Auf der Schachtanlage 3/4 von Matthias Stinnes in Braud bei Gladbeck ereignete fich Montagmittag ein schweres Unglüd. In einem Rutschenbetrieb auf einer längeren Strede brach das Hangende zusammen. Ein an dieser Stelle beschäftigter Reviersteiger und vier Hauer wurden von den Gesteinsmaisen verschüttet. Die Rettungsarbeiten wurden sofort eingeleitet. Nach stundenlangen Bemühungen gelang es, den Reviersteiger und drei Hauer fot zu bergen. Ein dritter Hauer wurde ohne sichtbare Verlegungen aufgefunden und ins Krankenhaus geschafft; er liegt aber zur Zeit noch in tiefem Schlaf.
Glücklicherweise ereignete sich der Zusammenbruch während des Schichtwechsels, so daß das Unglück auf ein geringes Maß beschränkt blieb. Sonst arbeiten nämlich an der gleichen Stelle 50 Bergleute.
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Eine halbe Million erschwindelt. Berliner Großfaufmann in Zürich verhaftet. Großes Aufsehen erregten im Januar dieses Jahres die Betrugsmanöver des 61 Jahre alten Papier - Großhändlers Karl Scheidemantel aus der Flotowstraße 7. Scheidemantel hatte nach Verübung großer Betrügereien- die einen Umfang von über einer halben million angenommen hatten Deutschland fluchtarfig verlassen. Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht I in Berlin erließ gegen ihn einen Stedbrief und Haftbefehl. Am 25. Februar 1932 wurde er von der Polizei in Turin auf Grund dieses Haftbefehles festgenommen. Er bestritt die Unterschlagungen und wurde aus noch ungeklärten Gründen wieder entlassen. Der Haftbefehl wurde erneuert und jetzt ist Scheidemantel in Zürich festgenommen worden. Seine Auslieferung wird von den Behörden beantragt.
Scheidemantel, der aus Weimar stammt, betrieb eine große Firma in der Schillerstraße 63 in Charlottenburg . Gleichzeitig hatte er die Generalvertretung der Londoner Firma Thomas, Stinner u. Co. Seine Betrugsmanöver führte er so raffiniert aus, daß man lange nicht dahinter kam. Er fälschte die Quittungen, die er von großen Verlagsfirmen für gelieferte Papiermengen erhielt. In Wirklichkeit hatten die Firmen ihm längst seine Lieferungen bezahlt. Mit den gefälschten Quittungen ging er aber zu einer Großbank und ließ sich hier auf die gelieferten Papiermengen Kredit geben. Er hatte die Zahlungsbescheinigungen ausradiert und teilweise auf gefälschten Bogen der Verlagsfirmen gelieferte Papiermengen eingefeßt, die er in Wirklich feit gar nicht in Auftrag bekommen hatte. So gelang es ihm, nach und nach etwa eine halbe Million Mark zu erschwindeln. Bereits im Dezember wurde Haftbefehl wegen fortgesetzten Betruges in Tateinheit mit schwerer Urkundenfälschung gegen Scheidemantel erlassen. Als er merkte, daß man seinen Betrügereien auf die Spur gekommen war, verschwand er aus Berlin . Er begab fich zunächst nach Italien . Scheidemantel lebte auf großem Fuße und dürfte den größten Teil der unterschlagenen Gelder bereits verbraucht haben.
Australische Millionenerbschaft.
Fällt an Erwerbslose in Deutschland .
Eine Erbschaft von 320 Millionen aus Australien fällt zum Teil nach Leipzig , wo ein Cellist Gustav Emil Schöne insgesamt vier Millionen Mark erhalten wird. Schöne ist Kriegsteilnehmer, wohnte bis Anfang 1932 in Eilenburg und ist jetzt nach Leipzig verzogen. Es handelt sich um das Vermögen von Verwandten des Schöne, das in der Gesamtsumme von 320 Mil lionen in Australien zurückgelassen wurde. Schöne hat noch fünf Geschwister, die, wie die übrigen in Betracht kommenden Verwandten, je 4 Millionen Mark erben. Ein Teil der Erben ist seit längerer Zeit erwerbslos. Schöne war längere Zeit Hausmeister bei einem Arzt in Rehfeld im Kreise Torgau . Er ist 47 Jahre alt.
