Beilage Dienstag, 3. Mai 1932
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
Ehen mit Erwerbslosen
Ein Beitrag zum Eheproblem unserer Zeit/ Von Suse Bork
Man braucht nicht hellhörig zu sein, um die Probleme der Zeit, unserer Zeit der wirtschaftlichen Not und des Massenelends tagtäglich zu vernehmen. Und doch scheint es mir, daß neben den aktuellsten Fragen nach Sozialisierung, Arbeit und nach der Erziehung der Jugend die brennende nach der Lage der Frauen in dieser Zeit nicht genügend erörtert wird. Ihre Situation ist sicherlich kaum jemals so schwierig gewesen, weil mit und durch die Arbeitslosigkeit Krisen in ihr Leben kommen, die neben allen anderen Anforderungen auch noch seelische stellen, unter denen von ihnen unzählige zugrunde gehen.
Ich denke in erster Linie an
die Ehen, in denen die Männer erwerbslos sind, während die Frauen durch eigene außerhäusliche Berufsarbeit das Schiff der Familie vor der Not erretten.
In solchen Fällen ist der Mann nicht etwa dankbar für diese Fügung, sondern in ihm bildet sich im Laufe von Wochen und Monaten ein Gefühl der Verbitterung, das sich nicht etwa gegen die Zeit ( an der ja im Augenblick leider nicht viel zu ändern ist), sondern gegen die Ehefrau richtet! Die wenigen Stunden der Gemeinsamkeit werden verdorben durch ständige Reibereien und machen das Leben noch freudloser. Die Nöte wachsen ins Uferlose. Die Berbitterung des Mannes und seine viele freie Zeit bereiten den Boden dafür vor, daß er eines Tages mit neuerwachtem Interesse andere Mädchen und Frauen sieht, die Zeit haben wie er, die ausgeruhter als die eigene Frau, vielleicht auch jünger und reizvoller erscheinen und die ihn fesseln. Plötzlich entdeckt er für eine von ihnen sein Herz, bildet sich ein sie zu lieben und vernachlässigt, ja zerschlägt seine Ehe. Meist weiß er gar nicht, daß seine falsche Erziehung ihm einen groben Streich gespielt hat. Die zu neigung zu der eigenen Frau versant, weil er es nicht ertragen fonnte, sich von ihr ernähren zu lassen", seine Frau wurde ihm bei jedem neuen Sehen mehr eine schwere Belastung, ein ständiger leibhaftiger Vorwurf dafür, daß er nicht ,, Mann's genug war", sich und seine Familie durchzubringen.
Sicherlich wird bei Auseinandersetzungen die Frau nicht immer die gnügende Rücksicht nehmen, sie wird hier und da Fehler machen, aber sie ist eher zu entschuldigen, denn sie fizt mit Angst im Herzen bei ihrer Arbeit und muß häufig wissend und doch ratlos zusehen, wie ihr der Mann, den sie liebt, entgleitet.
Wir Sozialisten sollten aber zuerst uns daran gewöhnen, den Einn der Demokratie, d. h. den Sinn der Gleichberechtigung nicht nur im Staat, sondern besonders auch in der Ehe und in jeder menschlichen Gemeinschaft zu erkennen. Erst dann werden wir die großen Schwierigkeiten lösen und den Beziehungen zwischen Mann und Frau einen neuen Sinn geben.
In der Ehe, in den Beziehungen von Mann zu Frau über. haupt sollte Kameradschaftlich feit herrschen und es muß vermieden werden, daß immer einer Hammer und der andere Amboß ist. Es darf in jeder Gemeinschaft ehelicher Art von vornherein mur ein gemeinschaftliches Miteinander" geben, aber feinen Kampf, der mit dem Sieg oder der Niederlage eines oder des anderen Partners endet.
Trog aller verständlichen übersteigerten Empfindsamkeit müssen wir den Sinn unserer Zeit verstehen lernen und gegen diese neurotische Einstellung anfämpfen, die nur verstanden werden kann aus den falschen Beziehungen der Menschen untereinander. Hier tönen wir, wenn jeder an sich energisch arbeitet,
die Idee des Sozialismus zuerst verwirklichen. Wenn auch bis zu unserem Ziel sonst noch ein weiter Weg ist, so würde Sozialismus der Sozialisten untereinander in den Familien urs dennoch ein großes Stück vorwärts bringen. Wir würden dann nicht mehr gegen uns und die uns am nächsten Stehenden wüten!
