Rr. 135 49 Jahrgang
3. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 20 März 1932
Landarbeiterelend.
Bei den Arbeitslosen in Schlesien und den Arbeitenden in Hinterpommern.
Die Landarbeiterverhältnisse in Schlesien spotten vielfach jeder Beschreibung. Hier merkt man von den Segnungen der Kultur des 20. Jahrhunderts noch wenig. Zu den unwürdigsten Arbeitsbedingungen, niedrigem Lohn und übler Behandlung schuftet hier die ganze Familie für den Herrn Gutsbesizer. Vater. Mutter und felbst die Kinder müssen helfen. Von früh bis spät abends. Den Achtstundentag tennt der Bandarbeiter nicht. Dafür darf dann die ganze zahlreiche Familie in Löchern( Wohnung darf man so etwas nicht nennen) hausen. Großstadthinterhofwohnungen sind gegen der artige Wohnstätten, in denen die Landarbeiter heute oft noch vege tieren müssen, Brunfräume.
Wenn nun diese ausgebeuteten, getnechteten Landarbeiter arbeitslos werden, dann geraten sie sofort in das größte Elend, weil sie keinen wirtschaftlichen Rückhalt besigen. Ersparnisse konnten fie bei ihrem niedrigen Lohn nicht machen. Es bleibt ihnen nur die Arbeitslosenunterstügung, die aber, weil sie nach dem bisherigen Verdienst bemessen wird, sehr niedrig ist. Ein Arbeiter mit 3 bis 4 Rindern erhält durchschnittlich 14 bis 15 Marf wöchentlich. Die Frau befomint nur Unterstützung, wenn sie
land zur Ratastrophe treiben wollen. Die Herren, die ihre Arbeiter immer beschäftigen fönnten, entlassen sie jetzt oft, um die Kaffen der öffentlichen Hand absichtlich zu belasten und so den Zusammenbruch schneller herbeizuführen. Ein Beispiel dafür sind. die Massen entlassungen am 1. Januar 1932 in Schlesien , trotzdem sie einzelnen Befizern sehr geschadet haben. Sie sind aber durchgeführt worden, weil Katastrophenpolitif gefrieben werden mußte. Die Katastrophenpolitiker werden durch die Osthilfe noch fubventioniert. Die Landarbeiter aber gehen als Opfer dieser Politit, als Opfer einer schmach vollen Wirtschaftsmeise zugrunde, wenn ihnen nicht bald geholfen wird.
3n Hinterpommern siehts nicht beffer aus.
standen, ihre Mihwirtschaft durch ständiges Geschrei über die Die Großagrarier haben es seit Jahren ausgezeichnet ver Not der Landwirtschaft" zu verdecken. Trotzdem find viele von ihnen auch in der jüngsten Zeit noch in der Lage gewesen, in ihrer persönlichen Lebenshaltung einen
arbeiterschaft eingetreten ist, daß diese nicht mehr in der Lage ist, ihre Kinder ordnungsmäßig zu kleiden.
Die Kinder gehen oft in Lumpen gehüllt
einher und demonstrieren ungewollt die schreiende Not in den Landarbeiterfamilien.
Man fragt fich, mie es möglich ist, daß Landarbeiter unter so elenden Lohnverhältnissen arbeiten. Doch da auch die Arbeitsfosigkeit auf dem Lande keine Seltenheit mehr ist, zwingt die Furcht vor der Arbeitslosigkeit die Landarbeiter ins Joch.
Unter diesen Umständen ist es um so mehr zu begrüßen, daß in Preußen nach der Revolution die politische Entrechtung der Bandarbeiter beseitigt, das Koalitionsverbot aufgehoben und für Bandarbeiterfiedlungen, Landarbeiterwohnungsbau, die preu Bische Regierung Vorbildliches geschaffen hat. Die Landarbeiter werden genau so, wie sie mit dem Deutschen LandarbeiterVerband die Lohnabbaupläne ihrer Arbeitgeber erfolgreich abschlagen werden, auch bei den Wahlen zum Preußischen Landtag ihre Pflicht tun.
Theorie und Praxis.
Thälmann als das kleinere Uebel.
