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BERLIN Sonnabend

30. April 1932

Der Abend

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Nr. 203

B 102 49. Jahrgang

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Endkampf in Frankreich

Leon Blum warnt vor Spekulationen auf Sozialistenspaltung

Paris , 30. April. ( Eigenbericht.)

Der Populaire" veröffentlicht heute einen Aufruf an die Wähler. Es heißt darin: Bürger, wollt ihr den Krieg? Nein! Wollt ihr, daß die Unsicherheit der Arbeit weiter besteht? Nein! Wollt ihr, daß sich die Anarchie der Pro­buftion verewigt? Nein! Wollt ihr, daß die kapitalistische Spefulation weiteres Unheil anrichtet? Nein! Wollt ihr, daß die Bevölkerung in der Unwissenheit bleibt? Nein! Wollt ihr die Politik der Ungerechtigkeit? Nein! Dann stimmt für die Sozia­liften"

Im Leitartikel des Populaire" warnt Léon Blum die Radi­talen davor, auf eine Spaltung der sozialistischen Partei bei der Bildung einer Regierungsmehrheit nach einem etwaigen radikalen Wahlfieg zu rechnen. Blum schreibt, aus den Reden Herriots gehe hervor, daß die Radikalen kein Linkskartell mehr wünschen, sondern die Initiative zu einer Konzentration der bürgerlichen Linken ergreifen wollen. Sie solle auf der rechten Seite etwa zwei Drittel der Mehrheit Lavals und Tardieus umfassen. Auf der linken Seite erwarteten die Radikalen, abgesehen von der Beteiligung der Sozial­republikaner auf die Unterstützung eines Teils der Sozialisten, die Herriot als vernünftig" und regierungsfähig" bezeichnet habe. Eine solche Kombination würde nicht nur auf den Wider= stand der Gesamtpartei, sondern auch auf den der Sozia­listen als Einzelmesen stoßen. In dieser Beziehung dürfe man bei den Sozialisten weder auf eine Spaltung noch sogar auf eine Mei­nurgsverschiedenheit rechnen. Die Sozialisten, die man dem rechten Flügel der Partei zurechne, würden mit demselben Widerwillen mie alle übrigen Sozialisten den Gedanken ablehnen, Tardieu, Laval oder Flandin in einer Konzentrationsregierung zu decken. Die Operation würde also ohne die Sozialisten durchgeführt werden und sie würden sich schließlich gegen sie wenden. Die Radikalen würden nicht nur schnell auf die nationale Einigkeit Poincarés Tardieus.

Das politische Pendel

Sein Drehpunkt darf nicht verschoben werden!

mit der Parole: Haltet den Dieb!" sogar 8,4 Millionen Stimmen an sich, und außerdem ist in der Nationalsozialistischen Freiheits­bewegung"

Wer seither immer noch nicht eingesehen hat, daß Kriegs. | Demagogie 3,7 Millionen, die Volkspartei und die Deutschnationalen niederlagen stets tiefgehende Erschütterungen in dem betroffenen Volke nach sich ziehen, kann sich durch die Wahl­ergebnisse vom 24. April unterrichten lassen. Das Pendel der Volks­ſtimmung schlägt in Deutschland noch so heftig hin und her, als wenn nicht 13%, sondern erst ein oder zwei Jahre seit Beendigung des Krieges verflossen wären. Bei dem ungeheuren, in der Mensch

1. Mai, 13 Uhr, Lustgarten!

die Hyäne des Schlachtfelds

aufgetaucht, die fast 2 Millionen Stimmen zusammenrafft.

Ein halbes Jahr später, im Dezember 1924, ist fast eine Million kommunistischer und eine Million nationalsozialistischer Mit­läufer des tollen Theaters bereits satt, das ihre Erwählten im Reichstag gespielt haben. Die Sozialdemokratie gewinnt 1,9 Mil­lionen Stimmen und ist wieder die stärkste Partei des Reichstags. Wieder 3% Jahr später, im Mai 1928, gehen weitere 1,3 Millionen Wähler zur Sozialdemokratie über, die nun mit ihrem Bestand von 9,15 Millionen Wählern wieder 30 Proz. erreicht.

