Rr. 192 49. Jahrgang
Jarang D21. Beilage des Vorwärts
PREUSSISCHER LANDIAG
Altes Abgeordnetenhaus am Dönhofplatz
Sonntag, 24. April 1932
Das Volk auf dem
gswapp
Wabtfreis Berlin
2
Poften
Zwischen den sonnenbeschienenen Grünflächen des breiten Dönhoffplatzes laden Gartenstühle zum Verweilen ein. Büroangestellte sitzen da, Verkäuferinnen aus den nahen Handelshäusern der City, Laufburschen, die ihre Traglast ein wenig zur Seite gestellt haben, und da und dort müd' gewordene Spaziergänger. Unterdessen lärmt der Verkehr durch die Leipziger Straße und die Brandung des Lärms schlägt noch laut genug an jedes Ohr der am Dönhoffplatz Sitzenden. Es langt an dieser Insel im Steinmeer Berlins nur eben zum Ver schnaufen und nicht mehr zur beschaulichen Ruhe. Mitten im tollsten Strudel steht das Denkmal des Freiherrn vom Stein. Und der steinerne Freiherr wird bis ans Ende seiner Zeit den Blick von einem Haus nicht lassen, das einmal ein Palais mar, während heute in den Kontoren dieses Hauses so profane Dinge wie Strickwesten und Krawatten, Lederkoffer und Büroartikel, Kunstblumen und Damenhüte, Parfümerien und Sahnenbaisers die wieder bitte vorn im Erdgeschoß ausgehandelt werden. Wir sprechen vom großen Doppelhaus Leipziger Straße 75 und 76. Hier stand bis 1902, die Kommandantenstraße stößt pfeilgerade darauf, das alte Hardenbergsche Palais, und vom 5. Februar 1849, seitdem es eine Zweite Kammer in Preußen gibt, die von 1855 ab das Haus der Abgeordneten hieß, bis zum 18. Mai 1898 schritten die erkorenen preußischen Volksvertreter" durch das schmale Tor dieses Barockbaus. Immer haben die Herren ausziehen wollen, nie hat es ihnen recht behagt in dem Palais, aber erst am 16. Januar 1899, als die 19. Legislaturperiode des preußischen Abgeordnetenhauses begann und der konservative Herr v. Kröcher die Präsidentenglocke schwang, da war es so weit, in den neuerbauten Landtag in der Prinz- Albrecht- Straße Einzug zu halten. Und die Liquidation des historischen Palais am Dönhoffplatz wurde der Spitzhacke übertragen.
Die nach 1888 Geborenen... Wer heute in das Nachfolgehaus gehen wollte, wird schwerlich über seine Geschichte etwas in Erfahrung bringen fönnen. Der Pförtner, nebenan von den Stettiner Sängern, der weiß noch Bescheid über das Haus, das einen schönen großen Garten hatte, wie er sagt. Aber draußen die Welt ist jung. Heute werden alle mindestens 20 Jahre alten Preußen, Männer und Frauen, an die Bahlurne treten und nach dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Recht die preußischen Landtagsabgeordneten wählen. Eine Selbstverständlichkeit. Und wer in den letzten Wochen nicht gerade in sozialdemokratischen Versammlungen gesessen hat, wird schwerlich auch nur einmal das Wort Dreikiassenwahlrecht gehört haben. Das letzte Dreiklassenparlament wurde am 3. Juni 1913 gewählt. Wer Damals miswählen wollte, mußte, von anderen Voraussetzungen ganz abgesehen, 24 Jahre alt sein. Frühestens fonnte er also 1888 geboren sein. Seit 1913 find wiederum 19 lange Jahre ins Land gezogen, und die heute bereits 44 Jahre alten Preußenwähler tennen aus eigener Anschauung nicht mehr die Dreiflassenschmacy.
