Ltrisil im GchuMeiß-prozeß. Drei Monate Gefängnis für Katzenellenbogen. Die 3. Ttrafkamurer des Landgerichts I fällte gestern. wie bereits im größten Teil der Abendausgabe mitgeteilt wurde, folgendes Urteil: Der Angeklagte Katzenellen- bogen wird wegen Bilanzverschleierung zu drei Mo« naten Gefängnis und 10 00� Mark Geldstrafe verurteilt oder im Richtbeitreibungsfakl« zu einem weiteren Monat Gefängnis. Der Angeklagte Penzlin wird an Stelle einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe von einem Monat zu 10 000 Mark Geldstrafe, im vttchtbeitreibungs falle zu einem Monat Gefängnis ver« urteilt. Bon der Anklage der Untreue wurde Katzen» ellenbogen freigosprochen. Das Verfahren gegen Katzen« ellenbogen und Penzlin wegen Prospektbetrugs wurde eingestellt. Die Angeklagten Sobernheim , lluhlmch und Funk wurden fr« igesprochru. Die Gefängnis st rafe gegen Katzenellenbogen wird als durch die erlitten« Untersuchungshaft als verbüßt betrachtet. In Her tlrieilsbegkündung führte der Borfitzen-de aus, daß sturmische Perioden im Wirtschafts- leben seit jeher ihren Niederschlag im Gecichtssaal fanden. Das Gericht fei kein Unter suchungsausschuß oder Enquetekomnnfsion für die Herausarbeitung einzelner Rechtsfragen. Es fei auch nicht feine Aufgabe gewesen, zimirechtlichen Ansprüchen den Weg zu bereiten. Die Aufgabe des Gerichts fei allein durch den Eröffnungsbeschluß begrenzt gewesen. Nu? was im Laufe der Perhanolungen Gegen- stand eigener Wahrnehmung geworden sei, habe dem Urteil zugrunde gelegt werden können. Bezüglich des P r o f p e k t b« t r u g e s fei das Verfahren e i n g e st e l l t worden, weil die Verjährungsfrist ein- getreten fei. Auch von der Anklage der Untreue seien die An- geklagten freigesprochen worden.— Dann werden in der Be- oründung ausführlich die der Anklage der B i l a n z o« r f ch l e i e- r u n g zugrunde liegenden Stützungskäuse, der Nutria- und Nordhefe- Komplex besprochen. Die Angeklagten haben, um dem Status ihres Unternehmens den Schein größter Liquidität zu geben, es zugelassen, daß die Bilanz viele Millionenbetroge als Bankguthaben aufwies, während in WirklichkeU nur einfache Forderungen in Frage standen. die auch nur hätten ausgewiesen werden dürfen. Sie haben also das im Aktienrecht so bedeutungsvolle Prinzip der Bilanz- wahrheit außer acht gelassen. Mildernde Um- stände waren den Angeklagten deshalb zu oersagen, aber es ist berücksichtigt worden, daß sie nickst vorbestraft sind.
Erwachender Mittelstand. Nazis kümmern sich nicht um die Not des Kleinhandels.