Wir würden nicht mehr werten nach dem äußeren Erfolg, also nach dem mehr oder weniger sichtbaren Sieg, den der oder jener errungen hat, würden also auch uns nicht unterlegen fühlen und aus diesem Gefühl ungerechte Erbitterung für den Partner erwachsen lassen. Viele von uns können sich aber von dieser Art zu werten immer noch nicht frei machen; mancher Leser dieser Zeilen wird dem erwerbslosen Ehemann seine ,, gelinde Wut" vielleicht sogar nachempfinden können.
Wir sind, so frei und vernünftig wir auch erzogen wurden oder durch eigene Arbeit an uns selbst im Laufe der Zeit geworden find, noch immer mit Vorurteilen behaftet. Gelegentlich hört man wohl in Vorträgen sagen, daß erst eine ganz neue Generation, die diese Vorurteile gar nicht erst kennenlernte, da sein muß, ehe unsere neue Gesellschaftsordnung sich Bahn brechen kann. Ich bin weniger skeptisch. Ich glaube, daß uns die Erkenntnis, woher diese Problematik kommt, der Wille uns innerlich umzustellen, auch heilen kann.
Wir Frauen müssen uns nur einmal wirklich klar machen, daß die Männer durch die Frauen zu dem gemacht werden, was sie sind! Heute wie gestern sind es in den meisten Fällen die Mütter, die im Knaben den werdenden Mann erziehen. Sie selbst find es, die die Männer zu jenem unheimlichen Dünkel erzogen haben, der sie alle Arbeit außer der, nennen wir fie furz: ,, männlichen Berufsarbeit" gleich Null einschäßen ließ.
Heute muß aber vor allen Dingen erreicht werden, daß die Arbeit, welcher Art sie auch immer sei, getan wird von dem, der gerade Zeit dafür hat. D. h. daß die berufstätige Frau, die außerhalb des Hauses Geld zu verdienen gezwungen ist, eben für die Erhaltung der Familie arbeitet,
Tritt erst die eingangs erwähnte Entfremdung zwischen den Partnern ein, dann wird die Frau dem Mann schließlich vorwerfen, daß sie das Geld verdient für ihn und die Kinder, das er evtl. mit anderen ausgibt.
Durch solche Worte, die aus der augenblicklichen verzweifelten Stimmung heraus verständlich sind, ist aber schon oft die letzte Berbindungsbrüde zwischen zwei Menschen zer brochen. Darum soll man sich davor hüten sie auszusprechen. Nie wieder sind sie ungesagt zu machen, wie mit Leuchtschrift ge= schrieben werden sie in ungünstigen Augenblicken vor den Augen des Mannes stehen und ihn quälen.
Besonders wenn auch noch Kinder vorhanden sind, sollte man in ihrer Gegenwart alle solche Dinge nicht berühren. Vermeidet man bewußt vor ihnen solche Erörterungen, dann werden die psychischen Hemmungen, die die Eltern sich auferlegen, zu ihrer gegenseitigen Erziehung führen, die eine neue Bindung für die Ehe ergeben kann!
Kinder, die mit ansehen, wie selbstverständlich sich die Eltern ergänzen, werden diese alten Vorurteile gar nicht erst fennenlernen. Sie werden in jedem Sinn, Knaben und Mädchen, sich gleichberechtigt und gleichwertig fühlen, ohne ihre individuellen Eigenarten, die physiologisch und psychologisch begründet sind, auf zugeben.
Unsere außergewöhnliche Zeit verlangt schon aus Selbsterhal tungstrieb eine außergewöhnliche Anpassung an die Verhältnisse. Wir Sozialisten hoffen allerdings, daß die Zeiten vorüber sein werden, wo die Frauen sich möglichst ausschließlich im Haushalt betätigen; auch in bürgerlichen Kreisen wird die Frau selbst in einer besseren Zukunft aufgehört haben, nur als Luxus- oder Geschlechtstierchen gewertet zu werden. Und sie und wir sind froh über diese Tatsache, die ja
der sozialistischen Idee zu verdanken
ist, die selbst bei denen wirkt, die sie ablehnen!
