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Berliner   Volk marschiert!

Gewaltige Beteiligung an der Maifeler im Lustgarten

Wenn sich die Demonstrationen der sozialdemokratisch und freigewerkschaftlich organisierten Bevölkerung Ber­ lins   nach den gewaltigen Aufmärschen während der Wahl­zeit überhaupt noch steigern ließen, so geschah das gestern bei der Maidemonstration im Lustgarten. Einen solchen Aufmarsch hat Berlin   seit den Zeiten der Rathenau  - Demonstration wohl nicht wieder gesehen; da­mals marschierte ein gut Teil des republikanisch ge­sinnten Bürgertums mit der Arbeiterschaft gestern füllte das freiorganisierte Proletariat allein den unge­heuren Platz zwischen Schloß und Museum, zwischen Dom und Spreearm. Wer will die Massen, die den Fahrdamm und die Wege in den Anlagen des Lustgartens Kopf an Kopf gedrängt füllten, zählen, wer will sagen, ob es 150 000 oder 200 000 oder noch mehr waren? Vielleicht ist es der Kraft, die das Böse will und das Gute schafft, zu danken, wenn sich die Gewerkschaften und die Partei und die Arbeitersportler, kurz die Eiserne Front, für ihre nächsten Demonstrationen nach einem noch größeren Plat wird umsehen müssen!

Geeint marschierten gestern gestern Gewerkschaftler und Parteigenossen gegen die Reaktion, die dem Arbeiter im Wirtschaftsleben die Existenzbedingungen verschlechtern will und die dem Staatsbürger im Arbeiter die politischen Rechte, die Freiheit nehmen will. Gegen diese Reaktion, die sich gegenwärtig Faschismus nennt, gegen die die klassenbewußte Arbeiterschaft aber schon seit 42 Jahren, als sie das erstemal den Weltfeiertag beging, fämpft und gestanden hat, gegen diese Reaktion waren gestern im Lustgarten der Allgemeine Deutsche Gemerschaftsbund, der Allgemeine freie Angeftelitenband, der Allge meine Deutsche Beamtenbund, die Sozialdemo= tratische Partei und das Kartell für Arbeitersport und Körperpflege angetreten. Unter dem leuchtenden Rot des Sozialismus standen die Hunderttausende, standen als Eiserne Front gegen die anstürmenden Horden der anderen!

Musit­

In unendlich langen 3ügen tamen fie anmarschiert. tapellen an der Spize, Tambourkorps vor den Abteilungen, dann die Jugend der Gewerkschaften und der Partei, die Kinderfreunde und die Roten Falken, die Sportler in einheitlicher Tracht im blauen Dreß mit weißen Schillerfragen und schließlich die Mengen der Ge­wertschafts- und Parteigenossen in Bierer- und Sechserreihen- fo hatten sie sich an den Sammelplägen versammelt und fo ftanben fie im Bustgarten. Ueberwältigend das Bild von der Gayloßterrasse oder noch besser zu schauen von der höheren Rednertribüne. Rot die Sturmfahnen, rot die Fahnen der Hammerschaften, rot die Parteibanner, rot die Schmudblumen an den Röcken der Demon stranten, rot die Draperien der Tribünen. Rot, die rote Farbe des Sozialismus, fie leuchtete hell und sieghaft im herrlichen Sonnen­schein eines schönen Maientages. Der Anmarsch will kein Ende nehmen. Selbst als die Kundgebung schon eröffnet ist und die Ar­beiterfänger von der Museumstreppe her ihre Kampflieder gesungen hatten, tamen immer noch Züge an. Aber der Platz fonnte sie nicht mehr fassen. Die Schloßfreiheit, die Breite Straße und jenseits die Kaiser Wilhelm- Straße waren verstopft, der Luftgarten überfüllt. Klar und auch für den Entferntesten verständ­lich trugen die Lautsprecher die Worte der Rebner über den weiten Blazz; stürmisches Gelächter quittierte die von Künstler übermittelte Ankündigung des Goebbelschen Angriff", das wäre die letzte Mai­feier der Arbeiterschaft gewesen!

