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Nr. 175.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Bfg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 M., für das übrige Ausland s Mt. pr. Monat. Eingetr. in der Post Zeitungs: Preisliste für 1896 unter Nr. 7277.

Vorwärts

13. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die finfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen= tagen bis 7 1hr abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr vormittags geöffnet.

Eernsprecher: Amt 1, v. 1508 Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin".

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Abonnements- Einladung.

Mit dem 1. Auguft eröffnen wir ein neues Abonne­ment auf den

Vorwärts"

mit der illuftrirten Sonntags- Beilage

,, Die Neue Welt".

Mittwoch, den 29. Juli 1896.

Der Schuh der Arbeiter vor Gefahren.

Wiederholt ist von unserer Partei in der Preffe wie im Reichstage darauf hingewiesen worden, daß das Unternehmer­thum rücksichtslos Gesundheit und Leben der Arbeiter in Gefahr bringt, wenn es sein Vortheil erheischt, und daß nur ein streng durchgeführter gefeßlicher Schuh verhindern kann, daß Jahr aus Jahr ein zehntausende von

Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3:

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geschütt ist, wie der Stand der Fabrikarbeiter. Bevölkerung- und das nicht anzuerkennen, ist nichts weiter als ein Zeichen ganz falten und herzlosen Undants." In Arbeiterkreisen hat sich damit Iskraut und seines Gleichen die andern sind ebenso gerichtet; dem Unternehmerthum waren aber diese Worte Labsal.

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In den Berichten der preußischen Gewerbe­räthe für 1895 sind sowohl über die Ursache der Unfälle wie über die der Gesundheitsschädigungen einige Urtheile gefällt worden, die vollauf unsere schon früher ausgesprochenen Ansichten bestätigen.

Westpreußen , indem er auf die Geschäftsberichte des Reichs­Gewerberath Prilling in Danzig schreibt aus dem Bezirk Bersicherungsamts bezug nimmt:

Um so unangenehmer wird es ihm sein, daß ernster zu nehmende Männer die Kritik unterstützen, die von Seiten der Sozialdemokratie am bestehenden Arbeiterschutz geübt wird. Es muß lobend anerkannt werden, daß die Berichte einiger Ge­Arbeitern zu grunde werbe- Inspektoren offen und ehrlich die obwaltenden Verhältnisfe gerichtet werden. Gewöhnlich wurde uns dann entgegengehalten, schildern und dabei zu denselben Schlußfolgerungen kommen, die Es ist die Pflicht eines jeden Parteigenossen, für die daß ein solcher Schuh der Arbeiter jetzt schon bestehe und die von unserer Seite gezogen wurden. Weiterverbreitung des Zentralorgans der Partei nach Berufsgenossenschaften eine große Fürsorge aus­Kräften thätig zu sein. Allseitig anerkannt ist die Beübten, um die Zahl der Unfälle zu vermindern, fchon im eigenen deutung unseres Blattes in dem großen Befreiungs- Interesse, da ja die Unternehmer die Kosten der Unfälle zu tragen tampf des Proletariats, und auf das beste bewährt hat hätten". fich feine knappe, schnelle und genaue Berichterstattung, Seilung innerhalb 13 Wochen beendet ist, fallen den Kranten Letztere Behauptung ist ganz unrichtig; alle Unfälle, deren namentlich während der umfassenden Kämpfe, welche die tassen zur Last und bei diesen haben die Arbeiter zwei Arbeiterschaft in den letzten Monaten mit dem Unternehmer- Drittel der Beiträge zu entrichten, bei den Hilfskaffen thum auszufechten hatte. zahlen sie dieselben völlig. Also es sind auch Arbeiter­Ueber dem politischen und wirthschaftlichen groschen, die dabei dabei in betracht kommen und zwar Theil werden aber die lokalen Vorkommnisse Berlins in ganz bedeutendem Maße, denn 1894 waren in den feineswegs vernachlässigt. Die Besprechungen unserer tom verficherungspflichtigen Betrieben 213 363 Personen verletzt worden, munalen Angelegenheiten bringen den Leser in die Lage, die auf Kosten der Krankenkassen gepflegt wurden, während 69 619 auf die Unfallversicherung famen. die Erscheinungen auf diesem wichtigen Gebiet des öffent­lichen Lebens genau zu verfolgeu. Der lokale Theil schon aus eigenem Intereffe" ausreichend sein müffe, ist außer­Daß die Fürsorge der Berufsgenossenschaften des Vorwärts" verzeichnet alle Begebenheiten des Tages dem auch deshalb unrichtig, weil es für den Unternehmer weit und giebt ein getreues Bild des Vereins- und Vervortheilhafter ist, Schutzvorrichtungen gegen die Gefahren des sammlungslebens, welches in Berlin besonders starke Betriebs nicht anzubringen und dadurch Ausgaben zu Wellen schlägt. sparen. Wenn dann auch Arbeiter zu grunde gehen, so foftet ihm das nicht viel und wenn es sich um Gesundheits schädigungen handelt, welche allein den Krankenkassen zur aft fallen, dann kostet es ihm häufig gar nichts.