Oer deutsche Neklametag. Der Deutsche Reklame-Verband e. B. hält zurzeit seinen ersten deutschen Reklametag in Berlin ab. Die Tagung, die gestern begonnen hat und am Sonntagabend ihr Ende findet, hat das Interesse einer großen Zahl von wirtschaftlichen Verbänden ge- sunden. Am Sonnabendoormittag wurde die Veranstaltung im „Kaiserhof" eröffnet Der Vorsitzende des Verbandes, Dr. K n a p p. begrüßte die Vertreter der Reichs-, Staats- und Kommunalbehörden und die zahlreichen Gäste aus dem In- und Auslande. Die Reihe der Fachvorträge wurde eingeleitet durch einen Vortrag des Dr. Jng. Adolph über„Werbung und Industrie". An Stelle des verhinderten Reichsministers a. D. Grafen Könitz sprach Professor Brandt vom Institut für Marktsorjchung über„Werbung und Landwirtschaft", Heinrich G r ü n f e l d. der Vorsitzende des Einzel- handelsverbändes, behandelte das Thema:„Werbung und Einzel- Handel." Im weiteren Verlauf der Tagung, die als Sonnabend- abfchluß mit einem Gefellschaftsabend im„Kaiferhof" ihren Aus- klang fand, sprachen noch Dipl.-Ing. S u t t e r, Reichsminister a. D. Krahne über werbetechnische Fragen, und Dr. Krumbhaar, der Vorsitzende des Verbandes deutscher Zeitungsverleger, über: Zeitung und Werbung. „Gerade eine Zeitung", so führte Dr. Krumb-
In der Sindl-Rrauerel in Weitzensee wurde eine bemerkenswerte Mittel st andskuadgebung abgehalten. Nicht weniger als 12 Gewerbe dieses verliner Bezirks, der mit am schwersten unter der Wirtschaftskrise leidet, hallen dazu ein- geladen: die Läcker-Zunung, die Zuhcherrn-Znnung. die Zrifiir. Innung, der Haus, und Grundbejiheroerein, die eadrnfchlächler. die Tischlermeister. Schneidermeister, Gastwirte, Obst- und Gemüse- Händler bis zur vereinigten Lauhandwerker-Znnung von Weiheosee. Also die offiziellen Znteresscnoerlrctungen des Weißenfeer Mittelstandes. Das Thema der Kundgebung hieß„M i t t e l st a n d i n N o t". Der Charakter der Zusammenkunft, die den großen Saal der Kindl- Brauerei bis auf den letzten Platz füllte, war eindeutig antikapita- listisch. Es fehlte nicht an starken Worten, wie Kampf dem Zins- wucher, Kampf den Riefenkonzernen, Kampf dem Warenhaus, trotz- dem war diese Kundgebung für die beginnende Ernüchterung weiter Mittelstandskreise symptomatisch. Seit langer Zeit zum erstenmal be- rauschte man sich nicht an billigen Redensarten, sondern die Weißen- seer Mittelständler bezogen die Plattform des heutigen Staates, sie meldeten Forderungen an, die die drückendste Not lindern sollen, und erklärten sich zur Mitarbeit an diesem„System" bereit. Daß die Kundgebung schließlich in vorgerückter Stunde von einer nationalsozialistischen Sprengkolonne zum Auffliegen gebracht wurde, ändert nichts an der Einstellung der er- drückenden Mehrheit der Besucher. Der Referent in Weihensee war der Führer der Arbeitsgemein- schaftsattion Mittelständler. E, s e l. Er schilderte die Not des Mittel- standes, schilderte, wie die Kleingewerbetreibenden im Laden stehen und es kommt kein Kunde, weil der Kunde von einst kein Geld mehr hat. Eine zerschlagene Kaufkraft bedeutet den Bettelstob für so und so viel mittelständlerische Existenzen. Und dann formulierte der Referent ganz richtig, daß die Not des Mittelstandes ans der Not der arbeitenden Masten geboren ist. Will man dem Mittelstand Helsen , muß man zuerst der Arbeiterschaf« helfen: beide Gruppen können ein gutes Stück Wegs gemeinsam machen.
Der Referent sagte: ihr habt den verkrachten Bankfürsten Hun- derte von Millionen gegeben, warum gebt ihr nicht einmal auch uns ein paar hundert Millionen zur Ankurbelung der Kaufkraft. Gebt an die Arbeitslosen Gutscheine aus oder garantiert irgendeine andere Form des Konsumkredits, damit die Arbeits- losen in unsere Läden kommen und sich wieder einen Anzug, ein 5?emd und Stiefel kaufen können. Oder, meinte der Referent: 13 Jahre lang ist an den Häusern in Berlin so gut wie nichts mehr gemacht worden. Schluß jetzt mit der Verwahrlosung der Wohnungen. Gebt den Hausbesitzern die Hauszinssteuor zurück zu einem billigen Zinssatz und dann kann das Eroßreine- machen in Berlin beginnen, alle Bauhandwerke haben Arbeit. Schließlich verlangten die Weißenseer Mittelständler eine Art Still- Halteabkommen, ähnlich, wie