Binsfronherr flaggt Hafenfreuz.
Man schreibt uns: Am letzten Wahltag fiel in Neutempelhof der Häuserblock Muffehlstraße- Burgherrenstraße, der der Bau genossenschaft Süd B. m. b. 5. gehört, durch besonders reichliche Hakenkreuzbeflaggung auf. Es ließ sich allerdings feststellen, daß fast sämtliche Flaggen der Hausverwalter Simon teils in der eigenen, teils in leerstehenden Wohnungen, ferner in einer von ihm gegründeten Geschäftsstelle der Nazis an gebracht hatte, die dadurch entstanden ist, daß von einer Zweigimmerwohnung durch unsoziale Verkleinerung noch ein Zimmer abgeschlagen worden ist. Das Naziprogramm fordert bekannt
Der Senior der deutschen Mathematiker, Ferdinand Lindemann , begeht heute seinen 80. Geburtstag, zugleich jährt sich zum 50. Male die Leistung, die seinen Namen weit über die Fachkreise hinaus bekanntgemacht hat, sein Beweis von der Unmöglichkeit der Quadratur des Kreises. Er erledigte damit ein Problem, das die mathematische Welt seit 4000 Jahren in Atem gehalten hatte. Es handelt sich darum, die Länge der Seite eines Quadrates darzustellen, dessen Inhalt gleich dem eines gegebenen Kreises ist, oder, was auf dasselbe hinauskommt, eine gerade Linie zu zeichnen, die genau gleich dem Umfang des Kreises ist. Für alle praktischen Zwecke kann man das mit vollständig genügender Genauigkeit, aber die Methematiker erklären sich erst befriedigt, wenn es gelingt, die Konstruktion ohne andere Hilfsmittel als 3irfel und Lineal durchzuführen. Hierzu ist es nötig, den Kreisumfang als ein Vielfaches des Kreisdurchmessers zu ermitteln, d. h. die Zahl anzugeben, die besagt, wie oft der Durch messer des Kreises in seinem Umfang enthalten ist. Man bezeichnet diese nicht völlig genau angebbare Zahl mit dem griechischen Buchstaben( pi), und schon die alten Aegypter gaben sie um 2000 v. Chr. zu 256/81 an. Der berühmte griechische Mathematiker Archimedes ( gest 212 v. Chr.) beschrieb regelmäßige Vielecke in und um den Kreis, welche sich mit zunehmender Seitenzahl dem Kreise immer mehr anschmiegen, und ermittelte mit Hilfe des 96ecks, daß sie zwischen 310/71 und 3½½ liegen muß. Der Wert 31% wird heute noch als für fast alle praktischen Zwecke genügend vielfach gebraucht. Auf dem von Archimedes gewiesenen Wege fortfahrend fam man zu immer genaueren Worten; am weitesten kam der holländische Mathematiker Ludolf van Ceulen ( 1540-1610), der die Bielecke über das Milliardened hinaus trieb und dadurch die Zahl bis auf 35 Dezimalstellen genau erhielt.
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Um 1600, mit Erfindung der Infinitesimalrechnung, beginnt eine andere Methode der Berechnung, nämlich durch Reihenentwicklungen, durch die man sehr schnell zu sehr vielen Stellen kommen fann; so wurde die Zahl auf mehrere hundert Dezimalstellen, schließlich
Gegen die Zensur!
Kundgebung der Liga im Herrenhaus.
