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Nr. 172 49. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Mittwoch, 13. April 1932

Arbeit- nicht nutzlose Subventionen.

Alles für die Nutzung der brachliegenden Produktivkräfte! Von Prof. E. Lederer.

Wir verwenden in Deutschland jährlich direkt und indirekt Hunderte von Millionen für die Erhaltung und Stügung von Wirt­schaftszweigen, die ohne diese Subsidien aus den öffentlichen Kaffen nicht weiterbestehen fönnten. Rüdfichten auf die Industrien und auf die Erhaltung der Beschäftigung sind es, welche ein immer wachsendes Subventionssystem allmählich entstehen ließen. Die Subventionen nehmen die verschiedensten Formen an: Dirette Unterstützungen, niedrig verzinsliche Darlehen, auf deren Rüdzahlung ernstlich nicht gerechnet wird. öffentliche Bestellungen- In­veftitionen, die jedenfalls im Augenblid nicht nötig sind und deren Rentabilität in der Zukunft mehr als fraglich erscheint. Auch die Zölle find hierher zu rechnen. Die großen Beschaffungspro= gramme der Reichsbahn zum Beispiel sind zum guten Teil auf die Wünsche der Industrien zurückzuführen, deren Betriebe auf Reichs. bahnlieferungen eingestellt sind.

Da eine rasche Aufsaugung der Arbeitslosen im kommenden Sommer leider noch nicht zu erwarten ist, müßte alles Be­mühen auch darauf gerichtet sein, die öffentlichen Mittel so zu verwenden, daß fie der Bedarfsdedung der Erwerbslofen zu­gute fommen.

Heute werden viele Millionen für Investitionen verwendet, die nicht oder noch nicht notwendig find( z. B. im Verkehrswesen), ober es werden Waren auf Lager hergestellt( Branntwein), oder es wird der Export subventioniert( Vieherporte). Es wäre ohne weiteres möglich, mit denselben Mitteln, das heißt ohne eine zu­fägliche Belastung der öffentlichen Haushalte, die Produktion von Erwerbstofen für Erwerbslose zu finan­zieren und derart die Zahl der Arbeitenden zu er höhen und die Versorgung der Erwerbslosen wesentlich zu verbessern.

Der Gedanke einer Gegenseitigkeitshilfe der Erwerbslosen , wo­bei diese ihre Arbeit zur Verfügung stellen, um Gebrauchsgüter für sich und andere Erwerbslose zu erzeugen, ist ganz spontan an vielen Orten aufgetaucht. So in den Erwerbslosentüchen, in den verschiedenen Reparaturwerfstätten, schließlich sogar in einigen Stadtrandfiedlungen, wo Ermerbslose( nicht nur Bau­arbeiter) in gegenseitiger Hilfe aus Baumaterial, das ihnen die Stadt zur Verfügung stellt, ihre Häuser errichten und die Baufosten derart auf ein Drittel der normalen herabgedrückt haben.

Es wäre nun durchaus möglich, diesen Gedanken der gegen­seitigen Hilfe zur Aktivierung der brachliegenden Produktionskräfte zu benutzen. Man brauchte nur die leerstehenden Be= triebe( gegen eine Bergütung an die Unternehmer für die Ab­nuzung der Apparate) anzufordern, und es könnten in diesen Be­trieben arbeitslose Arbeiter und Angestellte, die ihre Unterstützung wie bisher weiterbeziehen, per feinen Lohn oder Gehalt erhalten würden, Gebrauchsgüter erzeugen, insbesondere kleider, Wäsche, Schuhe, Hausrat, aber auch Nahrungs­mittel bestimmter Art. Diese Gebrauchsgüter müssen dann an die fo Beschäftigten und die Ar­beitslosen ohne Entgelt verteilt werden, um eine Störung des Marites zu vermeiden. Würden alle Baren solcher Produktionen verschenkt, so bleibt die Waren menge, die auf dem Markt gekauft werden kann und gekauft wird, gleich groß es werden höchstens gewisse Verschiebungen in der Zusammensetzung der Nachfrage eintreten.( Diesen Gedanken habe ich bereits einmal früher, aber nicht in Verbindung mit dem Subventionswesen, erörtert. Er ist jetzt durch die Beharrlichkeit der Arbeitslosenziffern noch dringlicher geworden.)

Bedenken, die keine Einwände sind.