Die Wähler wurden eingeteilt nach der Höhe ihrer bezahlten Steuern. Jeder Stimmbezirk hatte drei Klassen. Jede Klasse hatte einen Wahlmann zu wählen, nicht etwa direkt den Abgeordneten. Das zu tun, war Sache der Bahlmänner, die dazu noch einmal besonders zusammenfamen. Berliner Verhältniffe genommen, saßen dann vielleicht 10 steinreiche Hauspaschas in der 1. Klasse, 100 Mittelständler in der 2. Klasse und oft genug weit über 1000 Arbeiter in der 3. Klasse. Aber da jede Klasse ihren einen Wahlmann wählte unter bestinanten Voraussetzungen auch zwei, hatten die 10 Hausbesitzer soviel Wahlrecht wie die 1000 Arbeiter. Dazu war die Wahl nicht geheim, jeder mußte laut und vernehmlich sagen, genauer genommen, fogar zu Protokoll geben, daß er einen Sozialdemokraten wählt. Das fonnte nicht nur in Mejeriz- Bomst bedeuten, sich den Hugerriemen umzuschnallen. In der Praxis sah das folgendermaßen aus: 1903 beteiligte sich die Berliner Sozialdemokraite zum ersten Male an preußischen Landtagswahlen. In den vier Berliner Wahlkreisen erhielten
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Sozdem. Freisinnige Konserv. an Urmählerstimmen.. 122 150 20 733 7: 114 aber an Wahlmännern 3.950 311
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Da die einfache Mehrheit der Wahlmänner genügte, fielen den
Freifinnigen alle neun zu vergebenden Abgeordnetensiße zu. Und daß die 68 Proz. der( sozialdemokratischen) Wähler auch nicht einen Abgeordneten ihrer Gesinnung erhielten, daß die neun von Berlin zu vergebenden Mandate sämtlich den Freisinnigen zufielen, die nur 11,59 Proz. der Urwähler hinter sich hatten konnte der Ver gewaltigungscharafter des Dreiflassenwahlsystems eindrucksvoller festgestellt werden, als durch die Demonstrierung dieser Tatsache?" fragt Eduard Bernstein in seiner Geschichte der Berliner Arbeiterbewegung( III, 419).
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zeugung fundgeben. Wer sozialdemokratisch wählte, bekam auf den Listen der Vertrauensleute einen roten, und mer bürgerlich wählte, einen blauen Strich. Und wer dann abends um 6 Uhr überhaupt noch feinen Strich hatte, dem rückten die ,, Schlepper" auf den Hals. Das heißt, man ging nur zu Männern, von denen man annahm, daß sie sozialdemokratisch wählten. Trotzdem ist es oft genug passiert, daß Parteigenossen einen Menschen zum Wahliofal schlepps ten", der nachher fonservativ mählte. Dann war der Merger groß. Die Bürgerlichen schleppten natürlich auch. Ihren ganzen Schlepp apparat ließen sie spielen, um heranzuholen, was irgendwie die Gewißheit bot, gegen die Sozialdemokratie zu stimmen. In der Gegend der Reinickendorfer Straße schleppten die Freifinnigen in Droschten die Injassen des Asyls für Kaufleute heran, nachdem sie sich zuvor vergemässert hatten, daß sie es nicht magen würden, gegen den Freifinn zu stimmen", schrieb am 4. Juni 1908 der Vorwärts". 21s um 8 1hr abends die Wahl geschlossen wurde, strömten die Arbeiter in 23 von der Partei neranstaltete Bersammlungen, um dort geduldig auf das Wahlresultat zu marten. Die Geduld sollte gut belohnt werden. Mit begeistertem Jubel wurde der Preußen durchbruch quittiert.
Bullaugen der Reaktion.