Es ist nicht so sehr das Verdienst des gewiß Qualitäten aufweisenden, aber feineswegs überragend wertvollen Films Kuhle Wampe ", daß er in den Vordergrund der öffentlichen Aufmertsamkeit gerückt ist: es ist dies die Schuld einer subalternen Zensur, die alles vernünftige Augenmaß verloren hat. Es ist verdienstlich und in der Ordnung, daß gegen die Knechtung und Versilavung der freien Meinungsäußerung und der künstlerischen Gestaltung protestiert wird: es kommt aber darauf an, auf welche Weise dies geschieht. Und da muß gesagt werden, daß die Kundgebung im Herrenhaus nicht befriedigte. Solche Proteste müssen einer Grundforderung genügen: sie müssen aus einem einheitlichen Geist sein. Dr. Rudolf Arnheim und Ernst Ottwald erkannten die Berechtigung der Zensur, auch der tnebelnden Zensur, im Grunde durchaus an. Sie waren lediglich nicht mit der Richtung einverstanden. Bensur ist für sie eine Machtfrage und einzig im politischen Kampf wird nach ihrer Meinung entschieden, der sich dieser Macht bedient. Das ist tommunistische These, die man vertreten mag oder nicht, von der aus es aber jedenfalls keine Brücke zu der demokratischen und von den anderen Rednern vertretenen These gibt, die an die Möglichkeit einer freiheitlichen und großzügigen Handhabung der Zensurbestimmungen auch im gegenwärtigen Stadium glaubt.
Dr. Rudolf Olden , der nur leider rhetorisch allzu unwirksam ist, befaßte sich mit den mühseligen Konstruktionen des Reichsgerichts im Prozeß Scheringer. Dr. Mar Hochdorf trat warm für den zu 1 Jahr 6 Monaten Gefängnis Berurteilten Karl von Ossietzky ein, dessen Tapferkeit und Bekennermut auch dem politischen Gegner höchste Bewunderung einflößen müssen und bedauerte, daß die deutschen Geistigen nicht jenen Sinn für Berufskameradschaftlichkeit besigen, der ihre französischen Kollegen auszeichnet. Frig Engel schilderte die Arbeitsweise der verschiedenen Zensurstellen und rühmte die Toleranz des beim Berliner Polizeipräsidium bestehenden Kunstausschusses als erfreuliche Ausnahmeerscheinung. Herberg Jhering erwähnte, daß, wenn es gar nicht anders gehe, auch Feuerwehrbestimmungen herangezogen würden, um mißliebige Theateraufführungen unmöglich zu machen, und Landgerichtsrat Dr. Holten zeugte für die Freiheit der Kunst. Die von der„ Liga für Menschenrechte" veranstaltete Kundgebung wurde von Ernst Toller geleitet, dem, soweit er selbst zur Sache sprach, nachzurühmen bleibt, daß er als Dichter weit mehr zu sagen hat denn als Politiker.
H. B.
gar auf 700 Stellen genau berechnet. Nachdem der große Mathematiker Leonhard Euler ( 1707-1783) den Zusammenhang der Kreisfunktionen mit den Potenzen nachgewiesen hatte, fonnte man sehr bald beweisen, daß man gar nicht an ein Ende kommen kann, daß eine sog. irrationale Zahl ist. Freilich war damit die Unmöglichkeit der Kreisquadratur in mathematischem Sinne noch nicht bewiesen, die Diagonale eines Quadrats z. B. läßt sich sehr leicht ziehen, wenn die Seite gegeben ist, und doch läßt sie sich) mur durch eine irrationale Zahl aus der Länge der Seite angeben. Aber die Ueberzeugung, das nicht mir eine irrationale, sondern eine transcendente Zahl sei, d. h. überhaupt nicht als Wurzel einer algebraischen Gleichung dargestellt werden kann, womit die Unmöglichkeit der gesuchten Konstruktion erwiesen wäre, griff doch in den Kreisen der Mathematiker immer mehr um sich.