Die Nationalsozialisten sind auf 0,8 Millionen zusammenge­schmolzen! 3

Jetzt beginnen sich die

weltwirtschaftlichen Erschütterungen,

heitsgeschichte beispiellosen politischen Weltbeben, das der große Krieg die der Krieg eingeleitet hat, in vollem Maße zur Weltkrise ause verursacht hat, ist das kaum verwunderlich.

Wie war die Entwicklung seit Ende 1918?

zurückkommen, sondern auch auf die antisozialistische Einheitsfront Bei der ersten Volksabstimmung nach dem Bankerott der Mititär­

Folgen des Schanghaier Attentats.

Ungeheure Empörung in Japan .

London , 30. April. ( Eigenbericht.)

In Japan hat die Nachricht von dem Anschlag auf die japa­mischen Generäle im Schanghaier Hontju- Part, der die Kaiser Geburtstagsfeier jäh abbrach, ungeheure Empörung hervor­gerufen. Die Unterzeichnung des Waffenstillstandsabtom­mens mit China , die vor der Tür stand, wird aller Wahrscheinlich teit nach zunächst einmal verschoben.

Der Urheber des Bombenattentats ist als Führer eines revolu­tionären Aktionsfomitees von Koreanern festgestellt worden, die schon seit Jahren in der französischen Konzession ihren Wohnsitz haben. Der Attentäter gilt als ein Mitglied der sogenannten ,, provi­forischen foreanischen Regierung". Bei ihm wurde eine zweite Bombe vorgefunden. Die chinesische Regierung hat in Tofio offiziell ihr Beileid aussprechen lassen.

Dem japanischen Gesandten Shigemitsu , der am gefähr lichsten verlegt wurde, mußte sofort an Ort und Stelle ein Bein amputiert werden. Der Flottenoberbefehlshaber Admiral No. mura hat das rechte Auge eingebüßt. Dem General Schiratara wurde der ganze Untertiefer weggerissen. Der Vorsitzende des japa­nischen Vereins in Schanghai , der Kaufman Kawabata, ist feinen Verlegungen erlegen.

Ueber den Sonfju Distrikt wurde der Belagerungs. zu stand verhängt. Der japanische Generalkonsul Murai, der Chef der Konsularpolizei und Gendarmerie ist, wird seinen Posten ver­laffen müssen.

Bölkerbund sversammlung und Waffenstillstand. Genf , 30. April.

Die Bölkerbundsversammlung hat unter Stimm­enthaltung Japans heute einstimmig die Entschließung des 19. Ausschusses über die Schanghaier Waffenstillstandsverhand­lungen angenommen und sich sodann bis zu einer neuen Einbe­rufung vertagt.

Bor Eintritt in die Tagesordnung gab der Präsident Hymans feiner Sympathie für die bei dem schweren Bombenattentat verlegten japanischen Offiziere und Beamten Ausdrud, worauf der japanische Delegierte Nagaota mit Worten des Dantes ant

wortete.

Brüning beim Reichspräsidenten . Der Reichspräsident empfing am Sonnabendvormittag den aus Genf zurückgekehrten Reichs­fanzler Brüning, der ihm über die Entwicklung der Genfer Ber handlungen Bericht erstattete.

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monarchie ein riesiger Auftrieb der Sozialdemo tratie, von der man den Wiederaufbau des in sich zusammen­gebrochenen Gerüsts des Deutschen Reichs erwartet. Nicht weniger als 11,5 millionen Wähler, mehr als 37 Proz. aller Abstimmen den, stellen sich bei der Wahl zur Nationalversammlung hinter die Sozialdemokratie. Die wirtschaftlichen Folgen der verhängnisvollen Kriegspolitik vermag die Sozialdemokratie aber nicht wegzuzaubern. Knapp Jahre später, bei der Wahl des ersten Reichstags nach der neuen Verfassung, muß sich die Sozialdemokratie mit 6,1 mi 1- lionen Stimmen, noch nicht 22 Broz., begnügen.

