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M. 141» 49. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Donnersiag. 24. März 1932
OsterSahrt ins Ruppiner Land Theodor Fontanes engere Heimat
Cln« der schönsten Gegenden der Mark Brandenburg ist das Nuppiner Land, dessen besuchenswertester TeURuppiner Schweiz�  genannl wird. Low Stettiner Fernbahnhof fahren wir über Kremmen   nach R e u r u p p i n. der Hauptstadt des Ruppiner Landes  (Sonntagskarte lösen). Die Stadt selbst wurde wahrscheinlich 1194 gegründet. Der große Brand von 1787 hat jedoch das mittelalterliche Stadtbild verschwinden lassen. Nach dem Brande wurden breite und gerade Längs- und Querstraßen, die sich rechtwinklig schneiden, und sehr große Plätze angelegt. Die Straßen und Häuser am westlichen Teil der Stadtmauer und am See sind von dem Brande verschont geblieben. Hier sind die Straßen schmal und krumm und unregelmäßig gebaut. Viele Häuser reichen bis in die Zeit des Dreißigjährigen Kneges zurück. Hier steht auch das älteste Gebäude der Stadt, die Klosterkirche, in der noch Teile vom ursprünglichen Bau von 1248 erhalten sind, und in deren Nähe die Siechenhauskapell«, erbaut am Ende des IS. Jahrhunderts. Äeuruppin- Altruppin Berühmt war in vergangener Zeit das Ruppiner Bier,für Krank« und Altersschwache eine so wohltätige, ja unentbehrliche Labung"' In neuerer Zeit ist Neuruppin   in der ganzen Welt durch sein» Bilderbogen bekannt geworden. Neuruppin   ist der Ge- burtsort des Baumeisters und Architekten Schinkel und des Alt- meistere märkischer Wanderei Theodor Fontane  . Beiden hat man hier ein Denkmal gesetzt Neuruppin   liegt am Westuser des 13 Kilometer langen, bis zu 800 Meter breiten Ruppiner Sees. Der See gehört zu den Binnenseen, wie sie die Eiszeit dem nord- deutschen   Tiefland vielsach beschert hat. An einer der schmälsten Stellen, wo der Seegrund sich über die Wasseroberfläche zu einer
SKIoflerruine Xindoir
1 Insel erhebt, wurde der Bahndamm durch den See gelegt. Auf dem | Westufer des Sees führt eine schöne Promenade nordwärts zu dem etwa 4 Kilometer entfernten Städtchen Altruppin  , an der Nordspitze de» Ruppiner Sees gelegen. Hier befand sich ehemals eine starke Burg, und auch zur Wendenzeit war schon eine Burg- i anläge vorhanden. Jetzt sind deren Mauern verschwunden. Nur die kleine Stadt, deren Bewohner einst der Burg hörig waren, träumt noch ihr stilles Dasein, umgeben von Wald und Wiesen, bespült von den Wassern des Sees und des Rhins  , der hier in zwei Armen in den See fließt.-Auch Altruppin   wurde 1791 von einem großen Brande heimgesucht. Die Ruppiner Gckweiz. Zunächst gehts von Altruppin gen Nord durch Kiefernwald zur Niederung des Rhin  ». Ueber Neumühle erreichen wir Malchow  am Ostufer des Molchowfees. Das Dorf ist ein ausgeprägter Rund» ling mit großem freien Dorfplatz, der in der Mitte etwas erhöht ist und von Eichen, Kastanien, Linden und Akazien beschattet wird. Wir überschreiten das Derbindungsgewässer zwischen Malchow  - und Teetzensee und wenden uns sogleich rechts ab, auf dem W e st u f e r des Teetzensees gen Nord. Der Weg führt anfangs am Rand I des Kiefernwaldes entlang, der von Laubgebüsch und Birken ein- gefaßt wird, die jetzt allerdings noch ohne Blätterschmuck dastehen. Dann geht es durch schönen Mischwald mit vielen Eichen. Weiter- hin entfernt sich der Weg vom See. An der Kolonie S t e n d e n I tz vorbei kommen wir zum Zermützellee. Dieser reich gegliederte See wird von bewaldeten Höhen umrahmt, die prächtige Aus- blicke aus die Buchten und Halbinseln bieten. Gleich hinter der Brück« über ein kleines Fließ auf dem Westufer des Sees folgen wir dem Fußsteig nach links zum Ufer der Kellen, zwei kleine Seen von liefern, und buchenbestandenen Höhen