Morgenausgabe
Nr. 202
A 102
49. Jahrgang
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Willfür in Braunschweig . Der Weg der Pflicht.
Redeverbot gegen Kuttner.- Borzenjur über Mai- Reden.
Braunschweig , 29. April. ( Eigenbericht.) Wie bereits mitgeteilt, hat Minifter klagges in Braunschweig alle Maifeiern unter freiem Himmel verboten. Die Braunschweiger Parteigenoffen hatten daraufhin zwei geschlossene Kundgebungen nach dem„ Hofjäger" und dem„ Konzerthaus " einberufen. Als Redner waren der braunschweigische Landtagsabgeordnete ThieleRedner waren der braunschweigische Landtagsabgeordnete Thielemann und der preußische Landtagsabgeordnete Kuttner vorgefehen.
Am Freitagnachmittag wurde vom Polizeipräsidium Braun schweig unserer Parteileitung mitgeteilt, daß die Bersammlungen nur unter folgender Auflage" stattfinden dürften:
1. Kuttner dürfe nicht reden.
blatts" Bezug genommen, monach der Berliner Polizeipräsi dent Grzesinsti in Leipzig erklärt hat, daß eine faschistische Regierung den Bürgerfrieg bringen würde".
Das der Fraktion jetzt zugegangene Antwortschreiben des Reichs innenministers betont, daß nach den angestellten Ermittlungen die angeführte Bemerkung des Polizeipräsidenten Grzesinski tatsächlich so gefallen sei. Die dem Reichstagspräsidenten in den Mund gelegten Redewendungen seien aber in der wiedergegebenen Form nicht gebraucht worden. Löbe habe vielmehr die Legali tätsbeteuerungen Hitlers im Hinblick auf deffen eigene Bergangenheit wie auf die vielfachen Reden seiner Unterführer in 3weifel gezogen und dann auseinandergesetzt, daß eine Le gale Machtergreifung Hitlers ausgeschlossen sei, mehrheit des Reichstags herbeigeführt werden, Hitler merde aber nicht zu zweifeln sei, dann könne dies nur unter Bruch der Berdiese Mehrheit niemals erreichen. Wolle er an die Macht, moran fassung geschehen, mogegen die Arbeiter entschieden Front machen und der Gewalt auch Gewalt entgegensegen würden. Löbe hat weiter keine Zweifel darüber gelassen, daß die SPD . den Kampf geistig führe, die rohe Gemalt ablehne und nur gezwungen auf eine andere Plattform des Kampfes treten würde. Aus diesen Ausführungen sei eine Bürgerkriegsdrohung des Reichstagspräsidenten nicht zu ent nehmen.
2. Der Erfahreferent müsse dem Polizeipräsidium bis denn nach der Verfassung könne ihre Aenderung nur mit 3weidrittel 6 Uhr abends(!) mitgeteilt werden,
3. Das Demonstrationsverbot fowie die Person des Ministers& lagges dürften in den Ansprachen nicht erwähnt
werden.
Man erkennt hieraus, mit welchem Recht die Nazis sich über ..Unterdrückung" beschweren, und wie die Freiheit aussieht, die sie felber zu gewähren beabsichtigen.
Belehrung für Hitler.
Ein Antwortschreiben des Reichsinnenministers an die nationalsozialistische Reichstagsfraktion.
Die nationalsozialistische Reichstagsfraktion hatte in einer Anfrage an die Reichsregierung auf einen Bericht des Bormärts" verwiesen, nach dem Reichstagspräsident Löbe in einer Kieler Rundgebung der Eisernen Front u. a. gefagt hat:„ Die Bolts massen der„ Eisernen Front" würden die Machtergreifung der Nationalsozialisten verhindern... Auch die legale" Machtergreifung der Nationalsozialisten wird nicht ruhig hingenommen werden." Weiter hatte die Fraktion auf eine Mitteilung des Berliner Tage
Unwahrhaftig und taktlos.
Breitscheid über Tardieus Rede.
