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Beilage

Donnerstag, 31. März 1932

Habrychle Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

III. Deutsch  - franzöfifches Jugendtreffen

Ein kritischer Bericht/ Bon Rudolf Sobernheim

Das Mainzer Jugendtreffen vom 20. bis 26. März mar die Fortsetzung einer deutsch  - französischen Arbeit, die von den Führern der Karlsruher Jugendbünde im Jahre 1930 aufgenommen wurde. Der erste gemeinsame Kongreß mit dem Kreis um die fran­ zösische   Zeitschrift Notre Temps" fand auf dem Sohlberg im Schwarzwald   statt; dies erstmalige gemeinsame Zusammen­fommen in einer Einsamkeit, in der alle Teilnehmer aufeinander engstens angewiesen zu einer wahren Gemeinschaft verschmolzen, bedeutete ein Erlebnis, das sich weder im vergangenen Jahre in Rethel   noch in Mainz   wiederholte oder wiederholen fonnte, das aber für die Weiterführung der Arbeit im Geiste der Jugend­bewegung bestimmend blieb.

In der anschließenden Diskussion wurde dieses Problem etwas| der Schlußdebatte von franzöfifcher und deutscher Seite mit Recht weiter ausgebaut und ferner das Generationsproblem betont; wir glauben, daß der im Sommer in Oberschlesien  angeschnitten. Profeffor Piper wies mit Recht energisch auf die stattfindende Dritte deutsch  - französische Studenten­Tatsache hin, daß die Jugend neue Ideen noch nicht gestaltet habe fongreß eine Klärung der methodischen Frage bringen kann; und daß die gegenwärtige Not feineswegs nur eine es tommt aber hier gerade sehr viel auf die Methode der Frage­Not der Jugend, sondern der Menschheit allgemein sei; es stellung und Bearbeitung der Probleme an, wenn diese Kongresse fann hier nur mit Schärfe betont werden, daß gerade auf diesem für das deutsch  - französische Verhältnis fruchtbar sein sollen. Kongreß die Fittion von der Einheit der Anschauung der jungen Generation, wie sie in manchen Kreisen aufrechterhalten wird, sich in ihrer ganzen Nichtigkeit enthüllte.

Wenn auch die kulturpolitische Diskussion stärker auf den Grund der Probleme ging, so war doch auch im Kulturellen der Kongreß mehr Schau als Richtungsmeifung, mehr Uebersicht mit einer bestimmten Tendenz in Einzelheiten als ordnende Gestal­tung und Klärung; ihre Notwendigkeit, die Notwendigkeit, in der Methode der Behandlung der Fragen weiter zu fommen, wurde in

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Trotz der starken, von uns geübten, aber, wie wir hoffen, auf­bauenden Kritik muß die Arbeit des Sohlbergkreises und des Mainzer Treffens bejaht werden. Bei dem großen Aufschwung des Nationalismus in der Welt und in Deutschland   ist es dringend notwendig, daß die Verbindung besonders zwischen der Jugend beider Länder nicht abreißt. Es ist dringend erforderlich, daß das Gefühl der europäischen   Gemeinsamteit erhalten bleibe. Diesem Zweck hat das Mainzer   Treffen gedient; es war ein weites Tor geöffnet von einem Land zum andern.

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Besuch in einer Handelsschule/ Von W. Ode

I.