Uebels zum schlimmsten Vorwurf. Als ob man vernünftigen MenUnsere Gegner von links machen uns die Tattif des kleineren
mehr als 10 Mart in der Woche verdient hat. Biele tausend Frauen mit der nach außen geschrienen Not in fein Verhältnis zu bringen hen zumuten tönne, sich auf das größere Uebel zu vers
betommen deshalb nichts.
Sechzehn Wochen Arbeitslosenunterstügung. Dann ist es Schluß. Krisenunterstützung gibt es für arbeitslose Land arbeiter im Bereich des Landesarbeitsamts Schlesien nicht. Nun foll die Wohlfahrt eintreten. Wie ist eine Familie mit 5 oder
6 Köpfen mit wöchentlich 4 bis 5 Marf durchzuhalten? Wie ist einem Familienvater zumute, menn er wochenlang
feinerlei Unterstützung bekommt, weil die Gemeinde per armt ober der Gemeindevorsteher ſtur ist? In Schlesien ist nämlich der Gutsherr sehr oft auch Gemeindevorste her. Ist er es nicht, so ist es sein Freund oder ein Mensch, der in jeder Beziehung von ihm abhängig ist. Und nun hat er die Möglichkeit, sich an mißliebigen Arbeitern zu rächen. Auf den schle= fischen Landarbeiterdörfern spielt sich auf diese Weise jetzt man dhe Hungertragödie ab.
Man muß einmal die Bandarbeiter sehen, die etwa ein Jahr lang arbeitslos sind. 3erlumpte Menschenwrads find das, die feinen anderen Gedanken haben als den,
ist. Allerdings hat die durch eine rüdständige und unfinnige" Betriebsführung der Landwirtschaft verschuldete Not auch eine ganze Anzahl Großagrarier betroffen. Aber wirkliche Not, under schuldete Not herrscht auf dem Lande bei den Landar
beitern.
Auf einer Landarbeiterfonferenz in Hinterpommern vor einigen Tagen verlas ein Landarbeiter die Zahlen von drei Lohn tüten aus dem legten Bierteljahr. Diese Lohntüten liegen der Gauleitung Bommern des Deutschen Landarbeiter- Berbandes im Original vor. Sie find mit dem Stempel der Gutsverwaltung der Kreissiedlung Rabuhn und der Unterschrift eines Herrn Traeger versehen. Diefer Landarbeiter( es handelt fich hier nicht etwa nur um einen Einzelfall) hat
in drei Monaten nur einmal 73 Pf. Bargeld
Es
Wenn der Großstädter an Landbewohner denkt, dann stellt er sich immer gesunde, fräftige, pausbädige Menschen vor die mit. von der Gutsverwaltung ausgezahlt erhalten und hatte am Schluß einem Lieb auf den Lippen ihre Arbeit verrichten. Und wenn es dieses Vierteljahres noch einen Vorschuß von 1,10, Mark. auch nur ein Landarbeiter ist. Der hat doch sein Stückchen Eigen- handelt sich um einen voll arbeitsfähigen Landarbeiter. Gewiß, die Landarbeiter bekommen außer dem Barlohn auch Na Land, das er selbst bebauen und für fich abernten tann. Dem fann es doch nie schlecht gehen! turalien. Doch diese Naturalien werden oftmals im Haushalt voll aufgezehrt, besonders, wenn viele Kinder da sind, die als Hofgänger noch nicht zu gebrauchen sind. Wenn es diesem oder jeném Landarbeiter wirklich gelingt, von den Naturalien die er sich womöglich mit seiner Familie am Munde absparte, etwas zu verkaufen, so find doch die Preise für agrarische Produkte, die der Landwirt und der Landarbeiter erhalten, zur Zeit verhältnismäßig niedrig. Der 3mischenhandel macht erst die richtigen Preise. Bovon sollen die Landarbeiter die notwendigsten allerbescheidensten Ausgaben an Kleidung und Wäsche, Schuhzeug und Reparaturen, Mobiliar und Hausrat, Fahrad und Reparaturen, Handmertszeug. Brennmate rial und Beleuchtung, Reinigungsmittel( Eeife, Soba, Pugmittel Arzt, Apotheke Körperpflege, Cildung, Schulbücher, Zeitungen und Sonstige Ausgaben bestreiten? Für Genußmittel und Bergnügungen bleibe den Landarbeitern erst recht nichts übrig.
fich nur ein einziges Mal fatt zu effen.
