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Morgenausgabe

Nr. 210

A 106

49. Jahrgang

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Der Borwärts* erscheint mochentag

lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin

und im Handel mit dem Titel Der Abend". Illustrierte Sonntagsbeilage

Bolt und Zeit"

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Donnerstag

5. Mai 1932

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etui palt. Millimeterzetle 30 Bt. Reklamezeile 2.- M. ,, Kleine An zeigen" das fettgedruckte Wort 20 Bf. izulässig zwei fettgedruckte Worte, jedes weitere Wort 10 Bf. Rabatt It. Tarif. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmartt Millimeter. geile 25 Pf. Familienanzeigen Milli. meterzeile 16 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr Der Verlag behält sich das Recht der Ab. lehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

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Justizsfandal in Schlesien .

Empörend mildes Urteil gegen die Mörder von Bassy.

Breslau , 4. Mai. ( Eigenbericht.)

Im Bankauer Naziprozeß verkündete das Oppelner Schwurgericht am Mittwochnachmittag 18 Uhr das in ganz Oberschlesien mit Spannung er wartete Urteil. Es lautet für den Angeklagten myrek tegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverlegung auf zwei Jahre sechs Monate Gefängnis, für Kinast wegen gemeinschaftlichen Tot schlags auf drei Jahre drei Monate Gefängnis, und für Kosmalla wegen gemeinschaftlichen Totschlags auf drei Jahre Gefängnis. Die Angeklagten Kapita, Helmys, Mondry, Syhs und Mertin erhielten wegen gemeinschaftlicher Körperverlegung Rörperverlegung je drei Monate Gefängnis. Die übrigen sieben Angeflag­ten wurden freigesprochen.

Mit diesem Urteil hat die viehische Bluttat der Kreuz­burger Hafenfreuzbanditen eine völlig unzureichende Sühne gefunden. Die gewundene Begründung des Urteils gibt deutlich zu erkennen, daß das Gericht den Angeklagten gegenüber die größte Nachsicht walten ließ. Besonders befremdend wirft die ausdrückliche Feststellung des Vorsitzenden, Landgerichtsdirektors Kunze, daß die

S2. Leute zum Betreten der Wohnung Bassys, wo sie den kom munistischen Messerstecher vermuteten, befugt gewesen seien und sich bis zum gewaltsamen Eindringen in die Schlafkammer des Er mordeten im Recht befunden hätten. Ferner vermißt an in der Begründung eine eindringliche sittliche Berurteilung der Mordtat. Der Borsitzende hob statt dessen die moralische Mitfchuld der Kreuzburger SA. Führung hervor, die ihre Lente ohne genügende vorherige Erkundigung nach Bankau in zwei Kraft wagen entsandt hatte. Damit wird die Hauptlaft der Berantwortung

auf dritte abgewälzt, die nicht auf der Anklagebant saßen.

Die Strafanträge des Staatsanwalts gingen über

die von dem Gericht erkannten Strafen wesentlich hinaus. Ober­

staatsanwalt Wolff hatte folgende Strafanträge gestellt: Gegen den Angeklagten Rinast wegen gemeinschaftlichen Totschlags fünf Jahre Zuchthaus, gegen Rosmalla fünf Jahre Gefäng= nis, gegen Mondry, Sroka und Helmys je Jahre Ge fängnis, gegen Smyret wegen versuchten Totschlags drei Jahre Zuchthaus, gegen Baumert wegen gemeinschaftlicher Körperverlegung ein Jahr Gefäng is und gegen Schulz,

festnehmen und der Polizei übergeben wollen, sei wenig glaubwürdig; vielmehr hätten die Nationalsozialisten die Absicht gehabt, Baffy zu töten. Der Antlagevertreter ging dann auf die Vorgänge im ein zelnen ein, für die der Angeklagte Smyref in erster Linie verantwort. lich zu machen sei, da er die SA.- Verstärkungen aus Kreuzburg herbeigerufen habe.

