Morgenausgabe
Nr. 141
A 71
49.Jahrgang
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Donnerstag
24 März 1932
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Gesetzlose Zustände.- Klagges G. terrorisiert das Land.
B
Braunschweig, 23. März.( Eigenbericht.) Einem wüsten Naziterror, der für die heutigen Ver. hältnisse in Klaggestan bezeichnend ist, war die Ein. wohnerschaft des Arbeiterortes kaierde bei Areiensen während eines ganzen Tages ausgesetzt. Ein durchkommender Nazimann, will von Schul. tindern mit Steinen beworfen worden sein. Er alarmierte eine auswärtige SA. Abteilung in Stärke von 80 Mann, die eine regelrechte Ab riegelung der Ortschaft vornahmen und die Arbeiterhäuser belagerte. Besonders hatte man es auf die Wohnungen der Funktionäre abgesehen. Die S., die sich das Recht zu Haussuchungen anmaßte, ging gewalttätig vor. Das zu spät kommende 2andjägerkommando versuchte gar nicht, fich gegen die Nazihorden durchzusehen, sondern untersuchte auf Anregung des SA.- Führers die überfallenen Arbeiter auf Waffen.
Die Volkspartei, die bisher jede Geschwidrigkeit und jeden Verfassungsbruch der Naziregierung gedeckt hat, fängt an, Bedenken zu äußern. Der Landtags abgeordnete Brandes, der volksparteiliche Führer pm Laude Braunschweig, erklärte, daß er die Regierung Küchental vor einer Klage beim Staats. gerichtshof wegen Aufhebung des Ofter. friedens gewarnt habe. Statt sich einseitiger Barteiwünsche anzunehmen, hätte die Regierung die Klage den Nazis überlassen sollen. Sie liefe nur auf eine Bloßstellung des Landes" hinaus. Trok Dieser Kritik ist jedoch kaum anzunehmen, daß die Volta partei weitere Bloßstellungen nicht decken wird.
Klagges gibt flein bei. Hitler - Kundgebung zu Ostern findet nicht statt. Der zwischen dem Reich und dem braunschweigi. schen Naziminister Klagges drohende Konflikt ist erledigt. Nazi- Klagges hat klein beigegeben. Das Reichsministerium des Innern hatte die braunschweigische Staatsregierung am Mittwoch mündlich und telegraphisch wissen laffen, daß die für Sonntag in Braunschweig beabsichtigte Kundgebung der Hitler- Jugend der Burgfrieden- Berordnung des Reichs. präsidenten widerspricht und deshalb in dem geplanten Umfang unter allen Umständen untersagt werden muß. Klagges, der bis dahin den starten Mann mimte, hat das Reichsinnenministerium sofort bahin verständigt, daß er durchaus legal" fei. Er ließ zugleich erkennen. daß er bereit ist, einzulenten und die Sache nicht auf die Spitze zu treiben: Die geplante Beranstaltung sei eine Angelegenheit, über heren Möglichkeit oder Unmöglichkeit er die Entscheidung bisher dem Polizeipräsidenten in Braunschweig überlassen habe. Dieser sei der Meinung, daß die Veranstaltung der Hitler Jugend mit der Burg. frieden- Berordnung des Reichspräsidenten im Einklang stehe. Wenn das Reichsinnenministerium dennoch anderer Auffassung sei, möge es Herrn Alagges informieren.
Das Reichsinnenministerium hat daraufhin den Länder- Regierungen durch Polizeifunt nochmals eine eingehende Darstellung über die juristische Auslegung ber Burgfrieden- Berord nung zugehen lassen und darin ausdrüdlich betont, daß eine Demonstration, wie sie die Hitler- Jugend für Sonntag in Braunschweig plante, dieser Berordnung widerspricht. Nazi- Klagges erhielt zu gleich die Mitteilung, daß gegen eine streng geschlossenej Bersammlung von etwa 60 Delegierten, mie es anfänglich geplant
Gegen die Auflösung des memelländischen Landtages. Die Reichsregierung hat am Mittwoch wegen der Auflösung des Memelländischen Landtags bei der Regierung in Kowno und bei den Regierungen der Signatarmächte Vorstellungen erheben lassen.
Im Berlauf der Borstellungen murden die Signatarmächte an die große Verantwortung erinnert, die sie gegenüber den Zuständen im Memelland tragen, und zwar insbesondere nach der Richtung, daß die Neuwahlen zum Memelländischen Landtag ordnungsgemäß und unbeeinflußt durchgeführt werden fönnen Die deutsche Regie rung hat die Signatarmächte ferner daran erinnern laffen. daß schon die Einsegung des neuen Direktoriums ungefeßlich war, weil sie nicht im Einvernehmen der Mehrheitsparteien des Landtags in Memel erfolgt ist. Aus diesem Grunde münight Deutschland , daß der Fall
war und zu der weber die Breffe noch an sich unbeteiligte Personen zugelassen werben, nichts einzuwenden sei.
