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1932
Der Abend
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Rechnen hilft nicht! Auch wenn man alles zusammenfragt, was an rechtsbürgerlichen Resten übrig geblieben ist, gibt es feine Harzburger Mehrheit. ,, Das Volk mill euch nicht mehr!" war die Sturmparole gegen Weimar . Und richtig, es gibt keine Mehrheit der Weimarer Koalition. Außerdem aber gibt es noch verschiedenes anderes, was das Bolt nicht will! Es will fein Harzburger Regiment, denn es hat der Rechten die Mehrheit versagt, und es will erst recht fein Hafenkreuzregiment, denn von je 1000 Wählern haben nur 355 für Hitler gestimmt, aber 645 gegen ihn!
Das Bolt hat am 24. April sowohl der gesamten Rechten wie erst recht der Nationalsozialistischen Partei die Vollmacht zur Regierungsübernahme verweigert. Neben diesem klaren staatsrechtlichen Tatbestand aber übt das Entstehen der großen bürgerlichen Einheitspartei, NSDAP . genannt, als politisches Faktum seinen starken Einfluß. Eine Partei hat ein Recht zu regieren erst dann, wenn sie die Mehrheit hat oder eine Mehrheit bildet aber ohne Rückficht auf staatsrechtliche Erwägungen fann es ein Gebot der politischen Klugheit sein, sie an die Macht heranzulassen, noch ehe sie Mehrheit geworden ist. Nur muß sie dann wirklich eine politische Partei sein und nicht eine bloße Abenteurerbande, nur muß man das Vertrauen haben, daß sie die in ihre Hände gelegte Macht nicht zu ungesetzlichen, verfassungswidrigen Zweden benüßen wird.
-
Dieses Vertrauen hegen wir gegenüber der NSDAP. in feiner Weise, es besteht also für uns fein Grund, ihr freimillig eine Position einzuräumen, die sie im Wahlkampf vergeblich zu erringen versucht hat. Gegenüber einer Regierung der Nationalsozialisten oder mit den Nationalsozialisten gibt es für uns nur die allerschärfste Opposition. Jeder Gedanke daran, sie irgendwie zu tolerieren oder ihre Entstehung stillschweigend zuzulassen, scheidet für uns Sozialdemofraten von vornherein vollständig aus.
Der neue Landtag.
Keine Mehrheit der Rechten.
Die Verteilung der Mandate im neuen Landtag ergibt das folgende Bild: Sozialdemokraten.
Zentrum Staatspartei Kommunisten
93 Nationalsozialisten 67 Deutschnationale
2 Volkspartei.. Christlich- Soziale Hannoveraner
•
57 219
162
Das amtliche Ergebnis.
Das vorläufige amtliche Endergebnis für die Wahl zum Preußischen Landtag laulet wie folgt:
Sozialdemokraten
Deutschnationale Volkspartei
31 Preußische Zentrumspartei
•
•
7Kommunistische Partei Deutschlands
2 Deutsche Volkspartei
4
1
203
Die Mehrheit von 422 Abgeordneten ist 212. Eine Mehrheitsbildung ist theoretisch nur möglich, wenn das Zentrum eine Koalition mit den Nationalsozialisten eingehen würde.
Die Liftenverteilung der Mandate.
Die Verteilung der zum Preußischen Landtag neugewählten Abgeordneten auf die einzelnen Listen ist folgende: Gesamtzahl der Abgeordneten: 422.
a) Direkt gewählt: 350.
b) Durch Berbindungen in den Wahlkreisverbänden gewählt: 31. c) Nach der Landesliste gewählt: 41.
Bolfsrechtpartei
Wirtschaftspartei
Deutsches Landvolk Junge Rechte Deutsche Staatspartei
.
Stimmen Mandate
•
4 674 943
93
.
•
1 524 931
31
3 374 413
67
•
2 819 602
57
330 807
7
1
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei .
Deutsch- Hannoversche Partei . Chriftlich- Sozialer Boltsdienst Sozialistische Arbeiterpartei. Radikaler Mittelstand. Nationale Sammlung
.
