Englands Budgeträtsel. Kombinationen um den ValutaausgleichSfondS. London , 23. April. (Eigenbericht.� Dos britische Budget für 1932/33, das der Schatzkanzler Neville Chamberlain im Unterhaus«inbrachte, brwgt keine übermal- tigenden Wirtschaftsgeistesblitze, sondern trägt an der Stirn die dem britischen Steuerzahler schon zur Genüge bekannte Aufforderung: charte Arbeit, rigorose Sparsamkeit, Mut und Geduld! und begnügt sich im übrigen mit harter Tatsachenrech- nung. In jedem Falle hofft der Schatzkanzler die Staatseinnahmen und Ausgaben während des Finanzjahres zu balancieren. Chambsrlains konkreter chauptoorschlag ist die Schaffung eines Ausgleichsfon.ds in Höhe von ISO Millionen Pfund. Mit dieser Summ« soll die Dank von England Gold und fremde Valuten ankaufen. um Sursschwankuugen des Pfundes zu verhindern. Aus diesem Vorschlag geht die interessante Tatsache hervor, daß die Regierung nicht beabsichtigt, in Bälde zum Goldstandard zurückzukehren oder das Pfund auf einer anderen Basis zu stobili- sieren. Eins zweite bemerkenswerte Erscheinung ist das Fehlen der Reparationen und Kriegsschulden als Faktor in dem neuen Budget. Dies ist nicht nur für den aus- ländischen Beobachter, sondern auch für die politischen Parteien Englands eine Ueberraschung und eröffnet«in weites Feld für ver» fchiedenartige Spekulationen. Es ist nicht anzunehmen, daß Chamberlain diese Auslassung im Einverständnis mit den anderen Kabinettsmitgliedern vorgenom- men hat, da das Budget streng geheim gehalten und gewöhnlich erst am Vortage der llnterhausoerlesung den Kabinettsmitgliedcrn mit- geteilt wird. Sicherlich haben keine offiziellen Besprechungen mit anderen interessierten Mächten stattgefunden. Der Schatzkanzler hat also s e l b st ä n d i g gehandelt. Er beabsichtigt ferner nach der Lausanner Konferenz eine Sudgetergänzung einzubringen, in der er die jetzige Auslassung der Reparationen und Kriegsschulden nachholen will, wosür chm die Konferenz die Unter- lagen verschaffen soll. Diese rein sachliche Einstellung auf Tatsachen ist bemerkenswert. Der Schatzkanzler kann von der Lausanner Konferenz keine Riesen- Umwälzungen erwarten. Eine völlige Streichung der Reparationen und Kriegsschulden dürste kaum eintreten. Andererseits liegt es nicht im Bereich der Möglichkeit, daß Deutschland in diesem Finanz- jähr Zahlungen leistet. Ob das Hoover-Moratorium von Amerika aus vor den Herbstwahlen einfach verlängert werden wird, scheint zweifelhaft, desgleichen ein von Europa erklärtes Moratorium als vollendete Tatsache. England wird jedenfalls seinen amerikanischen Verpflichtungen auch ohne Deutschlands Zahlungen nachkommen. Zu dieser letzteren Betrachtung meldeten sich auch sofort von Amerika offizielle und ander« Stimmen, daß man in Englands Absichten mit Bezug auf Schuldenabtragung leinen Zweifel setzte. Do aber wird das Geld herkommen. 'um dies« Verpflichtungen wahrzunehmen? Der englische Steuer- zahler wird Abgaben an Amerika aus semer Tasche nicht gerade mit freundlichen Gefühlen gegenüberstehen. Es ist auch kaum an- zunehmen, daß der Schatzkanzler auf disse Weife ein anti-amerikanisches Fluidum zu schaffen beabsichtigt. Das Ei des Kolumbus dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach der geplante Ausgleichsfonds von 160 Millionen Pfund sein, der offiziell der Pfundtursregelung dienen soll. Au» dieser Riesensumme könnt« England den dies- zährigen Vsrpflichtunzen an Amerika — Zinsen und Amortisation-- dienst— nachkommen. Diese Kombination wird durch«inen weiteren, an sich eigen- tumlichen Vorschlag des Schatzkanzlers gestützt. Chamberlain will den erwähnten Ausgleichsfonds der Bank von England zu völlig unabhängiger Verwaltung überlasten. Das heißt, die Bank man England ist nicht verpflichtet, über ihre Transaktionen dem Schatzamt irgendwelche Kontrolle einzuräumen oder überhaupt die üblichen, regelmäßigen Bankoeröffentlichungen vorzunehmen. Diese etwas ungewöhnliche Gshsimpolitik in einer an sich psycho- logisch schon äußerst schwierigen internationalen Lage ist nur da- durch zu erklären, daß der Schatzkanzler mit dem 130-Millionen- Pfund-Fonds die erwähnten, über die Pfundkursregelung hinaus- gehenden Absichten über feine Verwendung hat. Die große Frage, die auch die englische Presse stellt, ist vor- läufig: Wo wird der Schatzkanzler die 160 Millionen Pfund her- nehmen? Die Antwort daraus weiß zur Zeit mir Chamberlain selbst. Oer erste Labour-Wahlsieg. Zu der bereits gemeldekea Rückkehr des früheren Gefundheits- Ministers Arthur Greeuwood ins Unterhans durch feinen Wahlsieg in Dakesield ist noch ergänzend zu berichten, daß die Sonservaliven im Oktober 1SZ1 eine Mehrheit von 4107 Stimmen erzielt hallen,(konservative 16 88l, Labour 11 774 Stimmen.) Obgleich der konservative Kandidat bei der Ersatzwahl wieder die Unierstühung der„Rationalen Regierung" erhielt—- Mac- d o n a l d hatte sich persönlich für ihn und gegen seinen langjährigen Sabinettßkollegen Greenwood eingesetzt—. wurde letzterer mit Z44 Stimmen Mehrheit gewählt. Er erhielt 1Z6S6. sein Gegner lZZ4Z Stimmen. Die konservativen und ihre Verbündeten verloren daher seil Oktober 2669. die Arbeiterpartei gewann 1468 Stimmen. Offenbar ein erstes aber deutliches Symptom des Stimmnagsumschwunges in Großbritannien .