PP
Behn Jahre später war das Dreiflajsenparlament famt hem Herrenhaus hinweggefegt, und während sich die Paladine der Mon
archie in die Büsche trollten, wurde der Weg frei zum Aufbau des Volksstaats. Anderthalb Jahrzehnte stand seitdem die Reaktion Gewehr bei Fuß. Jetzt heult es durch alle Gassen, und an den Anschlagsäulen künden es die größten Lettern: Preußen muß wieder preußisch werden! Und die aus Dachluken heraushängenden Hakentreuzfahnen untermalen das Zerrbild, das die Landsknechte der Reaktion von der Reichshauptstadt zu zeichnen versuchten. Dieje Dachlufen gehören den Hausbesigern, und die Fahnen fonnten nicht groß genug sein, um die faschistische Gesimung dieser Leute zu dokumentieren. Diese Dachluken sind die Bullaugen der Reaktion. Ihre Besizer greinen und raunzen noch heute um das verlorene Recht der Erstklassigen", als jene Herren aus der ersten Etage ebenso viel Bürgerrechte hatten wie die werftätigent Bewohner ihres ganzen Hauses zusammengenommen. So sehr in dem hinter uns liegenden permanenten Wahlkampf die sozialdemo fratischen Arbeiter fraft ihrer jahrzehntelangen politischen Schulung sich bemühten, die großen historischen Fragen flar herauszustellen, so wenig fonnte in den letzten Monaten darauf verzichtet werden, eine hausbadene, fimmfällige, eben volkstümliche Sprache zu reden. Wenn die Hitlerianer ihrer braunen Hemden wegen heißen sie in ganz Berlin bereits Indianer es den Leuten ins Ohr bliesen: ,, Nun fagen Sie selbst, Nachbar, was soll das mit dem 85jährigen Präsidenten?", dann wurden, fie prompt gestellt, und man sagte ihnen: Aber vor einem Kaiser, der noch älter war, seid ihr in
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Auf dem Siedepunkt
Die letzten Stunden vor dem Entscheidungskampf um Preußen
Die letzten Stunden des gestrigen Sonnabends brachten den| Jedermann ist sich bewußt, daß heute die große Entschei Höhepunkt des mit außerordentlicher Erbifferung geführten Preußen- dungsschlacht um Preußen, und damit um Deutschlands Schickwahllampjes.
Die Spannung, die Berlin von dem ersten Wahlgang zur Reichspräsidentenwahl beherrschte, ist noch bei weitem übertroffen worden.
Alles geht zur Wahl!
Das Kreuz ins erste Feld.
Im Gegensatz zur Reichspräsidentenwahl beginnt die heutige Preußenwahl bereits um 8 Uhr morgens. Es ist auch eine Stunde früher, um 5 Uhr nachmittags, Schluß der Wahlhandlung! Heute ist es deshalb notwendiger denn sonst, rechtzeitig zur Wahl zu gehen. Jeder muß auch auf sein Wahllokal Obacht geben. Es läßt sich nicht vermeiden, daß die Wahlämter hin und wieder die Wahllokale wechseln. Wähler, die durch körperliche Gebrechen verhindert sind, ihren Stimmzettel eigenhändig auszufüllen oder in den Umschlag zu stecken, dürfen sich der Beihilfe einer Verstimmt der Wähler selbst!
sal, geschlagen wird. In den Nachmittagsstunden bereits waren die Straßen- und Pläge Berlins buchstäblich von den Flugblättern aller Parteien zugedeckt. An diesem letzten Tag vor dem entscheidenden
Wahlgang gingen auch die kleineren Parteien aus ihrer bisher geübten Reserve heraus und beteiligten sich, wenigstens an den Hauptverkehrsplätzen, an der riesigen Flugblattschlacht. Der ,, Vorwärts" hatte wie immer vor großen Wahltagen eine Sonderausgabe in ganz Berlin verteilen lassen, die reißenden Absatz fand. Die Sonderausgabe stand unter dem Motto: Arbeit oder Zerstörung? Ein Aufsatz widerlegte den Nazischwindel von Koburg , der im Laufe der Woche bereits durch ein von Nazikolonnen ausgetragenes Flugblatt in Berlin verbreitet worden war. Nachmittags um 4 Uhr traten gestern noch einmal die Mitglieder der Eisernen Front an, um jede Berliner Wohnung mit einem in letzter Stunde herausgebrachten Flugblatt zu bepflastern.