es die ostdeutsche Landwirtschaft besitzt: den Schutz vor der Zwangsvollstreckung. Oder der Hauswirt soll nur den wirklich rückständigen Teil der Miete einklagen können und nicht vorsorglich das ganz« Geld für die ganze Vertragsdauer, wie es jetzt oft gemacht wird, wodurch der Gewerbetreibende zeitlebens der Schuldknecht des Hauswirts ist. Das ungefähr forderten die Weißen- seer Mittelständler. Ueber diese Forderungen, über diese Kundgebung, über diese ganze sich anbahnende Bewegung kann man diskutieren. Die Nazis vermochten das am Freitagabend nicht. Sic machten Radau mit ihrem Adolf. Adolf ist der Messias. Adolf wird helfen, kommt zu Adolf. Dabei wird der Mittelstand den Herrn Hitler wenig kümmern. Das war sage und schreibe alles, was die Weißenseer Lokalleuchten der Nazis ihren Wählern zu sagen hatten. Als sie ihre Litanei heruntergcbetet hatten, trat die aus Reinickendorf bezogene Sprengkolonne halbwüchsiger Rowdies in Aktion. Und um ein Haar hätten die Wähler Hitlers von den SA.-Strolchen Prügel bekommen. Es kam nicht dazu, die Nazis begnügten sich mit dem traurigen Ruhm, eine Mittelstandskundgebung, die sich be- mühte, einen Ausweg aus der Not zu finden, gesprengt zu haben. Niemand war darüber am Freitagabend empörter, als die Weißen- seer Mittelständler.„Wenn so das Dritte Reich aus- sieht," schimpften die Bäcker, Schlächter und Schneider. Im Dritten Reich würde rs noch viel heiterer aussehen, und sein Kommen zu verhindern, hat auch der Mittelstand alle Ursache.
haar aus,„die durch'Ernst und Zuverlastigkeit das Vertrauen der Leferschast erworben hat, ist auch für die geschäftliche Werbung be- sonders wertvoll, da sich die Anteilnahme der Leserschaft gleicher- maßen auch auf den Anzeigenteil erstreckt."
Besuch mit Revolvern. Frau schwerverletzt in ihrer Wohnung aufgefunden. In der Wohnung der 37 Jahre alten Frau Anna L. in der Müncheberger Straße spielt sich gestern nachmittag eine Schießerei ab, die noch nicht einwandfrei geklärt werden konnte. Fr. L. wurde nachmittags von zwei ihr osfenbär bekannten Männern, die Stachow und Franz heißen sollen, aufge- sucht. Während die Kinder, ein sechsjähriges Mädchen und ein fünf Jahre alter Junge, in der Küche spielten, trank Frau L. mit ihren Besuchern in der Stube Kaffee. Plötzlich fiel ein Schuß. Stachow und Franz verließen fluchtartig die Woh- n u n g. Als das Mädchen in die Stube eilte, fand es seine Mutter aus dem Sofa scheinbar leblos auf. Mit dem Ruf„Meine Mama ist tot— meine Mama ist tot!" lief die Kleine weinend auf den Flur. Nachbarn holten einen Arzt, der bei der Frau eine schwere Kopfverletzung durch einen Schuß feststellte. Frau L. wurde ins Krankenhaus am Friedrichshain gebracht, wo sie schwer darnieder- liegt. Es scheint bisher, daß Frau L. durch Fahrlässigkeit eines ihre? Besucher verletzt worden ist.
Villige Osierreisen auf der Reichsbahn . Bei den von der Reichsbahn für Ostern auszugebenden Fest- tagsrückfahrkarten ist folgendes zu beachten: Die Festtagsrückfahrkarten gelten vom 23. Würz früh bis zum 4. April. 24 Uhr. Die hinfahrt kann erfolgen in den Tagen vom 23. bis 28. März einschl. und muß bis 28. März, 24 Uhr, beendet sein. Die Rückfahrt kann erfolgen vom 24. März, 12 Uhr, und muß bis 4. April, 24 Uhr. beendet sein. Die Festtagsrückfahrkarten haben eine Ermäßigung von 33� Proz. gegenüber dem normalen Fahrpreis. Sie werden diesmal von allen Stationen der Reichsbahn nach allen Stationen aus- gegeben. Nach Möglichkeit werden gedruckte Fahrkarten ausgehän- digt, Blankofahrkarten als Notbehelf. Ausgegeben werden die Festtagsrückfahrkarten durch die Fahr- V: kartenausgabcn der Reichsbahn und durch das Mitteleuropäische Reisebüro. Die Lösung erfolgt zweckmäßig möglichst frühzeitig, mindestens aber zwei Tags vor Antritt der Fahrt, um glatte Ab- Wicklung zu gewährleisten. Eilzüge, v-Züge, FD- und FFD-Züge können gegen Zahlung des tarifmäßigen Zuschlags benutzt werden. * Für den Reiseverkehr zu Ostern hat die Reichsbahn- direktion Berlin die nötigen Vorkehrungen getroffen. Neben Verstärkung der fahrplanmäßigen Züge sind vom 23. bis 27. März 169 Vor- und Nachzüge vorgesehen, die nach Bedarf ge- fahren werden und sich auf alle Richtungen oertellen.