Den oberschlesischen Nazis scheint das unbegreiflich milde Urteil des Oppelner Schwurgerichts neuen Mut eingeflüßt zu haben. Als der Schriftleiter des sozial demokratischen Organs in Oppeln beim Verlassen des Verhandlungsfaales in einer Unterhaltung mit einem Kollegen seine Unzufriedenheit mit dem Ausgang des Prozesses äußerte, riefen ihm einige Naziburschen zu: Salt die Freise, sonst fommt ihr auch noch

dran."

*

Dies Urteil ist ein Justizskandal ersten Ranges! Echon die Strafanträge des Staatsanwalts waren erstaunlich niedrig das Urteil aber schlägt allem gefunden Rechts­empfinden ins Gesicht!

Die Mordbande hat den Landarbeiter Bassy bis in seine Schlaffammer verfolgt. Sie hat die Schlafzimmertür zertrümmert, hat ihr Opfer zu Boden geschlagen und hat den am Boden Liegenden trop Jammerns und Flehens feiner Frau, die auf ihre zwei fleinen Kinder verwies, viehisch er mordet! Die Mordbuben haben die Frau des Opfers noch vor Gericht gehöhnt!

Dafür als Höchststrafe drei Jahre drei Monate Gefäng­nis! Das ist nicht mehr Gerechtigkeit, das ist die kapitu Iation der Just iz vor dem Blutterror!

Dies Urteil gehört in die Reihe gleich empörender Urteile,

die die Justiz in Schlesien zu verantworten hat. Es zeigt die Zustände in Schlesien im grellſten Lichte. Das Leben eines armen Landarbeiters, der es gewagt hat, dem Landarbeiter wenig. Die Mordbanden der Nazis haben von dieser Justiz verband anzugehören, bedeutet für diese Art von Justiz sehr nicht viel zu fürchten!

Die schärfsten Berordnungen zur Sicherung des inneren Friedens und zur Wahrung der Staatsautorität find nichts mert, wenn diese Art von Justiz selbst an der Zerstörung der Rechtssicherheit und der Staatsautorität arbeitet!

Es geht um die Erwerbslosen !

Arbeitsbeschaffung, Arbeitszeit, Arbeitslosenhilfe.

Von S. Aufhäuser.

Die in der Eisernen Front vereinigten organisierten Kräfte der deutschen Arbeiterklasse haben sich in den letzten Wochen dem anstürmenden Faschismus mit heroischer Kraft­entfaltung und unübertrefflicher Aktivität entgegengeworfen. Sie haben sich mit Erfolg geweigert, einem Einbrecher den Schlüssel zum legalen Eintritt in das Haus der Republik aus= zuhändigen. Diese unerhörten politischen Opfer der in bitter­ster Not lebenden und darbenden Massen dürfen nicht ver­geblich gebracht sein. Der Staat darf sich nicht länger der dringlichen Pflicht entziehen, mit durchgreifenden Maßnahmen der entseglichen Arbeitslosennot zu steuern. Die stärkste Waffe zur Ueberwindung des Faschismus ist Arbeits= markt politik und der am 9. Mai zusammentretende Reichstag hat die vordringliche Aufgabe, seine Forderungen an die Reichsregierung für Arbeitsbeschaffung und Arbeitslosenunterstützung zu stellen.

Alle Erwartungen, als fönnten die Träger der kapitali stischen Privatwirtschaft Millionen ruhender Arme und rosten­der Maschinen wieder in Bewegung feßen, haben sich als Illusion erwiesen. Jezt muß der Staat handeln! Es braucht nicht wiederholt zu werden, daß die Weltkrije nicht von Deutschland allein gelöst werden kann und deshalb der Kampf des Weltproletariats gegen das fapitaliſtiſche Syſtem zur Gegenwartsaufgabe werden muß. Auch für den Umbau der deutschen Wirtschaftsorganisation zur Staats- und Plan­wirtschaft haben Partei und Gewerkschaften den Weg auf­gezeigt. Aber alle Dringlichkeiten einer gesamtwirtschaftlichen Reform kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Tages­hilfe für über sechs Millionen arbeitsuchender Menschen ein Gebot der Stunde ist.

