Morgenausgabe
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Vorwärts
Berliner Bolksblatt
Dienstag
22. März 1932
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
Ste etnivalt. Millimeterzeile 30 f. Reklamezeile 2.- M Kleine An geigen" bas fettgebrudte Bort 20 Vf. ( sufäffig amei fettgedrudte Borte jedes meitere Bort 10 Bf. Rabatt Lt. Sarif. Borte über 15 Buchstaben zählen für gwer Worte Arbeitsmartt Millimeter Belle 25 Bf. Familienanzeigen Mit zeterzeile 16 Bf. Anzeigenannahure im Hauptgeschäft Lindenstraße 3. sochentäglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der AbTehnung nicht genehmer Anzeigen vor!
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Gemeinden vor dem Bankrott.
Wann endlich Reform des Finanzausgleichs?
Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spizenverbände( Deut. fdjer Städtetag, Deutscher Bandfreistag, Reichsstädtebund und Deutscher Landgemeindetag) gab vor der Breffe anläßlich des Heber ganges vom alten zum neuen Haushaltsjahr einen Ueberblid über die fatastrophale Lage der Gemeindefinanzen. In diese Lage find die Gemeinden nicht in erster Linie wegen des Rückganges ihrer Einnahmen getammen, sondern wegen des unzulänglichen Finanz- und Lastenausgleiches, der in den letzten Jahren von Reich und Ländern stets nur zum Nachteil der Gemeinden verändert worden ist.
te start sich das Verhältnis zwischen Lasten und Einnahmen verschoben hat, dafür ein Zahlenheispiel:
Die monatlichen Caflen der Gemeinden und Gemeindeverbände für die Erwerbslofenfürsorge betragen gegenwärtige 93 Millionen Mart, während die Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsftener nur 55 Millionen Mart monatlich betragen. Die Einnahmen aus diesen Ueberweisungssteuern machten aber vor zwei Jahren noch das Fünffache der Erwerbslosenlaften aus. Die Tatsache, daß Gemeinden nicht wie Privatunternehmer schlagartig ihre Zahlungen völlig einstellen können, ist der Grund dafür, daß die bedrohliche Lage der Gemeindefinanzen immer noch nicht richtig gewürdigt wird Die Einnahmen werden in erster Linie für die Zahlung von Unterstügungen, Gehältern und Löhnen in Anspruch genommen. Wohin aber die Nichtzahlung von 3insen sund Tilgungsbeträgen führt, dafür sind die neuen Schwierigkeiten der rheinischen Landesbanken ein abschreckendes Beispiel. Die Gemeinden find aber unausweichlich gezwungen, furzfristige Schulden zu machen, um das Defizit( im Haushaltsjahre 1931, Schulden zu machen, um das Defizit( ins Haushaltsjahre 1931 wieder insgesamt 280 Millionen Marf) auszugleichen. Die Aussichten für das tommende Haushaltsjahr 1932 find dent.
bar tribe.
Die Erwerbsfofenlasten, die im Jahre 1931 etwa 1100 Millionen Mart betrugen( davon übernahm das Reich 230 Millionen Mart), werden sich auf 1560 millionen Mark erhöhen, wenu feine Aenderung eintritt.
Alles ganz legal!
130 Nationalsozialisten pfeifen auf das Gesetz.
Gladbach- Rheydt, 21. März. Der Polizeipräsident teilt mit:„ Am Sonntagvormittag wurde in einem Hause in der Mühlenstraße in Gladbach der SS- Sturm in dem Augenblick überrascht, als er in verbotenen Uniformen ( einheitliche Mühen mit besonderen Zeichen) versammelt war. Von Glad ach- Rheydt und der ganzen näheren und weiteren Umgebung waren die Mitglieder dem ausdrücklichen Befehl des Sturmführers, im verbotenen Anzug zu erscheinen, gefolgt. Trotz der hohen Straje, die die Bierte Notverordnung des Reichs präsidenten vorsieht( ein Monat Gefänguis Mindeststrafe), waren etwa 130 Personen erschienen. Sie wurden von der Polizei festgenommen und dem Polizeipräsidium zugeführt. Dabei wurde den Polizeibeamten wiederholt die Drohung zugerufen, daß fie am 24. April ohne Penfion fortgejaat und die Nationalsozialisten ihre Stellen einnehmen würden. Wegen der großen Anzahl der Festgenommenen war ihre sofortige Vorführung vor den Richter nicht möglich. Sie wurden deshalb nach Feststellung der Personalien vorläufig enllaffen. Die Räume in der Mühlenstraße wurden polizeilich gefchloffen."
