Rr. 202 49. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonnabend, 30. April 1932
Rund um den Schwielowsee . Raziterrorbanden in Steglit.
Einer der merkwürdigsten Seen in der näheren Umgebung Berlins ist der Schwielowsee , der sich über eine Fläche von 5 Kilometer Länge und 2 Kilometer Breite erstreckt. Dieser See ist das Geschen? eines gewaltigen Hochwassers, das die Fluten der Havel über den Damm hinwegtrieb, der die in einer Senfe liegenden Wiesen schützte. Dort, wo heute die Dom Winde hochaufgeschaufelten Wellen des Schwielowjees mogen, weideten einst friedlich die Herden der Havelanwohner. Die vielen Untiefen des Sees zeigen noch heute, daß es ein hügliges, abwechslungsreiches Gelände war, das dem Einbruch der ausgestauten Havelmasser erlag. Troz der großen Nähe Berlins sind die Ufer des Schwielow jees verhältnismäßig einsam und reiznoll geblieben. Außer dem märkischen Obstdorf Caputh , das längst auf dem Wege ist, ein moderner Kurort zu werden, und Ferch , das am Ende des Sees idyllisch zwischen| Höhen oder am Ufer des Schmielowsees entlang nach Ferch Wasser, Wald und Wiesen eingebettet liegt, finden wir nur das durch die Kähnes zu traurigem Ruf gelangte Petzow an den Ufern des weitgestreckten Wassers. Mancher Ausländer hat die Schönheit dieser Waldwasserlandschaft begeistert gepriesen, die in der Tat einen Höhepunkt märkischer Landschaftsschönheit darstellt.
Der Vorortzug fährt ab Potsdamer Bahnhof oder von der Stadtbahn nach Potsdam . Wir wandern durch die Leipziger Straße am Forsthaus Sternschanze vorüber zur Havel chaussee , die am Forsthaus Templin vorüber nach Caputh führt. Ein anderer Weg führt zum Potsdamer Luftschiffbafen. Bis hierher fann man auch ab Potsdam - Bahnhof mit der Straßenbahn fahren. Nun auf der schönen Havelchaussee bis zum Bezinsee und von hier zur Fähre nach Caputh . Etwa einen halben Kilometer hinter der Uebersetzstelle fann man links zum Krähenberg auf steigen, der mit seiner Höhe von 75 Meter einen guten Ueberblick über die herrliche Landschaft bietet. Am Fuße des Berges liegt der Caputher See. Nach Norden, Nordosten und Südwesten dehnt sich die breite Wasserfläche der Haveljeen, die von einem Kranze dunkler Wälder umrankt sind: Ein zauberhaftes, einprägjames Bild. Nun führt der Weg wieder hinab ins Dorf, das sich auf fast 4 Rilometer am Wasser entlangzicht. Bald ist die Försterei Flottstelle erreicht. Mach Belieben kann man auf schattigen Waldwegen der Fercher
Tödliche Revolverspielerei.
Gefängnis für Heimleiterin und 18 jährigen Schüler. Die tragischen Folgen eines leichtfertigen Spiels mit Schußwassen beschäftigte das Schöffengericht Schöneberg . Eine 15jährige Haushaltsschülerin G. hat ihr Leben lassen müssen. Angetlagt find wegen fahrlässiger Tötung der 18jährige Schüler Gerhard St., die Oberin des Heims, in dem das Unglück geschah, Frau R. und deren Stellvertreterin Frau K. Beiden wird Der Vorwurf gemacht, daß sie die erforderliche Sorgfalt unterlassen
hatten.
Die Knorrbremse unterhält in Nieblum auf Föhr für die Kinder der Arbeiter ein Erholungsheim. Am 20. Oktober v. J. mußte die Oberin des Heimes, Frau R., auf einige Tage verreisen. Ihren Browning, für den sie einen Waffenschein besitzt, schloß sie in der Dachkammer in einen Waschtisch ein, den Schlüssel legte sie ins pbere Schubfach und bat ihre Stellvertreterin, Frau K., den Schlüssel an sich zu nehmen. Diese vergaß, dies zu tun. Im Heim weilte der 18jährige Schüler Gerhard St. Er hatte schon früher sich hier etwa Siebenmal aufgehalten, half in der Wirtschaft und bereitete sich zur Reifeprüfung vor. Zufällig schlief er in der Nacht vom 22. zum 23. Oktober in der Dachkammer. Nachts hörte er draußen ein verdächtiges Geräusch, die Gänse schnatterten aufgeregt, er nahm den Revolver, den er tags zuvor im Waschtisch entdeckt hatte, und
wandern. Wer einen kleinen Umweg nicht scheut, möge einen Abstecher zu den beiden Lienewizer Seen machen, die etwa 1% Kilometer vom Ufer des Schwielowsees entfernt, fast in der Mitte zwischen Caputh und Ferch liegen. Ferch hat noch zum Teil seine ländliche Schlichtheit bewahrt, obgleich es immer mehr zu einer beliebten Sommerfrische wird.