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Ebenso widmen wir dem Feuilleton die größte Auf­merksamkeit,

Die vielfach verbreitete Meinung, daß die gewerblichen Unfälle sich seit Inkrafttreten des Unfallversicherungsgesetzes vermindert hätten, stellt sich hiernach als irrthümlich bar. Es wird vielfach angenommen, die verschärfte Kontrolle über die Anmeldung der Unfälle hätte eine Erhöhung der Unfallziffer in den den Nachweisungen herbeigeführt, ohne daß eine dem völlig entsprechende Ver= mehrung der Zahl der Unfälle in Wirklichkeit ein. getreten wäre. Man täuscht sich aber über diese Erscheinung, wenn dem zuverlässiger gewordenen Meldewesen zu große Bedeutung beigemessen wird. Die Zahl der Unfälle, für welche Anzeigen erstattet worden sind, steigerte fich von 27,42 in 1887 auf 37,21 in 1894 vom Tausend gerechnet, also um 35,7 Prozent. Die Zahl der ents Von dem zur Zeit im Vorwärts" erscheinenden Roman chädigungspflichtigen Fälle, bei welchen jeder von Bulwer , der in der Weltliteratur einen hervorragenden heute als eine so besonders großartige Leistung gepriesen wird, Die Folge diefes völlig ungenügenden Arbeiterschutzes, der Zweifel an der Zuverlässigkeit der Angaben ausgeschlossen ist, fteigerte sich bei 1000 Personen von 4,14 in 1887 auf 6,54 in Blatz einnimmt, liefern wir neu hinzutretenden Abonnenten ist die, daß die Arbeiter ebenso mit ihrem Leben, wie 1894, also um 58 p Ct. Hieraus darf gefolgert werden, daß den bis jetzt in unserem Blatte erschienenen Theil gratis mit ihrer Gesundheit dem Unternehmerthum die Profite er­das zuverlässiger gewordene Meldewesen in der That nach. Nachdem Rienzi " beendigt sein wird, bringen arbeiten müssen. Ja, die Unfälle nehmen in bedeutendem nicht den Einfluß auf die Erhöhung der Unfallziffer haben wir aus der Feder von E. Bosquet einen Roman Maße zu! Und das ist nicht, wie der jetzt glücklich aus dem fann, welcher ihm gewöhnlich beigemessen wird." der Unternehmerinteressen ,, Arbeiterinnenloos", der in meisterhafter Schilderung Reichstag verabschiedete Vertreter Derselbe Gewerberath läßt auch seit 1894 in seinem Bezirk ein packendes und in seiner Art typisches Bild von der Lage wie früher alle, auch die kleinsten Beschädigungen zur der Unfälle zu ersehen sind- Möller- Dortmund sagte, nur dadurch veranlaßt, daß jetzt mehr Tabellen anfertigen, aus denen die Entstehungsursachen eine Maßnahme, deren all. der französischen Arbeiterin giebt. Anzeige gelangten. Nein, diese Zunahme der Verstümmelung und gemeine Durchführung dringend zu fordern ist. Aus den Tödtung der Arbeiter rührt von dem immer ungenügender Tabellen ergiebt sich, daß die Unfälle herbeigeführt wurden zu werdenden Schuge her, der den Arbeitern zu theil wird. 88,5 pCt. durch Gefahr des Betriebes an sich bei ge= Als dies von unserer Seite im Reichstage erklärt wurde, ringer Unachtsamkeit des Arbeiters; zu 2,6pCt. durch Verschulden ereiferten sich besonders die Nationalliberalen über diese Ver- der Mitarbeiter; zu4,5 pt. durch Gefahr der Betriebe an hetung"; ihnen half der Antisemit Iskraut, der in bezug sich bei grober Unachtsamkeit; nur 0,7 pet. durch Nichts auf den ganzen Arbeiterschutz in Entgegnung auf die Angriffe benutzung der Schutzmittel; 1,7 pet. durch ungenügende Auf­des Genossen Wurm am 24. Januar d. J. sagte: sicht oder Nichtbeachtung der Vorschriften seitens des Unter ,, Es ist nichts weiter als ein Zeichen der tältesten und nehmers, und 2 pCt. durch mangelhafte oder fehlende Schutz­härtesten Undankbarkeit, wenn von seiten der vorrichtung. Sozialdemokratie nicht anerkannt wird, daß auf diesem Diese Zusammenstellung zeigt deutlich, daß der weit über­Gebiet etwas nicht blos, sondern ein ganz bedeutender wiegende Theil der Unfälle vermieden werden kann, Theil gethan ist. Es giebt augenblicklich feinen wenn genügende Vorkehrungen getroffen werden. Denn Stand Deutschland , der so durch Geseze die Gefahr der Betriebe, bei denen schon durch geringe Unacht­

