„Die tödliche Ordnung." Walter Lesch im Kleinen Theater. Cm Arbeitsloser, ein grund anständiger Bursche, erwürgt im Affekt den Mann der heimlich geliebten Frau:«in Stück Vieh von einem brutalen, ewig besoffenen Kerl. Cs sieht so aus, als ob die Suche nach dem Täter erfolglos bleibt. Das große Glück, gefördert durch einen Treffer in der Lotterie, kommt über die beiden. Sie heiraten einander... Zwei Liebende sind drauf und dran, den Blick einer leuchtenden Zukunft zuzuwenden. Aber das stürzt alles zusammen. Verhaftung. Zusammenbruch. Walter Lesch , der Autor, will nun gefolgert wisien: diese Ordnung. die roh das Gute zertrampelt, das sich da gestalten will, ist tödlich, ist ein Menschenfeind. Diese Folgerung hält nicht stich. Kann das Gesetz seine Prinzipien an einem Grenzfall orientieren? Kann irgendeine Rechtsordnung der Welt darauf verzichten, einem Tot- schlag nachzugehen, dessen Begleitumstände und Motive sie ja zunächst auch noch gar nicht kennt? Zugegeben, daß aus dem Zusammenprall von Gesellschaft und Einzelnen Tragik hervorgehen kann, und bei Lesch geht Tragik hervor: Glaubt ihr denn aber, daß die Tragik auf der Welt lediglich eine Folgeerscheinung der Gesetze ist? Trotzdem: das Stück bleibt zu bejahen! Es kommt ja nicht nur darauf an, ob sich einer Generalthese beitreten läßt oder nicht: es kommt auch daraus an, mit welchen Mitteln der Fall demonstriert wird. Bei Lesch sind diese Mittel von nicht zu unterschätzender Stärke. Es rollen acht kleine, recht spannungsgeladene Szenen vor- über, die sehr sauber, sehr liebevoll gemacht sind. Zuweilen läßt sich sogar der Atem echten Dichtertums spüren. Ueber allem lagert eine warme, kämpferische Menschlichkeit. Also: Zwar wird nicht bewiesen, was bewiesen werden sollte, aber der Beweisversuch ist reizvoll. Gespielt wird, bis auf kleine Nebenrollen, sehr annehmbar. Aus- gezeichnet die verbitterte Schnoddrigkeit der Dora G e r s o n, aus- gezeichnet, sowohl in den verhaltenen Partien der Bedrücktheit als in denen schwärmender Liebesseligkeit, der Arbeitslose des Friedrich G n a ß. ausgezeichnet die dämliche Spießigkeit des Kommissars Waltsr Jung. Die Veranstaltung ging von der Spielgemeinschast Berliner Schauspieler unter der Leitung Fritz Staudtes vonstatten. Hans Bauer. Bühnenianze. Deutsches Künstler-Theater(Wigman-Schule). MaxTerpis veranstaltete eine Tanzmatinee im Deutschen Künstler-Theater. Unter Mitwirkung von Wolf A r c o und einer Schüler- und Kindergruppe. Zunächst Solotänze. Alt- testamentarische Gestalten, darunter„Psalmist" und„David", wirkungskräftig in getragenem Pathos und schwerer Rhythmik. „Jonathan* und„Jubal * in hüpfender Leichtigkeit mit dem Aeußeren und dem künstlerischen Charakter des Tänzers nicht harmo- merend. Das gleich« gilt für die Soli„Chevalier* und„Figaro*. Die Stärke Terpis liegt im ernsten, pathetischen, kultischen Tanz. Sobald er leicht, zierlich, tändelnd wirkt, erhält seine Kunst ein« feminine Rote. Sehr schön und eigenartig die Darbietungen des zweiten Programmteils, in dem Schülergruppen unter Arcos Führung in choreographischen Kompositionen von Terpis sich pro- duzierten. Straffe, reinliche tänzerische Disziplin ohne jede merkbare Spur von Drill. Kleine Tanzdichtungen im klarem, stilreinem Auf- bau(„Die klugen und die törichten Jungfrauen*), dramatischer Stimmung(„Die Gefangenen") oder zarter Lyrik(„Jäger und Reh", „Maientag"). Zum Schluß brachte die Schüler- und Kindergruppe „Stücke aus dem Tagewerk der werdenden Tänzer*. Keine Lehr- proben oder Unterrichtsbeispiele, sondern abgerundete Kunstwerke, Schöpfungen des feinfühligen, humorvollen und klugen