Morgenausgabe
Nr. 162
A 82
49.Jahrgang
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Vorwärts
Donnerstag
7. Apríl 1932
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Frauen, wehrt euch!
Der Faschismus ist euer schlimmster Feind.
Adolf Hitler buhlt jetzt in Reden und Plakaten um| ständen ein Ende machen will, darf niemals die Stimmen der Frauen. Ber denkt da nicht an die Ge- einem Nazi oder Kommunisten ihre Stimme schichte, wie der Fuchs den Hühnern predigt! geben!
Der Faschismus, der die Stimmen der Frauen haben will, ist der schlimmste Feind der Frauen.
Jegt fagt Hitler: Die Frau soll die Kampfgenoffin des Mannes sein!" Aber wie sagte noch vor kurzem fein Parteigenosse Goebbels? Die Aufgabe der Frau sei nur schön zu sein und Kinder zu kriegen". Und Feder, der Theoretiker der Nazis, sagte es noch besser: Sie soll
,, wieder Magd und Dienerin werden". Und wie predigt ein anderer Nazitheoretiker Bidder Lüng in seiner Abhandlung über den Nationalsozialismus?
,, Der Nationalsozialismus lehnt alle Gleichmacherei als widernatürlich ab. Es gibt somit für ihn keine Frauenfrage, da er die Frau nicht als gleichberechtigte Bettbewerberin dem Manne gegenüberstellt, ja schon die bloße Frage nach Gleichberechtigung als finnlos und daher als nicht beantwortbar verachtet, sondern die Frau als ein Wejen betrachtet, das ihm die von der Rafur gegebene biologische Aufgabe zu erfüllen hat..."
Hitler selbst hat noch vor zwei Jahren eine geradezu bestialische Raffezudyttheorie vertreten, indem er auf dem Nürnberger Parteitag der NSDAP . erklärte:
,, Würde Deutschland jährlich 1 Million Kinder bekommen und 700 000 bis 800 000 der schwächst en beseitigen, dann würde am Ende das Ergebnis vielleicht sogar eine Kräftesteigerung fein..."
Kann es eine Frau mit ihrer Würde, mit ihrem Gefühl der Mütterlichkeit vereinbaren, diesem Prediger des Kindermordes ihre Stimme zu geben?
Der Reichsführer der SS.( Schutzstaffel), der Reichstags: abgeordnete Himmler, hat tatsächlich ein ,, Rasseamt" eingerichtet, ohne dessen Zustimmung ein SS.- Mann nicht heiraten darf. Nach Punkt 4 seines Befehls wird die Heirats: genehmigung einzig und allein nach rassischen und erbgesundheitlichen Gesichtspunkten erteilt oder verweigert". So ist
das sogenannte Drille Reich eine Zuchtanstalt für die nordisch- germanische Edelrasse", und die Frauen haben nur noch einen biologischen 3wed als 3uchtmate rial zu erfüllen.
Die Nazis mögen solche Ansichten haben und vertreten! Aber dann noch die Stimmen der Frauen zu verlangen ist das nicht eine ganz schamlose Frechheit?
Frauen, sorgt dafür, daß alle cure Mitschwestern die Wahrheit erfahren und am 10. und am 24. April dementsprechend handeln. Denn jede Frauenstimme für Hitler ist eine Schande und eine Selbst= entwürdigung!
Die Nationalsozialisten schließen, soweit es auf sie ankommt, die Frauen von der öffentlichen Betätigung aus. In ihrer Reichstagsfraktion, in ihren Landtagsfraktionen fitzt feine einzige Frau! Freilich müßte sich auch jede deutsche Frau schämen, einer solchen Gesellschaft anzugehören, die die Volksvertretungen für jede praktische Arbeit unbrauchbar macht und sie nur noch als Tummelplatz für wüste Radau- und Tumultszenen gelten läßt!
Die Not, die die Weltwirtschaftskrise des Kapitalis mus über die Welt gebracht hat, ist furchtbar. Die Frauen tragen sie am schwersten. Sie müssen aber auch begreifen,
daß nur die methodische sozialistische Aufbaupolitik der Sozialdemokratie einen Ausweg aus ihr eröffnet..
Die Sozialdemokratie hat den Frauen ihre Rechte gegeben. Die Sozialdemokratie kämpft für mehr Arbeitsgelegenheit, bessere Löhne, für Wiederaufbau der sozialen Errungenschaften.
Wehe dem deutschen Volk, wehe den Frauen, wenn sie sich durch ihre Verzweiflung dazu verleiten lassen, den faschistifchen Betrügern zu folgen!
Entrechtung und Entmündigung der Frau! Kriegsgefahr! Inflation! Bürgerkrieg!
Wählt am 10. April
Frauen, schlagt Hitler ! Hindenburg , am 24. April Braun- Severing!
Der Reichskanzler gegen die nationalsozialistische Demagogie.
Erfurt , 6. März. Reichskanzler Dr. Brüning sprach am Donnerstagnachmittag in Erfurt in einer großen Wahlversammlung im ReichshallenTheater. Seine Rede wurde, da der Saal die Taufende von Hörern nicht faffen konnte, durch Lautsprecheranlage in den Garten des Cotals und nach drei anderen Sälen in der Stadt übertragen.
