Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Jr. 152

A 77

49.Jahrgang

od 15 Bt., monatlich 3,25 m 30. monatlich für Zuftel ( δαύρη jans) im voraus zahlbar, Tung ins 3.97 M. einfließlich 60 f.

Bonzeitur

Boftbezug gs- und 72 Bf. Postbestellge hühren.slandsabonnement 5,65 pro Monei fir gänder mit ermäßig. tem udfachenporto 4,65

Der Borr

arts erscheint wochentage

1 zwein Conntags und Montags

einmal, und ir Aben

e Abendausgabe für Berlin Bandel mit dem Titel Dez Juustrierte Gonntagsbeilags

Bolf und Beit

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Freitag

1. Apríl 1932 Groß- Berlin 10 P Auswärts 15 Di.

Die ein palt. Millimeterzeile 30 f. Mellamegeile 2.- Aleine Ans zeigen das fettgedrudte Wort 20 f. ( zulaffig zwei fettgedrudte Borte jedes weitere Bort 10 f. Rabatt It. Sarif. Sorte über 15 Buchstaben zählen für zinei Worte. Arbeitsmartt Millimeter zeile 25 Pf. Familienanzeigen Milli meterzeile 16 Bf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr Der Berlag behält sich das Recht der Ah. lehnung nicht genehmer Anzeigen vorl

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Kernspr. Dönhoff( A 7) 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Vorwärts Verlag G. m. b. H.

Die braune Schande.

Ein englisches Urteil.- Das darf Preußen nie erleben!

Das bekannte englische   Blatt, der..Man. chester Guardian", veröffentlicht in seiner Mitte wochausgabe einen Bericht seines nach Braun schweig entsandten Berliner   Korrespondenten F. A. Boigt, dessen Schilderung über die Zustände im Reich des Herrn Klagges wir folgendes entnehmen: Obgleich den Nazis, wie dem Reichsbanner, das Uniform­tragen perbaten ist, laufen jene in Braunschweig   doch in ihren braunen Uniformen herum. Jeder motiviert irgendeine Un­regelmäßigkeit er geht z. B. ohne Müße oder trägt einen ge­möhnlichen Mantel und auf diese Weise wird der Nazi in Braun­jd; weig von der Polizei und von den Gerichten aus nicht als uniformiert betrachtet, so daß Schwärme von jungen Leuten, die man in Berlin  und München   verhaften würde, in Braunschweig   frei herumlaufen. Die Nazisturmtruppen, SA.- Männer, haben Quartiere, die sie mie Kasernen benutzen. Eines dieser Quartiere ist eine Billa   in dem besten Biertel der Stadt. Sie haben auch Lastkraftwagen, in denen sie mit großer Geschwindigkeit herumrasen. Heber dem Stühler flattert die Hakenkreuzfohne. Die Seiten der Lastautos find zum Heruntertlappen, so daß die Infaffen sofort herunterspringen

Lönnen.

Wo eine wirkliche und angebliche Unruhe herrscht, rasen die Lastause u den betreffenden Ort.

Die Sturmtruppen springen herunter, Schläge mit Knäppeln, Entschlägern, Schlagringen werden von rechts und links ausgeteilt, Arme, die zur Selbst­berteidigung erhoben sind, werden gebrochen oder mit Striemen übersät und sich beugende Rücken und Schultern werden grün und blau geschlagen.. Hin und mieder fallen auch Schüsse, und Messer werden gestoßen. In wenigen Minuten ist alles vorbei. Die Nazis flettern in ihre 2ẞagen zurüd und jaujen ab. Die antommende Polizei findet einen Mann tot oder mehrere, die ohne Bewußtsein mit Gehirnerschütte rung doliegen. Andere wieder, die sich davonschleppen, die Hände über den durch Messerstiche verwundeten Leib gelegt, oder sie halten die Hände an den verwundeten Kopf, von dem das Blut auf das Pflaster tröpfelt. Die Verwundeten sind manchmal Reichs. bannerleute, manchmal ist auch ein Kommunist dabei, manchmal sind es zufällig Borübergehende. Sehr selten findet sich unter den Ber­wundeten ein Nazimann.

Niemals ist irgendeine wirkliche Ursache für solche Angriffe, niemals eine Unruhe, mit der die Polizei

nicht mit Leichtigkeit fertig werden könnte. Gewöhnlich war überhaupt feine Ursache für den Angriff, sondern nur eine Bortäuschung unter der Parole Kameraden in Gefahr", die nur als Bormand für den Ueberfall dient.