umgeben. Vom Nord­end« der Kellen gehen wir an den Hauptweg zurück und kommen westlich vom Forsthaus Stendenitz vorbei zur Niederung, ' die den Tornowsee mit dem Zermützelse« verbindet und vom Rott- stielfließ durchflössen wird. Beim Forsthaus Rottstiel überschreiten wir das Fließ. Bald biegen wir von der Straße nach links ab und wandern am Tornowsee hin. Der Wald, der bisher reine Kiefernbestände bildete oder ein Mischwald war. geht jetzt in reinen Buchenwald   über Auf halber Höhe der Buchenhänge kommen wir zum Nordende des Tornowsees. Hier liegt die Boltenmühle, ' die uns so recht den stillen Zauber der Waiiermühlen im Waldes- gründe in das Bewußtlein ruft. In der Nähe liegt ein kltiner Friedhof Im Tal der Line wandern wir gen Nord. Im tiefen Einschnitt schlängelt sich das Fließ zwischen den buchenbestandenen Höhen hin. Der Boden weist häufig guellige Stellen auf, umqe- stürzte Baumstämme liegen quer über Weg und Fließ  , vom Wasser murmelnd umspült Wir bleibeneben dem Birenbach   bis zum Kal.kf««., dessen Abfluß er bildet Am Nordufer des Sees liegt Binenwalde, unser nächstes Ziel fvon Neuruppin   20 Kilometer). Von Binenwalde steigen wir nordöstlich durch einen Hohlweg aus die Hochfläche hinauf. Der Weg führt durch sehr hügliges Ge-
Zeppelin gelandet. Nach dreitägiger Fahrt in pernambuco  . New York  . 2». Marz. Wie Associated Preß   ans Pernambuco   berichtet, ist das LuftschiffGraf Zeppelin" dort um S0.4V Uhr MEZ. glatt gelandet.
lände nach Zühlen. Wir befinden uns hier in einem Endmoränen- gebiet der letzten Vereisung der Eiszeit. Auf den Ackerrainen und an der Straße sind oft große Haufen von Feldsteinen aufgeschichtet, die auf dem Acker zusammengelesen wurden. Sie wurden von dem Eis aus ihrer skandinavischen Heimat hierher verfrachtet und sanken zu Boden, als das Eis abschmolz. Von Zühlen aus ist das Gelände waldsrei. Nur in unserem Rücken befinden sich die ausgedehnten Forsten zwischen Neuruppin  , Wittstock   und Zechlin  . Weithin schweift der Blick. Rechts liegen die Krähenberge, die mit 118 Meter zu den höchsten Erhebungen des Ruppiner Landes   gehören. Dahinter taucht der Leuchtturm auf Die Straße senkt sich, und bald haben wir das freundliche Rheinsberg   erreicht(von Binenwalde 10 Kilometer). Unmerklich geht der alte Schloßpark in den Buberowwold über. Alte Linden stehen an den durch den Wald führenden Wegen Bald haben wir den Böbereckensee erreicht, ein echtes märkisches Waldauge, von dem uns das Scheiden schwer fällt ' Onstow. Von Rheinsberg   geht es gen Süden zum Leuchtturm, einem Ziegelbau, der schon recht baufällig ist Dann wandern wir durch Wald nach Zechow und wester in der Nähe des Rhins   über die Rheinshagenmühle nach Zippelsförde. Hier nehmen wir Ab- schied vom Rhin   und gehen gen Ost zum Gudelacksee. den wir entweder südlich oder nördlich umwandern, um nach Lindow zu kommen(von Rheinsberg 2S Kilometer).Lindow   ist so schön wie sein Name. Zwischen drei Seen wächst es auf, und alte Linden nehmen es an mehr als einer Stelle unter ihren Schatten", so sagt Fontane  . Saubere Straßen, schmucke Häuschen, und allenthalben
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Am tomoiriee das Geäst der vielen Linden, fürwahr ein schönes Wanderziel. Am Wutzfe« liegt die Runie des Klo st er» Lindow  , das als Nonnenkloster um 1300 an der Stelle eines wendischen, dem Gott Joduth geweihten Tempels errichtet wurde. Auch dieses Kloster wurde zerstört und verfiel, und so sind schließlich nur noch die Ruinen übriggeblieben, die wir heute sehen. Von Lindow   treten wir unsere Heimfahrt über Löwenberg  an(Zuschlagskorte lösen). Für die Wanderung werden die Reichs- karten(1: 100 000) 214 Wittstock  , 21S Rheinsderg, 242 Neuruppin  und 243 Oranienburg   gebraucht.