Aus dem Russischen übertragen von Werner Bergengruen . Aber dann kommt es ihm in den Sinn, wie sie es früher getrieben hat. Wer zpollte konnte mit ihr machen wozu er Lust hatte. Da kommt so ein Jammer über ihn, daß er sich am liebsten einen Strick um den Hals getan hätte. Und je länger das so geht, um so schlimmer wird es. Jeder einzelne Kram von damals kriecht ihm in den Schadest an alles muß er sich erinnern, wie jeden Tag ein anderer Kerl bei ihr ge- wesen ist, und so wird er trübselig, böse, sängt an zu saufen, säuft sich voll, kommt nach Hause, macht Krach, haut mit der Faust auf den Tisch: „Du Hurenstück, hast tausend Kerle bei dir gehabt, jeden Tag einen anderen!" Er schreit, zerschlägt das Geschirr, schmeißt alles im Hause herum, prügelt Gruscha und dann rauft er sich selbst die Haare aus und heult: „Gruschenka, verzeih mir Verfluchtem! Ich bin ja ein Vieh, der Teufel hat mich geritten, verzeih mir doch!" Der nächste Tag vergeht ruhig, dann geht es wieder los. Es wird immer schlimmer. Er liebt sie und quillt sie. Und zugleich quält er sich selbst. Und feit Gruscha verheiratet ist. da ist sie erst recht eine Schönheit geworden. Nicht nur im eigenen Dorf sagen das alle. Das wußten sie auch in der ganzen Gegend. Aber sie sprachen schlecht von ihr, wollten nicht vergessen, was früher gewesen war. Vsrgsht wieder eine Zeit. Der Kerl kommt ganz von Kräften, kann an nichts anderes mehr denken. Keine Stunde kann er es ohne Gruscha aushalten, und dabei hat er doch immer die asten Geschichten im Kops, immer wieder Gruscha mit besofsenen fremden Männern zusammen! Und dann säuft er, dann prügelt er Gruscha , dann weint er. Eines Tages kriegt er Krach mit einem besoffenen Hocker. Da schreit der: „Du sollst lieber auf deine Schlampe aufpassen! Kaum
bist du aus dem Hause, hat sie Besuch. Die Katze läßt das Mausen nicht." Dem Kerl wird es dunkel vor den Augen. Das Blut springt ihm in den Kopf, daß er nichts mehr unterscheiden kann. Er torkelt, brüllt wie ein Tier, haut dem besoffenen Hocker über den Schädel, daß es ihn umschmeißt, und rast nach Hause. Zu Hause sitzt Gruscha am Tisch, legt Patience . Er stürzt sich auf sie wie ein Verrückter, packt sie an der Kehle, fängt an zu würqen. Schmeißt sie auf den Boden, fällt über sie her, drückt sie an sich, würgt sie... Sie röchelt schon, aber er drückt sie immer noch an sich und küßt sie und würgt sie... Wie er sie erwürgt hat, springt er auf. begießt alles im Hause mit Petroleum, steckt es an, läuft weg... Jetzt wird er wohl irgendwo auf der Walze sein." Der Mann ohne Gedächtnis war in Haltung und Be- wegungen ebenso unerschütterlich wie sonst, aber in seiner Stimme bebte eine kaum wahrnehmbare Erregung, und sein Blick hatte etwas Unruhiges und Flackerndes. Aber vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet... Wir fuhren weiter. Die sibirische Bahn hat nur ein Ge- leise, und darum steht der Zug oft für längere Zeit an den Haltestellen auf der Weiche. Darum strömten die Bauern aus den nächsten Dörfern zusammen und breiteten auf Bütten und Holzqestellen Dinge zum Verkauf aus, die auf Seh- und Geruchsnerven hungriger Menschen wie überirdische Phantome wirkten! In diesen Gegenden waren Fleisch. Fisch und Wild märchenhast billig. Dafür wurde aber auch nur in größeren Quantitäten abgegeben. Wer gebratenes Fleisch baben wollte, der mußte wenigstens ein Stück von mehreren