Gegen diesen Plan wurde eingewendet, daß die Arbeitslosen als Käufer ausfallen würden, wenn sie Gebrauchsgüter gratis zugeteilt erhielten. Das ist nicht richtig. Denn die Unterstügungen der Ar­beitslofen find ja so knapp bemessen, daß die Gesamtnach frage der Arbeitslosen sicher nicht zurückgehen wird. Auch etwaige Verschiebungen in der Gestaltung der Nach frage wie sie überdies immer auftreten werden kaum fühl­har fein. So hatten zum Beispiel die Sammlungen der Winter­hilfe eine möglichst reichliche Gratisverteilung von Schuhen, Wäsche, Kleidern usw. an die Arbeitslosen zum Ziele, und mit Recht befürchtete niemand von der Winterhilfe eine Beeinträchtigung des Geschäftsganges.

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Eine solche Produktion von Erwerbslosen für Erwerbslose ver= anlaßt natürlich gewisse Kosten, die auf etwa 40 Proz. des Detailverkaufspreises der Waren zu veranschlagen find. Zunächst müssen die Rohstoffe, manchmal auch Halbfabrikate( 3. B. Garn) getauft werden, sonstige Materialien sind erforderlich, manche Re­paraturen können nicht im Betrieb ausgeführt werden usw. Je mehr aber in einem solchen System Betriebe aller Produktions­stufen in Gang tommen, um so starter würde der Anteil der notwendigen Barkosten sinken. Selbst wenn man aber mit 40 Broz. rechnet,

könnten etwa mit einer Aufwendung von 50 millionen Mark Gebrauchsgüfer im Werte von 125 Millionen Mark erzeugt und an die arbeitenden Erwerbslosen und darüber hinaus an alle bedürftigen Erwerbslojen verteilt werden. Diese Gebrauchsgüter im Werte von 125 Millionen Mart sind reiner zusätzlicher Nuzeffekt. Dabei ist zu beachten, daß die Aufwendung von 50 Millionen Mark zur Ausstattung einer solchen Produktion mit Rohstoffen, Halbzeug usw. auch als Ar beitsbeschaffungsfonds wirtt noch wirksamer als die bisher gegebenen Subventionen. Nur andere Betriebe werden es z. B. sein, deren Erzeugung erweitert wird. Der Beschäftigungs­

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Verfügung stellen. Wenn jetzt, wie berichtet wurde, arbeitslose Rad­fahrer aus Material, das die. Gemeinden zur Verfügung stellen, viele neue Radfahrwege anlegen, warum follen nicht ebenso mit dert werden, Schuhe und Kleider für Erwerbslose produziert wer­den? Gerade, wenn wir für längere Zeit mit einer strukturellen Arbeitslosigkeit zu rechnen haben, und, wenn inzwischen der Mangel in den Haushalten der Erwerbslosen immer dringender wird, so ist es auf die Dauer unerträglich, daß die brachliegenden Arbeits und Produktivträfte nicht zur Versorgung der Erwerbslosen selbst benut merden sollen.

grad in der Volkswirtschaft, die Erzeugung von Konjumgütern für regulär Arbeitende, verringert sich nicht. Der Unterschied gegenüber der bisherigen Verwendung der Sub­ventionen besteht nur darin, daß die Mittel die produktions-| öffentlichen Mitteln, die heute, volkswirtschaftlich gesehen, verschleu­technische Grundlage für Erwerbslose schaffen, die Gebrauchsgüter für sich und andere herstellen können, während heute dieselben Mittel nur zu Investitionen führen, deren Unterbleiben niemand ver­missen würde, als die subventionierten Industriezweige selbst. Sollen wir weiter ins Endlose Lokomotiven, Waggons usw. herstellen, die niemand braucht, anstatt Leder, Baumwollgarn, Holz, Glas, Bau­material usw., moraus dann Erwerbslose für sich und andere Er­werbsloje Kleider, Schuhe, Wäsche, Hausrat produzieren mürben? Das Feld einer derarägen systematischen Produktion von Er­ werbslosen für Erwerbslose ist groß;

außer der erwähnten Erzeugung von industriellen Verbrauchsgütern könnten einbezogen werden: die Hochseefischerei( deren Dampfer großenteils aufliegen), die Erweiterung der Fleisch­produktion zur Wursterzeugung( heute wird die Viehzucht sub­ventioniert, um den Erport zu erleichtern), Kartoffelantauf ( anstatt für Brennereien). So ließe sich aber auch die land­wirtschaftliche Produktion in diese Pläne cin fdhalten.

Ich glaube, daß schon heute in Deutschland Ansätze aller Art zu solchen Arbeiterorganisationen vorhanden sind. So greifen in manchen Städten die Küchen über die Bereitung von Mahlzeiten hinaus, durch Errichtung von Heimen, von Reparaturwerk­ftätten ujm.

