Morgenausgabe
Nr. 184
A 93
49. Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Mittwoch
20. Apríl 1932
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Die einipalt. Millimeterzeile 30 p. Reflamezeile 2.- M. Kleine Anseigen" das fettgedruckte Wort 20 Bf. ( zulässig zwei fettgebrudte Worte, jedes weitere Wort 10 Pf. Rabatt It. Tarif. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte Arbeitsmarkt Millimeter. seile 25 Pf. Familienanzeigen Minimeterzeile 16 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr Der Verlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!
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Severing ruft zur Wahl
„ Es geht um Freiheit und Brot!"
Der preußische Innenminister Severing erläßt die folgende Wahlfundgebung:
Zum driffen Male in wenigen Wochen wird die Bevölkerung Preußens zur Abffimmung gerufen, um mit ihrer Stimme ihren Willen nach Formung des öffentlichen Lebens fund zu tun. Jeder ob Mann oder Frau trifft mit seinem Wahlzettel eine bedeutungsvolle Entscheidung, die weit in die 3ufunft hineinwirkt. Das Stimmrecht, das der Boltsstaat allen Staatsbürgern verliehen hat, ist nicht nur ein hohes Recht, sondern eine ebenso vornehme Ehren pflicht, die geübt werden muß im vollen Bewußtsein der schweren Berantwortung, die jeder einzelne durch die Stimmabgabe für eine politische bestimmte Richtung übernimmt.
Wahliage find Meilensteine im Leben eines Boltes, auch in normalen Zeiten. Wieviel mehr aber bedeulen fie in einer Zeit staatlichen Werdens, in einer Zeit, da Not und Elend auf Millionen lasten. Kur aus den heuligen Zuständen der Sorgen und Nöte ist es zu erklären, daß Abenteurer und falsche Propheten auch Massen des Volkes an ihre Fahnen zu fesseln vermochten. Aber trotz aller Hehe, troß Lüge und Berleumdung hat bei der Reichspräsidentenwahl die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes gezeigt, daß die Stimme der Bernunft und der politischen Einsicht stärker war, als das Blendwerk der Bolfsverführer und Demagogen.
Am 24. April follt ihr, Volksgenossen, darüber entscheiden, ob der im November 1918 entstandene Boltsstaat Preußen, der keine Privatarmeen duldet, der Berfassung und Gefeße von feiner Seite antasten läßt, auch in Zukunft ein Start sein foll, in dem Demokratie und Republit nicht Worte ohne Inhalt sind. Wollt ihr,
daß die umſtürzlerischen Pläne der Nationalsozialisten, die bisher an der Disziplin der Malſen gescheitert sind, durch die Ergebnisse des 24. April zur Wirklichkeit werden?! Bei der Reichspräsidentenwahl ist der erste Ansturm der Realtion abgeschlagen, aber die Gefahr ist noch nicht beseitigt. Gegen Preußen geht der Angriff, um die Grundlagen zu
beseitigen für die Gleichberechtigung aller Staatsbürger, um die Regierung zu ffürzen, deren Zusammensetzung die Gewähr für Ordnung und Sicherheit und damit für den Bestand der Sozialgefehgebung, des Tarif- und Koalitionsrechts und der Organisationsfreiheit gibt.
Täuschen wir uns nicht: die Reaktionäre der Harzburger Front haben die Hoffnung, die alten Borrechte des Geldjacks nach dem Kastendünkel der Besitzenden wieder errichten zu können. Sie vertrauen dabei auf die Kommunisten, die ihnen bei ihrem Vorhaben wie schon so oft, bewußt und unbewußt die Steigbügel halten werden.