Zopf-Rekord. Eine Entdeckung im englischen Parlament. London , 23. April. Der Kriegsminister Lord Hailsham machte am Donnerstag im Oberhaus di« aufsehenerregende Mitteilung, daß kein Handelsminister an den Verhandlungen des Unter- Hauses teilnehmen dürfe. Diese Entdeckung habe ein sehr sin- diger Jurist gemacht. Lord Hailsham fügte hinzu, daß schon seit vielen Jahren der jeweilige Handelsminister im Unterhaus gesessen hohe. In dieser Zeit der Finanznöte sei man versucht zu überlegen, wie viele Millionen Pfund an Strafgeldern von denjenigen einkassiert werden könnten, di« den Posten des Handels- Ministers in der Vergangenheit innegehabt haben. Es sei notwendig, ein Gesetz anzunehmen, das dem jetzigen und den früheren .Handelsministern Entlastung(!) erteile md die zur Zeit noch geltenden Bestiinmunzen ändere. Der Generalstaatsanwalt werde das Gesetz bereits am Freitag im Unterhaus einbringen und in ollen Abschnitten erledigen lasten. Aohnliche Maßnahmen würden am kommenden Montag im Oberhaus getroffen, so daß Handels- minister Rnncrman an den Unterhausnerhandlungen in der kam- wenden Woche werde teilnehmen können.
»Du wählst doch im Arbeiterinterefse?" »Ja natürlich: Braun-Severing!"
„llm Gotteswillen, nein! Oer Hauptfeivd ist die Sozialdemokratie. Kommunistisch mußt du wählen." -Idiot!" 4;
„Hör mal, wenn du durchaus nicht KPO. wählen willst, dann schon gleich Nazi. So haben wir Kom- munisten am 10. April auch gewählt. Auf jeden Fall gegen die SPO.!"
„Autsch!!!" „Verräter! Jetzt gibt'S nur eine Parole: Jede Stimme der Sozialdemokratie!"
Die GA.-Banden toben. Lteberfall aus die parteigeschästsstelle in Höchst versucht.
Fvarrkfurt a. M.» 23. April. (Eigenbericht.) In der Stacht zum Sonnabend versuchte ei« großer Trupp Nationalsozialisten in die Höchster Geschäftsstelle der sozialdemokratischen „Freren Presse" einzudringen, in die sich einige von der nationalsozialistischen Uebermacht der- folgte Eisarne-Frpnt-Lente zurückgezogen hatten. Die nationalsozialistische» Rowdhs waren bereits in den Hausflur eingedrungen, als das Ueberfallkom- mando erschien. Insbesondere tat steh ein Dr. med, Hellwig hervor. Er rüttelte an der Tür und versuchte mit Gewalt in das Lokal einzudringen. Dann schrie er unter anderem:„Ans. wir dringe» in euer Büro ein» das gibt am Montag ein feines Lokal für uns." Der rabiate Arzt stieß auch noch ändere Drohungen aus. Als die Polizei zur Sistierung schreiten wollte» benahm«ich
der.»gebildete" Herr derart, daß er ins Polizei- gefäwgnis eingeliefert werde» mußte. Znsgesamt wurden sechs Nationalsozialisten fe st genommen, gegen die Anklage wegen Land- friedensbrnchs und Widerstands gegen die Staatsgewalt erhoben wird. An verschiedenen Stellen von Höchst haben Nationalsozialisten die Plakatsäulen mit sozialdemokra- tische« Plakateu mit Benzin, Übergossen und angezündet. Nazi-kleberfall auf Reichsbanner. Freitagabend überfielen in Dülmen 15 National- sozialiften 5- Reichsbannerleute und stachen zwei davon nieder. Ein Kamerad liegt schwerverletzt im Krankenhans. Im Heim der früheren SA. in Dülmen herrscht Hochbetrieb» ohne daß die kommunale Polizei entsprechende Maßnahmen ergreift.
