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König der Refordtänzer.

Der Ehrgeiz des Herrn Enrico.- Er wollte sich tot tanzen.

Mit einem originellen Rechtsstreit mußte sich das Arbeits­gericht beschäftigen. Als Kläger trat der Berufstänzer Enrico de Castro auf, der sich das Ziel gesteckt hatte, den bestehenden Weltrekord im Dauertanzen von 367 auf 370 Stunden zu er­höhen und so ,, König der Rekord tänzer" werden wollte.

Der Reichsverband Deutscher Sporttänzer", der mit ganzen 25 Mitgliedern die Standesvertretung der Dauertänzer ist, wurde irm die Genehmigung zu diesem Match ersucht, die er auch erteilte. In einem Luruslokal am Kurfürstendamm erfolgte dann am 8. Fe­bruar der Start. Nachdem der Tänzer mit der Direktion des Be­triebes einen Vertrag abgeschlossen hatte, wonach er eine tägliche Gage von 30 M. und einige weitere Vergütungen erhalten sollte, begann er programmgemäß seine Arbeit. Aber bereits am vierten Tage erlitt der Weltrekordanwärter einen Schwächeanfall. Der sofort hinzugezogene Arzt stellte eine Herzaffettion fest und lehnte die Verantwortung für die Fortsetzung des Dauertanzes ab. Enrico de Castro war aber nicht zu bewegen, seinen Rekord­versuch abzubrechen, nachdem er bereits 2000 Damen als Tanzpart­verfuch abzubrechen, nachdem er bereits 2000 Damen als Tanzpart­nerinnen ,, verbraucht" hatte. Auf Grund des ärztlichen Attestes brach die Direktion des Etablissements, vernünftigerweise die Ver­anstaltung ab, allerdings gegen den Einspruch des Dauertänzers, der, ohne auf seine Gesundheit Rücksicht zu nehmen, weitertanzen wollte. Gestern flagte er nun vor dem Arbeitsgericht den ent­gangenen Verdienst ein. Das Gericht billigte ihm die Gage für vier Tage zu, wies ihn aber mit einer Mehrforderung ab. Der Vor­figende stellte sich auf den Standpunkt, daß es der Direttion nicht zu zumuten fei, den Tänzer weiter ,, arbeiten" zu lassen, nachdem der Arzt Herzschwäche festgestellt hatte.

Jugend und deutscher Osten.

Der Geedienst Ostpreußen und das Jugendwandern.

Die für den Seedienst Ostpreußen zuständigen Stellen haben für das Reisejahr 1932 in diesen Tagen den Gesamtfahrplan herausgegeben. Es sind insgesamt 57 Rundreisen in diesem Sommer vorgesehen. Der Seedienst Ostpreußen , der mit seinen ungewöhnlich billigen Sondertarifen seit langem eine feiner Hauptaufgaben in der Heranziehung von Jugendwanderern in den deutschen Osten sieht, bedarf deshalb im besonderen Maße der Unterstützung durch die Jugendfachpresse und Jugendorganisationen. Der weite deutsche Often, wo noch viele lohnende Ziele warten, besonders das urwüchsige Gebiet vom Weichsel bis zum Memelstrom richtet in erster Linie seinen Ruf an die unternehmungsfrohe und bedürfnislose deutsche Jugend.

Der Fahrplan mit ausführlichem Auskunftsheft ist demnächst in allen Reisebüros fostenlos erhältlich.

Hackebeil auf freiem Fnk.

Dem früheren Generaldirektor Guido hade beil ist es ge­lungen, einen Bürgen zu finden, der für die vom Gericht geforderte Sicherheitsleistung in Höhe von 100 000 M. die selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen hat. Die entsprechenden Formalitäten wurden gestern erledigt, so daß Hackebeil im Verlauf der frühen Nachmittagsstunden das Untersuchungsgefängnis verlassen dürfte.

