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BERLIN Sonnabend

2. April 1932

Der Abend

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B77 49. Jahrgang

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Herr Groener, reden Sie!

Billigen Sie den SA.- Terror von Braunschweig ?- Sind Sie

mit Herrn Klagges einig?

Der Reichswehrminister, der zugleich Reich sinnen minister ist, nimmt gegenüber der braunen Armee des Herrn Hitler , die eine einzige große Gesetzesverlegung dar­stellt, eine abwartende Haltung ein. Diese ab­wartende Haltung wird von den Bürgerkriegstreibern in der NSDAP . benutzt. Die Herren Göring und Frank II berufen sich immer noch darauf, daß Herr Groener sich ihnen gegenüber so ausgesprochen habe, wie sie es gewünscht haben.

Es wird Zeit, daß Herr Groener redet! Es wird um so mehr Zeit, als seine Unterredung mit Herrn Küchen thal in der Nazipresse von Braunschweig eine Ausdeutung findet, die eine Erklärung des Reichsinnenministers selbst gebieterisch fordert. Die Braunschweigische Landeszeitung" behauptet nicht mehr und nicht weniger, als Herr Groener habe sich überzeugt, daß in Braunschweig alles in schönster Ordnung sei, daß Ruhe und Ordnung durch Herrn Klagges gesichert sei, daß keinerlei Grund zu irgendwelchen Maß­nahmen des Reichs vorliege.

Die Braunschweigische Landeszeitung" teilt nach mehr­fachen Behauptungen, daß in Braunschweig tiefster Friede Herrsche, und daß in Kreiensen völlige Ruhe und Ordnung bestehe, folgendes als authentisch mit und beruft sich dabei auf eine Unterredung eines ihrer Redaktions­mitglieder mit Herrn Groener selbst:

,, Es ist in diesem Zusammenhange auf das lebhafteste zu be­grüßen, daß Minister Dr. Küchenthal es auf sich genommen hat, Herrn Groener am Freitag in Bad Harzburg im Rahmen einer mehrstündigen Aussprache mit dem wahren Sachverhalt bekannt zu machen. Und ebenso lebhaft zu begrüßen ist es, daß zwischen dem braunschweigischen Staatsministerium und dem Reichs immenminister feither, wie es im amtlichen Bericht heißt, und wie Herr Groener einem unserer Redaktionsmitglieder ausdrücklich be­stätigte, vollste Uebereinstimmung herrscht. Jeder Braun­schweiger, dessen Urteilsvermögen noch nicht unter dem Einfluß marristischen Haffes getrübt ist, weiß sehr wohl, wie ehrlich Dr. Küchenthal stets bemüht ist, die verfassungsrechtlichen und die reichsgesehlichen Bestimmungen zu refpef= tieren. Darüber hinaus ist bekannt, mit welcher an Selbst­verleugnung grenzenden Loyalität Minister Klagges sich dem Zwange fügt, den die Notverordnungen des Herrn Brüning heute auf jeden einst freien deutschen Staatsbürger ausüben. Es freut uns und erfüllt uns mit Genugtuning, daß auch Reichsinnenminister Groener fich nun von der einmand freien Haltung unserer beiden Minister über zeugt hat."

In dieser Mitteilung werden also die ungesetzlichen, halt­losen Zustände im Lande Braunschweig mit dem Namen und der Billigung des Reichsinnenministers gedeckt. Das Reden der nationalsozialistischen Presse und das Schweigen des Herrn Groener erwecken immer mehr den Eindruck, daß diese Darstellung von rechts nicht unberechtigt ist!

Herr Groener, reden Sie endlich! Ist es an dem, daß sie den Verbrechen, die von den Hitler - Banden im Lande Braunschweig fast täglich verübt werden, weiter zusehen wollen? Ist es an dem, daß sie die Ruhe und Ordnung im Lande Braunschweig durch Herrn Klagges als gesichert ansehen?

