Morgenausgabe
Rr. 194
A 98
49. Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Dienstag
26. Apríl 1932
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Feiert den 1. Mai!
An alle Gewerkschaftsmitglieder!
Wer sind die Sieger?
Kritisches zum Wahlergebnis.
Der Großwahltag am 24. April brachte eine Anzahl bes höchster Bedeutung sind je schwerer der Kampf wird, um so flarer müssen wir den Dingen ins Auge sehen.
Am 1. Mai schaut die zerrüttete Welt auf eine Armee von Ar-| aufs stärkste beeinflußt wird von der Lösung des Problems der achtenswerter Tatsachen, die für unser weiteres Ringen von beitslosen, die auf 25 Millionen geschätzt wird. Fast jeder vierte Arbeitsbeschaffung und Fürsorge für die Erwerbslafen. von ihnen ist ein Reichsdeutscher. In der Fülle von Sorgen steht das Problem der Arbeitsbeschaffung und des Unterhalts der Erwerbslojen im Vordergrunde.
Nicht nur materielle Not lastet drückend auf den Schultern der Arbeitslosen und ihrer Familien. Die Jugend verliert durch erzwungene Arbeitsentwöhnung die berufliche Qualität, auf der zum großen Teil die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit und kulturelle Höhe unseres Landes beruht, und die Arbeitslosen insgesamt und die vielen, die ein gleiches Cos befürchten müssen, verlieren jegliche Zuversicht, wenn nicht das Uebel aufgehalten und nach Kräften befeitigt wird.
Interessententreise, die in dieser Not eine Gelegenheit sehen, zurückzusteuern in die für fie so bequemen Zeiten ungehemmter kapitaliffischer Willkür, benutzten die verzweifelte Stimmung, um mit der Cofung der nationalen Selbstbehauptung gegen das System", wie fie es nennen, Kräfte für sich mobil zu machen, die ihrem Schicksal
nach in die Reihen der Arbeiterbewegung gehören.
Zustände und Staatsformen, die ein Bolf von Analphabeten eben noch ertragen würde, preisen sie als Heilmittel und Weg zur Befreiung.
Zur Erreichung dieses Ziels scheuen sie sich nicht, Millionen von Arbeitern als Deutsche minderen Grades zu verleumden und so das Boltsbewußtsein zu vergiften.
Damit wird es far genug, daß die Existenz des Staates felbft
Das private Kapital hat in dieser harten Prüfungszeit verjagt. Von den öffentlichen Gewalten aber müssen wir verlangen, daß höchstens 40 Stunden pro Woche und durch öffentliche Arbeiten sie vor allem durch gesetzliche Beschränkung der Arbeitszeit auf Jede erlangbare Arbeitsmöglichkeit muß denen verschafft werden, so viele Köpfe und Hände wie möglich in Lohn und Brot bringen. die verzweifelt die Stempelstellen bevölkern.
Das Augenfälligste am Wahlergebnis ist die Berein der tollen 3ersplitterung, die uns in den letzten zehn Jahren fa chung des Parteien systems in Deutschland . Nach beichert war und für die der gegenwärtige Reichstag noch ein Beispiel ist er umfaßt fünfzehn Parteigruppen- In der Erfüllung dieser Aufgabe muß wahre Bolksverbunden. steuern wir deutlich auf das Fünf- Parteien- System zu: zwei heit fich zeigen. Die deutschen Gewerkschaften werden nicht aufhören, auf der Linken, zwei auf der Rechten und das Zentrum als für dieses Ziel zu kämpfen. Die deutsche Arbeiterbewegung, die auf einzige Mittelpartei. Soweit die Wähler selbst sich von den eine an Leistung und Opfern reiche Geschichte zurüdschaut, muß und Splitterparteien noch nicht losgemacht haben, sind ihre wird in dieser schweren Zeit der Erschütterung aller Berhältnisse den Stimmen einfach verloren, so beim Landvolk, bei der WirtPfad bahnen zu einer besseren Zukunft, zu einer geänderten Wirtschaftspartei, bei der jungen Rechten, zum Teil auch bei den faft, die jedem Arbeit und Brot gibt. Christlich- Sozialen, und der Staatspartei, erst recht bei der bedeutungslosen Sozialistischen Arbeiterpartei, die überhaupt Rechte viel stärker als die Linke, denn die beiden nationain ganz Breußen nur 84 000 Stimmen erhielt. Dabei ist die listischen Gruppen sind zunächst gewillt, gemeinsam zu handeln, während die beiden Linksparteien nicht nebeneinander, sondern gegeneinander stehen.