Choreographen Terpis. Vielseitigkeit ist einer der größten Borzüge der Tänzerin Lisa Ney, die im Bühnensaal der Berliner Wigmanschule einen ungewöhnlich interessanten Abend gab. Ob sie in der„Sara- bände* da» Beispiel eines eleganten höfischen Tanzes, im„Gothischen Pfeiler*, das einer fein ziselierten dekorativen Studie gab, ob sie den vielfach schillernden dramatischen Theatertanz„Eurydike* pro- duzierte, einen verträumten„Stillen Walzer* oder den auegelassen schwungvollen„Straußwalzer* vorführte— immer erfreute der keinerlei Mätzchen duldende Ernst der künstlerischen Arbeit, über- raschte die Gewandtheit, die sich allen Stimmungslagen anzupassen wußte, imponierte die Sicherheit, die stets den rechten Stil und die rechte Stilmischung traf und durch kaum merkbare Abwandlungen klare Nuancierung erwirkte. Das trat namentlich in dem Zyklus ..Lebenslied" zutage, dessen sieben Tänze die Etappen eines Menschen- lcbens geben von der zarten Lyrik des„Wiegenlieds" und des .hellen Tags* über die draufgängerische Wucht der„Kampfansage" zu den leise verhauchenden Rhythmen des Schlußtanzes„Müde ". Die schönste Gabe des Abends aber war nach meinem Gefühl der Trauermarsch„Den Toten", in dem Trauer, Schmerz, Rache aufs kunstvollste zusammenklangen. Im allgemeinen sind die Tänze der Lisa Ney, einer hohen, sehr eindrucksvollen Bühncnerscheinung, mehr auf Liniensprache und plastische Wirkung als auf Farbenstimmung gestellt. Die Künstlerin wirkt am stärksten und eigenartigsten im großzügigen Fresko-Efsekt, in der weitausholenden Bewegung. _ J.S. Spiele und Lehrstücke in der Singakademie. Der Berliner Volks- chor, sein Jugend- und Kinderchor, veranstaltet morgen, den 3. April, nachmittags 4 Uhr, in der Singakademie ein Konzert, das allgemeiner Anteilnahme der Arbeiterschast sicher sein dürfte. Die musikalische Leitung liegt in den Händen Walter Hänels und Ernst Zanders, die Spielleitung hat Otto Zimmermann(Leipzig ) übernommen. Zur Aufführung gelangen„Spiele und Lehrstücke für Kinder und Erwachsene" von Lendvai , Dessau . Höffer und Gerster— geglückte Versuche. Bcwegungsspiel und Gesang sinnvoll zu vereinen: interessant vom musikalischen Standpunkt aus und wertvoll für die Erziehung der Arbeiterkinder zur Musik. Ihr Spiel- eifer, ihre Musikbegeisterung(wunderhübsch mit anzusehen) werden allen Hörern viel Freude machen. Proteststreik der französischen Theater. Die Vertreter der fran- zösischen Theater, Kinos, Kabaretts und sonstigen Vergnügungs- stätten haben am Freitag beschlossen, am S. April einen 24stündigen • Demonstrationestreik durchzuführen. Die bei der Budgetberatung im Parlament beschlossene Steuerermäßigung hat die Theaterunter- nehmer nicht zufriedengestellt. Sie wollen durch ihren Streik einen Druck auf den Fiskus ausüben, damit dieser die zehnprozentige , Armensteuer völlig streicht „Das Kapital" für 2.50 M. Die Verlagsgesellschaft des ADGB. oeronstallet von der hier angezeigten billigen Ausgabe des„Kapital" «ine Organisationsapsgabe, die an Parteigenossen und freigewerk- schaftlich organisielte Arbeitnehmer noch billiger, nämlich für 2.S0 Mark, abgegeben wiid. Tie Teutsch-Spanisch« GeseMchast veranstoltet aus Anlah de« ZSO. Todestage« von M u r i l l o Sonntag, vormittags ll Uhr in dem Aulagebäude der Universität tOpernplatz) eine Feier, bei der die Herren von Rechenbcrg, Professor Waetzold und Dr. Alfred Kuhn sprechen werden. ßiästc willkommen. Hans Albers wird im Laufe des April in der Volksbühne an mehreren Abenden wieder„L i l i o m" spielen. Die Städtische Oper wird zum Gedächtnis von Eugen d' A l b e r t „Tiefland* wieder in den Spielplan ausnehmen.