So ftand auch der diesjährige Kongres start unter dem Einfluß von den Kreisen der Jugendbewegung, deren verschiedensten Bünde   und Richtungen vertreten waren; demgegenüber fehlten die politischen Jugendgruppen fast ganz; nur die studentischen Gruppen, J. St., die Zentrums- und volksparteilichen Studenten waren als Gäste vertreten. Ebenso fehlte auf französischer Seite das eigentliche politische Element faft ganz; nur die kleine Gruppe Marc Sanguiers ist zu nennen. Die Mehrzahl der fran­ zösischen   Teilnehmer bestand aus den Vertretern der Zeitschrift ,, Notre Temps", deren Direktor Jean Luchaire   der eigentlich führende Kopf der Franzosen ist, einer deutsch  - französischen Uni versitätsgruppe in Paris   und der studentischen Völkerbundsjugend; auch katholische und nationalistische Gruppen waren etwas vertreten, wie auch die deutsche Rechte auf dem Kongreß zu Worte kam. Bei dieser Zusammensetzung der Delegationen, bei denen zum Ich bin zu Besuch in einer Klasse einer Kontoristinnen großen Teil fulturelle und rein menschliche Interessen die politischen schule. Besuch flingt fast ein wenig anmaßend, wenn ich bedenke, überwogen, waren die allgemeinen politischen Diskussio wie meine Gastgeber sich verhalten. Denn man ist schließlich doch nen wenig bedeutsam und verliefen recht unfruchtbar. Sie immerhin daran gewöhnt, als Besuch mit besonderer Aufmerksamkeit brachten nichts hervor, was als besondere Auffassung der jungen behandelt zu werden. Die um mich sitzenden jungen Mädchen, 15 Generation von den tagespolitischen Problemen der Gegenwart bis 18 Jahre mögen sie sein, scheinen aber von derlei nicht allzu viel hätte gedeutet werden können. Es war eine merfliche Schwäche des zu halten. Sie sind ganz Auge und Ohr für durchaus andere Dinge Treffens, daß es im Politischen nicht über die Wiederholung längst und Probleme, Probleme, die mir zunächst etwas furios vorkommen. bekannter Argumente hinausfam. Das liegt zum Teil an der schon Wenigstens deshalb, weil ich sie nicht in der Schule vermutet hatte. hervorgehobenen unpolitischen Zusammensetzung der beiden Dele- Man glaubt sich nämlich plötzlich im Einkaufsbüro einer gationen, aber auch in der Haltung, die die führenden Persönlich- Fabrik, scheinbar einer Schuhfabrit. Vor den Mädels liegen feiten beider Gruppen einnahmen; sowohl der deutsche als auch der im Durchschlag verschiedene Offerten. Es müssen wohl Lederofferten franzöfifche Delegationsführer erklärten in ihrem Schlußwort, daß sein. Da schwirren nämlich für das Ohr des Laien tomische Aus es nicht die Aufgabe des Treffens, sondern nach dem Treffen der drücke unther wie: Quadratfuß, Grubengerbung, Faßgerbung usw. drücke umher wie: Quadratfuß, Grubengerbung, Faßgerbung usw. einzelnen Teilnehmer fei, das gebotene Material auszunuzen und Die Schülerinnen verstehen von den Dingen anscheinend wirklich zu verarbeiten. Auch war die Arbeit dadurch erschwert, daß die etwas, wenigstens soviel wie nötig ist, um den Preisvergleich der Organisatoren des Kongresses auf eine straffe Zusammenfassung und verschiedenen Offerten durchführen zu können. Es stellt sich heraus, Ordnung verzichtet hatten, um den einzelnen eine möglichst große daß einige der jungen Mädchen in Schuh- und Lederfirmen tätig Freiheit zu lassen; so wirkte auch das eiserne Tor der Zitadelle nicht find. ,, Und schließlich," so meint eine der Schülerinnen ,,, tragen als vollständige Schrante gegen eine gewisse 3ersplitterung. wir ja alle Schuhe. Es ist doch klar, daß man sich für so was Das war insofern nicht gar zu gefährlich, als die Organisatoren den interessiert. Uebrigens ist der Onkel von der Kufine meiner Freun­Hauptwert auf Einzelgespräche und Anknüpfung von per din Schuhmachermeister. Da habe ich mich früher schon mal er­fönlichen Beziehungen legten, worunter die gemeinschaftliche Erfundigt, warum manche Schuhe, die ganz leicht sind und die sich so faffung und Gestaltung insbesondere der politischen Probleme liek biegen fallen, daß man sie in die Taiche steden fönnte, bejjer halten Die Hauptreferenten waren Ma a ß- Berlin   vom Reichsausschuß als flobige und schwere. Und das. der Jugendverbände, Bastor Koppes Karlsruhe, die Professoren Otto Piper   und Hendrit de Man. Im Gegensatz zu den Delegationen war also unter den Referenten der sozialistische Ge­danke besonders start vertreten. Hervorzuheben sind das hinreißende Referat von Pastor Koppes, der in insbesondere für die Fran­zosen ganz flarer Weise die ungeheure Not der Arbeitslosen und schließlich am stärksten der jugendlichen Arbeitslosen schilderte, die Not derer, die, schulentlassen, wirkliche Arbeit noch niemals gekannt haben. Hieran schloß sich das Referat von Hendrit de Man, der eine scharfe Analyse des soziologischen Aufbaues des deutschen Volkes und der Struktur des Nationalsozialismus gab. In Er­widerung auf die scheinbar deutschfreundlichen Vorschläge, die ein französischer Nationalist von der Gruppe Gustave Hervés vortrug, dessen Person von gewissen Kreisen in Deutschland   seit einiger Zeit stark geschätzt wird, zeigte de Man die Unlogit des Ratio: nalismus, der Frieden zu bringen behauptet und doch die Ueberbewaffnung zugunsten der Profite der Rüstungsindustrie unter dem Vorwand der Einheitsfront gegen Sowjetrußland aufrecht erhalten will; die Nationalisten bildeten eine Internationale, da ein Nationalismus immer nur von der Existenz eines Gegennationalis mus lebt.