Von nun an richteten sich die Bemühungen zahlreicher hervor. ragender Mathematiker darauf, die Transzendenz von auch wirklich zu beweisen, und endlich gelang dieser Beweis im Jahre 1882 dem damals noch jungen, erst 30 Jahre alten Ferdinand Lindemann , der bereits Professor an der Universität Freiburg war. Im folgenden Jahre folgte er einem Ruf an die Universität Königsberg und wieder 10 Jahre später nach München , wo er bis zu seinem Rücktritt vom Lehramt wirkte und noch heute lebt.
Seine zahlreichen mathematischen Arbeiten, die sich u. a. auch mit der Auflösung algebraischer Gleichungen durch transzendente Funktionen beschäftigen, haben lediglich fachwissenschaftliches Interesse. Vor vier Jahren noch unternahm der rüstige Greis eine Reise nach Aegypten zum näheren Studium der Entwicklung der Ziffern, Gewichte und Gewichtssysteme bei den alten Aegyptern.
Der Gelehrte hat vor dem Kriege an dem internationalen Austausch der Wissenschaften wacker mitgearbeitet. Er war einer der Führer der internationalen Association der Akademien. Er hat auch die Hauptwerke der neueren französischen Mathematik übersetzt ( Henry Poincaré u. a.).
Br. B.
Der neue Marlene Dietrich - Film.
Schanghai- Expreß im Mozartsaal.
Auf dem Bahnhof von Peking soll der Schanghai- Expreß abgehen. Es herrscht ein ungeheures Gedränge von Kulis, Gepäď. ftüden, andrängenden Passagieren und Soldaten, die in einem Panzerzug den Expreß esfortieren. Wie fein zweiter versteht es Josef von Sternberg , dies befremdende und von Lärm erfüllte Durcheinander malerisch zu schildern. Er ist der geborene Regisseur des Milieus mit seinen Tausenden von Einzelzügen. Der Zug sett sich in Bewegung, und wir sind drei Tage Miterlebende seiner Fahrt und seiner Abenteuer. Ein merkwürdiges internationales Publikum erfüllt ihn, charakteristische Typen werden entwickelt: Vertreter fremder Militärmissionen, ein englischer Stabsarzt, ein Reverend, ein großer Krafeeler, eine Pensionsinhaberin, die mit ihrem Hünd chen reist. Vor allem aber sind es zwei Damen, die in höchstem Maße die Aufmerksamkeit wecken, die überaus elegante und auffällige Schanghai - Lilli und ihre chinesische Begleiterin Hue Fei. Allerlei Zwischenfälle ereignen sich. Bei der Paßkontrolle wird ein Chinese abgeführt, ein politisch Berdächtiger. Ein chinesischer Mischling, Henry Chang, läßt unterwegs den Zug durch seine Banditen aufhalten, es gibt eine Schießerei, die den ganzen Wahnwih der chinefischen Bürgerkriege enthüllt. Der englische Stabsarzt wird als Geisel gefangengesetzt und soll, da er sich an dem Chinesen vergriffen hat, geblendet werden. Schanghai- Lilli rettet ihn, indem sie dem Banditenführer Chang sich selber verheißt Aber ihre chinesische Freundin ersticht den Chang, die Europäer fönnen flüchten, und der Zug sezt sich wieder in Bewegung. Der Stabsoffizier und Lilli kannten sich bereits früher. Das Geflüster um die abenteuernde Dame hat ihn nicht abgehalten, ihr erneut seine Liebe zu erklären, aber die Geschichte mit Chang, die er zunächst nicht durchschaut, läßt ihn refignieren. Nach langem Hin und Her finden sich die beiden doch, und auf dem Bahnhof in Schanghai umarmt sich, wie erwartet, ein glückliches Baar.