Das neue Voltsbühnenstück Paul Schüret:„Kamrad Kasper"
Sechs Stlle soll der Schriftsteller haben— sagt Anatole France , der ein ausgezeichneter Handwerksmeister der Feder war. Schüret hat bis jetzt drei. Die Frage ist, ob er sie sich schon ganz zu eigen machte. Stil I: Gesinrnrngstüchtigteit. Sie ist so wichtig, weil es auch Schriftsteller gibt, die mit einem Stil auskommen, aber sechs Gesinnungen brauchen. Stil II: Realistik. Stil III: Symbolik. Bei Schüret heißt Gesinnung: Herz für den Heimkehrer aus dem Krieg. Der Mann hat den Körper voller Sehnsucht nach der Ehefrau oben unterm Himmel im Proletarierwolkenkratzer zu Ham- bürg an der Alster . Er hat sür sie einen Sack mit Geschenken mit- gebracht, seine letzte Siegesbeute: eine Knackwurst, ein Buddel Wein, Konservenbüchsen. Bevor er den Hausflur betritt, schenkt er eine davon einem Mädel, das auf der Brücke nach Liebesjagd ausgeht. Man vergesie auch nicht, daß er noch schnell die letzte Laus zerdrückt, letztes Kriegsangcbinds. Daß Kasper Troll, der Heimkehrer, in Friedenskluft ein Jahr- marttsfahrer mit dem Kasperle-Theater, bei der Heimkehr so komische Sachen tut wie Laufemord und Hurenbeschenkung, das soll sür Schüret einen tieferen Sinn haben. Das hat feine Ursache also im symbolischen Stil des Dramatikers. Sein Heimkehrer ist kein Normalproletarier, er ist ein besonderer Kerl und hat zu beweisen, daß unser Leben ein mächtiges Affentheater ist, auf dem alles tragisch und luftig durcheinanderläuft. So kalauert der Kasperle Troll, den hamburgifchen Mund ganz voll, über die Weltverrücktheit, die ihm an den Leib rückt. Frau Mariken Troll hat den Werkmeister, den reklamierten Hund, in ihr Ehebett genommen. Aus der Einsamkeit und Verzweiflung kommt nie etwas Gutes, nach Kriegsende erst recht nicht. Im Stück kommt aber das Gute. Denn es gelingt dem Kasperle, sich einen Heidenruck zu geben. Er beschließt, die Frau zu behalten und dem Bankert später ein guter Bater zu sein. Ja, der Kasper bettelt sogar, daß Mariken um Gotteswillen nicht Nein sage. Sie sagt Ja. Das sind Umwege zum großen Unglück und kleinen Glück des kleinen Mannes. Sie sind bepflanzt mit Trauerweiden und sollen von Gespenstern wimmeln. Das erzähtt der Dichter. Wenn es das allein wäre? Aber das Spiel der Wirtlichtest hat noch ein
Gegenspiel auf dem Kasperle-Theater, und hier wird alles noch ein- mal vorgetragen, was wir eben schon sahen, allerdings soll alles einen vertieften Sinn erhalten. Schüret, der manchmal sehr amüsant und bitter witzelt, wieder- holt sich dann. Tut er's aus Schwäche? Oder aus Uebermut? Wohl eher, weil er noch keinen von den sechs Stilen recht erwischt hat. Dann wirkt das tragische Getu kindisch und auch das jym- bolische Gerede. Das Mädel von der Straße soll ein Sinnbild der entrechteten Armut sein, der stelzfüßige Straßenmusikant ein Sinnbild des Ueberpatriotendlodfinns, der Krämer ein Sinnbild des Schieber tums, der Zeitungsschreier ein Sinnbild der korrumplerten öffentlichen Meinung. Man kann nicht alles von einem sicher begabten, aber noch etwas unsicher herumtastenden Dramatiker haben. Schüret will alles geben und gibt oft zu wenig. Er ist heute 42 Jahre alt, er war Mechaniker und