Franz Künstler

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Blick auf die Maffenkundgebung

Im Vordergrund das Symbol des Massenwillens: Das faschistische Hakenkreuz wird ausgestrichen! Wahlkampf zu bestehen haben.( Minutenlanger Beifall.) Wir, Das ist für uns teine besondere Anerkennung, sondern die durch die hoffen, daß unsere französische Bruderpartei den Kampf siegreich be­stehen wird, denn für den Frieden in Europa  , für die Ueberwindung der Wirtschaftskrise hat der französische   Wahlausgang entscheidende Bedeutung. Kampfmai 1932, mir grüßen dich! Wir sind bereit zum Kampf für den Sozialismus und die Befreiung der Arbeiterklasse.

Den mit Begeisterung aufgenommenen Worten Künstlers folgten musikalische Vorträge der trefflich geschulten Arbeiterfänger. Dann nahm der Hauptredner des Tages, der Vorsitzende des Berliner  Ortskartells des AfA- Bundes

Erich Flatau

das Wort. Drei mit ungeheurer Wucht geführte Wahlkämpfe so begann der Redner- liegen hinter uns, in denen Hauptziel der vereinten Freien Gewerkschaften, der Arbeiter, Angestellten und Be­amten und der Sozialdemokratischen Partei die Errichtung eines Schugwalls gegen die Schlammflut des Faschismus war, Bei zwei Wahlhandlungen herrschte die fühle Entscheidung des Verstandes, für die Wahlschlacht des 24. April aber kam der Antrieb zu außer ordentlicher Kraftenfaltung aus den Herzen, aus dem tiefen Gefühl des Verbundenseins mit den sozialdemokratischen Führern, die durch fluges Wirken in Breußen, mühevoll aufbauend, Wertvollstes schujen und das alte reaktionäre Preußen zu einem Staat wandelten, in dem der Proletarier Mitbestimmung hat und dessen innerpolitische Gestaltung die Verwandlung der Deutschen Republik in ein braun­

eröffnete als Vorfizender des Bezirksverbandes Berlin   der Sozial­demokratie die Maikundgebung der Hunderttausend. Er sagte: Die Eiferne Front, die Einheitsfront aller Kopf- und Handarbeiter, hat fich tapfer und siegreich geschlagen. Wir haben in dieser schweren Zeit weder Luft noch Neigung zu inhaltlofem Debattieren, und wir werden nicht eher demobilisieren, als bis der Sieg errungen ist. ( Starter Beifall.) Josef Goebbels   schrieb vor einigen Tagen im Anschweigisches Naziwildwest verhinderten.( Lebhafte Zustimmung.) griff" Der 1. Mai 1932 wird die letzte Maifeier der Marristen sein. Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften sind mit dem Sozia­listengesez eines Bismarck fertig geworden. Die Eiserne Front wird auch die politische Brockensammlung der NSDAP  . zur Liquidation bringen.( Stürmische Zustimmung.) Am Fest- und Kampftag der sozialistischen   Arbeiter aller Länder gedenken wir der unterdrückten Brüder in Italien.  ( Lebhafter Beifall.) Wir grüßen unsere braun schweigischen Genossen, die durch Klagges gehindert sind, für die großen sozialistischen   Ideale zu demonstrieren. Im Geiste reichen wir den französischen   Arbeitern die Hand, die heute einen schweren

Bezirk

Wir ffanden gegen eine Feindesfront der traurigsten Gestalten und seltsamsten Gruppen, die nur geeint waren durch den wütenden Haß, gegen unfere unzerstörbaren Formationen einer proletarischen Front, die wahrhaft eisern ist und unüberwindlich bleibt.

( Erneuter Beifall.) Selbst das Scharfmacherorgan, die Deutsche Allgemeine Zeitung", hat zweimal in den letzten Wochen, am 20. März und am 11. April, zugeben müssen, daß jeder Gedanke an Bernichtung oder Ueberwindung der Sozialdemokratie sinnlos wäre.