Das Bedürfnis, produktiv für sich zu arbeiten, ist eben bei den Erwerbslojen überall vorhanden.

Die Idee dieses kollektiven, gegenseitigen Arbeitsdienstes erfreut sich in manchen Arbeitertreisen einer gewissen Beliebtheit, um so mehr würden sie ihre Kräfte für die Erzeugung von Gebrauchsgütern zur

Nach den Berechnungen, die angestellt wurden, könnten z. B. in einem vierteljährlichen Turnus mit dem Betrag von 50 Millionen Mart etwa 100 000 Arbeitslose beschäftigt werden und für sich und andere Erwerbslose produzieren.

3rgendwelche Bedenken von seiten der gewerkschaf.lichen Cohn­politik mäten meines Erachtens gegen eine folde Gegenseitig­teitshilfe nicht zu erheben.

Denn die Arbeit erfolgt ja nicht in einem fapitalistischen Be­trieb. Kein Unternehmer fönnte unter Hinweis auf die Betriebe seine Arbeiter auffordern, zu niedrigerem Lohn oder gegen Belaffung der Erwerbslosenunterstützung zu arbeiten Denn die Arbeiter fönnten ihm mit Recht erwidern, daß sie dazu bereit wären, wenn er seinen Betrieb zur Verfügung stellen und die Waren an die Arbeitslosen gratis perteilen mürde. Das ist ja der springende Punkt und dadurch unterscheidet sich dieser Plan von den fatalen Vorschlägen der Unternehmer, die eine Erzeugung für den Markt durch Lohnsenkung forcieren wollen. Das werden die Gewerkschaften immer mit Recht ablehnen, aber sie werden wohl teinen Einwand dagegen erheben, daß Arbeitslose für sich selbst und andere Erwerbslose in leerstehenden Betrieben wichtige Ge­brauchsgüter erzeugen derart den Bann brechend, der heute die Werftätigen von den Produktionsmitteln trennt.

Die Neubaumieten herunter!

Praktische Vorschläge der Frankfurter Forschungsstelle für Wohnungswesen.

Je tiefer die Löhne und sonstigen Einkommen sinken, desto un tragbarer werden die Wohnungsmieten. Diese Erkenntnis hat die Reichsregierung zu einer generellen Mietenfenfung gezwungen, die in der Notverordnung vom 8. Dezember vorgeschrieben wurde. Be­fonders unerträglich sind aber für den Großteil der Mieter die Mieten der Neubauwohnungen, in denen immerhin heute schon ungefähr 17 Proz. der ganzen Bevölkerung wohnen. Denn die Mieten der Neubaumohnungen find fast durchweg wesentlich höher als die der Altwohnungen, ihr Anteil am Einkommen ist dank der Lohnsenkungen, der Kurzarbeit und der Arbeitslosigkeit in vielen Fällen untragbar hoch. Während aber die Mieten der Altwohnungen generell um 10 Broz. der Friedens mieten, also ungefähr 7 bis 8 Proz. der Gegenwartsmieten gefenft wurden, wurden die Neubaumieten im Durchschnitt nur u m 5 bis 8 Pro 3. ermäßigt. Das lag an einer ganzen Reihe von Bestimmungen der Notverordnung, die die Vorschriften über die Binsfentung in vielen Fällen ganz oder fast ganz illuforisch machten. Damit ist eine

ausgesprochene Notlage der Neubaumieter entstanden, die nach schleunigster Abhilfe drängt.

halten und hütet fich davor, eine weitere zwangsweise Zinssenkung oder eine Ausdehnung der Zinssenkung auf Auslandsschulden zu verlangen. Er fordert mur, daß die inssenkung auf un­echte Auslandsschulden wo der Gläubiger in Wirklichkeit ein Inländer ist und auf jene Hypotheken ausgedehnt wird, bei denen die Berzinsung nur scheinbar 6 Proz. betragen hatte, in Wirklichkeit aber infolge niedriger Auszahlungskurse wesent­lich mehr.

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Ferner sollen die Durchführungsbestimmungen zu jenem Punkt der Notverordnung geändert werden, in dem den Hypo the tenschuldnern eine Tilgung in Pfandbriefen gestattet wird. Diese Durchführungsverordnung war ausschließlich von den Interessen der Hypothekenbanken diftiert worden, und die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat bereits im Februar einen entsprechenden Aenderungsantrag gestellt, um den Hausbesizern und Wohnungsgesellschaften die Möglichkeit weiterer Mietsenkungen zu verschaffen. Bisher ist aber diesem Antrag nicht entsprochen worden.

dieser Richtung aufgefordert. Man hat aber nichts davon gehört,

wie diese Aktion verlaufen ist.