/Ui» ctem Russischen übertragen von Werner Bergengruen  .
Der arme Kerl tonnte ganze Tage lang vor sich hin schluchzen. Bei der Ablösung' kamen der bisherige und der neue Wachthabende in unsere Zelle, zwei Oberleutnants... Sie kontrollierten die Gefangenen, der neue Wachthabende fragte sie, wie lange sie schon hier seien, was sie angestellt hätten und so weiter. Als sein Blick auf mich siel, fragte er mich. warum ich so blaß aussähe, so unrasiert wäre und so ver- krümmt dastände. Ich erklärte ihm, ich sei soundso lange auf dem Transport, habe viel Hunger gelitten und sei krank. Er blieb noch einen Augenblick stehen, dann sah er den an- deren Oberleutnant an. beide fingen an zu lachen und gingen. Diese» überraschende idiotische Gelächter kann ich mir bis auf den heutigen Tag nicht erklären. Selbst die Mitgefangenen, die doch allerhand erlebt hatten und denen so ziemlich alles einerlei war, sprachen noch lange von diesem Vorfall und suchten vergeblich zu ergründen, was wohl das dumme Ge- lächter der Herren Offiziere hervorgerufen haben könnte. In der Militärarrestanstalt waren Bauernjungen aus den südrussischen Gouvernements, aus Cherson  . Tarien, Podolien, Leute, die lesen und schreiben tonnten und manche Ersah- rung gesammelt hatten. Daneben gab es Leute aus den Gouvernements Tobolsk   und Tomfk. aus Dörfern, die fünf bis sechshundert Werst von der nächsten Bahnstation lagen, Leute, die keinen einzigen Buchstaben kannten und auf der denkbar niedrigsten Entwicklungsstufe standen. Da war der Tartar aus dem Kasanschcn Gouvernement  , von dem ich be- richtet habe. Sein Gruppenführer hatte ihn im Dienst bis zur Raserei gereizt und ihm schließlich eine Ohrfeige gegeben. Der Grusinier hatte ihn verprügell und sollte jetzt für sein stürmisches und leicht erregbares Temperament büßen. Er erzählte mir:
»Ich sage ihm: Hau mich nicht in die Fresse, hast �ein Recht dazu. Aber er kommt immer näher auf mich zu, drängt mich gegen die Mauer, haut mich in die Fresse. Ich kriege Nebel in den Kopf, vor den Augen wird es mir dunkel, kann nichts mehr sehen, mit einer Hand nehme ich ihn bei der Gurgel und mit der andern ihm in die Fresse, immer in die Fresse! Dann schmeiße ich ihn weit weg und schreie Trau dich nicht näher, ich bringe dich um! Trau dich nicht näher!" Während des Erzählens erlebte er alles von neuem, flammte auf und zitterte vor Zorn und Empörung. Seine Augen funkelten, gesprungene Aederchen füllte sie mit Blut, seine weißen Zähne, die klein und regelmäßig waren, hoben sich prachtvoll von seinem dunklen Schnurrbart und seinen leuchtenden roten Lippen ab, ein herrliches Bild lodernder Empörung. Während dieser Tage in der Militärarrestanstalt fütterte ich mich ein klein wenig heraus, denn die Berpsiegung kam aus der Kasernenküche und bestand aus den üblichen Sol- datenkohlsuppen und Buchweizengrützen: das war eine recht nahrhafte und nach dem Gefängnismischmasch durchaus wohl- schmeckende Kost. Ich bekam hier bereits eine einigermaßen deutliche Bor- stellung davon, was für ein Leben der Soldat in der Kaserne führt, besonders in den ersten Monaten, wenn ihm die Grund- begriffe der militärischen Gelahrtheit beigebracht und ihm die Zioilistenknochen zurechtgebogen" werden. Es