Boltsgenossen! Mit Recht gilt das Preußen von heute als die stärkste Bastion der Republit. Wer Preußen hat, hat auch das Reich! Dieser politische Sahz der Borkriegszeit hat zum guten Teil auch heute noch seine Berechtigung. Deshalb gilt es, mit aller kraft sich jeht in den kampf gegen die Radikalen von rechts und links zu stellen! Deshalb gilt es, die Herzen mit Begeisterung zu erfüllen, um die großen Ziele zu erreichen, denen der Kampf gift! Ein Anfang ist gemacht! Die feste Abwehrfront der breiten Massen des arbeitenden Bolkes hat sich nicht nur zur Verteidigung, sondern auch zum Angriff zusammengefügt. Vorwärts in diesem Kampf! Es geht um Freiheit und Brot, es geht um die hehrffen Ideale, für die die Besten unseres Volfes aus früheren Generationen freudig Opfer um Opfer gebracht haben. Die Entscheidung des 24. April, Bolfsgenossen, muß fallen für das demokratische Preußen, für die Republit, damit der Weg frei wird für die Beseitigung der Rot, für die Verständigung unter den Völkern Europas . Wir wollen
teine Politik der Scharlatane, teine Politit von Maulhelden und Besserwissern! Darum sichert durch eure Stimmabgabe die errungenen demotratifchen und sozialen Rechte, damit es in harter, stetiger Arbeit vorwärts geht, hinauf in eine hellere und beffere Zukunft!
Adolf entlarvi!
Er redet und weiß nicht was!
Hitler hat erft vor wenigen Tagen gegen den preußischen Mimisterpräsidenten Otto Braun und gegen unseren verantwortlichen Redakteur wegen richtiger Zitierung und treffender Beurteilung feiner Bauenburger Landesverratsrede Strafantrag ge stellt. Jetzt wird gemeldet, daß er aus anderen Gründen auch den Chefredakteur und den Verantwortlichen des„ Berliner Tageblattes" nerflagt hat. Diese hatten ihm nachgesagt, er habe behauptet, daß die Auflösung der SA. unter dem Drud Frank reichs erfolgt sei. Durch seinen Rechtsbeistand, den fostspieligen Anwalt Dr. Luetgebrune, läßt Adolf großspurig erklären, er habe eine solche Erklärung niemals abgegeben".
Diese Erklärung ist völlig falsch und Herr Luetgebrune wird bald dahinter fommen, daß sein Auftraggeber, Regie rungsrat Hitler, ihn mit vollem Bewußtsein unrichtig informiert hat.
Das Tollste an der Geschichte ist jedoch dies: Der Bölkische Beobachter" in München , dessen Kopf mit der dicken Inschrift Herausgeber Adolf Hitler " geziert ist, brachte in seiner Nummer vom Sonnabend, dem 16. April, auf der ersten Seite eine über das ganze Blatt laufende Ueberschrift dieses Wortlauts:
Die SA Auflösung war Frankreichs Wunsch." Durch die Erklärung Luetgebrunes fühlen sich nun aber die brei angelfächsischen Zeitungstorrespondenten, denen Hitler im Kaiserhof" persönlich die jetzt dreist abge leugnete Erklärung abgegeben hat, getroffen. Sie veröffentlichen daher jetzt eine gemeinsame Darstellung der Vorgänge. Die Herren Kniderboder, A. Mowrer und Sefton Delmer erflären:
,, Am 14. d. M. empfing Herr Adolf Hitler drei der unterzeichneten Journalisten H. R. Knickerbocker, Edgar A. Mowrer und Sefton Delmer um 2 Uhr nachmittags im Hotel Raiserhof zu
einer Unterredung über das Verbot der SA und SS. Ein Fragebogen mit 5 Fragen wurde von uns aufgestellt und durch Herrn Dr. Hans sta engl, dem Auslandspressechef der NSDAP. , Herrn Adolf Hitler vorgelegt.
Herr Hitler erklärte sich bereit, uns gegenüber die Fragen zu beantworten. Dr. Hanfftaengl war während der ganzen Dauer der Unterredung zugegen.
Eine der an Herrn Hitler gestellten Fragen lautete: ,, Glauben Sie, daß die deutsche Regierung bei dem Verbot der SA. ausländischem Drud nachgegeben hat?"
