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Nr. 21449. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 8. Mai 1932

Haus

Gar Boot?

Einen Sport betreiben und dabei rechnen wollen, das verträgt sich nicht miteinander. Angelruten haben keine Rentabilität. Es mag sehr schön sein, bei Sacron oder bei Pinnow geruhsam an der Havel   zu sitzen und nichts weiter zu tun als zu angeln. Von Danton   bis Briand   sind alle leidenschaftliche Angler gewesen. Und es mag noch schöner sein, einen Zwei- oder gar einen Dreipfünder dann an der Schnur zu haben. Frisch und zart. Und hier mag der ,, Angel" punkt dieses Sports liegen. Denn wer ansonsten Fisch gleich Fisch setzen wollte, dem liefern die Fischhändler auf den Vorstadtmärkten die Barsche und die Plötzen wohlfeiler; das Angeln wäre von diesem Blickpunkt aus gesehen bestenfalls ein Zeitvertreib. Bisweilen ein wenig kostspielig. Einen Viertelzentner Fische würde es manchmal dafür geben. Mit anderen Dingen ist es nicht anders. Da war ein Mann aus Berlin  , der spazierte in seinem Urlaub durch das schöne Thüringen  . Er kam in eine Gegend mit vielen Burgruinen, und plötzlich fragte ihn ein Mann, ob er eine Burgruine kaufen molle. Warum nicht, meinte der Urlauber, und wurde bei einem Preis von 200 M. mit dem Gemeindevorsteher handelseins. Von der Burg standen nur noch die Mauern und das Verlies, gar nichts war damit anzufangen, nur in Berlin   konnte der Mann erzählen: Nächsten Sonntag werde ich ein wenig auf meine Burg fahren. Natürlich, ich habe eine Burg." Wie oft der Mann auf der Burg war, ist nicht mehr festzustellen, mit pünktlicher Regelmäßigkeit kam nur der Gemeindevorsteher und sackte die Steuern ein.

Hühnerstall und Eierladen.

Bis zu den kleinsten, unscheinbarsten Dingen läßt sich die Sehn­fucht nach etwas Eigenem verfolgen. An fich bleibt es gleich, ob man die Eier aus dem Hühnerstall oder aus dem Eierladen bezieht. Für den Geldbeutel ist es sogar noch besser, wenn die Eier aus dem Laden geholt werden: das mit lauter Hieroglyphen und dazwischen dem Reichsadler bestempelte deutsche Frischei samt seiner Qualitäts­garantie kostet ganze 8 Pfennige. Nein, haben Hühnerhalter gesagt, für 8 Pf. Kleinhandelspreis können sie kein Frischei liefern, das fäme einem Verschenken beinahe gleich und das Massensterben der Hühnerfarmen zeige ja zur Genüge, was in Deutschland   mit der Eierproduktion los ist. Trotzdem lassen Hunderttausende Kleinsiedler, Laubenkolonisten und Vorortbewohner nicht von ihrem Hühnerstall. Ja, schwenken sie dann um, das muß man erlebt haben, wenn man aus dem Haus tritt und die Hühner laufen zusammen und warten auf Futter und dann ſtreut man die Körner auf den Hof und alles pickt. Es ist bei einem Hühnerhof ein gut Teil Liebhaberei. Und fahren die Leute fort nichts geht über unser Frischei. Man muß wissen, daß Eier bereits nach vier Tagen ihren Lecithingehalt ver­Tieren, ein vier Tage altes Ei ist eben mir noch ein Kochei. Wiewohl ein junges Hähnchen, das wir dann und wann in die Pfanne stecken, auch nicht zu verachten ist. Gewiß nicht, aber nur von Küchenabfällen and Kartoffeln legen die Hühner eben feine Qualitätseier, da gehören Kleie und Kalk und Gritt( d. f. kleine Steine) ins Weichfutter und jeden Monat ist es nötig, einen Zentner Mischfutter zu kaufen, das besteht aus: gequetschtem. Mais, Dari, Sonnenblumenkernen, Hirse, Weizen, Gerste und getrockneter Fischen, die die Hühner zuerst her­auspicken Nur: dieses Mischjutter foftet 12 Mark pro Zentner. Und allein für dieses Geld also ohne Weichfutter und alles andere gibt es im Eierladen, 150 Eier.

