Morgenausgabe
Nr. 192
A 97
49. Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Bolksblatt
Sonntag
24. Apríl 1932
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Hände weg von Preußen!
Heute wird gewählt, morgen wird weitergekämpft!
Heute morgen trifft Otto Wels in Berlin ein. Er| wird sich hier sofort in Behandlung begeben, und wir hoffen, daß es der ärztlichen Kunst bald gelingen wird, ihn vollständig wiederherzustellen. Sein Schicksalsgefährte, Genosse Baufnecht, liegt in Köln noch schwerer danieder. Auch ihm gilt unser Gruß und unser Wunsch nach rascher vollständiger Genejung.
Wer weiß, was Otto Wels für die Berliner Arbeiter schaft ist, der kann sich ungefähr die Gefühle vorstellen, die der feige Ueberfall von Köln in ihr geweckt hat. Sie verlangt, daß die Tat die verdiente Sühne findet, sie darf das in diesem Fall, da es sich um die Justiz in Köln handelt, wohl auch mit einiger Zuversicht erwarten. Darüber hinaus scheint es uns an der Zeit, daß die Reichsregie rung den Vorgängen, von denen der Kölner Fall nur ein Symptom ist, mehr Aufmerksamkeit widmet, sonst könnten eines Tages die Dinge ihrer Hand entgleiten. Allüberall zeigt sich, daß die nationalsozialistische Parteileitung, die sich in Legalitätsschwüren überschlägt, ihre Schlägertolon nen entweder nicht zügeln will oder nicht zügeln kann. Auf gabe der Reichsregierung wäre es jetzt, sich führend an die Spize aller jener Kräfte zu stellen, die mit dem faschistischen Bandenmefen aufzuräumen entschlossen sind.
Die sozialdemokratische Arbeiterschaft trägt Zorn und Haß im Herzen bis zum Ueberquellen. Ihre Disziplin aber und ihre politische Erziehung wird sie auch ferner vor Unbe sonnenheiten bewahren. Der Haß der Schwachen überschlägt sich in Exzessen. Der Haß der Starten wählt faltblütig überlegend sein Ziel und er versteht auch zu warten. Wir wollen den Feind vernichtend treffen. Das können wir nicht durch blindes Dreinschlagen, sondern nur durch wohl überlegtes politisches Handeln.
Berzweiflung über wirtschaftliche Not und krasse politische Unwissenheit haben dazu geführt, daß ein erheblicher Teil des deutschen Volkes sich der Führung einer Bande von Abenteurern anvertraut hat. Diese Bande hat am 13. März und am 10. April den Versuch gemacht, die Reichspräsidentschaft mitsamt dem Artikel 48 und dem Befehl über die Reichswehr in ihre Hände zu bekommen. Das ist ihr nicht gelungen, sie ist zurückgeworfen worden. Heute geht ihr Angriff gegen Preußen!
Der Weg zur Reichspräsidentschaft war für die National sozialisten der Weg zur Alleinherrschaft. In Preußen fann allein nur der regieren, der für sich allein die Mehrheit hat und da haben die Hakenkreuzler noch lange hin. Ihr Ziel ist also in Preußen, die absolute Mehrheit, die sie allein nicht haben können, mit ihren Vasallenparteien gemeinsam zu erobern. Gelingt es heute, sie an der Erreichung dieses Zieles zu hindern, so wird damit auch die dritte Ab mehrfchlacht gegen den Faschismus gewonnen sein.
Sollte wider alles Erwarten die Möglichkeit einer Mehrheitsbildung rechts vom 3entrum gegeben sein, so würden die Vasallenparteien, die sich dafür zur Verfügung stellen, auch die Verantwortung zu tragen haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach aber wird die Rechte auch mit Einschluß aller möglichen Splitter die Mehrheit nicht erreichen. Erreicht sie aber die Mehrheit nicht, dann darf auch nicht die Regierungsmacht in ihre Hände fallen. Eine Rechte, die für sich allein nicht die Mehrheit hat, fann zur Herrschaft nur kommen durch die Hilfe der kom munisten. Diese Hilfe müßte, seit in einer legten Sigung des alten Landtags die Geschäftsordnung in vernünftiger Weise abgeändert worden ist, offen und für jeder mann sichtbar erfolgen. Wird eine Regierungstoalition Hitler Hugenberg Thälmann gewünscht dann bitte!