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Ist Ihnen bekannt, Herr Reichsinnenminister, daß im Lande Braunschweig völlig ungefeßliche militä­rische Formationen der braunen Armee des Herrn Hitler bestehen, daß diese Formationen bewußt als traditionelle Fortsetzung des alten Heeres aufgezogen

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werden, daß sie sich die Nummer der alten Regimenter zu­gelegt haben? Ist Ihnen bekannt, daß diese Formationen zum Teil faserniert, daß sie insgesamt militärisch organisiert und diszipliniert sind und einer Oberleitung nach militärischem Muster unterstehen?

Ist Ihnen bekannt, Herr Reichsinnenminister, daß die Leute in diesen Formationen fast alle die Pistole in der Tasche haben? Ist Ihnen bekannt, daß diese Formationen systematisch und regelmäßig Ueberfälle auf ruhige, fried­liebende Bürger unternehmen, daß diese Ueberfälle vor allem denen gelten, die sich für die Achtung der Gesetze und der verfassungsmäßigen Zustände einsetzen?

Ist Ihnen bekannt, Herr Reichsinnenminister, daß in der braunschweigischen Erflave Kreiensen , an einem der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte Deutschlands , eine voll= tommen militärisch aufgezogene Bürger­friegstruppe faserniert liegt, die die friedliebende Be­völkerung unter blutigem Terror hält? Ist Ihnen bekannt, daß diese Formation sich Polizeigemalt an­maßt? Daß sie täglich militärische Uebungen im Gelände abhält? Daß gegen die Bluttaten dieser Formation weder polizeilich noch gerichtlich eingeschrit­ten wird? Daß diese Truppen in unmittelbarer Nachbar­schaft eines großen Waffenlagers faserniert ist?

Ist Ihnen bekannt, Herr Reichsinnenminister, daß Preußen Polizeifräfte in der Nähe von Kreiensen zusammenziehen mußte, um die Uebergriffe dieser Banden auf preußisches Gebiet zu unterbinden?

Mit einem Wort, Herr Reichsinnenminister, ist Ihnen bekannt, daß die friedliebenden Bürger im Lande Braun­ schweig , die sich zu Gesetz und Verfassung bekennen, vogel frei sind gegenüber dem Terror der Hitler= Banden?

Herr Reichsinnenminister, wollen sie dulden, daß die ruhigen und ordentlichen Bürger, weil sie Gesetz und Verfassung achten, dem Terror von Bürgerkriegsbanden preisgegeben sind, die auf das Gesetz pfeifen?

Es ist Zeit zu reden; denn die Provokation durch diese ungefeßlichen Banden wird immer gefährlicher! Es ist Zeit, daß nicht nur der Reichsinnenminister, sondern auch der Reichskanzler ernsthaft seine Aufmerksamkeit den Dingen in Braunschweig schenkt! Es ist Gefahr im Verzug!

Eine amtliche Auslegung. Reichsinnenminister Groener fehrt erst am Montag nach Berlin zurück und vorher ist von den amtlichen Stellen über die Unterredung Groener- Küchenthal nicht mehr zu erfahren, als in dem bekannten nichtssagenden Kommuniqué bereits veröffentlicht worden ist. Man erläutert aber dieses Kommuniqué dahin, daß die darin erwähnte vollständige Uebereinstimmung nur bedeuten könne, Küchenthal habe sich den Ansichten Groeners angeschlossen und diese sowie die Haltung des Reichsinnenministe­riums in den verschiedenen Streitfragen mit Braunschweig in den letzten Wochen als richtig anerkannt.

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Nach dieser Erläuterung würde also Küchenthal gegen die Bolksfreund" und anderer unserer Parteiblätter sowie gegen das Aufhebung der rechtswidrigen Verbote des sozialdemokratischen Berbot des Hitler- Jugendtreffens unter der Geltung des Oster­friedensgebotes feinen Widerspruch erhoben habe. Die Zustände aber von Kreiensen , die Ueberfallautos der Terroristen, ihre Drang­salierung und Mißhandlung wehrloser Andersdenkender dürften noch

Auf zum Westen!