,, Wie einst im Mai." In der Plaza ist die alte Bosse von Bernauer und Schanzer mit der Musik von Rollo und Bredtschneider Wie einst im Mai" auf neu frisiert worden und übt, einschließlich der alten, offenbar nicht umzubringenden Schlager mie: Die Männer sind alle Verbrecher" und ,, Es war in Schönes berg im Monat Mai" auf das gutwillige Bublifum des Ostens eine ganz erstaunliche Wirkung aus. Eine Wirkung, die so stark ist, daß selbst harte Männer in Tränen der Rührung verschmelzen, wenn ein volkstümlicher Reißer von seliger Jugend und Liebes- und Glückszeit schwärmt. Gespielt und gesungen wird durchweg famos. Allen voran Heidi Eisler, dann Werner Gille, Erich Gast, Albert Ihle, Kurt von Möllendorff, der auch Regie führt, Bertrig Stahlberg und Leonore Bojé. Schöne Bühnenbilder, eine nette Tangizene. Alles in allem eine treffliche Fortsetzung der Erfolgsferie der Plaza- Operetten.

von

ROMAN 251 S.Rosenfeld

bruch

Aus dem Russischen übertragen von Werner Bergengruen . Der Zar gibt doch keine Bärte, Bärte wachsen von selbst."

Da hatte mich der Bengel schon wieder hereingelegt. Jede meiner Antworten war ein Schlag ins Wasser gewesen. In­zwischen war auch das kleine Mädchen zutraulicher geworden und fam zu mir. Ich faßte sie bei den Händen. ,, Und wie heißt du, Kleine?" Ilischa."

3wei blaue Augen sahen mich zutraulich an. Das fleine Näschen trauste sich jedesmal, so oft sie etwas sagte oder lachte. Das Stimmchen war so zart und wohlklingend, daß ich nur mit Rührung zuhören konnte. Die kleinen Hände waren steif vor Kälte und ich wärmte sie in den meinen und hatte meine Freude an den patschigen Fingerchen mit den Grübchen. Bald setzte sich auch Kostja mir auf den Schoß. Er erzählte mir, er führe mit der Mama zum Bater nach Irkutsk . Die Mama weint immerzu. Die Mama sagt, Bater hat uns verlassen Jeht fahren wir zu ihm, und er soll mir einen Hammer und Nägel geben, weil ich mir ein Starenkästchen machen will. Gibt es bei dir in deinem Dorf auch Staren­fästchen, Ontel?"

Rein, mein Lieber, mein Starenkästchen haben mir böse Jungen zerbrochen."

Die billige Wohnung

Spitzenleistungen auf der 2. Berliner Möbelmesse

Wem die politischen Wahltage noch nicht genügen, fann in der| auch hier noch die Bevorzugung der Couch, die überdies auch in Messestadt am Funtturm zwei Wochen lang jeden Tag feiner der 3weizimmerwohnungen fehlt. Das arme alte Sofa mit wählen gehen. Jeder Besucher der Möbel- und Einrichtungsschau| feinen gehäkelten Dedchen und dem Paneelbrett über der Lehne ist Berlin 1932 kann drei Stimmzettel abgeben, welche drei Wohnungs- maufetot; niemand spricht mehr vom Sofa. Die zehn 3wei. einrichtungen ihm von der Sonderabteilung Die billige Woh zimmerwohnungen sind erstaunliche Leistungen. Für rund nung" am besten gefallen. Und von irgendwelcher Wahlmüdigkeit 1000 m. gibt es ein Wohnzimmer in kaukasisch Nußbaum und ist auf der Möbelmesse feine Spur zu entdecken. Mit dem Bleistift dazu ein Schlafzimmer aus Goldbirke, hochglanzpoliert. Das und dem Notizbuch in der Hand begutachten die Besucher die zwanzig Büfett mit runden Eden, gefchweifter Mitteltür, einem Auszug mit zur Wahl gestellten Wohnungseinrichtungen, dann geht es zum Marmoreinlage und Silberkästen. Im Schlafzimmer eine Frisier­Abstimmungsraum und die Stimmzettel flattern in die großen toilette mit drehbarem Kristallfacettspiegel, die Spiralböden der Bett­Urnen. Kaum ein Ausstellungsbesucher verzichtet auf sein Wahl- stellen haben Gegendruckfedern und die Nachttische haben eine recht und die Wahlbeteiligung dürfte eine hundertprozentige sein. Büchernische und Glasplatte mit Seidenunterlage. Alles für 1150 M. Denn was der Möbelmesse den großen Publikumserfolg sichert, ist Vor einem Jahr noch kosteten solche Sachen das Doppelte. Natür fchen haben Betten, Schränke, Tische oder Stühle. Jeder vermag Sonderschau. Auch in den übrigen weiten Hallen sind außerordent­neben anderem die Sachverständigkeit auch des Laien. Alle Men- lich beschränkt sich die Wirkung der Ausstellung nicht nur auf ihre zu sagen, ob er dieses Bett behaglicher, diesen Schrank oder jenen liche Leistungen der Möbelindustrie zu sehen. Erwähnenswert die Tisch zweckmäßiger findet. Großausstellung des Möbelhauses Gleiser in den Hallen VI und VIII und die harmonisch abgestimmten Einrichtungsgegenstände des Kaufhauses N. Israel in der Halle II.