der Gewerkschaften nach sofortiger Arbeitsbeschaffung nicht er­Nach den Verlautbarungen der letzten Tage ist der Ruf folglos gewesen. Die Regierung trifft Vorbereitungen, doch ist wiederum zu befürchten, daß nur einzelne und un­Während der Außerordentliche Gewerkschaftsfongreß einen zureichende Maßnahmen ergriffen werden sollen. Gesamtplan aufgestellt hat, will die Reichsregierung neben der Erleichterung von Hausreparaturen ihre Maßnahmen zu ausschließlich auf die Siedlung im Osten und im Vor­raum der Städte konzentrieren. Andere Arbeiten, insbeson Niemals aber wird es vergessen werden, daß die Mord dere die Förderung des Wohnungsbaues, scheinen überhaupt Kapiza, Behlte, Klein und Klose wegen gemeinschaftlicher Körper- banden von den Großgrund befizern ausgehalten nicht geplant zu sein. Die Siedlung ist sicher eine wichtige verlegung unter Anwendung einer Waffe je jedhs Monate fie gegen die Opfer führen, daß es der Terror der Groß- Angaben lefen können, in welchem Ausmaße bei den Sied werden, daß die Inspektoren der Großgrundbesizer Teilaufgabe, aber sie reicht nicht aus. Wir haben auch keine Gefängnis. In seiner Anklagerede bezeichnete der Oberstaats- grundbesizer ist, dem der Ermordete zum Opfer ge­anwalt die Borgänge in Bantau als verwerflich und nicht entschuld- fallen ist, ohne daß die Justiz den Mord hinreichend gefühnt bar. Die Behauptung der Angeklagten, sie hätten Baffy II nur hat!

Kampferfahrungen.

Zagung des Parteiausschusses.

Der Parteiausschuß der Sozialdemokratischen Partei hielt am Mittwoch eine Tagung ab, zu der sämtliche Bezirkssekretäre und die weiblichen Vertrauenspersonen der Bezirke geladen waren. Ueber die politische Lage berichtete Genosse Hilferding , über Erfahrungen der Propaganda in den letzten Wahlkämpfen sprachen Genosse Vogel und Genossin Juchacz . In einer lebhaften Debatte wurden für die Gestaltung der Agitation in den kommenden Kämpfen wertvolle Anregungen gegeben. Die Tagung, die von ausgezeichneter Kampfstimmung getragen war, wird sich für die weitere Parteiarbeit als höchst fruchtbar erweisen.

Die Wahl in Memel .

Parteien, der Memelländischen Bolf spartei, die mehr städtischen Charakter hat, und der Landwirtschaftlichen Partei, sowie auch einen Zuwachs der kommunistischen Arbeiterpartei, zum Teil auf Koffen der Sozialdemokraten, während die Litauer- trotz der bekannten Schiebung mit den Einbürgerungen während der letzten Wochen, im Vergleich zu den Deutschen , nur wenig

zugenommen haben.

Ein Zeilergebnis:

lungsplänen nun der industrielle Arbeitsmarkt entlastet wer den wird. Das Reichsarbeitsministerium hat bisher keine Zahl genannt, wieviel Erwerbslose bei der Siedlung beschäftigt werden sollen. Wenn mit diesen Siedlungsplänen etwa vor­wiegend den Bauernföhnen des Ostens neue Bauernhöfe mit Hilfe des Arbeitsdienstes geschaffen werden sollen, so würden wir nur um eine Enttäuschung reicher.