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Die Weimarer Koalition wird heute- das weiß jeder, der nicht an Bunder glaubt die Mehrheit verlieren. Sie wird also verpflichtet sein, einer anderen Gruppierung, falls diese über die Mehrheit verfügt, die Regierungsgewalt abzutreten. Davon aber fann feine Rede sein, daß die Weimorer Roalition als Minderheit abdanten müßte zugunsten
einer andern Minderheit. Im Gegenteil bleibt es im Interesse von Volk und Land ihre Pflicht auszuharren, bis eine Ablösung für sie in der verfassungsmäßig vorgeschriebe nen Form vorhanden ist. Solange jedoch der Landtag ar beitsunfähig ist, ist eine arbeitsfähige Regierung doppelt notwendig..
Eine arbeitsfähige Regierung- glauben die Hugen berg und Dingelden wirklich, daß sie mit den National sozialisten geschaffen werden kann! An dem Tage, an dem die Harzburger Front geschaffen wurde, gab Frick Pirmasens die Erklärung ab, seine Partei toaliere sich mit andern Parteien nur à la Mussolini , um sie dann zu vernichten. Hugenberg hat sich über diese Offenherzigkeit bitter beschwert aber das hat Adolf Hitler nicht gehindert, am aber das hat Adolf Hitler nicht gehindert, am Freitag im Sportpalast noch einmal zu erklären:
,, Sie behaupten, wir wollen alle anderen Parteien zerschlagen. Wir bekennen: Jawohl, das wollen wir!"
Somit würden die Nationalsozialisten in Preußen eine Roalition nur schließen mit dem Hintergedanken, sich durch einen Staatsstreich in den Besitz der Alleinmacht zu fetzen.
Die nationalsozialistische Welle hat die Rechte zahlenmäßig gestärkt. Sie hat sie aber auch regierungsunfähig gemacht: Auch eine Rechtsmehrheit, in der die Nationalsozialisten ausschlaggebend sind, wäre in Wirklich feit regierungsunfähig und zum Scheitern verurteilt. Eine
| Minderheit der Rechten ist das aber erst recht, und es besteht kein Grund zuzulassen, daß sie das größte deutsche Land zum Versuchskaninchen ihrer Regierungsfünfte macht. Dazu ge= nügt das arme Braunschweig vollständig.
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Die Genoffinnen und Genossen, die Kameraden der Eisernen Front, die auch in diesem Kampfe in bewunderungswürdiger Weise ihre Pflicht getan haben, erwarten mit wachem politischen Sinn das Ergebnis ihrer Anstrengungen. Gelingt es der Rechten nicht, die Mehrheit aller Stimmen und Mandate zu erobern, dann haben die tapferen Verteidiger der Demokratie erreicht, was in diesem Augenblick zu erreichen war. Hitler hat am 13. März 1932 gegenüber dem 14. September 1930 Stimmen gewonnen, und er hat am 10. April gegenüber dem 13. März nochmals Stimmen gewonnen, und doch ist er beide Male geschlagen worden, weil er das gesteckte Ziel nicht erreicht hat. Wenn Hitler heute mit seinen Hilfsvölkern die erstrebte Mehrheit nicht gewinnt, so wird er zum drittenmal geschlagen sein. Und hat der Gegner in vergeblichen Stürmen seine Kräfte erschüttert, dann gehen wir zum Angriff por!.
Heute um 5 Uhr Nachmittag wird die dritte große Wahlschlacht geschlagen sein. Der Kampfabergeht morgen weiter!
Der Ueberfall auf Wels.
Die Täter fommen vor den Schnellrichter.
Köln , 24. April. gerissenen Massen unterbrochen. Am Schluß der Versammlung bereiteten die Massen dem Genossen Otto Wels abermals begeisterte Ovationen.