war ent- setzlich zu denken, daß mir noch all das bevorstand, was meine Kameraden in der Militärarrestanstalt bereits hinter sich hatten. Bor allem würde ich meine sämtlichen Kräfte zu- sammenrelßen müssen, um allen nur zu leicht möglichen Ver» stößen aus dem Wege zu gehen und nicht in Konflikt mit dem Militärreglement und sämtlichen geschriebenen und un- geschriebenen Militärgesetzen zu geraten Ich hatte kein Ber  - langen danach, n?' länger im Gefängnis zu sitzen. Alles, was H-, wn meinen Pritschennachborn in der Krasnosarsker Mililärarrestonstalt hörte, war trostlos. Alle meine Krasnoiarsker Tage waren angefüllt mit Erzählungen von ausgestandenen Schindereien und Beschimpfungen, von grausamen Verfolgungen durch Zugführer, Feldwebel und Offiziere, von den qualvollen Stunden desUnter-Gewehr- Stehen-Müsfens", endlosemLausschritt, marsch! marsch!" in feldmarschmäßiger Ausrüstung, von Schlägen in die Fresse seitens der Korporalschaftsführer und Abrichter. Als wir von Krasnosarsk nach Irkutst weiterfuhren, da hatte ich, wie mir scheinen wollte, schon etwas wie eine
theoretische militärische Borbereitungsschule absolviert und das Militärleben sozusagen bereits mit dem Ellbogen gestreift. Am liebsten hätte ich mich mit diesen in Krasnojarsk   errungenen militärischen Kenntnissen begnügt, aber das Leben fügte es anders... Auf den Bahnhof brachten mich nicht Mannschaften vom Cskortekommando, sondern Soldaten von der Wachtabteilung der Militärarrestanstalt, die mich dem aus dem Gefängnis kommenden Transportkommando zu übergeben hatten. Das Transportkommando war noch nicht da. und wir setzten uns so lange in den Wartesaal dritter Klosse. Ich war kaum mehr an den Anblick freier Menschen gewöhnt, an das Durchein- anderhasten von Menschenmengen, an all die Geschäftigkeit und den Lärm eines dem Publikum offenstehenden Ortes, und musterte daher neugierig meine Umgebung. Unangenehm war es. daß manche stehen blieben und mich als den von zwei bewaffneten Soldaten begleiteten Arrestanten interessiert anstarrten. Reben uns saß auf der Bant eine Bauernfrau mit drei kleinen Kindern. Das eine, ein Säugling, hatte sie auf dem Arm, während die beiden anderen sie mochten vier und sechs Jahre alt sein um sie herumspielten. Ich hatte schon seit langer Zeit keine Kinder mehr aus der Nähe gesehen, ihre hellen Stimmen nicht mehr gehört, nicht mehr mit ihnen ge- spielt. Der ältere Junge starrte mich hartnäckig an, als fiele ihm irgend etwas auf. Seine hübschen und gescheiten Augen musterten mich mit Interesse und Neugier. Das Mädchen betrachtete mich ebenfalls, hielt sich aber hinter dem Rücken des Bruders versteckt. Na. Kleiner, was siehst du denn den Onkel fo an?" Der Junge wurde ein wenig verlegen, sah zu Boden und gab keine Antwort. Wie heißt du denn? Na, komm doch ein bißchen näher!" Kostfo heiße ich. Bist du ein Soldat?" 9a." Aber warum haben diese Onkel jeder ein Gewehr, nur du nicht?" Ich habe kein Geld. Ich kann mir keins kaufen." Gewehre kauft man nicht. Gewehre gibt der Zar." Aber mir hat er eben keins gegeben.' Aber warum haben dies« Onkels keine Bärte, und du Haft einen?" Ihnen hat der Zar keine gegeben, ich habe einen von ihm gekriegt.". ....(Fortsetzung folgt.) j