Für den Wettbewerb Die billige Wohnung", dessen Ergebnis fich als Sonderschau in der Halle III präsentiert, waren den bes teiligten Möbelherstellern genaue Bedingungen vorgeschrieben. Ein­zureichen waren Entwürfe dreier verschiedener Woh nungstypen, und zwar die Einzimmerwohnungen für 18 Quadratmeter Wohnfläche, die Eineinhalbzimmerwohnun gen für 24 und die Zweizimmerwohnungen für 30 Quadrat. meter Wohnfläche. Weiterhin war festgesetzt, daß sich die Ver­taufspreise der Einzimmerwohnungen zwischen 475 und 525 M., die der Eeineinhalbzimmerwohnungen zwischen 750 und 800 m. und die der Zweizimmerwohnungen zwischen 1000 und 1150 M. bewegen müssen. Troß dieser Bedingungen sind die zwanzig Aus stellungsobjekte Spizenleistungen.

Die sechs ausgestellten Einzimmerwohnungen sind naturgemäß jämtlich kombinierte Wohn- und Schlaf räume. In fünf Fällen dominiert die Couch, jenes beliebt ge­wordene Möbel, das mit seinen lichten Farben tagsüber den wohn­lichen Charakter eines Raumes hebt und nachts zum Bett wird. Auch die Schränke stellen sinnreiche Konstruktionen dar, teilweise sind sie gleichzeitig Garderoben-, Schreib- und Geschirrschrank. Dazu der Auszugtisch, dessen Platte an sich meist einen Meter Durch messer hat, aber dann, wenn Besuch fommt, mühelos zum großen 3meimetertisch wird. Bisweilen ist die Anordnung auf den be­schränkten 18 Quadratmetern geradezu raffiniert: so ist ein Bettsofa zu sehen, dessen Rückenlehne Reißverschluß hat. In diese Lehne tommen tagsüber die Steppdecken, Kopfkissen und Laken.. Denn das nebenbei: die spezifisch deutsche Sitte, sich nächtens unter meterhohen Betten zu vergraben, ist auf dem besten Wege auszu­sterben. Dafür sorgen Steppdecken und Zentralheizung. Bei den

sechs Ginzimmerwohnungen teilen sich Mahagoni, Nußbaum, Eiche und Kiefer in die Holzarten.

Bei den Eineinhalbzimmerwohnungen rückt die

Birke erstmalig in den Vordergrund. Sonst als Schlafgelegenheit

Daß die deutsche Möbelindustrie zu solchen Leistungen kommen fonnte, verdankt sie im Grunde genommen der Sperrplatte. Die wirkungsvolle Fläche ohne Fugen, ohne Eden hat zur Grundlage die Sperrplatte. Die Grundlage einer Sperrfläche ist das Blind­holz, meist aus Stammkiefer, Fichte oder Tanne bestehend. Seine Güte ist entscheidend für die Qualität des Möbels. Auf dieses Blind­holz kommt das Absperrfournier und erst darauf kommt das edle Außenfournier, wieder in der Richtung des Blindholzes verlaufend. Nur dieses Außenfournier sieht der Beschauer. Es ist schade, daß die Sperrholzindustrie nur auf der Grünen Woche" bzw. auf der Bauausstellung ausstellt statt auf der Möbelmesse..

Aber auch so ist nicht zuletzt im Interesse der Berliner Holzarbeiter der Möbelmesse der beste Erfolg zu wünschen. Wir haben in Berlin 35 000 Holzarbeiter, davon sigen 29 000 auf dem Nachweis. Nicht weniger als 84 Pro3. aller Berliner Tischler sind arbeitslos. Möge für sie die Schau eine Wendung zum Besseren bedeuten.

Hafenfreuz in Moabit .