Die Handlung hat, wie man sieht, einen start folportagehaften Charater, und die Liebesgeschichte, die in dieser Form einst große Literatur bedeutet hat, ist heute nur noch Kitsch. Es gibt Stellen, wo vernichtendes Gelächter herausplagen möchte. Trogdem fesselt der Film, weil er unvergleichlich lebendige Szenen aus der Wirtlichkeit von heute wiedergibt. Die vorgeführten Typen kommen alle sehr charakteristisch heraus, Warner Oland ist uns von ähnlichen Rollen her schon bekannt. Wiederum erfreut man sich der stillen verhaltenen Art der May Wong , Donald Harvey, der Stabsarzt, ist ein Prachtexemplar eines ebenso beherrschten wie mutigen Engländers. Die Schanghai- Lilli gibt Marlene Dietrich Gelegenfeinen Gefichts wirken zu lassen. Sie ist als große Kototte, die in Stimme und Gesicht sich nicht verleugnet, immer noch Dame.
lich ,, Brechung der Zinsknechtschaft". Davon können die Mieter des Die Heilige Johanna der Schlachthöfe " heit, ihren ganzen faszinierenden Zauber der Erscheinung, des
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Herrn Simon ein Lied fingen. Die leerstehenden Wohnungen ( Mittelwohnungen!) tommen nämlich daher, daß in diesem Block wohl so ziemlich die höchsten Mieten für Altwohnungen in ganz Berlin gefordert werden. Die 10prozentige Mietsenfung der vierten Notverordnung ist hier nicht durchgeführt wegen angeblicher Auslandshypotheken. Ein Teil der Mieter flagt, andere haben gekündigt. Ihnen erklärte Herr Simon lächelnd: Bei dem Mangel an Kleinwohnungen finde ich allemal noch Mieter, auch zu den jetzigen Mieten." Diese betragen notabene für 3weizimmerwohnungen( ohne Heizung) 90 Mart monatlich, für Dreizimmerwohnungen 110 bis 120 Mart. Eine leerstehende dunkle Vierzimmerwohnung soll mit Heizung gar 170 Mart monatlich bringen. Außerdem weiß die Verwaltung sich auch noch alle möglichen Nebeneinnahmen zu verschaffen. Für die Anbringung einer Dachantenne auf dem Häuserblock werden 10 bis 15 Mark jährlich(!) gefordert, für die Genehmigung eines Wohnungstausches zwischen zwei Mietern ihres Häuserblocks verlangte die Hausverwaltung für sich eine Entschädigung" von 25 Mark pro 3immer(!), andernfalls sie die Genehmigung verweigerte.
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Hieraus kann sich jeder ein Bild machen, wie die Brechung der Zinsknechtschaft" unter dem Hakenkreuz aussieht, wenn die schlimmste Mietzinsfronschaft sich ungeniert mit der Hafenfreuzflagge schmückt!
Premierenverschiebung. Die Premiere des Gastspiels Margarete Slezat im Theater des Westen 3" in Ehetarussell" ist auf Mittwoch, 13. April, verschoben worden. Die Karten behalten Gültigkeit. Im Museum für Naturkunde spricht Mittwoch, 6 Uhr, Tr. Hering über Tierfangende Pflanzen". Sonderausstellung: Die Vögel und Säugetiere des Tiergartens". Eintritt frei.
Wetter für Berlin . Kühl und veränderlich mit einzelnen Schauern. Für Deutschland . Im Nordosten trübe und veränderlich mit Temperaturrüdgang. Im übrigen Reiche fühles und unbeständiges Wetter. Im Westen und Süden beginnende Besserung.
Sendung der Funkstunde.
Die Fragen: Kann man Bühnenwerte vor dem Mikrophon spielen? Soll man fie nur lesen?" haben schon manches Glaubensbekenntnis maßgebender Stellen ausgelöst. Daß auch hier alle Theorie grau ist, haben künstlerische Taten bewiesen, die solche engen dogmatischen Grenzen erfolgreich sprengten. Was aber in diefer Sendung der Heiligen Johanna der Schlachthöfe", eines bisher unaufgeführten Bühnendramas von Bert Brecht , versucht wurde, war zuviel des Guten. Man spielte mit dramatischem Elan einzelne Szenen, erzählte dazwischen die Verbindungsstücke nicht sachlich, sondern gefühlsbetont wie für Minderbegabte, und übergoß das Ganze mit einer lobtriefenden kritischen Tunke.