Dieser Mitteilung gemäß hat Klagges uoch am Mittwoch den öffentlichen Kartenverkauf für die Nazi veranstaltung untersagt und erklärt, daß er die Tagung der Hitler- Jugend nur in dem vom Reichs minister des Innern gebilligten Rahmen zulassen werde. Wahrscheinlich, weil er sich davon überzeugt hatte daß die Reichs regierung entschloffen war, unter allen Umständen ihre Autorität zu wahren und weil die Beranstaltung, felbft wenn fie Klagges in dem geplanten Ausmaß zugelassen hätte, auf Grund des Artikels 48 Abs. 1 der Reichsverfassung mit den er forderlichen Mitteln serhindert worden wäre.
Mit dem Verzicht auf die Hitler- Demonstration in Braunschweig hat Slagges innerhalb 24 Stunden zwei Niederlagen erlebt.
Die Putfchpläne der braunen Armee.
Sie haben sich gefunden!
In den Armen liegen sich beide Und weinen vor Schmerz und vor Freude.
Jezt ist es heraus. Der Bundesvorstand des Reichslandbundes hat die Barole für Hitler ausgegeben. Im ersten Wahlgang hat der Landbund auf eine Barole noch verzichtet. Er überließ ,, bewußt den anderen Gruppen der Nationalen Front die Herausstellung der Persönlichkeiten". Jezt ist Hitler der offizielle Kandidat der Herren von Kaldreuth, breitausend bankerotten Großgrundbesizer des Ostens. Daß Don Rohr, des Fürsten von Eulenburg und der übrigen der Reichslandbund eine neutrale Organisation zur Bertre tung von Wirtschaftsinteressen sein soll diefe Klippe wurde leicht umschifft. In der Stimmabgabe für Hitler sieht der Reichslandbund eine starke tämpferische Kundgebung."
Hitler , der Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter" partei, ist schon der Steigbügelhalter der sozia len Reaktion des Westens. Er ist jetzt auch zum Borkämpfer für die Sozialreaktionäre des agrarischen Ostens geworden. Aber die Partei Hitler fann ja alles! Sie fann den Arbeitern gegen die schwerindustrielle Realtion hohe Löhne und den Bauernföhnen gegen die ostelbischen Banterotteure Sied Aus zuverlässigen Berichten, die von dem Beobachtungsdienst| lungsland versprechen; warum soll sie den ostelbischen Groß der Eifernen Front den zuständigen Stellen zugeleitet wurden, er- agrariern nicht neue Besitzerhaltungsfubventionen und Zölle geben sich immer neue Beweise für die Mobilisierungs- persprechen, die den Arbeiter und den Bauern gleichermaßen pläne, die Sitlers Privatarmee für die Nacht zumi 14. März auch in Bayern getroffen hatte. Schädigen?
3n Nürnberg waren zahlreiche Laffautos mit verschloffenen Kisten aufgestellt. Außerdem war ein Motorradfahrerrelaisdienst eingerichtet. Die S2- Scharführer hatten an bestimmten Plägen Torniffer in großen Mengen aufgestapelt, die heute noch dort liegen. 3m benachbarten Gunzenhausen wurden einige 100 S.- Leute für den Marsch nach Berlin eigens vereidigt. Der militärische Leiter der Nürnberger S. hatte vorher in einer Berjammlung offen zu den Sturmführern geäußert: Bielleicht ichlagen wir heute Nacht los. Am Wahlfonntag musterte Reichstagsabgeordneter Stegmann auf einem Platz in Nürnberg 1200 S2.- Leute in Reihsönlich und Glied, ohne daß die Polizei etwas dagegen unternahm. Nach Treuchtlingen tamen am Wahlsonntag Hatenkreuzler aus der weiten Umgebung zu einer Siegesfeier, feldmarschmäßig mit Tornistern, Schanzzeug und Proviant angerüdt.
Auch aus schwäbischen Orten häufen sich die Nachrichten über ähnliche Bürgerkriegsvorbereitungen. In Nördlingen befanden sich am Wahlsonntag jämtliche SA.- Leute in höchster Warmbereitschaft. bereit. In der Günzburger Gegend hatten fich die Nazis auf den Bis Montag früh stand ein Omnibus zu Truppentransportzweden Hiller- Umschwung dadurch befonders vorbereitet, daß fie einen vierzehntägigen Ausbildungsfurfus für Razigendarmen hatten, zu dem aus dem ganzen Bezirk Leute zufammengezogen waren. Ein Telegraphenarbeiter bei der Oberpofidirektion Augsburg verschaffte fich zur Teilnahme einen besonderen Urlaub. Die Ererzierstunden dieses Kurfes wurden von Lehrern geleitet, was zeigt, daß gerade im Beamtenförper des banerisch- schwäbischen Regierungsbezirks die meisten rechtsradikalen Unruheftiffer fihen. Der Lehrer von Autenried befaß die Unverschämtheit, das der Schule gehörende Hindenburg - Bild aus dem Rahmen zu schneiden, vor die Schule zu hängen und platatartig mit der Unterschrift zu versehen:„ Caßt doch dem alten Mann felne Ruhe." 3n Augsburg wird sich Oberstadfamtmann und Sühnerichter Dr. Frant wegen Beschmierens von Häufern mit Naziabzeichen vor dem Richter zu verantworten haben. In Memmingen wurden bei einer polizeilichen Hausfuchung in Naziquartieren Waffen gefunden und befchlagnahmt. Auch in Immenstadt hatte sich die S2. auf Abruf bereitgehalten und aus ihren Schlupfwinkeln Uniformen, Tornister, Schlag- und Schießzeug aller Art hervorgeholt. Erst am Morgen des 14. März wurde die Bürgerkriegsgarnitur wieder weggeräumt, als der Durchfall des Olaf das Tageslicht erblickte.