Von Ferch kann man mit dem Dampfer die Rückfahrt über Potsdam antreten oder auf dem anderen Ufer des Schwielowsees, das prächtige Blicke auf die Fercher Berge gewährt, über Baumgartenbrück und Geltom nach Potsdam zurückwandern. Ein anderer sehr lohnender Rückweg führt in südöstücher Richtung durch herrlichen Hochwald nach der rund 7 Kilometer entfernten Bahnstation Beelig heilstätten, die noch zum Berliner Borortbereich gehört. Die hier befindlichen Heilstätten wurden in den Jahren 1898 bis 1902 nach den Plänen von Schmiede und Merke im Pavillonsystem erbaut. Weit über tausend Genejungssuchende können hier untergebracht werden. Zum Schluß möge noch auf den Weg von Ferch über die Fercher Berge hinweg, an den Lienewiger Seen vorüber nach Michendorf hingewiesen werden, von wo ebenfalls mit der Vorortbahn die Heimfahrt angetreten werden kann.
Weglängen: Potsdam - Ferch zirka 14 Kilometer; Ferd Beelitz- Heilstätten 7 Kilometer; Ferch- Michendorf 7 Kilometer.
ging auf den Hof hinaus. Hier stieß er auf Frau K., die gleichfalls vom verdächtigen Geräusch aus dem Schlaf gestört worden war. Als te, in Gerhards Hand den Revolver jai madte jie thin Vorhaltun gen und befahl, die Waffe sofort in den Berwahrungsort zurück zu leger. Die Anordnungen der Oberin führte sie aber auch jetzt nicht anderthalb Stunden entfernt gelegenen Wyk Besorgungen machen. aus. Am 24. Oktober mußte Gerhard am Nachmittag nach dem Der Weg führte durch ein Wäldchen. Er konnte erst gegen 8 Uhr abends zurück sein. Angeblich zu seinem Schutze, eher aber aus Uebermut, nahm er den Revolver an sich. Er begab sich in die Küche, den Revolver noch in der Hand und als er ihn in die Gefäßtache stecken wollte, trachte ein Schuß. Die 15jährige Haushaltsschülerin G., die eben noch mit der Schülermüze auf dem Kopfe frch gescherzt hatte, brach tödlich getroffen zusammen. Dem 18jährigen Gerhard ist der Tod der Fünfzehnjährigen sehr nahe gegangen. Bei der Schilderung des Vorfalles weinte er. Auf der Zeugenbank ſizen die Eltern der getöteten G. und der Vater des angeklagten Schülers und wischen sich die Tränen,
Der Vorsitzende verlas ein Schreiben der Eltern der getöteten Fünfzehnjährigen, in dem sie das Gericht bat, von einer Strafe abzusehen. Die Mutter G. erklärte, daß sie gegen die am Tode ihrer Tochter Schuldigen keinen Groll hege. Der Staatsanwalt beantragte gegen die Heimleiterin K. fünf Monate Gefängnis, gegen den Schüler St. drei Monate, für die Oberin dagegen Freispruch. Das Gericht sprach die Oberin frei und verurteilte die beiden anderen zu je je ch's Wochen Gefängnis unter Zubilligung einer Bewährungsfrist.
Ganze Stadtviertel unter der Fuchtel der Hakenkreuzler.