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Für Berlin nehmen sämmtliche Zeitungsspediteure, so­wie unsere Expedition, Beuthstr. 3, Bestellungen ent­gegen zum monatlichen Preise von

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Redaktion und Expedition des ,, Vorwärts".

Rienzi.

Der lehte der römischen Volkstribunen. Roman von Edward Lytton Bulwer .

3 weites Kapitel. Die Unterredung und der Zweifel.

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Als Adrian von dem Palast seines Vormundes nach der Richtung des Forums ging, begegnete er dem Bischof von Orvieto , der, auf einem kleinen Pferde sizzend, und durch einige seiner Diener begleitet, plößlich anhielt, als er den jungen Ritter erkannte.

es macht der Stadt Ehre, wenn sie Achtung für die Wissens schaften zeigt."

" Des Jubiläums nicht zu erwähnen," fügte Adrian lächelnd hinzu.

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Ah, des Jubiläums nicht zu erwähnen, sehr gut! Lebe wohl für jetzt." Und der Bischof vitt in feierlichem Schritt weiter, um seine verschiedenen Freunde zu besuchen, und sie aufzufordern, ebenfalls morgen im Lateran zu er fcheinen.

,, D, laß fie! laß sie! sie haber nicht unsere Erfahrung, unsere Kenntnß der Welt, Adrian. Ich bitte Dich, wann Ah, mein Sohn, es ist selten, daß ich Dich sehe; wie find wohl jemals durch Redensarten Kastelle gestürmt, oder geht es Dir?- gut?- So, so; es freut mich, es zu Soldaten bestochen worden? Ich habe es gern, wenn vernehmen. Ach, was ist das hier für ein Wesen im Ver- Adrian setzte jetzt seinen Weg fort, bis er über das Rienzi mit dem Pöbel über das alte Rom und solches Zeug gleich zu unseren ruhigen Genüssen in Avignon ! Dort finden Kapitol hinaus, bei dem Triumphbogen des Severus, den spricht; sie haben dann etwas, womit sie sich beschäftigen sich alle Männer leicht zusammen, die, wie wir, denselben verfallenden Säulen des Jupitertempels vorbei war, und und worüber sie schwagen können, und so verfliegt alle Vergnügungen, denselben Studien ergeben sind. Aber hier sich unter dem langen Grase, dem Gebüsch und den ver­ihre Reckheit in Worten; sie könnten vielleicht ein Haus dürfen wir kaum unsere Häuser, außer bei wichtigen Ge- nachlässigten Weinstöcken befand, welche die jetzt unter­verbrennen, wenn sie seine Rede hörten. Aber da wir ein- legenheiten, verlassen. Aber da wir von wichtigen gegangene Pracht des goldenen Hauses des Nero bedeckten. mal davon sprechen, so muß ich geftehen, daß der Pedant Angelegenheiten sprechen, so fällt mir unseres Sich auf eine, auf der Erde liegende Säule an dem in seinem neuen Amt unverschämt geworden ist; hier, hier, guten Rienzi Einladung in den Lateran ein; Du wirst Drt segend, wo der Wanderer jetzt in die sogenannten dieses Papier erhielt ich heute, ehe ich aufstand. Ich höre, boch dabei sein; es ist ein sehr schweres Latein, was er Bäder der Livia hinabsteigt, sah er ungeduldig nach daß alle vom Adel ein ähnliches erhalten haben. Willst erklären will so sagt man mir wenigstens sehr der Sonne, als tabele er sie wegen der Langsamkeit ihres Du es lesen?" und der Alte übergab seinem Verwandten interessant für uns, mein Sohn- sehr!" Laufes, ein Papier.