Interessengemeinschaft der kleinrentner usw.. Polnische Boltspartei
44 119
191 032
-
153 562 13.942 332 441
$ 008 219
-
-
2
162
63 803 255 068
1
2
80 437
-
9 949
6515
25518
57 731
Nationale Beamte, Angestellte u. freie Berufe Haus- und Landwirtepartei. Großdeutsche Liste Schmalig. Nationalistische Deutsche Arbeiterpartei
3 885
67 405
4570
11 592
a) direkt
b) Liften- c) nach verbindung Landesliste
82
6
5
zusammen 93
Preußisch Litauische Volkspartei
363
Schleswigiche Heimat.
2.301
•
19
4
8
31
Partei der Erwerbslosen.
3.461
55
7
5
67
1329
-
45
7
5
57
-
4
3
1
1
149
1
13
162
1 1
-
1
2
Die Verteilung auf die einzelnen Parteien ist folgende:
Sozialdemokraten Deutschnationale. Zentrum.. Kommunisten
.
Deutsch- Hannoveraner
31
72212
Herr Kube, der Stellvertreter Hitlers in Preußen, sagt in einer Erklärung, der preußische Ministerpräsident werde ,, von Hitler bestimmt" werden. Das ist ein staatsrechtlicher Irrtum. Der preußische Ministerpräsident wird vom Landtag Alle übrigen Parteien haben weder in einem Wahlkreis noch gemählt und zwar nach der jetzt abgeänderten Geschäfts- in einem Wahlkreisverband die erforderliche Stimmenzahl erreicht. ordnung mit absoluter Mehrheit. Will Herr Hitler , daß sein Kandidat Ministerpräsident wird, so wird er nicht nur die kleine Hugenberg - Partei und die übrigen Rechtssplitter, sondern auch das Zentrum bitten müssen, ihm seine Stimme zu geben.
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Der Aufruf des Zentrums, den wir an anderer Stelle wiedergeben, schließt die Möglichkeit, daß einer solchen Bitte millfahrt würde, nicht von vornherein aus. Man muß also damit rechnen, daß es zwischen dem Zentrum und den Nazis zu Verhandlungen über die Regierungsbildung kommen wird. Diesen Verhandlungen vorzugreifen liegt weder in unserer Macht noch in unserer Absicht. Nur soviel fann dazu gesagt werden: Sollten diese beiden Parteien miteinander einig werden, so müßte zum mindesten eine von ihnen ihr Wesen sehr stark verändern. Das Produkt einer solchen Einigung könnte von der Sozialdemokratie nur mit dem allerschärfsten Mißtrauen betrachtet werden denn was dabei herauskäme, fönnte nur das allerreaktionärste Bürgerblodregiment sein, das Deutschland jemals
erlebt hat.
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Solange eine neue verfassungsmäßige Regierung nicht gebildet ist, muß die alte Regierung die Geschäfte weiterführen. Es ist selbstverständlich, daß sie demissionieren muß, es ist aber ebenso selbstverständlich, daß sie nicht davonlaufen kann. Der alte Steuermann kann das Schiff nicht verlassen, bevor ein neuer an seinem Plaz steht er kann es um so weniger, als die Fahrt mit jedem Tag schwieriger zu werden droht. Um nur von einem zu sprechen-die Finanzschwierig feiten, die sich naturgemäß mit der Fortdauer der Krije verschärfen, erfordern, daß zu jeder Stunde eine attions: fähige Preußenregierung vorhanden ist, die im Einverständnis mit der Reichsregierung die notwendi gen Maßnahmen ergreift.
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Es sind insgesamt 22 069 849 gültige Stimmen abgegeben worden. Die Wahlbeteiligung befrug 81 Pro3.
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Hitler biedert sich an.
Erklärung des Zentrums- Vorstands.