Schon nach der ersten Präsidentenwahl wurden unserem Genoffen Hermes in Steglitz von den dortigen Nationalsozialiste: mehrere Fenster seiner Wohnung mit Pflastersteinen eingeworfen, meil er am Tage der Wahl seinen Balkon mit schwarzrotgoldenen Fahnen und einem Echild ,, Wählt Hindenburg " geschmückt hatte. Trotzdem dekorierte unser Genosse seinen Balfon bei der zweiten Präsidentenwahl in derselben Weise und erhielt am nächsten Tag von Nationalsozialisten eine Drohkarte, in der ihm die Beflaggung seiner Wohnung vorgeworfen und ihm mitgeteilt murde, daß Adolf Hitler ihm sofort nach der Machtergreifung einen Paß ins Ausland zustellen würde. Auch hiervon nicht abgeschreckt, wurde bei der Preußenwahl der Balkon wiederum mit schwarzrotgoldenen Fahnen dekoriert und mit einem breiten Band Friede, Freiheit, Brot durch Liste 1" und eine Anzahl SPD. - Plakate. Hierüber gerieten die Nationalsozialisten vor den berachbarten Wahllokalen in sinnlose Wut, stießen laute Schmährufe aus und drohten, den Genossen Hermes bei nächster Gelegenheit falt zu machen. Zwei Tage nach der Wahl befand sich im Lauenburger Viertel eine Rotte von 11 Nationalsozia listen, die harmlose Passanten auf der Straße nach Waffen durchsuchten, ihnen Papiere abnahmen und sie anderweitig be= läftigten; sie warfen auf Kommando sieben Pflastersteine gegen die Fenster der Wohnung des Genossen Hermes und zersplitterten die Stäbchenjaluousie sowie die Fenster. Die sofort alarmierte Bolizet fonnte bisher nur eine Person feststellen, doch ist aus der betreffenden Rotte von einem der Durchsuchten eine Persönlichkeit erkannt worden.
Wann wird der nationalsozialistische Terror in Stegliz, der sich bisher dort ungehindert breit machen durfte, mit energischen Mitteln unterdrückt werden? Es ist auffallend, daß in Stegliz die SA.- Männer uniformiert und mit Abzeichen unbehelligt in Gruppen auf der Straße umhergehen können.
Ausgaben 1 009 780 490, Cinnahmen 896 313 290 M. Der Magistrat verabschiedete am Freitag in einer außerordentlichen Sihung den Haushaltsplan für das Etatsjahr 1932/33. Nach den vorläufigen Beschlüffen des Magistrats schließt der Haushaltsplan in Ausgabe mit 1 009 780 490 Mark und
in Einnahme mit 896 313 290 Mark ab.
Ein Ausgleich des Haushaltsplans war infolge der durch die Wirtschaftskrise verursachten Steuerrüdgänge und Mehr belastungen auf dem Gebiete der Wohlfahrt nicht möglich. Es find daher durch den Städtetag und den Oberbürgermeister Berhandlungen mit Reich und Breußen angeknüpft morden mit dem Ziel anderweitige Regelung der kommunalen Arbeitslosenfürsorge. einer Entlastung der städtischen Finanzen durch eine
Nach Abschluß dieser Verhandlungen und nach erneuter Beschlußfaffung des Magistrats, wird der Oberbürgermeister den förmlichen Antrag auf Festjegung des Stadthaushaltsplans nachreichen. Diese von dem üblichen. Verfahren abweichende Form der Vorlage mählt der Oberbürgermeister, um der Stadtverordnetenversammlung möglichst frühzeitig Gelegenheit zur Beratung des Haushalts zu geben.
Betrügereien beim Wohlfahrtamt Mitte. Fünf junge Leute verhaftet-Vorsteher vom Amt suspendiert
In der Zahlstelle des Wohlfahrtsamts Mitte in der Wul a d straße sind jetzt umfangreiche Betrügereien aufgedeckt worden. Bei einer Kontrolle hat es sich herausgestellt, daß seit etwa einem halben Jahr eine große Anzahl von Personen ge= fälschte Papiere vorlegten und daraufhin erhebliche Unterstügungen bezogen haben. Die Kriminalpolizei beob achtete die Zahlstelle und nahm gestern fünf junge Männer fest. Diese haben, wie festgestellt, monatlich je 88 Mark bezogen. Die Prüfung der Unterlagen auf der Zahlstelle hat ergeben, daß die Zahl der Betrüger erheblich größer ist. Der Vorsteher der Bahlstelle ist bis zur völligen Klärung der Affäre vom Dienst suspendiert. Es ist eine umfangreiche Untersuchung eingeleitet worden.
Wir fragen Sie heute:
Sollen wir das volle Format unserer Juno verringern, mindere Tabake verwenden, nur um wesensfremde Zugaben beilegen zu können?
Worauf legen Sie Wert?
Doch wohl darauf, dass
Juno
die alte bleibt.
Josetti
JUNO
Jede Zugabe in Form von Gutscheinen, Wertmarken oder Stickereien müßte aber unsere Juno in irgendeiner Form beeinträchtigen!
o/ M rund
STUCH 203
Das wollen weder Sie noch wir.
KON
LINON