Sie lassen alles mit sich ergehen. Nur satt essen wollen sie fich. Sie tennen nur ihren Hunger. Hunger, wo im Nachbarhause beim Bauern der Rauchfang voller Spedseiten hängt. Ein Stückchen Land gibt es für Landarbeiter nicht oder doch nur felten. Die Frauen und Kinder dieser Arbeitstofen leiden an allen Broletariera frankheiten, die esht von der Rachitis bis zur Tuberkulose, Hilfe dagegen, wie. der Großstädter in seinen Fürsorgeeinrichtungen hat, gibt es nicht für sie.
In den Landarbeiterdörfern Schlesiens, Pommerns und Ost preußens fizt eine Schicht Menschen, die schwerer leidet als die arbeitslosen Industriearbeiter. Kärglichere Unterstützung, feine Aufheiterung oder Ablenkung. Für sie bedeutet die Arbeitslosigkeit verschärfte Knechtschaft. Beziehen sie Wohlfahrtsunterstügung, so bezahlen sie jeden Pfennig dieser Unterstützung mit einer Erniedrigung.
Biele Landarbeiter brauchten aber nicht arbeitslos zu fein, wenn ihre Arbeitgeber nicht zu den Kreisen gehörten, die Deutsch
Die Arbeitgebergruppen des pommerschen Landbundes haben jetzt obendrein für mehrere hinterpommersche Kreise den Tarif pertrag zum 30 April 1932 gefündigt, um die überaus trostlose Lebenslage der Landarbeiterschaft in Hinterpommern noch mehr zu verschlechtern.
Der Deutsche Landarbeiter band hat fürzlich darauf hingewiesen, daß durch die Entwertung des Deputats und die nied rigen Schweinepreise bereits eine so starke Berelendung der Land
steifen.:
In Breslau wird der Metallarbeiterverband vom dem SAP.
Mann Ziegler geführt, der feine Sonderstellung und die feiner Splitterparten auf die Abneigung gegen den Standpunkt des fleineren Uebels hauptsächlich stützt.
Entgegen der gemerffchaftlichen Parole zur Reichs präsidentenwahl für Hindenburg zu stimmen, fuchte Ziegler die Breslauer Mitglieder des Deutschen Metallarbeiterverbandes für bie fommunistische Barole einzufangen, für die indirekte Wahlhilfe zugunsten der Nazis. Zu diesem 3wed 30g 3iegler furz vor der Wahl den Theoretiker der SAP., Dr. Sternberg, heran. Der Wissenschaftler suchte den Metallarbeitern die radikale Wahlparole mit der Begründung einzutrió tern, daß Thälmann das kleinere Uebel sei. Ein lebel zmar, aber ein minder großes Uebel
Darüber wollen wir hier nicht streiten, sondern lediglich feststellen, daß die Taktik des fleineren Uebels auch von Leuten befolgt wird, die sich gebärden, als ob sie den Radikalismus in Erbpacht bekommen hätten. Sie haben nur bewiesen, daß man diese Taftit auch falsch anwenden kann.
Freilich, im Vertrauen darauf, daß Sozialdemokratie und Ge werkschaften mit dem fleineren Uebel des Faschismus fertig würden, fonnten sich KPD . und SAP. den Lurus leisten, für das noch fleinere lebel Propaganda zu machen.
Zur Verkehrssicherheit.
Für Lafffraftwagen ist Beifahrer nötig.
Die Hauptverkehrswacht, der alle am Straßenverkehr und an der Berkehrssicherheit interessierten Organisationen angehören, hat an alle örtlichen Verkehrswachten das Ersuchen gerichtet, sich zu der Frage der Beifahrer auf Lasttraftfahrzeugen zu äußern. Die Settion Kraftfahrer der Ortsverwaltung Berlin des Gesamtverbandes, die zur Meinungsäußerung ebenfalls aufgefordert ist, hat ihre Stellungnahme zu dem Beifahrerproblem somohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht eingehend begründet. Der Gesamtverband vertritt die Auffassung, daß das Stellen eines Beifahrers aus wirtschaftlichen und Verkehraficherheitsgründen dringend erforderlich sei. Er verweist z. B. darauf, daß bei Reifenpannen in all den Fällen, in denen die Reifen groze Dimensionen haben, der Kraftfahrer nie in der Lage ist, ohne fremde Hilfe den defekten Reifen auszuwechseln. Beim Versagen
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