In einer Erklärung des von Hitler für die preußischen Wahlen bestimmten Wahlleiters Rube heißt es, daß die Nationalsozia= listen bereit seien, mit jedem zusammenzuarbeiten, der ein Regierung ist für jedes Mitglied des preußischen Kabinetts ,, nationales", von sozialistischem Gerechtigkeitssinn erfülltes und von unter den gegebenen Umständen ein ungeheures persönliches fräftigem Geist veredeltes Preußen will. Niemand würde von Opfer. Es wird ihnen auch neue Angriffe einbringen. Aber den Nationalsozialisten von der Mitarbeit zurüdgewiesen(!) dieselben Leute, die morgen schreien werden, daß die Regie- werden. Der neue preußische Ministerpräsident werde von Hitler rung ,, klebt", würden übermorgen gegen die Regierung die bestimmt. allerschwersten Borwürfe erheben, wenn sie Amt und Pflicht vorzeitig verließe!
Also: Es werden Verhandlungen über eine neue Regierung geführt werden. An diesen Verhandlungen wird die Sozialdemokratie in feiner Weise beteiligt sein. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach lange dauern, und solange fie zu einem positiven Ergebnis nicht geführt haben, bleibt es Pflicht der in die Minderheit gedrängten Weimarer Koalition, die Geschäfte weiterzuführen. Nur so kann eine ruhige Linie der Entwicklung gewahrt werden, deren Unterbrechung durch Gewalttätigkeiten irgendwelcher Art weder vom Staat noch vom Reich geduldet
werden fann!
In einer Kundgebung des Vorstandes der Preußischen 3entrumspartei heißt es wörtlich:
,, Die neugewählte Zentrumsfraktion in Preußen wird entsprechend dem Aufruf zu Beginn des Wahlkampfes getreu dem Programm und der Ueberlieferung der Gesamtpartei auch im neuen Land das Ziel ihrer Politik in der Aufrechterhaltung christlichdeutscher Volkskultur und einer gesunden Volksdemokratie sehen. Sie ist bereit, mit allen Parteien zusammenzuarbeiten, die auf der Grundlage der Verfassung dem Wohle des ganzen Bolkes zu dienen entschlossen sind. Die Zentrumsfraktion wird sich jedoch in Zukunft mit aller Kraft weiterhin Bestrebungen widersetzen, die Staat und Verwaltung einer einseitigen Parteidiktatur ausliefern wollen und damit Ruhe und Ordnung und eine förderliche Reichspolitik gefährden würden."
Wachsamkeit, Raltblütigkeit, ungebrochene Ramp fesfreude bleiben bei der Sozialdemokra tischen Partei. Nicht zum erstenmal ist es diesmal ge= Pressestimmen aus dem Reich. schehen, daß die reaktionäre Belle über Bord schlug. Bei Organ des schlesischen Zentrums, beurteilt das Ergebnis des Die Schlesische Volkszeitung", das führende den Maiwahlen zum Reichstag 1924, die gleichfalls Krijen Wahlkampfes in Preußen wie folgt: wahlen waren, wurden die Deutschnationalen mit 106 Man- Wahltampfes in Preußen wie folgt: daten stärkste Partei. Was man heute Harzburg nennt, hatte im ganzen 146 Mandate, die Sozialdemokratie nur 100. Bier Jahre später, bei den Wahlen von 1928, war die Sozialdemokratie schon wieder so stark geworden, daß ihr die Führung der Reichsgeschäfte nicht verweigert werden konnte.
Die Kampffignale dröhnen: Alles her zur Sozial
Das Verbleiben im Amt bis zur Bildung einer neuen demokratie!
Eine arbeitsfähige Mehrheit ist nach dem preu Bifchem Wahlkampf nicht zu ersehen. Das wesentliche des Wahlkampfes aber ist, daß die Systembekämpfer, die Gegner Brünings in Breußen eine schwere Niederlage
,, Das staatspolitische Ziel des Wahlkampfes ist nicht erreicht.
erlitten haben. Die ruhige und stete Politik, die Preußen mehr als 10 Jahre geführt hat, ist durch das völlig unentschiedene Ergebnis in Frage gestellt, es sei denn, daß das Reich im Intereffe des ge. famten deutschen Boltes die schleifenden Zügel des größten deutschen