mehr denn je haben die deutschen Arbeiter und Angestellten in den politischen Kämpfen dieser Zage ihre sprichwörtliche Treue zu ihren Organisationen bewiesen. Sie werden diese erneut zum Ausdruck bringen durch machtoolle Kundgebungen am 1. Mai. Tretet an in Massen!
Demonstriert für Arbeitsbeschaffung und Vierzigstundenwoche, für Frieden und Völkerver: ständigung.
Die Rechte gebärdete sich in ihrem nationalsozialistischen Teil früher als Vertreterin neuer Ideen, einer in die Zukunft gerichteten Politik, was ihr zweifellos die Stimmen großer
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund . Allgemeiner freier Angestelltenbund. Teile der Jungwähler zuführte. Erst in den letzten Tagen
Enttäuschung rechts.
Der angekündigte Sieg ist ausgeblieben. Das Urteil über den Ausgang der Landtagswahl in der Breffe lautet ganz allgemein: die Hoffnungen der Rechten sind enttäuscht worden, die Hitlerträume der Eroberung der Mehrheit in Preußen ist nicht erreicht worden. So schreibt die ,, Germania " scharf pointiert:
,, Die Nationalsozialisten wollten bekanntlich für sich allein die Macht in Preußen erobern. Ergebnis: An diesem Ziele fehlt ihnen die runde Summe von fünfzig Mandaten. Herr Hugenberg seinerseits gab sich der lauten Hoffnung hin, daß die nationalsozialistische Masse in Verbindung mit den deutsch nationalen Köpfen zum Erwerb der Macht start genug sein werde. Ergebnis: Auch in dieser Rechnung fehlen rund 20 Mandate. Wieder andere, voran die Deutsche Allgemeine Zeitung", verkündeten das Ziel, daß die Parteien rechts des Zentrums insgesamt die Mehrheit gewinnen müßten. Ergebnis: Selbst diese bescheidene Erwartung der Oppo= sition bleibt mit einem Rückstand von einigen Mandaten unerfüllt. Der von der Rechten angestrebte und zuversichtlich erwartete Erfolg wurde also in feiner Form erreicht. Die Zentrumspartei , der die Wahl eine erhöhte Ver antwortung und eine in ihrer Bedeutung gesteigerte Funktion zu gemiesen hat, wird auch in dem neuen Landtag der sichere Garant einer sachlichen ordentlichen und vers faffungsgemäßen Staatsführung sein. Sie würde fich selbst aufgeben und den Staat auf das höchste gefährden, menn fie diesen wichtigsten Grundsatz ihrer politischen Arbeit und leber zeugung verlassen würde."
Aehnlich äußern sich die liberalen Zeitungen und der ,, Deutsche ". Auch die Deutsche Tageszeitung" stellt fest, daß die Hoffnungen der Rechten enttäuscht worden sind. Sie tröstet sich mit folgendem:
,, Theoretisch wäre aus den auf der Rechten verlorengegangenen Stimmen der kleinen Parteien eine knappe Rechtsmehr beit zu errechnen; praftisch werden diese Stimmen restlos nicht auf Nationalsozialisten und Deutschnationale zu bringen sein, so sehr man das bedauern mag."