GA- Rowdys spielen Polizei.
Hagen , 21. März.( Eigenbericht.) In der Nacht zum Sonntag haben in Hagen 5 Nationalsozialisten auf der Körnerstraße zwei Personen angehalten und nach Ausweisen gefragt. Ein Mann wurde, ehe er dem Berlangen nachfommen fonnte, zu Boden geschlagen und als er schließlich flüchten wollte, von SA.- Mitgliedern cines nahen SA.. Heimes, die zur Verstärkung herbeigeholt waren, mit einem eisernen Notenständer so schwer mishandelt, daß er einen fomplizierten Schädelbruch erfitt. Die Täter sind ermitteltundin haft genommen.
Thüringen von Groener nicht informiert.
Weimar , 20. März.( Eigenbericht.) In der Nacht vom 13. zum 14. März waren im Lande Thürin gen , in Bieselbach, Tinz , Tiefenort und Gräfenrode Trupps der SA. zusammengezogen; in Bieselbach waren es rund 200 Mann. Die thüringische Regierung ließ durch 220 Mann Landespolizei die Bewachung vornehmen. In Linz veranlaßte die Geraer Polizei das Notwendige.
Auf der Einnahmefeite muß man aber mit einem Rüdgang der Gesamteinnahmen um mehr als 20 Pro3. gegenüber dem niedrigen Stande von 1931, d. h. um 825 Millionen Mart, rechnen. So wird die Einkommen und Körperschaftssteuer von 1831 zu 1932 auf die Hälfte, d. h. um rund 600 Millionen Mart zurüdgehen. Die Realsteuern werden eine Mindereinnahme von 145 millionen Mart bringen. Der Finanzanteil der Hauszinssteuer wird um 50 millionen Mark zurückgehen. Durch die Gentung der Gemeindebiersteuer erleiden die Gemeinden einen tatsächlichen Ausfall von 22 Millionen Mart .
Als unbedingte fofortige Maßnahme fordern die Gemeinden die Fortzahlung des Reichszuschusses für die Erwerbslosenlaften in der für das Winterhalbjahr 1931 gewährten Höhe. Für das erste Vierteljahr des Haushaltsjahres 1932 müffen also mindestens 115 Millionen Marf bereitgestellt werden. Unbedingt erforderlich ist, daß kein Krisenunterstügter mehr in die Bohlfahrt tommt, zumal feststeht, daß die Gemeinden zunächst von einer tonjunkturellen Befferung der Beschäftigung feinen Vorteil haben werden.
Eine Sanierung der Gemeindefinanzen aber kann nur erfolgen, wenn endlich die von allen Seiten geforderte Aenderung des Laftenausgleichs in der Erwerbslofenunterstützung erfolgt. Seit Dezember 1930 liegt hierfür ein Antrag der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion vor.
Eine weitere Senfung der Ausgaben ist absolut unmöglich. Nach den Worten des Präsidenten Mulert ist die Grenze für die Sentung der Unterstübungsfäße physisch und politisch" erreicht. Erfolgt die Entlaftung der Gemeindes finanzen von der Ausgabenseite her nicht, so sehen die Gemeinden feinen anderen Ausweg, als die Bürgersteuer, die jezt für das Jahr 1931 in den Monaten Januar bis Juni in Teilbeträgen erhoben wird, monatlich das ganze Jahr hindurch fort zuerheben. Das bedeutet eine Mehrbelastung der Bürgersteuer pflichtigen, die gerade die ärmsten Schichten treffen würde und sozial absolut unvertretbar ist!
Dr. Zunfel, mußte nichts von zentralen Anweisungen. Die Zufam menziehungen erfolgten ohne jede Aufforderung der Leitung, die davon nichts mußte.