Vom alten zum neuen Kriminalgerichtsgebäude führt ein Verbin Es gibt in Moabit Leute, die Frühlingsluft zu wittern glauben. bracht: Durchgang gestattet bloß für Richter, Staatsanwälte und dungsgang. An den Türen zu diesem Gang sind Plakate ange Beamte. Vor der Reichspräsidentenwahl schmückten die Wände dieses Durchgangs Hakenkreuze, nach der Präsidentenwahl lagen auf dem Fußboden des Durchgangs Hakenkreuze aus Papier ver­

ſtreut. Wessen Hände Wert war das? Die Telephonzelle in der

Nähe des Pressezimmers zierte vor einigen Tagen zu Ehren der Die Jfraeliten taugen nichts... Es gibt eben in Moabit Leute, Goethe- Feier ein Plakettchen mit einem angeblichen Goethe- Zitat: die Frühlingsluft mittern. Sie machen sich da verdächtig breit. Was meint dazu der Präsident, der Herr vom Kriminalgerichts

Zusammenkunft sämtl. Parteireferenten gebaube?

Am Donnerstag, dem 31. März, 19% Uhr: Vortrag des Genossen Ministerialrat Dr. Hirschfeld über:

,, Die preußische Verwaltung"

Am Freitag, dem 1. April, 19% Uhr: Vortrag des Genossen Ernst Heilmann , M. d. L., über: ,, Die Parteien im Preußischen Landtag " Beide Zusammenkünfte finden in den Sophlensälen, Sophienstr. 17-18( Hochzeitssaal), statt.

Parteimitgliedsbuch dient neben dem Einladungsschreiben als Legitimation und ist am Saaleingang vorzuzeigen. Der Bezirksvorstand.

Sonderzug nach Hamburg fährt. Wie die Reichshahndizettion Berlin mitteilt, fährt der Sonderzug nach Hamburg am ersten Feiers tag bestimmt. Die Abfahrt vom Lehrter Bahnhof erfolgt am Sonn tag um 6.48 Uhr. Der Zug trifft um 11.45 Uhr in Hamburg rin. Die Rückfahrt von Hamburg ist am zweiten Feiertag( Ostermontag) um 19.30 Uhr und die Anfunft in Berlin Lehrter Fahnhof um 0.38 Uhr. Der Fahrpreis für die Hin- und Rückfahrt für die 3. Klasse beträgt 14 Mark und für die 2. Klasse 20,40 Mart.

Der Botanische Garten ist am Karfreitag geschlossen. An beiden Osterfeiertagen ist er von 10 bis 6 Uhr geöffnet. Die Schaugemächs häufer dagegen sind nur am Ostersonntag von 10 bis 45 Uhr zu besichtigen; am zweiten Feiertag bleiben sie der Kulturen wegen geschlossen.

Seelen beladen waren mit scheußlichen Verbrechen und Grau-| Zufall eine ganze Zigarette in die Zelle geriet, so ging fie famfeiten, voll Gemeinheit und Eigennuz. reihum, Zug um 3ug, bis sie zu Ende war.

Ich nahm Abschied von ihnen.

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Der Mann ohne Gedächtnis spendierte ebenfalls einige

Es lag etwas furchtbar Erniedrigendes in dieser Situa tion, die einen Menschen zwang, auf allen Bieren herumzus friechen und nach derartigen lleberresten zu suchen. Das war das Symptom allerärgsten, bettlerhaftesten Mangels. Nichts! Nicht ein Stückchen Brot, nicht ein Krümchen Tabat, nichts anzuziehen, feine Hoffnungen auf eine bessere Zukunft!

Als ich dem Transportkommando übergeben wurde, traf| Male am Tage eine aus dem gewöhnlichen russischen Machorka­ich auch den Mann ohne Gedächtnis wieder. Wir hatten tabak selbstgedrehte Zigarette. Der Kleine rauchte seine aus beide unsere Freude an dieser Begegnung, wir waren ja dicke Stummeln zusammengesetzte Zigarette, die gerade für zwei Freunde geworden. In Irkutst würden wir endgültig Ab- 3üge reichte, und nahm dann unverzüglich feine mühsame schied nehmen müssen. Er wurde seitab von der sibirischen und langwierige Forscherarbeit unter den Pritschen wieder Bahn in Marsch gesezt und würde mehrere hundert Werst zu auf. Fuß machen müssen, auf schlechten Wegen, bei starkem Frost, mitten in Schneeverwehungen, Stürmen und unendlich ver­schneiten Wäldern. Selbst ihn, der doch in seinem bewegten Leben so vieles gesehen hatte und so oft in diesen Gegenden gewesen war, schien der Gedanke an alles, was ihm bevor stand, zu bedrücken. Sein Gesicht war finsterer und in fich ge­fehrter als sonst, der Ausdruck seiner Augen hatte etwas Hartes bekommen, und er war weniger zu Scherzen aufgelegt als bisher. Unterwegs machte er sich nicht über die anderen Arrestanten luftig, wie er es sonst wohl getan hatte, ließ ihre Scherze, und Aeußerungen oft unbeantwortet und sagte lang­fam, ruhig, mit seiner tiefen Bruststimme:

Siehst du, Senja, jetzt trennen sich bald unsere Wege. Du und ich, wir waren wie zwei Wolfen. Kamen von zwei verschiedenen Seiten angeschwommen, trafen uns, verschmolzen für eine furze Zeit und gehen jetzt wieder nach verschiedenen Seiten auseinander. Eine Wolfe wird vielleicht Regen geben, die andere wird der Wind verwehen."