Ueber die Rede Tardieus in Belfort , auf die wir in der gestrigen Ausgabe des Vorwärts" bereits eingegangen sind, schreibt Genoffe Rudolf Breitscheid im„ Sozialdemokratischen Pressedienst" u. a.:
,, Es ist zunächst ein Beweis für einen starten Mangel an politischem Tattgefühl, menn der Chef einer Regierung sich in seinen Reden in solcher Weise in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischt und Barteien angreift, mit deren Vertretern er nebenbei unter Umständen noch einmal wieder auf internationalen Konferenzen zusammenarbeiten muß, so mie er beispielsweise mit Macdonald verhandelt hat, als dieser noch Chef der britischen Labour Barty war. Aber über Tastfragen wollen wir mit Tardieu nicht streiten, und ebenso lehnen wir es ab, ihm eine Speziallektion über das wirken der sozialdemokratischen Parteien und besonders der
deutschen Sozialdemokratie zu erteilen. Das hätte mur dann einen Ginn, wenn man bei ihm den guten Willen voraussegen könnte, die deutschen Berhältnisse zu begreifen und sich über die Rolle, die die Sozialdemokratie tatsächlich gespielt hat, zu informieren. Diese Boraussetzungen sind nicht gegeben, denn Herr Tardieu bedient sich bemußt des verwerflichen Mittels einer unwahrhaftigen Demagogie. Das Bemerkenswerte ist nur, daß der
feine Waffen der Rüstfammer der deutschen Nationalsozialisten entnimmt
und dieser, was ihm schon einmal unser Freund Grumbach in der französischen Kammer vorgeworfen hat, damit seine Unterstügung angedeihen läßt. Der französische Ministerpräsident Arm in Arm mit Herrn Hitler als Gegner des„ Systems" und des„ Marrismus“ - ein erhebendes Bild!
Doch die Nationalsozialisten werden nicht nur gebraucht, um den französischen Nationalisten Waffen gegen die deutschen und französi schen Sozialisten zu liefern, sie sind ihnen vielmehr insofern von Nuzzen, als sie ihnen Argumente gegen eine Aenderung der französischen Außenpolitik zur Verfügung stellen. Tardieu und die, die mit ihm auf derselben Linie marschieren, meisen auf den Wahlerfolg des Hitlertums in Preußen hin und ziehen daraus den Schluß, daß hier die neue große Gefahr für die
Dasselbe gelte aber auch für die Bemertung des Polizei präsidenten Grzesinsti, da das Wort legal" in dem Bericht ausdrücklich in Anführungszeichen gefeßt sei, also andeuten solle, daß eine wirklich legale Machtergreifung eben nicht erwartet werden fönne. Es hätten offenbar beide Rebner zum Ausdrud bringen mollen, daß sie die Bürgerfriegs: androhung auf der nationalsozialistischen Seite sähen, sich selbst also in Abwehrstellung zum Schuße der bestehenden | Staatsform befänden. Eine Gemaltandrohung im Falle der Regierungsübernahme durch die NSDAP . sei unter der Voraus fegung, daß sie auf mirklich legalem Wege geschehen sollte, in den beanstandeten Aeußerungen demnach nicht zu erblicken.
Unmut und Erbitterung über das Elend der Wirtschaftsfrise haben sich bei den Landtagswahlen in einem Mehrheitspotum für die Opposition entladen. Die beiden extremsten Parteien, Nationalsozialisten und Kommunisten, haben zusammen mit 219 von 422 Sizzen die Majorität. Daraus folgt ohne weiteres, daß eine Mehrheitsbildung in diesem Landtag nicht möglich ist, solange diese beiden Parteien in der Opposition verharren.
in einem normal funktionierenden parlamentarischen System Nun ist der Wechsel zwischen Opposition und Regierung der gegebene Zustand. Die Opposition muß, wenn sie Mehrheit geworden ist, heran an die Regierung und muß zeigen, mas fie fann. Die in die Minderheit geratenen Regierungsparteien behalten als kontrollierende und kritisierende Faktoren ihre Bedeutung. Sie sind dann zwar nicht ,, verantwortungslos", follen es wenigstens nicht sein, aber sie sind Verantwortung, der Verantwortung an der Regierung, bebis auf weiteres von der am allerschwersten zu tragenden freit und in diesem Sinne gewissermaßen auf Er holungsurlaub".
Es gibt wohl feinen Sozialdemokraten an beamteter oder nichtbeamteter Stelle, der seiner Partei und wenn er das Unglück hat, Minister zu sein, sich selber einen solchen Erholungsurlaub nicht von Herzen münschte und gönnte. Ja, es wäre eine wahre Lust, sich mun schleunigst auf die Bänke der Kritik zu begeben und von da aus zu zusehen, was die Nationalsozialisten als Regierende von ihren großen Bersprechungen zu erfüllen imstande sind!