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Ich schwieg, erschüttert vor solchem Wissenseifer, und hörte mir an, was man bei einer eingehenden Offerte alles wissen muß. der Preis allein besage gar nichts, Außer Preis und Qualität wurde von einem der Mädels mit Stentorstimme verkündet noch Fracht und Einkaufsprovision und Zoll und Rollgeld, und ich weiß nicht, was noch alles.

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Es wurde emfig gerechnet und dazwischen lebhaft debattiert. Die Lehrerin saß mitten unter den Mädchen und beteiligte sich nicht mehr als nötig war, um zu verhindern, daß die Diskussion, ins Uferlose abglitt, oder um diesen und jenen Punkt, den die Klaffe beiseitegeschoben hatte, wieder mehr in den Mittelpunkt des Inter­effes zu rücken.

Endlich, nach einer Stunde etwa, hatte die Klaffe sich geeinigt, von wem sie ihr Leder beziehen wollte. Die Wahl war auf eine ausländische Firma gefallen, die trotz 3oll und höheren Frachtfäßen preiswerter angeboten hatte als die inländischen Lederfirmen. Ich wars zufrieden, hörte eben noch, daß man nun daran gehen wollte, die endgültige Bestellung aufzugeben, sah, wie man Briefbogen bereitlegte und Federhalter zückte, vernahm noch etwas von einer Eintragung in die Lieferantenkartei und entschwand.

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Entschwand und landete in der Klasse nebenan. Ganz anderes Bild. Eines der Mädels hielt einen Vortrag, dem ich entnahm, Wenn das Mainzer   Treffen im Politischen eher schwach war, daß es aus irgendeinem Anlaß einmal hatte die Hilfe des Ar­so fund seine Leistungen auf dem Gebiet des deutsch  - fran- beitsgerichts in Anspruch nehmen müssen. Die Schülerin be­zösischen Kulturaustais um so höher zu schäzen. Eine richtete über die Art und Weise, in der sie ihre Klage vorgebracht Ausstellung deutscher und französischer moderner Bücher, die für hatte, über die Entscheidung durch das Gericht und andere Dinge, die Jugend repräsentativ sind, sehr gute deutsche Graphif und die zur Sache gehörten. Das Referat dauerte nicht sehr lange, um Bilder junger französischer Künstler, Vorträge deutscher und fran- fo intensiver war die Besprechung, die sich anschloß. Fast jede in der zösischer moderner Musik und Lyrik gaben dem Kongreß ein nach Klasse mußte etwas zu sagen. Schließlich gabs ein Resumé etwa der kulturpolitischen Seite hin orientiertes Gesicht. Auch in der folgender Art: Arbeitsgericht ist, wenn... Seine Vorteile sind... Buchausstellung trat die allgemeine Tendenz des Kongresses her- 3ufammenfassend kann man sagen, daß... vor: auf deutscher Seite war die politische, insbesondere die sozia­listische moderne Literatur kaum berücksichtigt, dagegen trat die katholische und hauptsächlich die von der Jugendbewegung be­stimmte tonservative Literatur start hervor. Entsprechend war auch die Grundhaltung des französischen   Referats über die Intellek tuellen in Frankreich   nach dem Kriege, das von den sozialen flassen­mäßigen Bindungen und der gesellschaftlichen Funktion des Intel­lektuellen ganz abfah und an sie die Forderung richtete, in ihrem Denten die Wahrheit zu suchen( welche?), ohne sich um das Ergebnis des Dentens zu fümmern.

In der dritten Klasse, die ich besuchte, sagte mir die Vertrauens­schülerin gleich zu Beginn, daß sie, die Klasse, unter der Firma Otto Wohlgeschmad eine Lebensmittelhandlung betrieben, day Otto Wohlgeschmad nun aber sein Geschäft vergrößern und sich einen Teilhaber nehmen wollte. Der Kompagnon, der auf den ach so seltenen Namen Meier hörte, war bald gefunden. Ich erfuhr dabei, daß die Aufnahme eines Teilhabers so bedeutungsvoll sei, wie das Eingehen einer Ehe. Die Mitgift, Herrn Meiers ein­gebrachtes Kapital, wurde gleich verbucht und Gewinn- und Verlust möglichkeiten berechnet, daß eine Unternehmung dieser Art

offene Handelsgesellschaft heiße, und daß sie bei ver­schiedenen Instanzen, vor allem beim Handelsregister an= gemeldet werden müßte. Die Anmeldung der neuen Firma Wohl­geschmack und Meier, Lebensmittel en gros und en detail, geschah schriftlich. Ich hörte mir noch an, wie die Lehrerin mit der Klasse den Brief besprach, der an das Amtsgericht Berlin- Mitte, das Re­gistergericht, gehen sollte. Dann war auch hier meine Zeit um.