Böttcher vor dem Haager Schiedsgerichtshof geflärt wird. Schließ lich wurde im Berlauf der Vorstellungen noch darauf aufmerksam gemacht, daß die Signatarmächte fürzlich selbst in ihrer nach Kowno gerichteten Note angefündigt haben, daß eine etwaige Auflösung des Landtags in Memel nach Erteilung eines Mißtrauensvotums an das Direktorium von ihnen als nicht vereinbar mit dem Memelstatut angefehen würde.
Die Herren im Dsten haben sich von Hitler versichern lassen, daß er nichts gegen fie unternehmen wird, daß er gemillt ist, fein Wirtschaftsprogramm, nach dem Grund und Boden im Prinzip dem Bolt als Gesamtheit gehören und durch Enteignung eine große Zahl lebensfähiger Eleinerer und mittlerer Bauernstellen neben den Großbetrieb zu stellen ist, als einen Fegen Papier zu betrachten. Fürst Eulenburghjertefeld aus Liebenberg i. d. Mart hat sich von Hitler perfönlich versichern lassen, daß dieser nie und nimmer eine Berschlagung oder Enteignung größerer Güter zulaffen" werde. Ich denke nicht daran", so erklärte Hitler dem Fürsten Eulenburg, den ererbten oder sonstwie rechtmäßig erworbenen Grundbesitz zu zerstören. Ich habe auch nicht die Absicht, in breiterem. Umfange auf dem deutschen Boden zu siedeln." Hitler wird also die deutschen Bauernföhne ebenso nasführen wie die Arbeiter, die ihm nachlaufen.
daran, daß Hitler die Wahlschlachten vom 10. und 24. April Aber die Herren des Reichslandbundes denken gar nicht, mirklich gewinnen wird. Mit Hugenberg sind sie nach dem mirtlich gewinnen wird. Mit Hugenberg sind sie nach dem 13. März die betrogenen Betrüger der Nationalen Front, und ihr Ziel ist, die soziale Realtion in Deutschland , wenn sie schon nicht siegen fann, mit Hilfe Hitlers wenigstens so start wie möglich zu machen. Und außerdem: die Futterkrippe der hochbezahlten Landbundbürokraten ist in Gefahr! Die ahlen zu den Landwirtschaftstammern haben die Herrschaft des Reichslandbundes schwer erschüttert, und Hitler hat erklären lassen, daß die Nationalsozialisten ,, an einer rentablen Landwirtschaft tein Interesse haben, wenn die heutige Agrarfrisis nicht auch zur Lösung des nationalen und sozialen Problems" im Sinne seines Dritten Reiches führen wird. Die Bürokratie des Reichslandbundes hat wohl verstanden, was das heißt: Ohne das Parteibuch gibt es fein Bleiben an der Futterkrippe. Es ist auch die Angst um die Boften, die den Bundesvorstand des Reichslandbundes zu feiner Parole für Hitler veranlaßt hat.
Otto Braun , der preußische Ministerpräsident, hat in seiner großen Etatrede vor acht Tagen zu den Wahlergebnissen im agrarischen Osten gesagt, man müsse sich heutzutage beinahe schämen, ein Ostpreuße zu sein. Der Reichslandbund hat die Parole für Hitler gegen Hindenburg ausgegeben. Was fümmert es die oftdeutschen Junker, daß Hindenburg der Sieger von Tannenberg ist? Was fümmert es sie, daß die Reichsregierung unter Hindenburg als Reichspräsidenten dem deutschen Volfe Opfer für die Landwirtschaft zugemutet hat, wie sie in der Geschichte aller Zeiten unerhört sind? Was fümmert es sie, daß die letzte Notrerordnung gerade den ostelbischen Großgrundbesitz von dem Opfergang des Volkes für die Erhaltung der wirtschaftlichen Eristenz Deutschlands wieder ausgenommen hat und daß Hindenburg persönlich sich für die schonendste Be Abgeordnete der gemäßigten Parteien und der Rechtsparteien handlung der oftelbischen Großgüter einsette? Wie die Großerfuchten den französischen Ministerpräsidenten am Mittwoch, die agrarier des Oftens das nationale Interesse nur im Munde Termine für die& ammerwahl auf den 1. und 8. Mai feft- führen, so fennen sie auch keinen Dank Reichspräsident zulegen. Die Regierung hat eine Entschließung über die Termine bisher noch nicht getroffen.
von Hindenburg ist Ehrenmitglied des Reichsland. bundes. Das Präsidium des Reichslandbundes hat bei den