Mordbanden gegeneinander. Heimwehrler von Hakenkreuzkern überfallen. In Ottensheim (Oberösterreich ) hiell der Heimatschutz eine Versammlung ab. Im ersten Stock des gleichen Hauses feierten Nazis Hitlers Geburtstag. Als die Heimatfchützler nach Hause gehen wollten, wurde auf sie von den SA. -Leuten vor dem Tor mit den abgeschnallten Leibriemen eingedroschen. Ein Nazi zog sein Messer und bedrohte die Heimatschützler mit den Worten: ».Ich bin Fleischhackcr, ich werd' den heimwehrhuoden zeigen, daß ich mein Geschäft versteh'." Es kam zu einer Rauferei, in der es mehrere Verletzt« gab. Zwei Heimatschützler, die zurückgeblieben waren, wurden in das SA.-H e i m geschleppt und dort niedergeschlagen. Einer der Ueberfallenen sank bewußtlos nieder. Es kam wieder zu Raufe- reiest, in derem Verlaufe auch Gendarmeriebeamte eingreifen muhten. Zahlreiche Heimatschützler wurden verletzt. einer erlitt eine Gehirnerschütterung. Den uni- formierten SA.-Leuten wurden Schlagringe, Totschläger und Stilett- Messer abgenommen. Sozialdemofratifche Toleranz. Das chnstlichsoziale Regime des Dr. L u e g e r in Wien duldete Sozialdemokraten nicht im Gemeindedienst: hinausgeworfen wurden z. B. die Lehrer Otto Glöckel und Karl S e i tz. Jetzt steht an der Spitze der Naziliste in dem Wahlkreis, wo Bürgermeister Seitz kandidiert, der Primararzt des Krankenhauses der Stadt Wien . Lueger hat Ihn als strammen Christlichsozialen angestellt— die sozialdemokratische Stadtverwaltung hat diesen seicher zum Nazi-Agitator gewordenen Arzt an seinem Posten gelassen. Deutschland kann nicht weiterzahlen! Was Brüning in der Genfer Besprechung erklärt haben soll. London , 23. April. Zu den gestrigen Besprechungen in Gens meldet„Daily Herald", daß Reichskanzler Brüning betont hat, daß Deutschland nach Ablauf des Hoooer-Moratoriums die Zahlungen nicht wieder aufnehmen und auch die bisherigen Zlbmachungen für eine Verlängerung des Moratoriums nicht wiederholen könne. Während des Moratoriums habe sich- die deutsche Schuld monatlich um
140 Millionen erhöht. Deutschland könne diese Schuld ehrlicherweise nicht anerkennen, da keine Aussicht auf Rückzahlung bestehe. Er habe darauf bestanden, daß die Lausanner Konserenz Deutschland die Möglichkeit zu einer wirklichen Wiodererholuug und nicht nur«ine Atempause geben müsse. Brüning habe sich ferner für die Mitarbeit an einem Donauplan bereit erklärt, der keine politischen Ziele verfolge und der die Aufrechterhaltung des deutschen Ausfuhrhandels ermögliche.
Geglückte Meuterei. Indische Gefangene befreien sich. Bombay , 23. April. 30 indische politische Gefangene entwaffneten im Zug nach Delhi nach Kampf die Polizisten. Ein Polizist wurde getötet. ein weiterer schwer verletzt. Die Gefangenen brachten den Zug zum Strehen und entkamen. Die Führerin der Kongreßpartei, Frau Naidu, ist wegen Vorbereitung einer verbotenen Tagung zu einem Jahr Gc- fängnis verurteilt worden. Insgesamt sind bisher ISOKongreßführer verhaftet worden. Die Regierung glaubt, damit alle Versuche vereitelt zu haben, eine geheime Kongreßsitzung in Delhi zu veranstalten.
Zapanfiliale fühlt sich. Todesdrohung gegen Dölkerbundsdelegierten. , Mukden. 23. April. Die mandschurische Regierung hat die Verhaftung und Hin- richtung Dr. Wellington Ku s und der anderen chinesischen Begleiter des Mandschureiausschusses des Völkerbundes angc- ordnet, falls diese die E i s e n b a h n z o n e der Südmandschuri- sehen Eisenbahn oerlassen und dos Mandschurische Hoheitsgebiet bc- tretsn, was angeblich eine Verletzung der Hoheitsrechte der Mandschurei und eine Friedens- und Ruhestörung wäre!