II.

Die Berliner   Kontoristinnenschulen, eigentlich Berufsschu len für Kontoristinnen, bilden nur einen kleinen Teil des Berliner   Berufsschulwesens. Die Berufsschule ist an die Stelle der früheren Fortbildungsschule gesetzt worden. Sie befaßt sich in der Hauptfache weniger mit der Vertiefung des in der allgemeinbilden­den Schule erworbenen Wissens, als mit der systematischen und ana infierenden Behandlung dessen, was die Schüler im Beruf sehen und brauchen. Denn berufstätig sind die jungen Menschenkinder ja fast alle, die heute bis zu ihrem 18. Lebensjahr die Berliner   Berufs­fdulen bevölkern, und das sind alle diejenigen, die sich nicht in den sogenannten höheren Schulen" auf das Abitur vorbereiten oder sonstwo eine weitergehende Fortbildung erhalten. Auch die Mäd­chen, die nicht außerhalb des elterlichen Haushalts einem Beruf nachgehen, gelten als berufstätig. Sie sind Haustöchter, die sich auf den Beruf der Hausfrau vorbereiten.

Entsprechend den zwei großen Berufsrichtungen gliedert sich das Berliner   Berufsschulwesen in einen gewerblichen und in einen faufmännischen Teil. Die kaufmännischen Schulen wieder sind untergeteilt in Schulen für Kontoristinnen, Verkäuferinnen usw. Es gibt außerdem Sonderschulen für Anwaltslehrlinge, Angestellte im Bant- oder Versicherungsgewerbe. Auch die Buchhändler werden Bran= gesondert unterrichtet. Es gibt außerdem Sonderklassen chenklassen jeder Art, wenn sich für eine bestimmte Berufs­gruppe genügend Teilnehmer finden. Volksschule, Mittelschulabjol­venten und solche Jugendliche, die mit Obersekundareise abgehen, werden entsprechend ihrer besonders gearteten Vorbildung meistens zu besonderen Klassen zusammengefaßt.

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In dem vorstehend stizzierten Rahmen nehmen die Konto­ristinnenschulen einen großen Raum ein. Der Unterrichtsstoff ergibt fich aus dem Beruf: Handelskunde, Schriftverkehr, laufmännisches Rechnen, Buchführung, Stenographie, Schreibmaschinenunterricht ufm. Interessant ist die Unterrichtsmethode: Der Unterrichtsstoff wird geboten nach dem Grundsatz der Konzentration, d. h. die einzelnen Fächer werden nicht stundenweise getrennt, sondern nach Möglichkeit zusammen und gleichzeitig behandelt an Hand eines fon treten geschäftligen Vorganges. Auch das kauf­männische Leben kennt hier keine Trennung.( f. Teil I. Hier mar an einer Stelle das Thema Wareneinkauf so behandelt worden, daß die Schülerinnen einen geschäftlichen Vorgang gleich nach seinen verschiedenen Richtungen hin auswerteten. Es wurden nicht mur rechnerische und buchhalterische Arbeiten verrichtet, der Stoff wunde vielmehr auch in handelskundlicher Hinsicht besprochen und gab gleich­zeitig die Grundlage für einen faufmännischen Brief ab.)

Dazu kommt noch hauswirtschaftlicher Unterricht und eine Stunde Turnen. Der Unterricht erstreckt sich zu je acht bis zehn Wochenstunden über eine Zeit von ein bis drei Jahren, je nachdem, ob man es mit Mädchen mit Lyzeumsreise, Mittelschul­reife oder mit Volksschulabsolventinnen zu tun hat. Da der Unter­richt während der Arbeitszeit liegt, die Unterrichtszeit also zunächst der geschäftlichen Arbeitszeit verloren geht, können mehr Wochenstunden für den Unterricht nicht angesetzt werden.

Wer Interesse an der Sache und den Wunsch hat, seine beruf liche Qualifitation auf eine breitere Bajis zu stellen, fann in den wahlfreien Abendkursen sich das Fehlende aneignen. In diesen Kursen und Arbeitsgemeinschaften ist Gelegenheit geboten, das berufliche Wissen in jeder nur erdenklichen Weise zu vervoll tommmen. Sprachen, Kurzschrift, Buchführung, Rechnen: Jedes Fach, das im Beruf irgendwie nußen kann, ist vertreten.

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