Die Vernehmungen der im Zusammenhang mit den tätlichen Angriffen auf den sozialdemokratischen Reichs. tagsabgeordneten Wels und den Polizeipräsi denten Bauknecht festgenommenen National sozialisten sind heute nachmittag abgeschlossen worden. Die Zeugenvernehmungen haben im wesentlichen eine Bestätigung des von der Polizei gemeldeten Tatbestandes ergeben. Die Angelegenheit wird noch heute der Staatsanwaltschaft übergeben werden, die wahrscheinlich im Schnellver= fahren die Weiterverfolgung betreiben wird.
Das Befinden des verlekten Polizeipräsidenten Bauknecht, der schwere Schnittwunden am Kopf davongetragen hat und sich in ärztlicher Behandlung befindet, ist den Umständen nach gut.
Düsseldorf , 23. April. ( Eigenbericht.) Heute abend veranstaltete die Sozialdemokratische Partei eine Massenversammlung in der Maschinenhalle. Als Redner war der Parteivor. sitzende Genosse Otto Wels vorgesehen. Als Otto Wels den Raum betrat, der von 15000 Menschen gefüllt war, wurde er mit ungeheurer Begeisterung und lang anhaltenden Ovationen empfangen. Trotz des Ueber: falls der Nazibanden in Köln in der vorhergehenden Nacht sprach Otto Wels . Unter begeisterter Zustimmung fette er kurz die Bedeutung des Kampfes um Preußen auseinander, immer wieder von Beifallsstürmen der mit
Alle nicht eingeteilte Genossinnen
und Genossen stellen sich im Zentralwahllokal ihres Kreises für die
Wahl
arbeit Zur Verfügung
Die Versammlung verlief im übrigen ohne jede Störung.
Rechenschaft.
Otto Braun spricht im Rundfunf.
Gestern abend sprach Otto Braun im Rundfunk. Seine Rede war ein eindrucksvoller Bericht über die Leistungen der preußischen Regierung. Die Rede schloß:
,, All diese willkürlich aus dem weiten Bereich der Arbeiten der
preußischen Staatsregierung herausgegriffenen Angaben zeigen
Ihnen, wie mannigfach die der Regierung gestellten Aufgaben find, und wie sehr es darauf ankommt, ruhig, sachlich und ohne Rücksicht auf Tagesströmungen und Popularitätshascherei all diese Arbeiten zu vollbringen.
Heute überschattet die wirtschaftliche Not alles und läßt Millionen unter der Wirtschaftskrise leidende Volksgenossen nicht zur gerechten Wertung des trok aller Schwierigkeiten Geleisteten fommen. Das muß einer späteren Zeit vorbehalten bleiben.
Immerhin darf die preußische Staatsregierung für sich in Anspruch nehmen, daß sie unbeirrt um alle Angriffe von rechts und links ihren Weg gegangen ist, den sie für den richtigen hält, weil er uns aus den Trümmern des Zusammenbruchs von 1918 wieder aufwärts geführt hat und weil der Erfolg der geleisteten Arbeit der war, uns so start und gefestigt zu machen, daß wir unter dem Ansturm der furchtbaren Weltwirtschaftskrise keineswegs niedergebrochen sind, sondern uns als Staat und. Bolk be hauptet haben und weiter behaupten werden.
Popularitätshascherei und unsachlichste Arbeit, das Abgeben von tönenden Versprechungen an alle Bevölkerungsteile, das Sichbeliebtmachen durch Aussprechen von Dingen, die jeder gern hören möchte, ist niemals unsere Sache gewesen. Wir sind nicht dazu da, dem Volke etwas vorzugaufeln und es über die Schwere unserer Lage und unserer Aufgabe hinwegzutäuschen. Wir fühlten uns vielmehr vom Wolfe berufen, um mit zäher Energie und Hingabe unser Staats- und Wirtschaftsleben vor dem immer wieder drohenden Zusammenbruch zu bewahren, an der Erhaltung der Einheit des Reichs zu arbeiten und den Bestand des Gtante