Die zur Finanzierung nach den Vorschlägen der Sozial­demokratie in Aussicht genommene Brämienanleihe muß neben den angekündigten Anreizmitteln auch mit aller Kraft der Propaganda zu einer echt volkstümlichen Arbeits­beschaffungsanleihe gestaltet werden. Sie soll ein Aft höchster Solidarität des ganzen Bolles für die Erwerbslosen werden. Es braucht auch nicht darauf verzichtet zu werden, die kapital­

Gegen Mitternacht lag ein Teilergebnis vor, das etwa drei fräftigen Kreise neben der Anleihe besonders heranzu­Fünftel der Wähler umfaßt. Damit erhielten:

Memelländische Volkspartei. Landwirtschaftspartei Sozialdemokraten

Kommunisten

Litauer

9

11 535

5 100

2.874

2 163 6.969

Militär schütt Terroristen gegen die Polizei.

Memel , 4. Mai.

Zunahme der Deutschen - Litauer unverändert. In der Nacht vor der Wahl kam es in Memel verschiedentlich zu Bis Schluß des Blattes lagen über die Wahlergebnisse im Schlägereien zwischen zwischen Bettelanflebern. Die Litauischen Memelland nur wenige Teilresultate vor, obwohl die Wahl- Schaufiften" gingen mit offener Gewalt gegen die Wahlplakate der handlung bereits um 8 Uhr abends abgeschlossen war und insgesamt Memelländischen Bolkspartei vor. So versuchten sie in der Nähe des nur etwa 70 000 Stimmen in Frage kommen dürften.

Anscheinend ist diese Berzögerung teils auf die außer ordentlich hohe Wahlbeteiligung, feils auch auf die von den Litauern geförderte Lisien zersplitterung zurüd­zuführen. Die Wahlbeteiligung betrug durchschnittlich über

90 Pro 3., in manchen Dörfern jogar 97 und bis 100 Proz.

Die ersten Ergebnisse, die sich nur auf etwa ein Zehntel der Stimmberechtigten beziehen, zeigen überraschenderweise eine be­trächtliche Zunahme der beiden hauptsächlichen deutschen

,, Memeler Dampfbootes" ein Blafat umzustürzen. Als die Landes­polizei einschritt, stürzten sich die Schauliſten auf die Polizisten und versuchten fie zu entwaffnen. Berstärkung konnte dies ver­hindern. Der Versuch der Polizei, die Ruhestörer festzunehmen, wurde jedoch durch eine litauische Militärabteilung ver­hindert. Am Theaterplaz konnte die Landespolizei infolge der Uebermacht der litauischen Jungschützen das Umstürzen eines Plakats der Memelländischen Volkspartei nicht verhindern. In der Libauer Straße überfielen zwei Schaulisten einen Zettelkleber der Memelländischen Volkspartei.

ziehen.

Auch in der Frage der gesetzlichen Einführung der 40 Stunden- Woche wird der Reichstag , nach allem was bisher bekannt geworden ist, noch einmal träftig nach­stoßen müssen. Wenn bei der umfangreichen Kurzarbeit von heute durch die Verkürzung der Arbeitszeit noch ein sicht­bares Ergebnis mit der gesetzlichen Neuverteilung der Arbeit erzielt werden soll, dann muß die 40- Stunden- Woche allge= mein eingeführt werden, nicht nur in bestimmten Gewerbe­zweigen. Schließlich kann der heutige Arbeitsdienst nicht dazu ermutigen, in seiner Erweiterung das Allheilmittel zur Be­schäftigung der Erwerbslosen zu sehen. Wohl aber besteht die Möglichkeit, den Gedanken einer sozialen tollektiven Hilfs­arbeit Erwerbslofer für Erwerbsloje, wie er sich bei den Er werbslosenküchen bewährt hat, auch auf anderen Gebieten zu verwirklichen.

Der Ruf nach Arbeitsbeschaffung fann aber die Bedeu­tung der Arbeitslosenunterstügung für die ver­bleibenden Erwerbslosen nicht bermindern. Hier wollen die Gerüchte nicht verstummen, daß zur Behebung der Gemeinde­finanznot die drei Zweige: Arbeitslosenversicherung, Krisen­fürsorge und Erwerbslosenwohlfahrt zu einer einheitlichen