Schließlich regt Rahn neben einer Reihe anderer Maßnahmen an, die Abschreibungsfäße auf den Hausbesi 3 u ermäßigen( durch Anwendung der Methode der Abschreibung Es ist das Verdienst des Frankfurter Genossen Ernst Kahn , mit Zinseszinsen). Voraussetzung dafür wäre freilich in allen Fällen, wo Tilgungshypothefen gewährt wurden, die Herabfehung der die Deffentlichkeit eindringlicher als es bisher geschehen ist auf diesen Tilgungsraten für die hypotheken. Der Reichsarbeits schweren Notstand hingewiesen und Wege zur Abhilfe aufgezeigt zu minister hat, mie man vor einiger Zeit hörte, die Spikenorgani haben. Unter Führung Kahns wurde vor einiger Zeit in Frank- sationen der Institute, die Realkredite vergeben, zu Schritten in furt am Main die Forschungsstelle für Wohnungs­wesen ins Leben gerufen. Dieses Institut hat es sich zur Auf­gabe gemacht, alle Fragen der Wohnungswirtschaft eingehend zu studieren und zu prüfen, wie ein gesundes Wohnungsmesen im Rahmen des ökonomisch Möglichen gefördert werden kann". Als erstes untersuchungsergebnis legt die Forschungsstelle der Deffentlichkeit ein Schriftchen von Ernst Kahn vor: Möglich feiten und Grenzen der Mietsenkung in den Neubauwohnungen" ( Societäts- Verlag, Frankfurt a. M.). Kahn schildert in dieser Bro­schüre mit sprechenden Ziffern die Notlage, in die die Neubaumieter aus Arbeitnehmerkreisen durch die Berringerung ihres Einkommens geraten sind, und weist nach, marum sich die Bestimmungen Notverordnung als der. unzulänglich erweisen mußten. Dabei spielt es keine Rolle, ob seine Annahme, daß un­gefähr die Hälfte der ersten Wohnungsbauhypotheken von der Zins­fenfung gar nicht erfaßt wurden, richtig ist oder nicht. Wir möchten die Ziffer für überschätzt halten; dies ändert aber an der Feststellung der Unzulänglichkeit der Mietsenkung nichts.

Wichtige positive Vorschläge.

Kahn begnügt sich aber nicht mit diesen negativen Feststellungen, sondern untersucht in sehr gründlichen und nüchternen Ausführun­gen, welche Möglichkeiten einer weiteren Genfung der Neubaumieten heute noch bestehen, und gelangt zu einer Reihe sehr wichtiger Ergebnisse. Zunächst schlägt er vor, daß die Notverordnung bzw. ihre Durchführungsverordnungen noch in einigen Punkten verschärft oder geändert werden müßten. Dabei mill er an den Grundgedanken der Notverordnung durchaus fest­

Jontha fagt:

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Kahn kommt zu sehr optimistischen Schätzungen über die Aus mirkung seiner Vorschläge. Aber selbst wenn man auch bei diesen Schäzungen Abstriche für notwendig hält, so würde bei der un­bestreitbaren Notlage der Neubaumieter jedes Prozent weiterer Miet­fenfung schon ins Gewicht fallen. Deshalb muß diese wich tige Aufgabe endlich von der Regierung ener gisch in Angriff genommen werden. Der Weg, den fle zu gehen hat, ist ihr von Kahn deutlich gewiesen worden. Int Interesse eines großen, von den Auswirkungen der Krise besonders schwer getroffenen Teiles der arbeitenden Bevölkerung ist zu for­dern, daß sie nicht mehr zögert, ihn zu beschreiten.

Leichte Belebung im Maschinenbau.

Im März hat sich nach dem Bericht des Bereins Deutscher Maschinenbau - Anstalten bei der Inlands- und Auslandskundschaft durch vermehrte Anfragen ein etwas stärteres Interesse gezeigt. Auch der Auftragseingang hat sich gegenüber dem Tiefstand des Januar und Februar ein menig gebessert. Der an der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden gemessene Beschäftigungs­grad lag jedoch noch immer unter 30 Prozent der Leistungsfähigteit. Auch haben die neuen Aufträge die Menge der fertiggestellten Lieferungen nicht ausgleichen können, so daß die Auftragsbestände im ganzen weiter rückläufig sind.

achinger Wasser

zur Befreiung des Ofeift6!

STAATL

Phürliches

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