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nicht attenmäßig zur Kenntnis des Reichsinnenministeriums gelangt sein und hätten daher vielleicht in der Harzburger Besprechung noch gar feine Rolle gespielt. Ob die umfangreiche Beschwerdeschrift minister bei dieser Besprechung erörtert worden ist, kann man eben der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion an den Reichsinnen­

vorläufig nicht erfahren.

Die oben erwähnte Auslegung der ,, vollen Uebereinstimmung" ist, um es nochmals zu sagen, Regierungslesart.

Die Terrorherrschaft der Nazibanden ist übrigens nicht nur von dem Berliner Korrespondenten des Manchester Guardian", sondern auch von dem Berliner Vertreter der Lon­doner Times" festgestellt und dem Leserkreis dieser englischen Weltblätter vorgelegt worden.

Wiederaufnahme abgelehnt!

Der letzte Aft des Jakubowski- Dramas.

Das Oberlandesgericht in Rostoc verwarf die Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluß der Straffammer in Neustrelitz , welche die Wiederaufnahmeanträge in der Mordfache gegen Jaku­bomski ablehnte. Damit ist zunächst formal feine Möglichkeit mehr gegeben, Jakubowski zu rehabilitieren.

Josef Jakubowski wurde bekanntlich durch Urteil des Schwur­gerichts zu Neustrelitz vom 26. März 1925 wegen Ermordung des Ewald Nogens zum Tode verurteilt und am 15. Februar 1926 trotz aller Appelle an den zuständigen Minister hingerich tet. In dem ablehnenden Beschluß wird zwar zugegeben, daß von den elf Indizien, die damals zur Verurteilung geführt haben, acht nicht mehr aufrechterhalten werden können, daß vor allem die Belastungen wegfallen müssen, soweit sie von den in­zwischen selbst verurteilten Brüdern Nogens und deren Mutter er­hoben worden sind, aber, so heißt es in dem Beschluß, Jakubowski werde durch die Geständnisse der Genannten, die diese in den verschiedenen Schwurgerichtsverhandlungen 1929 und 1930 ab* gegeben haben, erneut belastet. Auch kann man nicht fest­stellen, ob Jakubowski den kleinen Ewald Nogens erwürgt hat, oder ob das August Nogens war, aber eine wahlweise Fest­stellung der Täterschaft sei durchaus möglich.

Der Fall Jakubowski ist demnach heute ebenso ungeklärt wie 1926.

Naziüberfall am hellen Tag.

Reichsbannerleute werden niedergeschlagen.

An der Ede Friedrichstraße und Belle- Alliance­Plah wurden heute mittag zwei Reichsbannerkamera­den, die dort 3eitungen der Eisernen Front" ver­fauften, von etwa 10 Nationalsozialisten über­fallen. Die Banditen, die sämtlich einheitlich gekleidet waren, fielen über die beiden jungen Leute her und schlugen sie nieder. Als Passanten für die Ueberfallenen Partei ergriffen, ließen die Naziftrolche von ihren Opfern ab und flüchteten nach der Hedemann­Straße. In einer Autodroschke nahmen die Ueberfallenen mit zwei Polizeibeamten die Berfolgung der Rowdys auf. Als die Beamten in der Hedemannstraße anlangten, wurden fie fogleich von etwa 15 Hakenkreuzlern umringt.

Einer der überfallenen Reichsbannerleute, der die Täter be. zeichnen sollte, wurde abgedrängt und von den nationalsozialistischen abfäßen traten die vertierten Burschen auf den Wehrlosen ein. Strolchen abermals zu Boden geschlagen. Mit Stiefel­Erst nachdem die Beamten mit dem Gummifnüppel fich etwas Luft verschaffen konnten, wurde der Niedergeschlagene vor weiteren Miß­handlungen bewahrt. Die Täter flüchteten sämtlich in das Nazihaus in der Hedemannstraße.

Am Montag, 4. April, 19.30, spricht Polizeipräsident Albert Grzesinski in den Tennishallen in Wilmersdorf ( Branden­burgische Str., nahe U- Bahnhof Fehrbelliner Platz) in öffent­

licher Kund- Kehraus mit Hitler!

gebung über: