1932
Der Abend
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B 87 49. Jahrgang
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Die Arbeiter fordern Arbeit!
Der außerordentliche Kongreß der Gewerkschaften
Die Mitglieder des Kongresses der freien Gewerkschaften in Frankfurt a. M., die heute zum außerordentlichen Gewerkschaftsfongres wieder zusammengetreten find, füllen den großen Sigungsfaal des Reichstages bis auf den letzten Plah. Zahlreiche Gäste haben an den Regierungsfijchen Platz genommen. Die Genossen Otto Braun , Severing und Grzesinski , auch Reichstagspräsident Cobe werden bei ihrem Erscheinen durch lebhaften Beifall begrüßt.
Die Reichsregierung ist durch Arbeitsminister Stegerwald und Wirtschaftsminister Warmbold vertreten, auch der preußische Finanzminister Dr. Klepper ist anwesend. Zahlreiche Mitglieder der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion wohnen den Berhandlungen bei.
Zu Beginn seiner Eröffnungsansprache teilt Ceipart mit, daß der Reichstanzler, der sein Erscheinen bestimmt zugesagt hatte, zu feinem großen Bedauern darau verhindert ist. Un seiner Stelle wird Arbeitsminister Stegerwald sprechen. Da der kongreß ein reiner ArbeitsFongreß ist, hat auch der Reichstagspräsident Löbe auf seine Begrüßungsansprache verzichtet. Der Kongres dankt ihm fiir die Ueberlaffung des Tagungsraumes und zugleich auch für seine vielfache rednerische Unterstützung der gewerkschaftlichen Forderungen.
Die Einleitungsmorte sprach, oft von Beifall unterbrochen, der
Bundesvorsitzende Theodor Leipart :
Die Deffentlichkeit ist allmählich abgeftumpft gegenüber der furchtbaren Tatsache, daß über 6 Millionen Deutsche arbeitslos find, während unter den unmittelbaren und mittelbaren Folgen dieser wirtschaftlichen und sozialen Katastrophe eine noch unendlich vie! größere Bahl von Menschen zu leiben hat. Auch die verantwort fichen Stellen verhalten sich gegenüber dieser unter innen- wie außenpolitischen Gefichtspuntien drängendsten Frage der deutschen Politit allzu paffiv. Um so nachdrücklicher müssen die Gewerkschaften den Ruf nach Arbeit für die Arbeitslosen erheben.
Die Wahlbombe
In einer Scheidemann- Berfammlung in Ludwigs. burg brachten die Rozis eine Bombe zur Explosis.
Die Nazi- Legalität ist auch in diesem Wahlkampi anf fchtvurreifer Höhe!
wegnehmen, daß kein ernsthafter Versuch unternommen worden ist, die Frage des Doppelverdienertums zu lösen.
Dient es der Sicherheit Frankreichs , dient es der ernstgemeinten Befriedung Europas und der Welt, wenn infolge der steigenden Arbeitslosigkeit und der wirtschaftlichen Verelendung immer weitere Kreise der Bevölkerung, besonders auch der arbeitslosen Arbeiter, der Verzweiflung und dem politischen Radikalismus verfallen?
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Kann also Frankreich im Ernst Folgerungen für seine weder mirischaftlich noch moralisch gerechtfertigten Reparationsansprüche ziehen, wenn Deutschland die legten noch vorhandenen Finanzreserven für die Beschaffung von Arbeit aufwendet zu dem 3med, dem meiteren Fortschreiten der Berzweiflung des politischen Radikalismus zu be gegnen?
Reinerlei übertriebene Rücksicht auf außenpolitische Interessen darf daher die Reichsregierung veranlassen, die unmittelbare Inan griffnahme der großen Aufgabe der Arbeitsbeschaffung hinauszu schieben. Arbeitsbeschaffung ist unter innen wie außenpolitischen Gesichtspunkten die zentrale Aufgabe der deutschen Politi!! ( Lebhafter anhaltender Beifall.)
Das Büro des Frankfurter Kongreffes mit Brandes. Oswald Schumann und Theodor eipart als Barfizzenden wird darauf wieder eingefeht. Es folgt das Referat Bilheim Eggerts über die Notwendigkeit der Arbeitsbeschaffung. Wir berichten über diesen Teil der Berhandlungen in der Beilage.
Nach der Rede Eggerts wurde ein Schreiben des Reichsfanzlers verlesen, worin er sein Fernbleiben mit drin genden Dienstgeschäften begründet und bedauert. Er wünscht dem Kongreß eindrucksvollen Berlauf zum Nuzen der deut schen Volkswirtschaft und der deutschen Arbeiterschaft.
Reichsarbeitsminister Stegerwald
unterstreicht diese Mitteilung des Reichstanzlers noch und fügt hinzu, daß das Fernbleiben des Reichstanzlers feineswegs etwa mit dem Beratungsgegenstand des Kongresses zusammenhänge unb beruft sich dann auf seine Rede auf dem Frankfurter Gewerkschaftsfongreß:
Bir find weder optimistisch noch zu peffimistisch gewefen. Dem haben mir es zuzuschreiben, daß wir mit den Mitteln für die Arbeitslosenunterftigung noch so ausgekommen find. Ein Hauptfatior für jede Befferung ist die außen und innenpolis tische Beruhigung, also ein befriedigender Ausgang der im Juni vor Ablauf des Hoover- Freijahres abzuhaltenden Reparationstonferenz, ebenso wie die geistige Gesundung im Innern. Dafür mird nun nach der Reichspräsidentenwahl die Preußenwahl Don größter Bedeutung sein. Den Wendepunkt in der Meltwirtschaftstrise erwarten viele für die zweite Hälfte 1932, in England und Amerika aber rechnet man vielfach damit erst für das Jahr 1933.( Unruhe.)
Biele Zehntausende würden Arbeitsmöglichkeiten finden, menn dieser Standal aufhört, weitere Zehntausende würden wieder in den Produktionsprozeß eingeschaltet werden Lönnen, wenn endlich Eine Politik der wirtschaftlichen Berständigung im übernatio die allgemeine gefegliche 40- Stunden- Woche eingeführt nalen Rahmen wird durch tiefgreifende politische Widerstände erschmert, die auf den Krieg und auf den Versailler Vertrag zurüd- würde. Der Reichsarbeitsminister hat im September eine Notvergehen und die Wirkungen der Weltwirtschaftskrise unheilvoll verordnung über die Verfürzung der Arbeitszeit in Aussicht gestellt. schärfen. Trogdem, nein, gerade deshalb haben die Gewerkschaften Sie ist bis heute noch nicht erlassen worden. sich immer wieder für die meltpolitische Verständigung eingesetzt. find sie für eine internationale Kreditvereinbarung als finanzielle Grundlage einer großzügigen Arbeitsbeschaffung eingetreten. Aber die attire Förderung internationaler Maßnahmen zur Linderung und Behebung der Arbeitslosigkeit, deren Durch führung mur langsam zu überwindenden Schwierigkeiten be gegnet, entheben die Reichsregierung und alle Stellen, die mit Berum weitere Lohnfürzungen durchseßen zu fönnen. Neue Schiebswirtschaft antwortungsbewußtsein an einer Befferung der wirtschaftlichen Versprüche liegen vor, die den Arbeitern nochmals einen Lohnabzug wirtschaft mit ihren Löhnen nicht unbeteiligt bleiben. von 10 Broz. aufzwingen.
hältnisse arbeiten, nicht von der Verpflichtung, auch im Rahmen der nationalen Wirtschaftspolifik die Arbeitsbeschaffung anzubahnen Die Deflationspolitik der Reichsregierung war gegen die eigenen Bolfsgenossen, insbesondere gegen die großen Stich'en der Arbeiter und Angestellten, von einer bis an die äußerste Grenze des Erträglichen gehenden Rüdsichtslosigkeit. Bei allem Verständ nis für die außenpolitischen Argumente ber Reichsregierung haben Die Gewerkschaften diese Politik entschieden bekämpft. Der rigorofe, Abbau der sozialen Leistungen und der Abbau der Löhne führen unweigerlich zu einer Verelendung der breiten Volksmassen, fie ze stören nicht nur die Kauffraft und damit eine der Boraussetzun gen der Belebung der Wirtschaft, fie untergraben die Grundlagen der staatlichen Ordnung, fie steigern die innerpolitischen Spannun gen. Diese Wirkungen treten um fo unvermeidlicher ein, wenn nichts geschicht, um durch Mittel, die feine besonderen Aufwendun gen, sondern nur Entschlußkraft erfordern, die Not zu findern. Nichts ist trop der wiederholten dringenden Mahnungen der Gewrf: schaften geschehen um durch systematisde, gefegliche Berfürzung der Arbeitszeit die Arbeitslosigkeit zu verringern. Arbei'sbeschaffung und Beiteilung der Arbeitsgelegenheit sind aber untrennbar ver. bimden.
Es ist ein Standal, daß noch immer regulär über 48 Stunden gearbeitet wird, dan noch immer vielfach Ueberstuudenarbeit geduldet wird, daß noch immer Leute, die Pensionen beziehen, anderen Arbeitsplätze
Der Ruf nach Kostensentung hat dafür um so mehr Gehör gefunden. Dauernd wurden mit staatlicher Hilfe die 2öhne ge sentt mit der Begründung, daß dann alles beffer werden mürbe. Tatsächlich ist nichts besser geworden. Das wissen auch die Arbeitgeber. Trozdem haben sie zum 30. April
fast alle Tarifverträge gekündigt,
Der Kongreß erhebt entschieden Protest gegen diese wider finnige Politif, die zur völligen Vernichtung der deutschen Wirtschaft führen muß. Bon Notverordnung zu No verordnung ist Die Zahl der Arteitslosen gewachsen. Das darf nicht so weiter. gehen
Es ist fast ein Wunder, daß das deutsche Bolt nadh allem, was ihm zugemutet wurde, diesen Winter überstanden hat.
Die Disziplin und moralische Kraft der Arbeiterschaft verdient die höchste Achtung und Bewunderung. Aber Entsagungen und Opfer müssen endlich eine Grenze haben.
Moch hofft die Masse der organisierten Arbeiter, daß es den Gemeridhaften mit Hilfe von Staat und Reicheregierung gelingt, dem Massenelend zu steuern, die Krise durch Arbeitsbeschaffung zu lindern. eine Belebung der Wirtschaft anzubahnen Soll dieses Vertrauen auch noch zerstört werden? Das darf nicht sein, nicht um der Gewerkschaften, sondern um des Staates und des Voltes willen.
Man hat gesagt, eine Arbeitsbeschaffung großen Stils fei mit Rüdlicht auf die außenpolitischen Intereffen unmöglich. Man hat besonders darauf verwiesen, Frankreich werde daraus den Schluß ziehen, daß Deutschland noch nicht so arm sei. Indessen, dieser Hinweis fann nicht gelten. Im Mittelpunkt der französischen Bolitit steht die Sicherheitsfrage. Die Gewerkschaften stellen daher vor aller Welt die Frage:
Als Hauptursache des Schrumpfungsprozesses tann ich nicht die Gehaltstürzung ansehen. Diefe mar unerläßlich, um unseren Etat in Ordnung zu halten. Bei einer solchen Kürzung der öffentlichen Berfonalausgaben um 2½ Milliarden Mark konnte auch die Privat
Warum haben sich so viele Großunternehmer bei der Reichs präsidentenwahl für Hitler erklärt? Well fle durch eine zweite Inflation ein zweitesmal thre Schulden los zu werden hoffen. ( Lebhafte Zustimmung.)
Aud) mir gefüllt vieles an den Notverordnungen nicht. Aber ohne diese Rotverordnungen wären wir heute in einer Inflation, gegen die 1923 nur ein schwaches Vorspiel gemesen wäre. Der Minister verteidigte dann feine Haftung in der Arbeitszeitfrage gegen den Borwurf, unter dem Drud der Unternehmer geftanden zu haben.. Die Banfenfanierung fei nicht aus Liebe zu den Aktionären erfolgt, sondern im Intereffe der dreiviertel Millionen Konteninhaber, von denen die Wetterbeschäftigung großer Arbeitermaffen abhing Die von Eggert aufgezählten Arbeitsgelegenheiten erfennt Er betont, daß die Kosten auf feinen Fall durch der Minister an eine Inflation ,, aufgebracht" werden dürfen, dagegen wäre selbst Nichtstun noch das fleinere liebel.( 3mischenrufe.) Aber natürlich bleibt Nichtstun außer Betracht. Bei den zu beschaffenden Arbeiten, fo meint Stegerwald meiter, merde man neben der Geltung der Tariflöhne doch auch den freiwilligen Arbeitsdienst heranziehen und fogar ermettern müffen, aber fo, daß das Geltungsgebiet der Tarife nicht bedroht merde.
Stegerwald ertlärte meiter, daß er feine Möglichkeiten fähe, im Laufe des nächsten Jahrzehntes die deutsche Rentenversicherung weiter ausbauen au fönnen. Man nuiffe den Rentenbeziehern ein Stückchen Land zumeisen, durch dessen Bebauung fie fich einen