Hierauf antwortete Herr Hitler : Ja. Nach meiner Ueberzeugung ist das der Fall gewesen. Schon vor einem Jahr ersuchte die französische Regierung Dr. Brüning um die Auflösung der S. Dr. Brüning fagte zu. Er konnte aber erst jetzt sein Versprechen
erfüllen."
Darauf warf Sefton Delmer die Frage ein: ,, Haben Sie für diese Behauptung Beweise, Herr Hitler?" Herr Hitler antmortete: Nein, ich habe teine Beweise dafür."
Durch diese Erklärung der Auslandsjournalisten wird Adolf Hitler der unwahrheit überführt. Es besteht die Möglichkeit, daß er als„ Führer" einer Partei nicht mehr weiß, was er alles zusammenschwägt das wäre schon schlimm genug!- oder daß er bewußt ableugnet, was er gefagt hat und was feine Trabanten im Lande täglich wiederholen! Die Abfertigung durch die Auslandsjournalisten ist für Hitler um so schmerzhafter, als sich unter ihnen auch Herr Delmer vom ,, Daily Expreß " befindet, der Hitler auf seinen Ueberlandflügen begleitete und begeisterte Jubelhymnen über den großen Weisen von Anti- Zion veröffentlichte. Sogar er muß jetzt feststellen, daß Adolf Hitler öffentlich die unwahrheit sagt. Da der Herr Regierungsrat gleichzeitig mittetlen läßt, er habe in Braunschweig ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt, so könnte das ja gleichzeitig auf den Vorwurf der bewußten unwahrhaftigkeit ausgedehnt werden. Allerdings: einstweilen glauben wir weder an eine Klage noch an ein Disziplinarverfahren! Adolf ist nur groß im. Ankündigen und im Ableugnen!
Von Max Westphal.
Für die Kommunistische Partei Deutschlands ist der 10. April ein Tag der Schmach und Schande. Von den fast 5 Millionen Wählern, die sie im Kampf ,, Klaffe gegen Klasse" am 13. März für Thälmann an die Urne gebracht hatte, liefen ihr am 10. April schon 1 Million davon und ihrer 500000 desertierten geradenwegs zu. Hitler .
In ihrer Verlegenheit geben die Kommunisten verschiedene, sich traß widersprechende Ursachen für das schmachvolle Ereignis an. Einmal sollen Schwindelmanöver der Nazis und Sozialdemokraten, ein andermal aber die„ revolutionäre Ungeduld" der kommunistischen Kämpfer die Katastrophe verursacht haben.
"
In Wahrheit ist die K PD.- Führung ganz allein schuldig. Die Stimmenabgabe der Kommunisten für Hitler ist die logische Folge ihrer Politik". Immer wieder wurde die Sozialdemokratie als der Hauptfeind dargestellt; erst wenn die Sozialdemokratie vernichtet ist, kann der Faschismus geschlagen werden, so wird den Kommunisten stets vorgepredigt. Eine besonders eindringliche Formulierung findet sich im Heft 3 der Zeitschrift Die kommunistische Internationale" ( Jahrgang 1931); auf Seite 119 war dort zu lesen:
Daraus, daß das Hauptkettenglied in der gegen wärtigen Phase der verzweifelte kampf gegen die Sozialdemokratic um die Mehrheit der Arbeiterklasse auf der Grundlage der selbstän digen Führung der sich entfaltenden Streifbewegung ist, folgt feineswegs, daß die Kommunistische Partei den Kampf gegen die Faschisten, gegen ihren gefährlichsten, ihren Hauptgegner, vertagen muß. Die Kommunistische Partei muß auch jetzt schon den Kampf an zwei Abschnitten der an sich einheitlichen konterrevolutionären Front führen: gegen die Sozialdemokratie und den Faschismus. Nur
Freitag: Aufmarsch im Lustgarten!
Dr. Breitscheid spricht zur Preußenwahl.