Da in Thüringen nicht ein Zusammenhalten der GA. in- ihren geschlossenen Unterkunftsräumen in Frage fomumt in den obigen Orten gibt es teine S.- Heime so fällt dieser Aufmarsch nicht unter die Röhmsche Legalitätsanmeldung.
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Da auch der zuständige A. Leiter 3untel erflärte, nichts zu wissen, die thüringische Regierung nichts wußte - auch die preußische Regierung in Erfurt nichtsin der Stadt Erfurt waren an drei Stellen etwa 800 Mann SA zufammengezogen fo tann vielleicht Herr Innenminister Groener fagen, ob die thürinaische Regierung, die er nicht informiert hatte, die Bewadyung beziehungsweise Auflösung dieser SA- Trupps zu Unrecht vorgenommen hat.
Severing bei Brüning . Besprechung über die preußische Polizeiaktion.
Der preußische Minister des Innern, Severing, hatte am Montag eine Unterredung mit Reichskanzler Brüning , wobei auch die preußische Polizeiaftion erörtert wurde. Zwischen dem Reichsfanzler und dem preußis schen Innenminister bestehen leinerlei Meinungsverschiedenheiten über die preußische Polizeiaktion.
Das„ System" soll helfen. Der Staatsgerichtshof als rettender Engel. Hitler vertlagt Severing beim Staatsgerichtshof in Leipzig . Bas Hitler tann, fann flagges schon lange. Er flagt auch, aber nicht gegen Severing- Preußen, sondern gegen Brüning und das Reich! Und zwar, weil der Reichspräsident durch seine neueste Berordnung auch Klaggeftan die Pflicht auferlegt hat, wenig stens während der Osterwochen Frieden zu halten. Friede das ist für ein nationalsozialistisches Gemit uns erträglich. Deshalb verlangt flagges oder vielmehr das braun schweigische Staatsministerium vom Statsgerichtshof die Auf hebung der Osternotverordnung, die bem Schutz des äußeren Friedens dienen soll, wegen angeblicher Verfassungswidrigteit!
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Dieser Kampf um die Verfassung, ausgeführt von ihren schlimmsten Feinden, mirtt geradezu grotest!
Der thüringischen Regierung wurde noch in der Nacht Dom 13. zum 14 März Mittelfung gemacht pon den Sufammen ziehungen. Im Gegensatz zum Reichsinnenminister Groener mußte das thüringische Innenminifterium nichts von der Röhmschen Ab. juht, die SA. am Wahltage geschloffen zusammenzuhalten, aber auch bar Begirisleiter ber 6, der thüringliche Reichstagsabgeordnete| Empfängen tellzunehmen.
Reichsverkehrsminifter Treviranus ist per Flugzeug in London eingetroffen, um Goethe- Feiern beizuwohnen und on offiziellen
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Harzburger Käse.
Noch nicht alt und läuft schon auseinander!
Was tommen mußte, ist gekommen: man prügelt sich im Bager der Unterlegenen vom 13. März von Tag zu Tag mehr. In der Partei Hitlers geht das noch einigermaßen int stillen vor sich. Aber zwischen Hitler und Hugen berg, den ehemaligen Bundesgenossen von Harzburg , ist eine ganz hübsche Keilerei im Gange, die noch über das hinausgeht, was sich während des Wahlkampfes zwischen Stahlhelm und Nationalsozialisten getan hat. Das ist aber noch nicht alles: der größte Krach herrscht bei Hugenberg felber! Fein sehen sie aus, die Leute von der Harzburger Front, die unter der erlogenen Firma Nationale Opposition" Deutsch land aus den Angeln heben wollten!
Hitler hat für den zweiten Wahlgang der Präsidentenwahl abermals die Parole für sich selbst ausgegeben. Er hat Dazu Erklärungen gegeben, aus denen man sehr deutlich erfennt, daß er jetzt die aufgepeitschte Massenerregung seiner Gläubigen nicht abebben lassen darf, wenn er nicht einen Zufammenbruch erleben will. Das bedeutet aber, daß die Masse, die er am 13. März hinter sich gesammelt hat, nicht einheit lich, nicht diszipliniert und deshalb auch nichtmanövrierfähig ist. Diese Masse ist keine wirkliche Partei, sondern lediglich eine aus einer bestimmten Konjunktur geborene Menge, die morgen schon wieder auseinanderfallen fann. Sie ist, um mit Hugenberg zu reden, fein Blod, sondern ein Brei.