Drei Kandidaten.

Der Stimmzettel für den zweiten Wahlgang. In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag ist die Frist für die Cinreichung der Borschläge für den zweiten Wahlgang der Präfi dentenwahl beim Reichsmohlleiter abgelaufen. Der Kandidat Winter bleibt uns erspart, er hat seinen Verzicht auf eine San­didatur mitgeteilt. Der amtliche Stimmzettel lautet diesmal: Hindenburg  . Hitter Thälmann. Bei der Wahl gehört also dismal das Kreuz ins erste Feld.

-

-

Preissenfung zu Ende.

Das Auto mit seiner Last von Halunken fann fast jeden Tag ge sehen werden und man kann jederzeit sich vor den Quartieren auf­halten, in denen die Sturmtruppen wohnen, effen, schlafen, Bosten stehen, ihren Sold empfangen, kommen und gehen und in ihren braunen Uniformen, die angeblich feine find, herumstehen.

Nichts geschicht, um diesen Gemeinheiten Einhalt zu gebieten.

Die, die schuldig sind, andere schwer verletzt oder Mord begangen zu haben, sind seltsamerweise nie festzustellen und die Sturmtruppen bleiben unbehelligt, ob sie in ihren Lastautos fahren oder fich in ihren Kasernen aufhalten.

-

nur ganz wenig unter sehr vielen

-

Würden die Kommunisten nur einen Bruchteil von dem tun, was fich die Nazis in Braunschweig   erlauben, so würde die Strafe cine fofortige und drastische sein. Uniformen, Laftautos und Ka­Heute habe ich ein ferne mürden über Nacht verschwinden... Dutzend von denen auf­gesucht, die im Laufe des März von Nazis schwer verlegt worden sind. Es ist einfaches Arbeitsvolt, das mit feinem Streit gehabt und nie die geringste Provokation begangen hat. Die Mehrzahl der Ueberfälle in letzter Zeit ist nicht in der Stadt Braunschweig  , sondern in den umliegenden Därfern geschehen. In cinem diefer Dörfer zum Beispiel gingen mehrere Männer und Frauen nach einer Zusammenkunft nach Hause. Es war dunkel, und plöglich fam ein Lastauto heran.

Es gab schrille Pfeifensignale und der Kriegsruf der Nazis crtönte: ,, SA. drauf, schlagt die Hunde tot!" usw. Wie Wilde teilten die Nazis Schläge und Stiche aus. Sie trugen Blendlaternen, so daß sie selbst gut sehen konnten, aber schwer zu sehen waren. Ein alter Mann, mit dem ich sprach, murde auf den Stopf ge­dhlagen und erhielt einen Messerstich in den Unterleib. Er wurde bewußtlos und blutüberströmt aufgelesen. Es gefchah gerade am Abend der Präsidentenwahl. Der Bermundete ist immer noch Refonvaleszent, bleich und sehr schwach. Sein Rock und seine Beste zeigen noch den Schlitz, wo das Messer durchgegangen ist. Seine Müge ist mit geronnenem Blut bebedt. Seine Frau war an diesem Abend bei ihm. Ein Licht, so erzählt sie, leuchtete mir plößlich ins Gesicht. Sie hörte irgend jemand von dem Lastwagen herunterschreien: Nicht auf die Frauen schlagen!" Aber trotzdem fielen die hiebe auch auf sie. Sie hob ihre Arme, um ihr Gesicht zu schützen, und lief davon. Ihre Arme meisen noch immer die Striemen auf.

Dorf um Dorf hörte und sah ich ähnliches. Bevor Herr Klaggesim Amt war, waren solche Dinge in Braun­schmeig unbekannt

haltungskosten nichts mehr verändert; es zeigt sich sogar eine gering fügige Erhöhung der Lebenshaltungskosten.

