg fann in Moskau eingesperrt oder gar erschossen sein. Laut Vereinbarung mit diesem sollte Uralzeff seine Einlage per­fönlich zurückbekommen, der Kaufpreis sollte von der Han­delsvertretung in Deutschland ausgezahlt werden.

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Mitte 1925 hieß es plöglich, das russische Geschäft werde nun­mehr durch die Pariser Russische Handelsdelegation zur Abwicklung gebracht merden. Der Prokurist der Bank, Krause, und Uralzeffs Schwager Pfeiffer fuhren nach Paris , um hier mit Stromberg in Verbindung zu treten. Sie wurden von einer Person, die sich als Stromberg bezeichnete, aus Nizza angerufen, erhielten auch zahlreiche Telegramme über die Ursache der verzögerten Ankunft des Herrn Stromberg und fuhren schließlich unverrichteter Dinge nach Berlin zurück. Ebenso er­folglos mar eine zweite Fahrt Pfeiffers nach Paris . Es erschien bei ihm im Auftrag von Stromberg ein Herr Kurento ein Sowjetangestellter behauptet Uralzeff und vertröstete auf kommende Dinge. Das war alles. Im September 1925 wurde Pfeiffer zum dritten Male, diesmal in Begleitung des Rechts­anwalts Dr. Türk, nach Paris geschickt. Türks Reisen nach Paris wiederholten sich später mehrmals. Uralzeffs Anspruch auf 5 Mil­lionen, die er angeblich von der Russischen Handelsdelegation in Baris zu erhalten hatte, wurden von ihm an die Raiffeisen- Bank abgetreten. Die Handelsvertretung stellte auf diese Summe einen Schuldschein aus. Die Raiffeisen- Bank wollte an dessen Stelle mehrere Schuldscheine auf geringere Summen haben. Auch die erhielt sie, gleich dem ersten unterschrieben von Rosenfeld und Levine". Die Dokumente wurden in der Raiffeisen- Bank photo­graphiert. Die Nachforschungen in der Handelsvertretung er­gaben, daß hier weder ein Rosenfeld noch ein Lévine in Stellung

maren.

Uralzeff behauptet, die Handelsvertretung habe ihre eigenen Angestellten verleugnet. Sie existierten ebenso wie Stromberg. Es sei unerhört, an der Realität des Ruffengeschäfts zu zweifeln. Es sei Tatsache, daß in der Pariser Handelsvertretung Akzepte mit dem Giro seiner Handelsgesellschaft Orion im Umlauf waren und der Raiffeisen- Bank vorgelegen haben. Wieso Stromberg das Geld nicht gezahlt habe, begreife er nicht. Entweder habe er ihn getäuscht oder es sei ihm etwas zugestoßen. Er selbst sei voll­tommen unschuldig.

Explosionskatastrophe im Tunnel.

Gechs Tote, zwanzig Schwerverletzte. Madrid , 19. März.

Ju Andorra ereignete sich am Sonnabend bei Tunnelbauten für elektrische Zentralen eine schwere Explosion. Dabei wurden 6 Arbeiter getötet und 20 schwerverlett.

FORMAN

GEGEN

SCHNUPFEN

IN APOTHEKEN UDROGERIEN DOSE 60%