Nach dieser Krise wird es aber wieder so werden, daß Mann und Frau nach ihrer Eignung beschäftigt werden können und für diese Zeit müssen fie fich gefund erhalten. Dazu gehört, daß sie real denken und ihre Beziehungen zueinander ordnen. Sie sollen ihre positiven Kräfte gegenseitig erkennen und sie fördern.
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Gelegentlich werden die Frauen mehr praktische Lebenserfahrung haben und besser mit Menschen umgehen und sich anpassen können, der Mann lebt mehr theoretisch. Das ist aber kein Grund dafür, daß der Mann einen Minderwertigkeits= komplet bekommt, der haushoch wächst und allmählich alle Zuneigung zur Frau überschattet. Das sind die Gründe, aus denen neben den Psychosen, die aus der Erwerbslosigkeit allein kommen, viele Männer und Frauen unglücklich werden.
Vielfach handeln die Frauen in solchen Momenten falsch. Statt ruhig zu bleiben und um die Erhaltung der Gemeinschaft, die doch Liebe einmal erschuf, zu fämpfen, machen sie große Anstrengungen, sich ihrerseits von dem Mann zu lösen. Wir Frauen sind ja leider immer noch so eingestellt, daß wir selbst bei dem Verdacht von Untreue" des Ehepartners uns beschämt vorkommen. Auch von diesem traditionell übernommenen Gefühl wird uns hoffentlich eine unneurotischere Zeit befreien.
Ich habe den Mut hier auszusprechen,
daß die Zerrüftung vieler Chen, die dann zur Scheidung mit fehr viel Häßlichkeiten gegeneinander führt, aus der Angst der Frau vor dieser Beschämung kommt.
Sie hat das Gefühl, Mißachtung von der Deffentlichkeit zu ver dienen, weil sie verschmäht und eine andere ihr vorgezogen wurde. Ich kenne viele solcher Fälle, wo in erwähnter Weise Menschen getrennt wurden, die wirklich gut zueinander paßten. Immer war es das gleiche: Lieber sich zu Tode siegen, als der Eventualität einer Niederlage sich auszusetzen." Immer war einer Hammer, der andere Amboß. Es gilt hiermit endlich aufzuräumen.
Bewundernd steht man oft vor der tapferen Selbstverständlichkeit, mit der ein Heer von Frauen äußerliche Entbehrungen jeder Art ertragen.
Um so mehr wünscht man oft, daß sie auch in den hier geschilderten seelischen Nöten mit gleicher Ueberlegenheit den rechten Weg zu einer Verständigung suchen würden. Haben die Partner sich wiedergefunden, dann werden sie zu einer Ausgeglichenheit kommen, die das Leben erst lebenswert und produktiv macht.
Die Gesamtheit derartig gestalteter Beziehungen zwischen Mann und Frau wird eine ungeheure und unerschöpfliche Kraftquelle für unser Bolt sein und für unsere Idee.