Die Berliner Funkstunde hat Bert Brecht und seinem Werk mit dieser Aufführung einen schlechten Dienst getan; den Hörern auch. Mit wahrscheinlich sehr großem Aufwand ist diese Sendung auf Schallplatten aufgenommen worden, die dann für die öffentliche Darbietung abgespielt wurden. Man hätte also höchste Ansprüche mindestens in bezug auf formale Geschlossenheit stellen können. Doch auch davon war nichts zu spüren. Die Schauspieler schienen zur vollen Auswertung ihrer dramatischen Mittel, ohne Rücksicht auf das Wort, angestachelt worden zu sein. Von einer angleichenden oder zusammenfassenden Regie war nichts zu spüren. Jeder redete nach eigenem Ermessen drauf los. Ernst Busch und Helene Weigel waren die einzigen, die in ihren Rollen nicht ihren Stil des Werkes, sondern feinen Mikrophontlang und in ihm Ausdruck seines Sinnes suchten. Eine Kritik an der Dichtung ist auf Grund dieser Sendung nicht möglich. Man ahnte manchmal ihre Gesamttendenz; man erlebte sie. Nur in einzelnen Momenten empfing man einige stärkere Eindrücke. Die leise Kantinenszene, in der eine hungrige Arbeiterfrau für einige Mittagessen ihr Herz und ihr Menschentum verkauft, für einige Mittagessen ihr Herz und ihr Menschentum verkauft, erzählte mehr und erschütternder von der Macht des Geldes als irgendeins der grell aufgezogenen Bilder, die diese Grundtendenz des Werkes, beleuchten sollten.
Tes.
Trotzdem: der starke Eindruck, den sie im„ Blauen Engel" er zielte, ist nie wieder erreicht worden, auch nicht in diesem Film. Es wäre Zeit, daß ihr Regisseur sie einmal von einer anderen Seite zeigen würde und in einem anderen Milieu. Der Blaue Engel ", der eben wieder in der Kamera gezeigt wird, ist, obwohl er einer der ersten Tonfilme war, immer noch unerreicht.
Erfreulicherweise hörte man mieder einmal in dem festlich geschmückten Theater ein Orchester, noch dazu unter Stenzeels Leitung. Aber es gab mehr Lärm als Musik.
Letztes Walter- Konzert.
D.
Eine Haydn Symphonie, ein Klavierfonzert pon Mozart ( hier war der Dirigent sein eigener Solist), Beethopens Eroica" so klingt der Konzertzyklus Bruno Walters mit dem Philharmonischen Orchester aus; und er versteht es, an den Wiener Klassikern das Wienerische mehr zu betonen als das Klassische. Unnachahmlich die Grazie, mit der er mühe- und abfichtslos scheinbar den Erzmusikanten Haydn so hinmusiziert, unbeschreiblich der Charme, mit dem er Mozart spielt, flangselig, träumerisch ( zum Entfeßen sicher aller sachlichen Beckmesser) ohne rhythmische Ideale, ohne motorischen Ehrgeiz, ohne gläsernen Ton und glitzernde Technik, im Gegenteil, so beseelt wie man es nach der Theorie lich der Charme, mit dem er Mozart spielte: klangselig. träumerisch im Stil Schumanns beinah und dem des großen Mozartdichters Hoffmann. Der Eroica fehlte die letzte Kraft, die letzte Besessenheit: auch im Schmerz noch war sie von vornehmer Zurückhaltung, in der tiefsten Trauer noch von adliger Lässigkeit, eher schön als gewaltig, eher aristokratisch als heroisch sie war einfach zu schön gespielt. Das aber war fie: hingezaubert von einem Grandseigneur des Klangs und einem unserer größten Meister des Taftstocks. A. W.
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