Der Reichskanzler wandte sich der Agitation der Nationalsozialisten zu und erklärte: Wenn man Millionen von Menschen in das Reich der Träume reiße, so müsse es bei den Anhängern dieser Partei später einen Rückschlag geben, dem feine Staatsgewalt mehr Herr werden würde. In Stuttgart und in Baden habe er Flugblätter gesehen, in denen behauptet worden sei, die Reichsregierung dränge nach schneller Entscheidung aller Wahltermine, weil sie beabsichtige, fofort eine neue Noiverordnung zu erlassen. Hinzugefügt sei: Die Rotverord nungen haben keinen anderen 3med, als neue Not in Deutschland zu schaffen. Mit erhobener Stimme erklärte der Kanzler:
,, Rein Chaos, feine Inflation, keinen Bürgerkrieg!" in schreien die Hakenkreuzplakate. Das ist schon wieder der Reinele Fuchs, der Buße tut und kein Fleisch mehr iẞt! Haben diese schamlosen Heuchler nicht die Geldtheorie Gottfried Feders- das berüchtigte Federgeld zu ihrem Programm gemacht? Und warum bekämpfen sie die Sozialdemo fratie? Nicht etwa deshalb, weil die Sozialdemokratie den Frieden erhalten will? Und beweisen nicht die von Severing veröffentlichten Dokumente,
daß sie sich eine Bürgerkriegsarmee geschaffen und den Bürgerkrieg bis in alle Einzelheiten vorbereitet haben? Eine Frau, die es über sich bringt, Hitler ihre Stimme zu geben, macht sich mitschuldig an vergossenem Blut!
Die Nationalsozialisten und in gleichem Maße auch die Kommunisten haben eine Verrohung in das deutsche öffentliche Leben gebracht, die eine nationale Schande ist. Welche Frau fann es faltherzig hinnehmen, daß fast an jedem Tag sechzehn, achtzehn und zwanzigjährige junge Menschen einander mit Pistolen und Dolchen zu Leibe gehen, weil sic nerfchiedene politische Meinungen haben?
Eine Frau, die piesen grauenhaften 3u
Ich muß mich auf das entschiedenste hiergegen und gegen den Geist der Leute wenden, die solche Flugblätter verteilen, um so mehr, als Hitler selbst erklärt hat, er denke nicht daran, etwa gleich alle Notverordnungen aufzuheben oder gar den Versailler Vertrag
zu zerreißen.
Nur mit der Politik der Wahrheit und Klarheit werden wir der Lage sein, die Grundlinien unserer Außenpolitit, die wir
Eiserne Front
morgen
6 Uhr abends
Lustgarten
Es spricht
begonnen haben, und deren Weg allmählich an den Punkt herangeführt haben, wo schwerste Entscheidungen nicht nur für Deutsch land , sondern für ganz Europa bevorstehen, überhaupt durchzuführen und eine Garantie zu bieten, daß in den nächsten Monaten auch Erfolge nach dieser Richtung hin erzielt werden tönnen.
Wehe dem, der ein Experiment mit einer Währung macht in einem Lande, das eine Inflation ohnegleichen durchgemacht hat. Will man die Währung im Interesse des gesamten Volkes unbedingt stabil halten,
dann kann man nicht mit Versprechungen arbeiten, wie Herr Hitler , sondern man muß das Harte, Notwendige tun.
Und wenn Herr Hitler sich in Dresden dagegen verwahrt hat, er wolle ja gar keine Inflation und wenn man von der Binnenmark oder vom Federgeld spricht, so ist das alles nichts anderes als ein Deckname für eine verkappte Inflation. Ich halte meine Behauptung aufrecht: Wenn die Nationalsozialistische Partei auch nur 5 Pro 3- ihrer Versprechungen wahrmachen wollte, dann wackelte das Gebäude der deutschen Mark innerhalb 14 Tagen und die Mark würde überhaupt ins Bodenlose hin untersinken. Ein Volk, das zur Freiheit und Gleichberechtigung fommen will, muß noch schärfer und stärker Illusionen und Bhrasen ablehnen, als ein Volk, das sich auf der Höhe der Macht befindet.
Zu einem Politiker jei eben manches erforderlich, was über Bersprechungen und Phrasen hinausgeht. Glücklicherweise sei uns in dem Reichspräsidenten von Hindenburg ein Mann gegeben, der alle Dinge Plar und einfach sieht und der dem Ausspruch eines unserer größten Deutschen Mehr sein als scheinen" besser gerecht merde als die Politiker der Kompliziertheit. Unsere Enkel würden es eines Tages nicht verstehen können, daß es bei dieser Reichspräsidentenwahl einen zweiten Wahlgang gegeben hat.
"
Der Kanzler ging dann zu den Verhandlungen mit Hitler und Hugenberg über und erklärte, daß beide die Chance verpaẞt hätten, die ihnen bei dieser Wahl geboten worden sei. Hitler habe sich in den Schlingen eines Mannes gefangen, der ihm zumindest an politischer Raffiniertheit und Taktik weit überlegen sei. Es müsse dahin kommen, im Interesse der deutschen Außenpolitik, der deutschen Wirtschaft und des finanziellen Kredits, daß Reichspräsident von Hindenburg am nächsten Sonntag
eine viel größere Stimmenzahl erhalte als zuvor; vor allem aber in den Gebieten, wo er bislang noch im Verzuge gewesen sei. Dies sei eine Ehrensache. Der Reichskanzler appellierte vor allem an die Frauen, zur Wahl Hindenburgs beizutragen.
Nach Beendigung der mit stürmischem Beifall aufgenommenen Rede begab sich der Kanzler noch in die Nebenversammlung, um auch dort noch einmal zu sprechen.