Erfahrungen um den§ 218
Aus der Praxis einer Aerztin/ Von Fritz Baer
Es ist noch nicht viel mehr als ein Jahr her, daß in einem| abgetrieben werden, wird nur der geringste Bruchteil ermittelt. Erauffehenerregenden Prozeß in Stuttgart die kommunistische Aerztin mittelt wird ein prozentual großer Anteil der proletarischen Dr. Else Kienle in einer Anzahl von Abtreibungsfällen angeflagt wurde. Die Frage hat seinerzeit in unzähligen Versamm Fälle. Frau Kienle führt wenige davon an. Sie liegen meist einfungen die Oeffentlichkeit beschäftigt. Frau Kienle hat jetzt ihre deutig. So das junge Künstlerehepaar, das ohne jede Unterstützung Aufzeichnungen aus dem Untersuchungsgefängnis( Frauen", leben muß. Die junge Frau ist unterernährt. Beim Mangel erschienen im Stiepenheuer- Verlag) veröffentlicht. Sie bieten biel brauchbares Material in dieser wichtigen Frage. des Nötigsten, auch der Arztkosten, wagt sie einen eigenen Ein griff, der mit ihrem Tode endet. In unzähligen anderen Fällen, in Unkenntnis der Umgrenzung und in Angst vor dem Paragraphen, wird vielleicht die„ weise Frau" oder irgendein Kurpfuscher zu Rate gezogen, oder wie in einem Fall irgendein Schwager, der, von Beruf Mechaniker, von der Lage der wichtigsten Organe des menschlichen Körpers keine Ahnung hat und den Menschen zu langem Siechtum verurteilt. Als Schulbeispiel führt Frau Kienle einen Fall an, in dem der Eingriff aus sozialen Gründen, die soziale Indikation,
Frau Kienle hat eine harte Lehrzeit als Assistenzärztin in einem Polizeitrantenhaus hinter sich. Die auf der Straße auf gegriffenen Frauen wurden dort untersucht und, wenn nötig, zwangs= weise kuriert. Erschütternde Schicksale kommen da zum Vorschein. Mag es das zarte blonde Mädel sein, das mit beginnender Gorge der Mutter beim Nähen und Plätten hilft, dem verschiedene Stellungen mißlingen, bis plöglich die Mutter stirbt, alle Möglichkeiten verfagen und als scheinbar letzter Ausweg nur noch das Prostituierten dasein bleibt. Oder ob es die an der Unehrlichkeit des Mannes zerfallene Gesellschaftsehe ist, nach der die bisher wirtschaftlich gesicherte Frau in ihrer bitteren Not nur noch mit dem Verkauf ihres Körpers ihr Leben fristen zu können glaubt. In diesem Krankenhaus bekommt die Aerztin den Blick für die soziale Not der Frau. Da bekommt sie den Blick dafür, wozu Menschen durch die heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse getrieben werden und wie die Anschauungen des konservativen Teils derselben Gesellschaft des Bürgertums dem taum Rechnung tragen.
Und so stellen sich auch die meisten und die schwierigsten der von Frau Kienle angeführten Fälle in der Abtreibungsfrage als ein Anschauungsproblem des Bürgertums dar.
Nehmen wir die wohlhabende und mütterlicherseits altaðlige Familie der X. Y. als Beispiel. Sowohl die Tochter als auch die Söhne sind gut erzogen". Die bedenkenlosen Jugendstreiche der Herren Söhne kümmern die Familie nicht, sie werden übersehen. Aber gerade die Söhne sind die ersten, die die Schwester den Fehltritt fühlen lassen, als ihr Freund beim Autorennen verunglückt. Sie verzichtet nicht auf das vaterlose Kind, sie tut dem Gesetz Genüge und fürchtet nicht die gesellschaftliche Verfemung, die ihr zuteil wird auch von ihren Brüdern, obwohl deren Handlungen nicht mit ihren Anschauungen übereinstimmen.
Neben die Adlige muß man das andere Mädchen aus der besseren Gesellschaft stellen, das in einem ähnlichen Fall nicht die Kraft aufbrachte, ihre Sache durchzufechten. Sie brachte es mit unheimlicher Energie fertig, den Eltern durch Einschnüren alle äußeren sichtbaren Anzeichen zu verbergen und fuhr zur Entbindung zu einer Freundin aufs Land. So wurde das Kind zum Krüppel und der ehemals sportlich gestählte Körper der Mutter wurde ruiniert.
Das sind selbstverständlich anormal gelagerte Fälle. Aber darin liegt das Problem, daß der normal gelagerte Fall der wohlhabenden Kreise nicht oder nur durch Neid, Mißmut und Klatschsucht zur Kenntnis der Oeffentlichkeit kommt und offiziell nur die einfachen, kristallklaren Ansichten dastehen. Sei es, daß durch Kenntnis von Vorbeugungsmitteln es gar nicht zu der vom§ 218 betroffenen strafbaren Handlung kommt. Sei es, daß die Preise der Spezialärzte, die bei einer illegalen Handlung selbst verständlich nicht sinken diese Ausnützung der Illegalität ist ja auch eine der üblen Folgen des Paragraphen bezahlt merden fönnen.