Pfunden nehmen! Eine Ochsenleber wurde nur im ganzen abgegeben! Wer auf Fisch Appetit hatte, mu�te schon einen ganzen Karpfen oder Hecht von fünf bis sechs Pfund nehmen! Und das alles war unglaublich billig. Hat man aber kein Geld, so fällt jeder Unterschied zwischen billig und teuer weg. Höchstens ist das„Billig" noch erdttterndsr. wenn man sich klarmacht, daß für ein einziges Zehn-Kopeken-Stück ein aus- gshungerter und bis zum äußersten erschöpfter Mensch ge« sättigt werden könnte Wenn die Eskortemannschaften mit den Lebensmitteln, die sie für lljren eigenen Bedarf eingekauft hatten, in den Waggon zurückkamen, mit diesen schön gebratenen, mächtigen Fleischstücken, Lebern oder ganzem Geflügel, dann waren'die Qualen des ausgehöhlten Maoens und des geschärften Ge- ruchssinnes unbeschreiblich. Es waren richtige Tantalus - quälen.
Im Munde hatte man ein Gefühl der Trockenheit, im Kopf Schwindel und dabei die deutliche Empfindung, daß der Körper sich von seiner eigenen Substanz nährte und sich da- bei selbst verbrauchte. Bei mir ging die Schwäche bereits so weit, daß ich nur noch mit Mühe gehen und stehen konnte und unwillkürlich augenblicks am Boden lag, sobald sich eine Möglichkeit dazu bot. In den letzten Tagen waren wir etwas weniger eng zusammengepfercht und es gab mehr Platz. Hätte man nicht auf allen Haltestellen alle diese aufreizende Herrlichkeit sehen müssen, so hätte der ans Hungern gewöhnte Organismus einigermaßen zur Ruhe kommen können, aber dieser er- bitternde Anblick und dieser aufpeitschende Geruch ließen einem immer wieder das Wasser im Munde zusammenlaufen. Unser Waggon war geräumiger geworden, und damit begann auch die Eskorte korrekter und freundlicher zu werden. Wir verfolgten mit Freude, wie wir allmählich weiterkamen, und glaubten das Ende unserer Lcidensfahrt schon voraus zu sehen. Die ungezählten Ansiedlungen. Dörfer, Haltestellen, Stationen glitten, hier und da von Feldern und Wäldern unterbrochen, den ganzen Tag über wie ein unendlicher Streifen an uns..vorbei. In der Fahrtrichtung tauchte am Horizont plötzlich ein stattliches Dorf mit einer großen Kirche auf, mit einsni Backsteingebäude— es mochte ein Krankenhaus oder eine Schule sein— und mit einigen steinernen Häusern inmitten der bäuerlichen Balkenhütten. Dann kamen wieder lange Zeit hindurch kleine Dörfchen mit strohgedeckten Hütten, un- ordentlich verstreut, grau, schief, krumm, offenbar jeden Augenblick zum Einsturz bereit. Alle diese Hütten waren ohne Fenster— vermutlich gingen die Fenster immer nach der Hofseite—, und so erinnerten diese Baulichkeilen an schmutzig- graue, auf die Felder geworfene kleine Kästchen. Menschen waren nicht zu sehen. Sie hatten ihre Kästchen weggeworfen und vergessen. Dann kamen wieder schneebedeckte Felder— unendlich, still, gleichförmig. Ganz überraschend kam der Wald uns entgegengelaufen, der ungeheure, hohe, dichte Wald, zwischen dem sich auf schmalem Pfade unser Zug wie eine Schlange durchwand. Die dichten Waldmauern faßten den Weg wie mächtige, undurchdringliche Schilde von beiden Seiten ein und verloren sich in eine unermeßliche Ferne. In der Dämme- rung schoben sich die Bergwände, mit weißen Tüchern gedeckt, naher aneinander, als drohten sie, sich plötzlich zusammen- zuschließen und die lange Reihe rasselnder Spielzeugkästche», die verlassen im Dunkel daherkrochen, zu zermalmen. (Fortsetzung folgt.)