Die Arbeiterfänger auf der Museumstreppe

Wirklichkeit erzwungene Feststellung einer Tatsache. Die Tat sache wird allzeit Geltung behalten. Sie wird noch deutlicher, weil der 24. April den Faschismus gehindert hat, wie er es wollte, alleinbestimmender Faktor zu werden. Heute vereint der Maitag die Arbeitnehmerschaft in gewaltigen Kundgebungen. Zur Arbeitslosigkeit perurteilte Menschen sehen, wie ein diktatorischer und brutaler Großkapitalismus in seinen Grundfesten kracht. Nord­wollepleite, Fapag- Standal, Raiffeisen- Schwindel, Kallenellenbogens Ende das sind stichwortartig einige Kennzeichen des Zusammen­bruchs der privaten deutschen   Wirtschaftsführung, die durch Beispiele des Auslands vermehrt werden können, weit über zwanzig Mil­lionen Arbeitsloser gibt es in der Welt, das sind, wenn wir die Fa­

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milienangehörigen hinzurechnen, an hundert Millionen wirtschaftlich Geächteter. Die Leiden dieser hungernden Millionen verbieten, den Maitag 1932 in Freude und lachender Lustigkeit zu begehen. Tag der Erkenntnis, Tag des Bekenntnisses muß er sein. Wir erkennen die Unhaltbarkeit der heutigen Wirtschaftsform. Wir erkennen, wie katastrophal der Mechanismus des Privatkapitals ver­fagte. Und wir erkennen vor allem die Feigheit seiner Vertreter, die ihre einst frech vertretenen Prinzipien nicht mehr selbst ver­teidigen, sondern dies bezahlten Handlangern wie Hitler   und Kon­forten überlassen.( Anhaltende Zustimmung.) Große Teile des beut­schen Unternehmertums schufen sich in den Nazihorden eine willige Schuggarde, die Millionen erhält, um die durch Lohnkürzungen und Entlassungen die deutschen   Arbeitnehmer gebracht worden sind. Vom Faschismus hofft man die Vernichtung der Demokratie, der stärksten Waffe des Proletariats. Wir bekennen uns zu dieser Demokratie. ( Minutenlange Zustimmung.) Durch die Demokratie wollen wir, das auf sozialpolitischem Gebiet zum Teil Verlorene wiedererlangen. Ueberall, wo deutsche Arbeitnehmer demonstrieren, muß der Pro­testruf erschallen: Halt, nicht weiter auf diesem Wege!

Weiter aber gilt es, alle Kräfte zusammenzuballen, um in der Stunde höchster Gefahr nicht nur schreien, sondern auch handeln zu können.

In einer Zeit, in der Hitlers Trabanten   in einer Siegestrunkenheit auf Vorschuß gröhlen: Hitler   steht vor dem Tor! müssen wir alle unsere Kräfte so steigern, daß wir Hitler   das Tor der deut­schen Republik vor der Nase zuschlagen, damit er dauernd draußen bleibt.( Große Begeisterung.) Die Forderung auf Arbeits­beschaffung steht obenan. Wir erwarten, daß die Reichsregierung auf diese Forderung nicht weiter mit diplomatischen Formulie­rungen, sondern mit einer befreienden Tat antwortet. Soll es so weitergehen, daß Millionen in Pfennigbeträgen den Erwerbslosen gegeben werden, ohne daß endlich einwandfrei geprüft wird, ob nicht in anderer, Arbeitsmöglichkeiten schaffender Weise diese Mil­lionen für die Notleidenden nugbringend verwandt werden könn­ten? Wir fordern die 40- Stunden- Woche und protestieren gegen die zum Teil staatlich sanktionierte Lohnraubpolitif. Wir fordern vor allem Bruch) mit der Taktik des Zagens und Zauderns in der Sozial- und Wirtschaftspolitik! Wir verlangen flare Stellung­nahme zum Wirtschafts- und Arbeitsbeschaf­fungsprogramm der Gewertschaften und Veröffent­lichung der Arbeitsbeschaffungspläne der Regierung. Bir ver­kennen nicht die außenpolitischen Schwierigkeiten und richten unsere Gedanken deshalb nach Frankreich  , mo heute eine auch für uns entscheidende Wahlschlacht geschlagen wird. Wir grüßen unsere französischen Arbeitsbrüber und wünschen ihnen ein Wahlergebnis, das die afute Halskrankheit Tardieus zu einer chronischen Krant­heit des Kabinetts macht. Wir bekennen uns wiederum zu den Grundsäzen des Sozialismus und zum republikanischen Gedanken und betonen unseren Willen zur Ablehnung aller Kriegserperi­mente in heißem Verlangen nach Berföhnung der Völker. Die Formationen der Eisernen front sind stärkste Stützen der Republik  . In größten Notzetten haben vor allem unsere Kampf­tameraden vom Reichsbanner in vorderster Front gestanden.( Bei­