" Ich habe dasselbe erhalten," sagte Adrian, nachdem er einen Blick hinein geworfen. Es ist ein Gesuch Rienzi's , uns in der Kirche St. Johann von Lateran einzufinden, um die Erklärung einer alten, kürzlich aufgefundenen Tafel anzuhören. Sie steht, wie er sagt, in der innigsten Verbindung mit der Wohlfahrt Roms."

SIAGNO

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Es ist für morgen bestimmt," erwiderte Adrian. Ja Nicht lange jedoch hatte er gewartet, als er einen gewiß, ich werde dort sein." leichten Schritt durch das duftende Gras kommen hörte, und durch die Weinranken erblickte er jetzt ein Gesicht, das wohl der Nymphe, der Gottheit des Drtes, hätte angehören tönnen.

" Und höre, lieber Sohn," sagte der Bischof, indem er seine Hand vertraulich auf Adrian's Schulter legte, ich habe Gründe, zu hoffen, daß er unsere armen Bürger an das Jubiläum für das Jahr 50 erinnern, und sie auf­fordern wird, die Wege von den Räubern zu reinigen; eine Das mag wohl für Professoren und Gelehrte sehr sehr nothwendige und bei Zeiten zu nehmende Maßregel; unterhaltend sein. Entschuldige; ich dachte nicht daran, denn wer wird der Absolution wegen hierher fommen, daß Du auch für solche Sachen Geschmack haft, und auch wenn er in Gefahr steht, unterwegs ohne Vergebung seiner mein Sohn Gianni wird es gern hören. Gut! gut! das Sünden in das Fegefeuer zu fahren? Du hast den Rienzi find unschuldige Vergnügungen. Geht nur hinder Mann gehört?-ja? ist es nicht ein Redner wie Cicero? spricht gut." nicht wahr? Gut, der Himmel segne Dich, mein Sohn! Du wirst doch nicht fehlen?"

Wollt Ihr nicht auch hinkommen?"

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" Ich guter Junge ich!" sagte der alte Colonna, indem er so verwundert aussah, daß Adrian sich nicht ent­halten konnte, selbst über die Einfalt seiner Frage zu lachen.

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Nein; ich gewiß nicht."

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Doch höre noch ein Wort; sage allen, denen Du begegnest, es sei wahrscheinlich, daß viele kommen würden;

Meine süße, schöne Frene! Wie soll ich Dir danken!" Es dauerte lange, ehe der entzückte Liebende in Frenen's Bügen eine Traurigkeit bemerkte, die sie sonst nie in seiner Gegenwart gezeigt hatte. Auch ihre Stimme zitterte, und ihre Worte schienen talt und gezwungen.

Habe ich Dich beleidigt?" fragte er, oder welches Unglück ist Dir widerfahren?"

Frene erhob ihre Augen zu denen ihres Geliebten und sagte, ihn ernsthaft anblickend:" Sage mir, aber aufrichtig, würde es Dich sehr schmerzen, wenn dieses unsere letzte Zu­sammenkunft wäre?"

( Fortfehung folgt.)