Gewerbelehrer und arbeitet jetzt in Hamburg daran, aus dem Garten seiner vielen Talente das Unkraut auszuroden. Günther S t a r k, der an der Volksbühne immer die Experimen- tierstücke zur Regie erhält, desertiert auch diesmal nicht. Das Nebelhafte des Stücks ist aber nicht auf den Regisseur, sondern nur auf die Spukncigungen des stilistisch nach herunwagabundierenden Dramatikers zu schieben. Der Regisseur führt das symbolische Puppenspiel mit der guten, allen expressionistischen Wichtigtuerei auf. Er kann nichts daran ändern, daß hernach Ernst Busch mit aller braven Bolksstückderbheit und Komödiantendrückerei den Heimkehrer spielt, den Mann, der moralisch gar keinen Schotten wirft. Um diesen Prachtkerl spielen dann die Einfältigen und die Sünder: Bertha D r e w s die oerzweifelle Frau. Lahde den Drückeberger und Verführer, Almas den musizierenden Kriegskrüppel, Gins- borg den Verkäufer der Revolverblätter mit der Revolverschnauze, Mainzer den Schieber, der rund im Bauch und rosig an den Bäckchen ist. Kasperlemosken hat der Gespensterspezialist D o l b i n entworfen. Der Rozisiaur hielt einige Songs für nötig. Di« Musik dazu, das rebellische Gequäcke und symbolische Lärmtamtam, lieferte als Zweck- komponist Hans E y s l e r. Max Hochdorf .
Schluß der Chirurgentagung. Das Messer überflüssig zu machen und die Heilkraft der Natur walten zu lassen, ist das schönste Ziel des Chirurgen! Der gestrige Tag des Chirurgenkongresses bewies, daß die deutschen Chirurgen sich dieser hohen Aufgabe bewußt sind. Das Referat von Heile- Wiesbaden war eine kritische Auswahl aus der ungeheuren Zahl an Mitteln und Methoden, den Heilungsprozeß des Körpers anzu- regen und damit einen Eingriff von außen überflüssig zu machen. Heile stellle die entzündungshemmende, sterilisierende und leistungs- steigernde Wirkung der Licht- und Röntgenstrahlen dar, die ungemein vielfältige Anwendungsmöglichkeit der Blutinjektion und der Serum- behandlung und schließlich das Gebiet der Chemotherapie, also alles Berfahren, die dem Gebiet der inneren Medizin entnommen sind. In kundiger und zuverlässiger Hand kann die Vlukkransfusiou erstaunliche Wirkungen haben, sowohl nach Blutverlusten wie zur Eni» gistung bei Ueberschwemmung des Organismus mit Stoffwechsel- oder Bakteriengifte. Keines der vorhandenen Präparate kann die vielfältig« Wirkung ausüben wie das natürliche Blut. Wohl aber ist es ge- lungen, spezifische Leistungssteigerungen zu erzielen im Simre einer scharf eingestellten Gegengiftwirkung gegen bestimmte Bakterien und ihre Gifte. Besonders wertvoll sind solche Serum- und Antitoxingemische bei der Bekämpfung des Wundstarrkrampfes und des Gasbrandes. B ö h l e r- Wien stellt sich denn auch aus den Standpunkt, daß wichtiger als alle Versuche der aktiven Wund- behandlung die zwei uralten Hcilsaktoren Zeit und Ruhe sind: Die Zeit heilt alle Wunden! Viel angewandt wird heute die Eigen- blutbehandlung, die besonders V o r I ch ü tz- Hamburg empfahl, die Einspritzung des eigenen frisch aus der Vene entnommenen Blutes in die Muskulatur. Daß dem Milieu der Wunde eine erhebliche Bedeutung zukommt, hat Schuß- Berlin in überzeugenden Ver- suchen bewiesen: Kaliumsalze