Im Irkutsker. Gefängnis herrschte unter den durchpassie­renden Arrestanten besonders viel Elend: feiner von ihnep hatte Zucker, Tee, Geld. Sie waren zu ihrer Ernährung ganz auf die stinkende fiskalische Brühe angewiesen. Ganz übel hatten es die Raucher angetroffen, an Tabat war schon seit langem nicht einmal zu denken. Wenn diese armen Lazarusse vom Tabak träumten, dann sagten sie wohl, sie würden gern für eine einzige Zigarette auf ihre Tagesportion Brot ver­zichten. Besonders litt einer unter dem Tabakmangel, ein fleiner, magerer und schwächlicher Mensch, der wie ein franker Affe aussah, wirrhaarig und zerlumpt. Er fonnte tagelang Ich fahre jetzt zu den Soldaten, da kann ich mir ja ein unter den Pritschen herumtriechen und alle Rizen und Winkel neues bauen!" durchstöbern und zu guter Leht fand er einen winzigen 3i­,, Onkel, hast du eine Kugel?" garettenstummel. Aber den Genuß des Rauchens fonnte er fich mit diesem Stummel freilich noch nicht verschaffen. Er steckte ihn also zu sich, um von neuem stundenlang zwischen den Pritschen herumzuturnen und alle Rißen zu durchstöbern. Ich weiß nicht, woher diese Stummel stammten. Vielleicht hat sich jemand auf diese Weise für den Fall der äußersten Not eine winzige Tabatreserve angelegt. Wenn einmal durch

Dann mußt du dir aber ein neues bauen!"

In diesem Augenblick kam das Transportkommando, und mein Zusammensein mit den Kindern hatte ein Ende. Das war auf Wochen hinaus die schönste Begegnung, die ich mit diesen reinen und unmittelbaren Wesen haben durfte, wie es deren unter den Hunderten, mit denen ich zusammengekommen war, teine gegeben hatte, unter diesen Hundertea, deren

Beim Anblick des fleinen affenähnlichen Gefangenen mußte ich daran denken, wie ich eines Tages in den Hinterhof eines großen Hauses geraten war und vor dem Gestant des Müllkastens die Nase zuhalten mußte. Da sah ich einen alten Mann im Müllkasten hoden und gierig einen Knochen abnagen. Ich rannte weg, vom Hof auf die Straße, ich zitterte, ich empfand ein grenzenloses Mitleid wie einen förperlichen Schmerz.

Beim Anblick dieses Häftlings, der gierig einen Stummel zu Ende rauchte, fielen mir die Bitrinen prunkvoller Groß­stadtläden ein, wo die teuersten Zigarren, die wunderbarsten Zigaretten in Kisten und Schachteln zu Hunderten aufge= stapelt lagen.

Die Gefangenen sprachen über das Rauchen. ,, Ohne Tabat lohnt sich das Leben nicht. Wenn man raucht, wird mit einem Male alles leichter. Fressen ist nichts dagegen, fressen tut jedes Vieh."

,, Ach ja, wenn man jetzt so einen guten, fräftigen, türki­schen Tabak hätte! Dann eine dicke 3igarette gedreht und geraucht!"

Wozu türkischen? Man braucht nichts Besseres als Machorka. Kraht so schön im Halse, schmeckt ausgezeichnet." Als ich ihnen erzählte, daß die reichen Leute teure 3i­garren rauchen, ohne den Rauch in die Lunge zu ziehen, und nur das Aroma des Rauches einschnuppern, da lachten die Gefangenen:

Ist das eine Albernheit! So richtig was für die Feinen. Da braucht man ja überhaupt nicht zu rauchen. Das ist doch nicht wie bei Blumen, wie bei Weihrauch! Die sind einfach verrüdt geworden vor lauter Bollgefressenheit. Natürlich muß man den Rauch herunterschlucken, sonst hat man doch nichts davon." ( Fortjeßung folgt.)