Für die Berliner Polizeimar schon ab 10 Uhr vormittags die höchste Alarmst use angeordnet worden. Die sich überall bildenden Diskutierklubs, bei denen es oftmals zu erregten Auseinandersetzungen fam, machten der Schutzpolizei besonders viel zu schaffen. Auch der Flaggenkrieg, den Berlin in der vergangenen Wahlwoche geführt hatte, erlebte am gestrigen Sonnabend seinen Höhepunkt. So steht die südliche Friedrichstraße im Zeichen einer weithin sichtbaren Riesenfahne des Deutschen Bauge
Blütezeit des Schleppgeschäfts. Erst bei der Preußenwahl im Juni 1908 gelang der Sozialdemokratie der Durchbruch: zum ersten Maie zogen 7 Sozialdemofraten in das Abgeordnetenhaus ein. Damals fanden die Wahlen nicht etwa Sonntags statt, sondern der 3. Juni 1908 fiel auf einen Mittwoch. Außerdem wählten die drei Klassen getrennt, zuerst die zweite Klasse von 9 bis 12 Uhr, dann die erste Klasse von 1 bis 2 Uhr und zum Schluß die dritte Klasse von 3 bis 8 Uhr. In einem Stimmungsbild des„ Vorwärts" hieß es damals: ,, lm 9 Uhr famen die ersten Wähler der zweiten Klasse einzeln, in längeren Zeitabständen an... Draußen, in Berlin WW., fonnte man in der Zeit trauensperson bedienen. Diese Vertrauensperson be Dach des Baugemerkshauses weht außerdem eine große schwarzvon 1 bis 2 Uhr die Erstklassigen" von Geldsacks Gnaden sehen, wie sie mit Grandezza ihrer Equipage entstiegen oder nach ihrer Morgenpromenade im Tiergarten dem Wahllokal zuschlenderten, um ihre gewichtige Stimme abzugeben... Allmählich ändert sich das Straßenbild in den Stadtteilen der ärmeren Bevölkerung. Die Fa briken entlassen Scharen von Arbeitern, die der Wahlpflicht genügen wollen. Truppmeise eilen sie den Lokalen zu..." Damals war übrigens noch das Schleppgeschäft" in hoher Blüte. Die Sozial
demokratie hatte damals befondere Gruppenführer, die sich von den angelegt hatten. Stein Schlafbursche war ausgelassen. In jedem
Häusern ihrer Nachbarschaft ein genaues Berzeichnis der Wähler
Wahllotat jaßen wiederum zwei Vertrauensleute Listenführer wurden sie genannt, die genau aufschrieben, wer wählte und wen er wählte. Denn damals mußte jeder laut und deutlich seine leber
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Der Stimmzettel ist diesmal so lang, daß er zweimal gefaltet in den Umschlag gelegt werden muß. Gleichzeitiges Erscheinen zusammengehöriger Familienmitglieder beschleunigt die Wahl. Wahlschein inhaber müssen sich in jedem Fall vor der Wahl noch besonders ausweisen!
Heute bleibt der Fußball zu Hause, heute ruht die
Laubenarbeit! Alle Parteigenossen sind vor Beginn der Wahl in ihren Wahlhelferlokalen und stellen sich für die Wahlarbeit zur Verfügung. Schlagt sitler und Kon sorten! Alle Stimmen für die Liste 1, für Otto Braun und Carl Severing !
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rotgoldene Fahne. In den Außenbezirken ist es im Flaggen frieg zu den kuriosesten Situationen gekommen. Oftmals hängen kommunistische oder Hakenkreuzfahnen so dicht aus nebeneinanderliegenden Fenstern, daß die Passanten ihre Bize machen, als ob die Flaggenden noch nicht wüßten, wohin sie gehörten. Diesen Wizen und Gloffen liegt allerdings tatsächlich die blutige Wahrheit zugrunde, daß im zweiten Gang zur Präsidentenwahl eine halbe Million fommunistischer Wähler wirklich nicht gewußt haben, wohin
sie gehören. Eine ganze Reihe von Hakenkreuzlern macht übrigens auf verzichtet, die Hakenkreuzfahne auf rotem Feld herauszuhängen. Dafür zeigen sie die alten monarchistischen, schwarzweißroten Fahnen, auf die sie schnell ein af en freu 3 genäht haben. Die Hitler - Fahne enthält diesen Reaktionären wohl zuviel Rot.
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