regen die Ausheilung der tieferen Wundschichten an Kalziumsalzt dagegen oeranlassen die Bil» dung der schützenden Hautdecke über der Wunde. Der Gehirnchirurgie werden viele Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt durch die moderne Röntgendiagnostik. Lohr und I a c o b i« Magdeburg zeigten überraschende Darstellungen des gesunden und kranken Gebirns. die durch Einspritzung schattengebender Substanzen in Schlagadern und in den Rückenmarkskanal gewonnen waren. Auf dem Sondergebiet der Urologie, der Chirurgie der Harnwege, spielt der Krebs als Gewerbekrankheit heute eine ernste Rolle. Die ungeheuer ausgedehnte Verwendung von Anilinfarbstoffen zwingt zu rascher und energischer Be- kämpfung der Gefahren, die den Arbeitern in der Anilinfarben- industrie drohen. Simon- Ludwigshafen a. Rh. hat an dem großen Material der dortigen Farbwerke die Frage eingehend studiert und kommt zu dem Schluß, daß die bei den Farbenarbeitern austretenden Blasengeschwülste genau so ernst wie jeder andere Krebs angesehen und behandelt werden müßten.
Ein neues Mlmverboi. „Kuhle Wampe * verboten. „Kuhle Wampe * heißt ein Film(er trägt den Namen noch einer Arbeil«, sieblung am Müggelsee), den Brecht und Gottwald ent- warfen, der von Dudow gedreht und von Eisler mit Musik versehen wurde. Er ist auf Grund eines Gutachtens d«s Reicheinnenmini- sterium» von der Filmprüfstelle verboten worden, obzwar in dem ganzen Werk nichts zu entdecken ist, das vas Berbot zu rechtfertigen vermöchte. Die Gründe, die angegeben wuiden, sind hinfällig. Die ganze Richtung ist es, die nicht paßt Da wird lehouptet, die Rcli- gion würde verächtlich gemacht, wenn zu einem vorüberhuschenden Nacktbad prachlvollcr junger Menschen eine fern« Kirchenglocke bimmelt. Da wiro behauptet, der Herr Reichspräsident würde ver- ächtlich gemacht, weil da ein«r in den Tod geht, dem die von jenem unterschriebene Notverordnung die letzten Groschen entzieht— als hätte Hindenburg die Not verordnet! Da soll die Justiz verächtlich gemacht worden sein, weil ein Amtsrichter Urteil um Urteil her- unterleiert, wie es mancher Amtsrichter vielleicht tun muß, jedenfalls aber zu tun pflegt. Dos ist«s eben? der Schuster bleib« bei seinen Leisten, der Film bei seinem Kitsch und halle sich in angemessener
Entfernung von einer Wirklichkeit, die wir zwar erleben dürfen, über die wir uns aber zu viel Gedanken machen könnten, sähen wir sie im Film, so wie sie ist. Was wird in dem Film gezeigt? Qual der Arbeitslosigkeit. Tod eines, der sie nicht mehr erträgt. Hinterhauswohnung wird gegen Zelttolome gesetzt, Großstadt gegen Natur, Hinauswachsen einer neuen Jugend über kleinbürgerliche Enge gegen 5>ineinwochsen in proletarische Solidarität. Der Schluß ist eine Verherrlichung des Arbeitersports. Sind das vielleicht staat-geiährliche Dinge? Cs ist nicht mehr Diskussion in dem Film, als wie sie täglich, stündlich immer und überall statthast, es ist nicht mehr Propaganda drin, als m den Verhältnissen selbst steckt, als erlaubt sein muß und auch erlaubt ist. Denn Demokratie heißt nichts anderes als Diskussion. Die O b e r p r ü f st e l l e hat es in der Hand, hier ein Unrecht recht bald wieder gutzumachen.