Wir müssen ihr auch diesen letzten Trost nehmen: die theoretische Berechnung ergibt, daß die Rechte im Höchstfall 216 Mandate auf ihre 10,8 Millionen Stimmen hätte er halten können, während Sozialdemokraten, Zentrum und Kommunisten allein schon 217 Mandate haben, und daß bei voller Auswertung der Stimmenzahl der Staatspartei diesen 216 Mandaten der Rechten bei 10,8 Millionen Stimmen 224 Mandate bei 11,2 millionen Stimmen gegenüberstehen mürden. Es bleibt dabei: die Mehrheit des Volkes hat gegen die Rechte entschieben!
Die Kreuz- Zeitung ", das Organ des Stahlhelms, stellt das mit diesen Worten feft:
Die Wahlschlacht ist geschlagen. Mag das vorläufige amt. fiche Ergebnis auch noch die eine oder andere Korrettur erfahren, das Remis steht fest... Das positive 3iel des Wahl
tampfes, das uns allen vorschwebte, eine absolute Mehrheit der Rechten, eine Mehrheit aus Nationalsozialisten, Deutschnationalen und den Mittelgruppen rechts vom Zentrum, dieses Ziel zu erlämpfen, ist nicht geglüdt. Selbst menn man zu den Nationalsozialisten und den Deutschnationalen noch die Trümmer der Mittelgruppen hinzurechnet, fehlen zu einer absoluten Mehrheit der Rechten ungefähr zehn Mandate."
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hat sie den Kopf rüdmärts gefehrt, offen bekannt, daß Breußen wieder preußisch" werden müsse. In dieser Parole fommt die innere Bandlung der regierungswilligen Nationalsozialisten zum Ausdrud.
Mer marschiert heute hinter Hitler und dem Hakenkreuz einher? Es sind alle uns wohlbekannten Mächte im alten Preußen, die sich plößlich als Nationalsozialisten drapieren. Da sind die Großgrundbefizer des Ostens, die Grafen Eulenburg, Zedlih, Kalkreuth, die Herren von Jhenpliz und Zugleich setzt das Stahlhelmorgan den Deutschnationalen Röderiz, die sich das braune Hemd überwarfen, damit das auseinander, daß sie es nur dem Stahlhelm zu verdanken Bolt seine alten Pappenheimer nicht so recht erkennt. Da sind hätten, daß sie nicht noch mehr zusammengehauen worden sind. die Generäle und Admiräle, die Liezmann, von der Im deutschnationalen Lager versucht man natürlich, die Golz und Epp, die sich eine Welt nicht denken können, in gewaltige Niederlage Hugenbergs zu verder das Volk vor ihren roten Aufschlägen nicht stramm fuschen. Die Hugenberg- Bresse schreit zu diesem Zwecke stehen will. Da sind die Prinzen und Fürsten , die laut über den gewaltigen Mandatsverlust der Sozialdemo- August Wilhelm und Friedrich Wilhelm , Fürst von Lippe, fratie, die 44 Mandate verloren habe Taschenspielerkunststück anwendet, die Aenderung des Wahl- Herzog von Koburg , die plötzlich alle Mitglieder der Arbeiterpartei geworden, che sie noch richtig zum Arbeiten gekommen quotienten zu verschweigen, durch die zunächst einmal 28 von partei geworden, ehe sie noch richtig zum Arbeiten gekommen den bisherigen 137 Mandaten der Sozialdemokratie abge- sind. Da sind die Schwerindustriellen von Thyssen rechnet werden müssen! und Kirdorf bis zum ganzen Reichsverband der deutschen Industrie , die schon in Harzburg dem Gefreiten Hitler brüderlich die Hände drückten. Alles, was im alten Preußen und
wobei man das
Wir wollen euch nicht mehr!
