1932
Der Abend
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49. Jahrgang
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Tardieus Halsschmerzen
Die Absage Tarbieus hat in Genf allgemein eine schwere Enttäuschung hervorgerufen, weil damit sofort Har wurde, daß die Abrüstungs. fonferenz festgefahren ist und bestenfalls er st nach Pfingsten wieder flott gemacht werden kann. Denn eine Ueberbrückung des deutsch - französischen Gegen. sakes, der übrigens auch ein Gegensatz zwischen Frank. reich und den übrigen Mächten ist, vor allem hinsichtlich der Zerstörung der Angriffswaffen, ist vor dem Ablauf der französischen Wahlen nicht zu erhoffen. Die Stichwahlen finden am 8. Mai statt, der darauf folgende Sonntag ist Pfingsten vor der zweiten Mai. hälfte ist also keine Entscheidung und kein positiver Fort schritt mehr in Genf zu erwarten.
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Die Aussichten für einen Ausgleich sind dadurch nicht beffer geworden, daß Staatsfefretär Stimson, der fich anscheinend ftart gemacht hatte, cin& ompromiß zwischen Tardieu und Brüning zu ermöglichen, nunmehr selber nach Amerita zurüdreifen muß. Er hat bas, in einen Telegramm an Tardieu felber mitgeteilt, in bem er bedauert, daß es ihm nicht mehr möglich ist, den franzöfifchen Ministerpräsidenten mieberzusehen. Aus dem Telegraman, in den Stimson übrigens auf seinen eigenen schlechten Gefundheitszustand htumeift, spricht ein deutlicher Unterion des Nergers über die Abfage des französischen Regierungschefs.
Offenbar ist der allgemeine Einbrud in Genf , ber natürlich in ben offiziellen Aeußerungen nicht zum Ausbrud tommt, daß es fich
bei Tardieu
doch um eine diplomatische Krankheit" handelt; mit anderen Worten, daß sich der französische Minister präsident nicht in die Gefahr begeben wollte, fid) por den Wahlen bem Drud Ameritas und Englands persönlich auszusetzen und sich in der Frage der Abschaffung der Angriffswaffen Bugeständnisse abringen zu lassen, die bei seiner nationalistischen Anhängerschaft Berärgerung erzeugt haben würden.
Solche Konzeffionen häffe die Cinfe, hätten im besonderen die Sozialisten mit Recht als eine diplomatische Niederlage bes bramarbasierenden Ministerpräsidenten und feiner bisherigen
Mehrheit bezeichnen können. Das mollte er vermeiden.
Es mag wohl sein, daß die Halsschmerzen Tardieus echt Es mag wohl sein, daß die als schmerzen Tardieus echt find, aber jedenfalls tommen fie ihm sehr gelegen.
Richtig ist, daß aus der für morgen geplanten Besprechung der Großen Fünf", eben megen der franzöfifchen Wahlen, nicht viel herausgekommen wäre.
Man gewinnt immer stärker den Eindruck, daß ein wirklicher Fortschritt auf der Abrüstungskonferenz nur bann erwartet werden fann, wenn die bisherige Rechts. mehrheit im französischen Parlament verschwindet und wenn Tardieu einem anderen, fortschrittlicheren Ne gierungschef Plah machen muß. Eine verständigungs. bereitere Regierung in Frankreich würde freilich nichts nügen, wenn gleichzeitig die tunerpolitische Ent widlung in Deutschland dazu führen würde, daß eine weniger verständigungsbereite Reichsregierung ans Ruder tame.
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Abrüstung hängt von Frankreich ab! Blum über die Bedeutung der franzöfifchen Wahlen. Paris , 28. April. ( Eigenbericht.) Mit dem Herannahen des Wahltages in Frankreich nimmt der Wahltampf, ber, non unbedeutenden 3wischenfällen abgefehen, völlig ruhig verlaufen ist, etwas leidenschaftlichere Formen an. Béon Blum forbert im Populaire" alle Randidaten der fozialistischen Bartei auf, in den legten Tagen ber Wahlfampagne ben Wählermassen die Bedeutung der Bertagung der Genfer brüfungsperhondlungen bis nach den französischen Bahlen farzumachen. Die Bertagung sei erfolgt, weil die Konferenz das Urteil der französischen Wähler abwarten wolle und weil sie haffe, daß nach den Wahlen die Uebereinstimmung zwischen ber Meltmeinung und der Leitung der französischen Bolitit mieber hergestellt werde und dann eine einmütige Entschließung über eine fofortige Herabjegung der Rüstungen und der Militärfrebile möglich fei. Erfolg oder Mißerfolg der Abrüftungstonferenz hingen aljo nou den franzöfifchen Wahlen ab.