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Die hemmungslose Agitation der Nationalsozialisten das habe ich schon an anderer Stelle ausgesprochen hat ja Wirtschaftsnot, die Steuerlast, die Arbeitslosigkeit, das nur deshalb so viele Anhänger gefunden, meil sie die drückende Stocken von Handel und Wandel, die Kürzung der Gehälter und Löhne den republikanischen Parteien zur Last legte. Die Nationalsozialisten haben skrupellos diese schlimmen und
Sicherheit Frankreichs in Erscheinung trete, die man mit allen schweren Folgen des Weltkrieges und der Wirtschaftsfrise als Mitteln abzuwehren habe.
Bom Standpunkt des französischen Ministerpräsidenten gesehen, ist es nicht nur undenkbar, sondern auch eine Un mahrhaftig feit, wenn er so tut, als ob ihm der, Triumph des Halenkreuzler tums Schrecken einflöße. Im Grunde wird er Herrn Hitler dankbar sein, denn sein Erfolg verhilft ihm zu einem bequemen Borwand gegen die Abkehr vom Wege außenpolitischer Unvernunft und er stellt ihn außerdem für die Zukunft einen wertvollen Bundes genossen in dem internationalen Kampf gegen den Sozialismus und für die Aufrechterhaltung fapitalistischer Reaktion in Aussicht.
Nazi- Programm.
Endlich bekanntgemacht.
In einer Wiener Versammlung sagte der neue Nazi- Gemeinde rat Grazelberger, der sein Braunhemd mit einer Unmenge Blech rat Grazelberger, der sein Braunhemd mit einer Unmenge Blech behängt hatte:
„ Sie dürfen vorläufig von uns teine fachliche Arbeit im Gemeinderat erwarten. Wir wollen nichts anderes, als Opposition machen. Wir wollen es ihnen auf mischen!"
Die 15 Nazis in dem hundertköpfigen Gemeinderat müssen zu nächst, wie alle, das Gelöbnis auf die Verfassung des Staates und des Landes Wien leisten. Gegen ordnungswidriges Benehmen kann der Disziplinarausschuß die Ausschließung für die laufende und auch noch für die nächste Sigung beschließen. Bei Nichtbefolgung tritt automatisch Mandatsverlust ein. werden sich die Nazis wie man in Wien sagt schon moderieren!
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Da
1. Mai, 13 Uhr, Lustgarten!
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abwendbar dargestellt. Sie haben versprochen, alles zu bessern, wenn sie regieren würden. Ist es nicht be greiflich, wenn sich der lebhafte Wunsch regt, nunmehr den Nationalsozialisten Gelegen heit zu geben, ihre Worte mit den harten Tatsachen in Einklang zu bringen?
Indes muß dieser Wunsch an eine Voraussetzung geknüpft bleiben: Der Schaden, der aus einem solchen Erperiment ermächst, darf nicht irreparabel sein. Würde zum Beispiel die Außenpolitik des Reiches von den Nationalsozialisten im Sinne ihrer bisherigen Propaganda beeinflußt, so fönnte der Schaden so groß merden, daß eine spätere Korrektur durch Neuwahlen nicht mehr imftande wäre, ihn wieder gut zu machen. Und zweitens: Gelänge es den Nationalsozialisten, das staatliche Leben so in Bermirrung zu bringen, daß ein normales Funktionieren der Opposition nicht mehr möglich märe mit anderen Worten: drohte von einer regierenden nationalsozialistischen Partei die Gefahr, daß sie unter Bruch der Verfassung ihre Alleinherrschaft aufzurichten versuchte, so wären die Folgen erst recht unabsehbar und äußerst unheilvoll. Mit schwerer Schuld würden sich dann diejenigen beladen haben, die die Nationalsozialisten an die Regierung herangelassen hätten.
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Der Beschluß des Kabinetts, den neuen Landtag zum frühesten Termin einzuberufen und ihm seinen Rücktritt anzuzeigen, hat allgemeine Billigung gefunden. Die alte Regierung gibt dem neuen Landtag zum frühesten Termin Gelegenheit, seine Arbeitsfähigkeit zu zeigen. Sie kann aber selbstverständlich auch nicht den Landtag in eine Zwangslage versetzen, indem sie ohne ordnungsmäßige Ablösung eigenmächtig ihren Platz verläßt. Der Landtag fann an jedem Tage den gegenwärtigen Ministerpräsidenten von seinem Plage entfernen, indem er einen neuen wählt und ihm sein Bertrauen gibt. Aber die Parteien, von denen die Mehrheits
Fahnen heraus zum 1.Mai!