-

und

Danach ist als endgültiges Ergebnis der Lohn- und Preis fenfung festzustellen, daß die Löhne um durchschnittlich 11 bis 12, die Angestelltengehälter um durch fchnittlich 12 Pros feit Dezember gesenft morden sind, diese Einkommensverringerung aber nur um etwas mehr als die Hälfte durch die Verbilligung der Lebenshaltungskosten metigemacht worden ist. Für die Gesamtwirtschaft ist festzustellen, daß der Einkommensschwund, der im Dezember verordnet wurde, einen Kaufkraftschwund um mindestens die Hälfte herbeigeführt hat die Arbeitslosenziffern sind seitdem noch gestiegen daß dem Einkommensschwund ein Arbeitsschwund gefolgt ist. Damit ist jene neue Lage geschaffen, von der der Reichskanzler in seinem Brief vom 12. Dezember gesprochen hat. Diese neue Lage bedeutet, daß die Reichsregierung nun Maßnahmen schwund zu begegnen. Die Reichsregierung muß sich die Forderung gefallen lassen, daß das Einkommen der Arbeitenden erhöht werden muß, da es nicht in der Absicht der vierten Notverordnung liegen fonnte das stellt auch der Brief des Reichskanzlers fest die nahmen zu verschlechtern.

Nur die Hälfte der Lohnfenfungen ausgeglichen. Dabei zu treffen hat, um dem eingetretenen Einkommens und Arbeits­Warden Tarifverträge gekündigt!

Der Reichsinder der Lebenshaltungskosten ist nach den Feststellungen des Statistischen Reichsamts für den Durchschnitt des Monats März mit 122,4 gegen 122,3 Prezent im Februar im wesentlichen unverändert ge­blichen. Eine geringe Erhöhung der Ernährungsauss gaben wurde durch eine geringe Senkung der Ausgaben für Bekleidung, Heizung, Beleuchtung und sonstigen Be­darf annähernd ausgeglichen. Der Inder für die Er­nährungskosten betrug im März 114,4, für Wohnung 121,5, für Heizung und Beleuchtung 136,6, für Beklei­bung 119,1 und für sonstigen Bedarf 166,7 Prozent. ( 1913 100.)

Die Feststellungen des Statistischen Reichsamts zeigen, daß die in der Notverordnung ng nom 8. Ropember angekündigte Preissenfung fchon im Monat März ihr Ende erreicht hat. Der Breis: tommissar Goedeler hat tatsächlich bereits im februar seine die Breise und die Lohn- und Gehaltsfentung angleichende Tätigkeit beendet Er hat im Monat März an dem Niveau der Lebens­

-

volkswirtschaftliche Gesamtlage durch die Notverordnungsmaß

=

Bor diesen Notwendigkeiten steht die Reichsregierung. Während also die Deffentlichkeit auf entsprechende Regierungsmaßnahmen zu marien ein Recht hat, passiert das Unglaubliche, daß verschie dene Arbeitgeberverbände nicht nur Manteltarife, jon dern auch Lohntarife fündigen mit der offenbaren Absicht, einen neuen Druck auf die Löhne auszuüben. Der Reichs arbeitsminister hat das Mindeste an Pilichterfüllung getan, wenn er sich fürzlich gegen jede weitere Lohnfenfung ausgesprochen hat. Der Bersuch der Unternehmer aber, in der jetzigen Lage, nach bem volkswirtschaftlichen Fiasto der vierten Notverordning, von neuem auf die Löhne zu drücken, ist eine unerhörte Provotation. Die Herren scheinen nicht zu wiffen, daß sie mit dem Feuer spielen. Die Arbeiterschaft tann und wird sich neue Lohndruckversuche nicht gefallen lassen. Möge die Reichsregierung rechtzeitig bedenken, daß fie Pflichten hat.

Postschedkonto: Berlin   37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3. Dt. B.u. Disc.- Gef., Depofitent., Jerusalemer Str.   65/66.

Ein Führerleben.

Gedenkwort an Filippo Turati  .

Von Oda Lerda- Olberg.

Im Eril ist er gestorben, aus Italien   verbannt, für dessen Massen er gearbeitet und gelitten hat, ein Leben lang. Filippo Turati   ist gestorben, während die Schmach noch über Italien   liegt, diese Schmach, die er so tief empfand wie ein glühendes Eisen in lebendigem Fleisch. Und all die vulka­nische Glut, die er dem Unrecht und der Gemeinheit ent­gegenwarf, all der Reichtum seiner vielgestaltigen Persönlich­feit ist nun erloschen. Ungetröstet und unbezwungen ist er von uns gegangen, unser größter Führer, in das pfadlose Dunkel, unser größter Redner, in das ewige Schweigen

Es ist so namenlos bitter, dieses Sterben im Egil, dieses Sterben vor dem Sonnenaufgang, der ja kommen muß. Man kann nicht anders als hadern mit dem Schicksal, das ihn beim Kampf fein ließ und nicht beim Siege, sein Opjer annahm, aber den Segen zurückhielt. Wir sind nicht imstande, am Lager eines teuren Toten zu stehen, ohne befangen zu fein von seinem Einzelschicksal, ohne Groll zu empfinden über die Ungerechtigkeit, die dem gewaltigen Willen zum Guten feinen Lohn an Glück hat gönnen wollen. Ohne die Fäuste zu ballen gegen ein Schicksal, das Filippo Turati   ein Stückchen Heimaterde verwehrte, um darauf zu sterben.