Koalitionsgespräche"
Besondere Freundlichkeiten der Nazis für das Zentrum
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zwischen Nationalsozialisten und Sentrum tag ausscheiden. Einen niedlichen Beitrag zum Koalitionsgerede soll der Abg. Dr. Joers aus ,, beruflichen Gründen aus dem Lande liefert das hannoversche Naziorgan, das wie ein Elefant im Porzellanladen wütet. Das Blatt schreibt in einer Polemik u. a. folgendes in bezug auf das Zentrum:
,, Der Anzeiger nennt es also hervorragend geschlagen, menn das Zentrum den Einfluß der Kanzel und des Beichtstuhls dazu mißbraucht, um seine wählerzahl zu halten. Hervorragend" ist es also nach dem Anzeiger, wenn die Gegner des Sentrums nicht in der Lage find, mit demselben minderwertigen Geschüß in die Schlacht zu gehen, weil sie es ablehnen, die Religion zur Dirne der Politif zu erniedrigen... Das, was beim Zentrum vorliegt, ist nichts weiter als eine durch religiösen Gewissenszwang gewaltfam und ohne eigenen willen des einzelnen zusammengehaltene Kirch gänger- Gemeinschaft, die mit einer Volfsgemeinschaft, die nationalen Ursprungs ift, abfolut nichts gemein hat, sondern ebenso gut über eine auf fo schmierige, widerliche und niedrige Art zusammendie Grenzen einer Nation bestehen tönnte. Der Anzeiger nennt gehaltene willenlose Herde eine Boltsgemeinschaft in engeren Grenzen!!"
Das sieht ganz danach aus, als ob die Hafenfrenzler eine befondere Sehnsucht hätten, mit dem fatholischen Christenfreuz zu gemeinsamer Arbeit zusammenzukommen.
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auf Roalitionsfähigteit herauszupugen. In der Die Nationalsozialisten zeigen auch anderwärts das Bemühen, fidh Annahme, daß sie in Breußen durch irgendeine Zufälligkeit an die Macht tommen, veranlaßten nunmehr auch die heiligen Nationalsozialisten, die Koalitionsbesprechungen mit dem Zentrum neu einzuleiten. Es werden Borfühler ausgeftredt.
Um ihre Manierlichkeit zu beweisen, haben die Nazis schon im heffischen Finanzausschuß einzelnen Etatspofitionen der marristi fchen Frattion" zugestimmt. Auch auf andere Art versuchen fie jegt, fich anzubiedern. Sie beginnen ihre Reihen zu fäubern. Der Abgeordnete Buttler, ber vor turzem ein Attentat auf feine Person portäuschte, mußte sein Mandat nieber legen. An feine Stelle ist Stadtrat Zürk- Darmstadt in den Hessischen Landtag eingetreten. Das Süddeutsche Wagner- Büro meldet, daß demnächst noch weitere Mitglieder der Nazifrattion ausgewechselt werden sollen. Cinmal handelt es sich um zwei Raziabgeordnete, die mit dem Strafgeset in Konflikt gekommen sind. Andererseits will der Abg. Lenz ,, infolge anderweitiger Inanspruchnahme" fcin Mandat niederlegen. Ferner
Herriot veröffentlicht in der Ere Nouvelle" und in der Republique" Artitel, in denen er seiner Hoffnung auf einen Sieg Radikalen stimmen weil ihre Dottrin am besten den Pflichten der der Radikalen Ausdruck gibt. Er schreibt: Man wird für die Gegenwart angepaßt ist, weil die Radikalen eine bescheidene und vorsichtige Finanzpolitit verlangen, und versprochen haben, daß ihre erste Sorge der Wiederherstellung des Budgetgleichgewichts gelte. Man wird für die Radikalen stimmen, weil sie aut dem Gebiet der Bandesverteidigung und der Sicherheit alle lebertreibungen! ablehnen. Sie wollen die Abrüstung, fie wollen die Herab. legung der Militärfrebite, aber fie behaupten nicht, daß diese Herab. fegung allein ein Heilmittel für alle Uebel barstellen fann. Solange es noch Männer wie Hitler gibt, wollen die Rabitalen die Sicherheit des Landes gewährleisten, denn sie erinnern fich der Bergangenheit."
Das ist aber noch nicht alles. Nach demselben Korrespondenz büro ist Herrn Karl Bengold, bisher Mitglied der Gauleitung der NSDAP . Hessen , aus der NSDAP . ausgeschloffen worden. Mengold mar derjenige, der in einem Brief offen zugegeben hatte, daß die Reichsleitung der NSDAP . vor den Bor beimer Dotumenten genau unterrichtet mar!