Kunst und Werkunierricht. Arbeitsbericht der Kunsthochschule. Die vereinigten Staotsschulen für freie und angewandte Kunst, wie sich die Akademie an der Hardenbergstraße etwas umständlich betitelt, ladet zu der Jahresübersicht über ihre Tätigkeit, die m vielen Sälen des Gebäudes ausgebreitet ist. Es ist wirklich keine „Kunstausstellung*, sondern eine„unterrichtstechnische" Schau, wie der Prospekt versichert. Der Besucher gewinnt dabei einen wahr- heitsgetreuen und äußerst interessanten Ueberblick über das System und den Erfolg der Unterrichtsmethoden. Man sieht hier, in breiter und lockerer Aufstellung, anschauliche Beispiele der verschiedensten Wondgemälde-Techniken, den Werdegang von Skulpturen in ver- schiedenen Materialien, ihr Einpassen in die Raumgegebenheiten, Bearbeitung plastischer Materialien: sieht Metallguß ebenso in allen Stadien wie sämtliche Techniken der Graphik und die Entstehung der Architektenorbeit bis zu den fast Naturgrößen Werkzeichnungen— alles vom kunstpädagogischen Standpunkt aus. Die Resultate dieser Methode sind gleich vortrefflich, ob es sich um Weberei oder Metall- und Glasarbeiten, um Wandmalerei, Akt- Zeichnung, Landschaft oder Gebrauchsgraphik, um Plakate, Bühnen- bilder, Wohnhäuser oder Skulpturen in originalen Materialien handelt. Die Mischung von Entstehungs- und Unterrichtsweise und fertigen— oft völlig meisterlichen und auch als vollgültige Arbell praktisch ausgesllhrten— Leistungen macht diese gewaltige Ueber- ficht über das Wirken der Akademie so anziehend. So rechtfertigt sie Existenz und Methodik der so rühmlich sich bewährenden Schule. Man gewinnt den Eindruck, daß die Kunstjünger wirklich ihr Hand- werk von Grund aus und mit der Aussicht auf praktische Beschüfti- gung erlernen. g. k. seh. „Das bleiche Sterben." Das allgemeine Sinken des Lebensstandards hat die Bedrohung durch die Tuberkulose für weite Volkskreise leider wieder wesentlich gesteigert. Ein Lehrstück sür die Funkbllhne, das im Kampf gegen die Tuberkulose mitwirken will, hat sich daher auf jeden Fall eine beachtenswerte Aufgabe gestellt. Weil durchgreifende Hilfe In schweren Erkrankungssällen heute vielfach an dem allge- meinen Mangel an Mitteln zu scheitern droht, sind vorbeugende Maßnahmen und sofortige ärztliche Behandlung der Leichtinfizierten besonders wichtig. Daraus vor allem wollte das Lehrstück„Das bleiche Sterben" von Gregor Jarcho hinweisen. Es tut es in sehr geschickter Weife, immer klar und zweckmäßig, dabei immer in der Form volkstümlicher Unterhaltung. Die Spiclhandlung ist mit viel Klugheit und Takt aufgebaut. Um das Schicksal eines Menschen scheint es zu gehen— um das Schicksal einer Krankheit geht es. Aus diesem Grunde war eine Retouche der Wirklichkeit an den wesentlichen Stellen der Hörbildfolge gar nicht möglich. Sie wurde vom Verfasser auch nirgends versucht: die Gefahr, Entwicklung, Aus- Wirkung der Tuberkulose sind sehr anschaulich dargestellt. Doch auch die Handlung selber bemüht sich um Lebeneechtheit: gerade bei den Tuberkulosen ist die Umwelt des Kranken für die Entwicklung des Leidens im guten wie im schlechten Sinn von ausschlaggebendem Einfluß. Mit„Kunst" hat solch« Sendung natürlich gar nichts zu tun. Sie verdient trotzdem uneingeschränktes Lob, auch für Max Bings umsichtige und sorgsame Regie. Te...