Der andere der Spieler der Harzburger Front, Hugen berg , hat geglaubt, daß er auf einem Block sitzt, der zwar flein, aber immerhin fest ist. Aber ach, dieser Block ist nichts anderes als eine nur sehr lose zusammenhängende Splitterflein, aber immerhin fest ist. Aber ach, dieser Block ist nichts maffe. Er ist ebenfalls nicht manövrierfähig, und so hat sich Hugenberg für den zweiten Wahlgang zu der Verlegenheitsparole entschlossen, daß eine aftive Beteiligung der Deutschnationalen Voltspartei an der zweiten Reichs präsidentenwahl nicht in Frage kommt. Man könnte der Anficht sein, daß darin eine versteckte Wahlparole für Hitler liegt, wenn dies aber der Fall ist, dann gilt sie jedenfalls nur für die Hugenberg - Leute, nicht aber für den Stahlhelm. Denn der Stahlhelm tritt nicht für Hitler ein. Nationalsozialiften und Stahlhelm haben sich im Wahlkampf so miteinander gerauft, daß tiefe Berbitterung übriggeblieben ist. Die Parole Sugenbergs ist deshalb eine vom Stahlhelm erzwungene Berlegenheitsparole.
Dafür schlägt nun die nationalsozialistische Presse munier Sie nennt die Verlegenheitsparole auf Hugenberg Los. Hugenbergs e in starfes Stüd, eine engstirnige, parteiegoistische Einstellung, die öder Parteischablone entsprungen sei. Und schließlich wirft fie Hugenberg , ausgerechnet Hugenberg , Fahnenflucht aus dem nationalen Lager vor. Da fehlt nicht mehr viel bis zu der Beschuldigung: Hugenberg hat der nationalen Front den Dolch in den Rücken gebohrt. Sie verprügeln sich ganz wader gegenseitig, die Helden von Harzburg !
3 wischen Hugenberg und dem Stahlhelm ift ebenfalls ein hübscher Krach im Gange. In erster Linie geht es dabei um die Wahlfosten. Der Wahlkampf für Duefterberg ist in der Hauptsache auf Bump gemacht worden, und schiebt einer dem anderen die Kosten zu. Der Stahlhelm schickt die Gläubiger zu Hugenberg , der wieder zum Stahlhelm. Und da teiner konnte zahlen, zahlte keiner von beiden! Bankschulden dafür aufzunehmen, ist auch nicht mögIlch wer meiß im übrigen, ob Herr Hugenberg schon seine Schulden bei der ehemaligen Danatbant abgedeckt hat?
Neben dem Streit ums Geld geht der Krach um die Schuld an der Niederlage. Im Stahlhelmlager ist man aufs äußerste erbittert über Hugenberg . Man wirft ihm vor, daß sein Preiseapparat nicht genügend für Duesterberg eingesetzt worden sei, daß Hugenberg Duefterberg als Opferlam m vorgeschoben habe, um ihn dann schmählich im Stich zu lassen Dazu kommt ein weiteres. Hugenberg hat geglaubt, durch die Kandidatur Duefterberg den Stahlhelm so an sich zu fesseln, daß er aus einer selbständigen Organisation zu einer reinen Parteigruppe unter Hugenbergschem Befehl werde. Das will die Stahlhelmführung nicht, sie will sich nicht unter Hugenbergs Fuchtel nehmen lassen, und so ist man böse aufeinander.
Und dann soll gar noch ein ganz besonderer Krach wegen der Kandidaturen für die Breußenwahlen im Gange sein. Der Stahlhelm hat von Hugenberg die Auf stellung von Stahlhelmführern an sicherer Stelle der deutsch nationalen Listen gefordert, und er hat damit Hugenbergs wundesten Bunft getroffen; denn Hugenbergs ganze innere Barteitaftil mar darauf abgestellt, ihn zum unumschränkten