Der Nazi Professor.
Der Badtsche Bandtag stimmte mit allen gegen 13 Stime men der Kommunisten, Rationalsozialisten und Deutschnationalen einem Antrag des Unterrichtsministers auf Aufhebung der Ime munität des nationalsozialistischen Abgeordneten Profeffors Serbert Straft zur Durchführung eines förmlichen richtserstatters Deufel( 3entrum) ging hervor, daß der Winifter in Dienst strafperfahrens zu. Aus den Darlegungen des Bes dem Berhalten des Abgeordneten Kraft in der Landtagsfizung vom 17. Februar d. 3., wo er den 3entrumsabgeordneten Silbert verlegte und in der Aeußerung des gleichen Abge= ordneten in einer Bersammlung der NSDAP. in Karlsruhe ant 7. April d. J., der Landtag fei ein polizeilich genehmige ter Unfug", eine schmere Berlegung der Dienst- und Standess pflichten erblidt.
Flucht vor der Arbeitspflicht. Raziparole: Wer die Arbeit fennt und sich nicht drückt... Naziparole: Wer die Arbeit fennt und sich nicht drückt...
Weimar , 28. April. ( Eigenbericht.)
Die Nationalsozialisten forderten heute zu Beginn der Landtags fizung, daß ihr Antrag auf Auflösung des Landtags als erster Bunft auf die Tagesordnung gefeßt werde. Die legten Wahlen hätten bewiesen, daß die Thüringer Regierung niemanden mehr hinter fich hätte; denn der Bandbund, die Wirtschaftspartei und die Deutsche Boltspartei feien bei den Wahlen fast vollstädig aufgerieben worden. Der Frattionsführer des Landbundes widersprach dem Verlangen ber Nationalsozialisten. Der Antrag tonnte infolgebessen nicht verhandelt merden. Darauf erklärte der Fraktionsvorsitzende der Nationalfozia. liften, Abgeordneter Sau del, baß fie nunmehr fein Interesse an den weiteren Berhandlungen des Landtages hätten und den weiteren Sigungen nicht mehr beiwohnen würden. Sie verließen darauf geschlossen den Sigungsfaal.
ausgetommen wäre. Das Journal" erklärt, daß man in einigen Stunden sicherlich nicht eine Brüde über den Abgrund Lösung der Probleme bedürfe einer gründlichen Borbereitung und hätte schlagen können, der Deutschland von Frankreich trennt. Die vor ständnisse und hintergedanken zu beseitigen. allem offener Erklärungen, die geeignet feien, alle Mißvers
40- Stunden- Woche!
Konferenz der Reichsministerien und Ländervertreter. Heute früh haben im Reichsarbeitsministerium Besprechungen mit den Referenten der Reichsrefforts und der Sozialministerien der Cänder über die Frage einer Arbeitszeitverkürzung begonnen. Den Borfih führt Ministerialdirektor Dr. Sigler.
21 orgen folgt eine Besprechung mit den Vertretern der Unternehmer und der Arbeiterverbände unter dem Borsig eines Minifterial.
Botschafter v. Hoefd reist heute abend von hier zu Be dirigenten. Das Reichsarbeitsministerium bemüht fich aber mit fprechungen mit Reichsfangler Dr. Brüning nadh Genf .
großer Emfigkeit, diele Tagungen als ganz übliche und rein technische Besprechungen ohne größere politische Bedeutung hinzustellen. Man verweist darauf, daß Minifter Stegerwald morgen in Erfurt auf einer Konferenz fatholischer taufmännischer Bereine fprechen und fich dabei auch über die Cohnpolitit äußern wird.
Eine Notverordnung betreffend die Invalidenversiche.
Die Genfer Berichterstatter der großen Pariser Zeitungen ver. treten gegenüber der Enttäuschung, die die Ablage der gerung ist nach offiziöfer Erflärung nicht beabsichtigt. Man arbeitet planten Sufammentunit zwischen Stimson , Macdonald, Brüning und Tardieu infolge der Erkrankung des franzöfifchen Ministerpräsidenten bei den meisten Delegationen hervorgerufen hat, übereinstimmend den Standpuntt, baß bei einer furzen Besprechung nicht viel ber
an einer Gejezvorlage, die wahrscheinlich dem Reichsrat und dem Reichstag zur parlamentarischen Behandlung zugehen wird. Das Reichskabinett hat sich mit dieser Angelegenheit noch nicht abschließend beschäftigt