Aber bei Hugenberg hat man noch ganz andere Schmerzen! Wenn eine Rechtstoalition mit Hilfe des Zentrums gebildet werden sollte, so ist Hugenberg mit seiner Graftion dabei völlig überflüssig. Nach der Parole Wir wollen euch nicht mehr!" erklärt ihm die Germania ":
., Herr Hugenberg, der auszog, um Preußen zu erobern, fizt jedenfalls auch heute wieder zwischen sämtlichen Stühlen in einer Döllig einflußlosen Position, und es ist überflüffig, ihn um seine Meinung über die politische Weiterentwicklung in Preußen überhaupt zu befragen."
Das ist bitter, und Hugenbergs, Lokal- Anzeiger" 3weifellos gibt es in den Reihen des Zentrums Leute, die bereits an eine preußische 3 weiherrschaft des Zentrums zusammen mit den Nationalsozialisten denken. Der Wiz der Sache Ausschaltung der Deutsch nationalen. wäre die Zahlenmäßig wäre das Spiel vorstellbar. Auch würden die Sentrumswähler sich wohl auch das gefallen laffen."
schreit deshalb schon Ach und Weh:
Die Deutsche Allgemeine Zeitung" betont, daß Hugenberg mit von der Partie sein müsse:
"
,, Es wäre ein glückliches Ereignis in der deutschen Geschichte, wenn diese große Rechtstoalition verwirklicht werden tönnte. Neben der alle Dämme des Herkommens überflutenden nationalen Erneuerungsbewegung, mit ihrem gewaltigen Ueberschuß an Elan und jugendlicher Begeisterungsfähigkeit, würden in ihr die bewährte politische Erfahrung der Deutsch nationalen Partei und des Die Zentrums stehen. Deutsch nationalen haben auch in den neuen Landtag einige Persönlichkeiten ersten Ranges entsandt, Die selbst auf der Linken hohe Wertschägung genießen."
Der Schuß Hugenbergs ist nach hinten losgegangen! Man will ihn nicht mehr!
Deutschland die Reaktion verkörperte, erscheint heute unter dem Hakenkreuz wieder und erträumt sich im Dritten Reich das alte Preußen mit seiner Entrechtung der Armen, seiner Bevorzugung von Bildung und Besiz( d. h. des Geldsacks) und seiner Vorherrschaft der besseren Rasse"( d. h. des Adels) und seiner Unterwerfung aller übrigen Volksschichten. Sollten radikale Elemente um Straßer und Reventlow den Versuch wirklicher sozialistischer oder auch nur volkstümlicher Maßnahmen unternehmen, dann zerspringt der Block, der zur Gewinnung des beschränkten Kleinbürgers und Proletariers gut ist, aber nicht zur Erfüllung ihrer Wünsche. Auf der Erfüllung ihrer Wünsche aber werden diese Wählerschichten, die ja auch drüben die erdrückende Mehrheit bilden, denen das Dritte Reich in Aussicht gestellt war, nun etwas ungeduldiger pochen denn Braun- Severing und die Margisten waren ja das einzige Hindernis ihres Glücks. Jezt ist ja nach der Behauptung ihrer Führer der große Sieg errungen, der Margismus liegt niedergestreckt im Sand- der Razenjammer fann also beginnen. Jetzt warten die Sieger, Städter und Landleute, Hausbesizer und Mieter, Bauern und Großgrundbesizer, Beamte und Angestellte, Fabrikbefizer und Arbeiter auf die Erfüllung dessen, was jedem von ihnen versprochen wurde und in wenigen Monaten wird jeder von ihnen spüren, wie schwer er ge
täuscht wurde.
Denn dieser Sieg erhöht ja die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, unter denen wir leiden. Er vermehrt die außenpolitischen Konflikte, er verschärft die Krise, er fann den Gläubigen nichts, gar nichts non den Hoffnungen erfüllen, die ermeckt wurden.
Mit perdächtiger Sehnsucht sind plötzlich die Augen der