-

Und doch gibt es feinen Toten, bei dem es sich weniger geziemie, gegen das Schicksal zu murren. Mag sich noch so viel Bitterfeit mischen in unsere Trauer um den Menschen Turati, mag die Liste des ihm auferlegten Leides noch ip lang sein der graujame 3wist innerhalb der Partei, die große Vereinsamung nach dem Tod seiner Lebensgefährtin, die unwürdige Bewachung, die ihn zur Flucht ins Ausland zwang, die Einsamkeit des Erils, die alle Freundschaft nicht zu überbrücken vermochte, und über all dem die über Italien  hereingebrochene Sintflut des Unrechts und der Knecht­fchaft: es ist ein großes Führerleben, das zu Ende gegangen ist. Ueber den Toten hinweg, mit Augen, die uns die Tränen nicht verschleiern dürfen, mit einem Glauben, der stärker ist als der Schmerz der Trennung, wollen wir auf dieses sein Führertum blicken, auf diese Leuchte, die Turati hochgehalten hat und sterbend weitergab, so hoch gehalten, daß keine faschistische Niedertracht sie je verdunkeln wird. Wann denn, wenn nicht in den Weihe­stunden der großen Verluste, sollen wir das Tagesmaß des Cinzelschicksals von uns werfen, unser kleines turzsichtiges Ich, und die großen Linien der Geschichte sehen mit ihrem unaufhaltsamen Aufstieg zum Licht? Glaubt man denn wirk­lich, daß das Lebenswerk eines Turati, seine vierzig Jahre Arbeit unter den Massen, abgebrochen seien und zertreten unter der eisenbeschlagenen Ferse der Gewalt? Von einer höheren Warte erscheinen sie eingeordnet in die großen Linien, unverloren, unverlierbar. Und auf dieser höhe= ren Warte hat auch Turati gestanden, nicht der ver einfamte, alternde Mann im Exil, nein, der Führer, Seine Menschen dem sein Lebenswert Heimat war. augen haben das gelobte Land des befreiten Italien   nicht gesehen, aber sein Führergeist wird denen voranschreiten, die es erobern. Und so darf es uns nicht jammern, daß er nicht da sein wird in der Stunde des Triumphes: viele von uns werden nicht mehr da sein. Aber das, was ein jeder bei­getragen hat, auf daß diese Stunde komme, das bleibt ihm als sein unverlierbarer Teil, als sein inniger Sieg, losgelöst von dem zeitlichen Nacheinander, in dem sich die Geschichte abrollt. Deshalb kann man als Sieger sterben im Eril, Ge­rechtigkeit erfahren im triumphierenden Unrecht, im ge­fnechteten Heute frei sein in zukünftiger Freiheit.

Turati ist aus einer durchaus bürgerlichen Umwelt zu unserer Bewegung gekommen. Er wurde 1857 als Sohn eines alten lombardischen Patriziergeschlechtes in Canzo bei Como   geboren. Sein Vater war Präfett, er studierte Rechts­wissenschaft in Bologna   und kam sehr jung in den Bannfreis der sozialistischen   Ideen. Seine erste literarische Betätigung lag auf dem Gebiet der Lyrik. Er ist der Verfasser des. italienischen Sozialistenmarsches. Zeitlebens war ein nieder­gehaltenes Künstlertum in ihm, das sich in den geschliffenen Edelsteinen seiner Prosa zeigte, an der er feilte und glättete, bis sie jene gebändigte Bucht aufwies, die in jedem Sazz seine Autorschaft bezeugte. Auf dem Kongreß von Genua  , mo im Jahre 1892 die italienische Partei durch die Trennung von den Bafunisten und Anarchisten begründet wurde, spielte er bereits eine führende Rolle. Bald darauf wurde er als Barteivertreter in die Provinzialverwaltung von Mailand  gewählt. Seit 1895 vertrat er einen Mailänder   Wahlkreis im Parlament, dem er angehört hat, bis Italien   aufhörte, eine Bolisvertretung zu haben. Zurati hat auch die wiffen