während der erwerbslose Mann im Haushalt bleibt und gerade die Arbeit tut, für die kein anderer da ist. ( Arbeiten Mann und Frau beruflich, dann ist gewöhnlich die Arbeitsverteilung im Haus kein Problem.) Wer viel mit Menschen zusammenkommt, mer Einblick in eheliche Gemeinschaften befom men hat, der wird fast täglich wieder die Feststellung machen können, daß der arbeitslose Mann sich benimmt, als sei das Wahr heit geworden, mas in Spottliedern gesungen mird, daß er die Windeln waschen muß während die Frau da fizzt und Zigarren raucht", also gewissermaßen die Rollen vertauscht sind. Der Abtreibungsparagraph bestraft eine Handlung, die in den Ständige Reibereien fönnen hier unnatürlicherweise zur Verfeltensten Fällen erfaßt werden kann. Von den 30 bis 50 Broz. aller männlichung der Frau führen. Leibesfrüchte, die nach Meinung ärztlicher Sachverständiger jährlich
vollauf gerechtfertigt wäre: Die Arbeiterfrau, die bereits elf Kindern das Leben geschenkt hat, deren Mann arbeitslos geworden ist, die keine Möglichkeit sieht, das kommende zwölfte Kind noch mit zu ernähren. Aber gerade dieser drastische Fall zeigt, wie löcherig die juristische Praxis, von der mir wahrhaftig nicht verwöhnt worden sind, geworden ist. In einem Prozeß in einer mittleren Industriestadt sind Dutzende solcher Fälle zur Sprache gekommen und der angeklagte Arzt wurde freigesprochen. Es handelte sich vor allem um arme Bergarbeiterfrauen mit acht, zehn, zwölf Kindern. Erste deutsche Frauenärzte, die dort als Sachverständige verhört wurden, sprachen sich dafür aus, daß die soziale Indikation der aus rein medizinischen Gründen gleichgesetzt werde. Was nüßt aber ein solches Loch in der Rechtsprechungsmaschine, wenn die gesetzlichen Richtlinien grundsätzlich etwas anderes vorschreiben. Dies ist ja kein Thema, das mit Richtlinien und Begriffen zu erschöpfen ist", sagt Frau Kienle.
Eine Geburtenregelung hat es immer gegeben, primitive Völker haben die Kinder ausgesetzt. Das Aussetzen wie die Abtreibung wird niemandes Ideal sein. An vielen Orten sind Be= ratungsstellen eingerichtet, die mit Rat und Tat zur Seite stehen und den Weg zur Verhütung zeigen können.
Unsere Gegner verlangen, daß fein werdendes Leben vernichtet werde. Darum geht es nicht! Niemand von uns wird irgendeine Sympathie mit der feinen Dame haben, die ein Kind deshalb nicht wünscht, weil es ihre Figur verderben würde. Die Frage ist, ob ein unschuldiges Leben ungefragt in diese Welt hineingestellt werden darf, wenn seine Existenz gar nicht oder nur in den lebensunwürdigsten Verhältnissen gesichert ist. Man glaube doch nicht, daß man den Mutterinstinkt der Frau unterdrücken kann, wenn ihr im Rahmen des Möglichen Gebärfreiheit gegeben ist, wenn sie sich ihren Ernährungsmöglichkeiten anpassen kann. Die Abschaffung des Gebärzwanges in Rußland hat den Geburtenüberschuß nicht herabgedrückt. Der Gebärzwang bleibt ein Doktern an Symptonen. Es gilt, die Ursachen zu beheben, die Krankheit der heutigen Gesellschaft zu heilen, lebenswürdige Verhältnisse für alle zu schaffen.
Die Nationalsozialisten reden von der Vernichtung der Kranken, Schwachen und Krüppel. Beim§ 218 ist für sie alles in Ordnung. Die unaufrichtige, unwürdige Haltung des Bürgertums, den Widerspruch seiner äußeren Fassade, der offiziellen Anschauungen, mit der Wirklichkeit und die ungerechte Behandlung des Proletariats | mollen sie nicht sehen. Es kommt darauf an, Zustände zu schaffen, in denen Krüppel und förperlich Unfähige nicht erst zur Welt kommen können, in denen die kommende Generation gesund und fräftig aufgezogen werden kann. Für die Schaffung solcher Zustände gilt es zu fämpfen!