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= 20 Proz.

Bei der Reichstagswahl im Mai 1924 wird die vereinigte Sozialdemokratie auf 6 Millionen Stimmen herabgedrückt. Die Kommunisten reißen jetzt mit einer wüsten

Der praktische Unternehmer

" In diesem Zeil des Werkes fönnten wir ja mal versuchsweise die Dreißigstundenwoche einführen."

zuwirken. Und nun blüht der Weizen der Nationalsozialisten.

Die nationalsozialistische Flut ist hoch angewachsen, aber selbstt bei der allergrößten Kraftanstrengung beim zweiten Präsidentenwahlgang sind die Hakenkreuzler, trotz der Hilfe, die ihnen

von den Deutschnationalen und den Kommunisten gewährt wurde, nur auf 36,8 Proz. der Stimmen gekommen.

Partei, wären ihre Legalitätsversicherungen ehrlich gemeint, gälte Wäre die Nationalsozialistische Partei eine verfassungstreue nicht bei ihnen das Wort ihres Straßer, daß sie ihr Ehrenwort hundert mal brechen, wenn es den Parteizwecken dient, so fönnte man in Seelenruhe den Dingen, die nun fommen sollen, ent gegensehen. Bei Philippi sieht man sich dann wieder.

Die Nationalsozialisten sind jedoch keine Partei, die mit vers fassungsmäßigen Mitteln regieren kann oder auch nur will Das wird sich jetzt wieder deutlich ergeben, in Preußen, partei wird, wenn es den Versuch macht, die Nazis zur Mitarbeit Bayern und Württemberg. Das Zentrum als Verfassungs­

heranzuziehen, das nur unter sicheren Garantien tun, die ihm die Nazis nicht geben tönnen. Jede Unvorsichtigkeit des Zentrums wäre gleichbedeutend mit Selbstmord. Das Zentrum weiß so gut wie wir, daß der Bewegung des Pendels Grenzen gesetzt sind. Worauf alle verfassungstreuen Parteien sorgsam zu achten haben, das ist der Dreh purtt, der nicht verschoben werden darf! Wilhelm Keil.

Arbeitsprogramm des Reichskabinetts. Auflegung einer Prämienanleihe für Arbeitsbeschaffung. Nach der Rückkehr des Reichskanzlers werden Anfang nächster Woche die durch die Genfer Reise Brünings unterbrochenen Beratun gen des Reichskabinetts über eine Reihe wichtiger finanz- und wirt­schaftspolitischer Fragen fortgesetzt. Die ersten drei Tage der Woche werden Haushaltsfragen gewidmet sein. Im Mittelpunkt der Kabinettsberatungen wird ein umfangreiches Arbeitsbe= schaffungsprogramm stehen, das von den zuständigen Ressorts in der Zwischenzeit kabinettsreif gemacht worden ist.

Um die für die Durchführung der Pläne erforderlichen Mittel herbeizuschaffen, ist die

Auflegung einer großen Prämienanleihe geplant, die ähnlich wie die Reichsbahnanleihe mit besonderen Vor­zügen ausgestattet werden soll. Der Vorzug foll nach den bisherigen Absichten im wesentlichen in einer möglichst weitgehenden Steuerbefreiung liegen Einzelheiten über den Gewinnplan liegen noch nicht fest, doch soll mit der Rückzahlung bereits nach ver­verhältnismäßig furzer Zeit begonnen werden. Unter Hinweis auf den Erfolg der Reichsbahnanleihe ist man in unterrichteten Kreisen auch hinsichtlich des Ergebnisses dieser Anleihe guter Hoffnung.

Im Zusammenhang mit dieser Frage wird sich das Reichs fabinett dann weiter mit dem Problem des freiwilligen Arbeits­dienstes" beschäftigen.