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Sonntagsfahrkarte

Gemach

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ein Zentner Kartoffeln. antworten die Kolonisten, wenn Sie einmal bei uns haben die Sonne hinter dem See untergehen sehen, dann wer­den Sie anders reden. Und diese Ruhe, endlich mal weg vom Auto­lärm. Dazu das junge Grün, das im Garten sprießt, es ist eine helle Freude. Kein Mensch wird das bestreiten wollen. Frische Erd­beeren, eben aus dem Garten, sind etwas Köstliches. Und im Herbst wird es Kohlköpfe genug im Garten geben. Alles richtig. Nur ist es das Unglück des Siedlers, mit seiner Ernte ständig zwischen die Ernte der großen Freilandgärtner zu geraten und wenn sich der Mann am Sonntag mit einem Zentner Kohl auf dem Rücken von Oraninenburg oder Zossen   nach Hause geschleppt hat, dann kommen Montag früh die Händler und rufen ihm ins Haus: Wirsingkohl, schöner, frischer Wirsingkohl, drei Mark der Zentner! Soviel hat jedoch der Mann an einem Tag an Fahrgeld für sich und die Frau ausgeben müssen. Nun aber auf jedes Pfund Obst und Gemüse die hohen Kosten für den Grund und Boden geschlagen, die hohen Fahr­gelder, dies noch und jenes dazu, dann geht es den Leuten so wie den Siedlern, die sich eine Selbstkostenrechnung für die von ihnen angebauten Kartoffeln aufgemacht hatten. Da stellte sich heraus, daß sie der Zentner Kartoffeln auf 2,40 m. zu stehen kam; nebenan beim Bauern hätten sie den Zentner für 1,60 m. bekommen können. Wenn Obstzüchter überhaupt einen Ertrag haben wollen, müssen sie un geheuer fleißig in der Schädlingsbekämpfung sein. Aber eine gute nebelzerstäubende Sprize kostet etwa 50 M. Dafür bekommt man in der Stadt gut und gern drei Zentner Kirschen.

Häufer brauchen Zeit.

Nicht einmal beim Eigenhaus geht die Rechnung auf. Gejezt den Fall, jemand hat ein schuldenfreies Grundstück. Dann bekommt er bei den jetzigen Baupreisen für 10 000 m. ein maffiges Häuschen hingebaut, so ungefähr mit vier Zimmern. Der Mann nimmt dafür eine 10 000- Mart- Hypothef, die er mit 6 Proz. pro Jahr zu verzinsen hat. Das sind im Monat 50 M. an Zinsen und für das übrige an Wassergeld, Grundstückssteuern, Kanalisationsgebühren, Straßen­reinigungsgeld und Müllabfuhrgebühren sollen nochmals 10 M. zu sammenkommen, dann hat der Mann eine monatliche Laft von 60 m. Dafür alles Angenehme des Landaufenthalts, den Vogelsang am Morgen, den Sonnenuntergang, man kennt das. Wenn Sonntags der Besuch kommt, dem bricht schier das Herz vor Neid. Aber wie kommt der Mann in die Stadt zur Arbeit? Mit der Bahn. Die Bahn kostet Geld, unter Umständen viel Geld und gleichermaßen Zeit. Der Achtstundentag, für den die Arbeiter so lange gefämpft haben, hat doch auch seine fulturelle Bedeutung; es ging nicht nur

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ist

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um die geringere Arbeitsleistung die meist gar nicht geringer sondern nicht minder um die größere Freizeit. Und diese Freizeit frißt die tägliche Bahnfahrt längst wieder auf. Wobei noch günstigste Verhältnisse vorausgesezt sind und Wohnhaus und Arbeits­stätte immer in der Nähe eines Bahnhofs liegen mögen. Wenn die Kollegen aus der Stadt schon längst zu Hause sind, gondeln die Siedler immer noch durch die Gegend.( Das soll aber beileibe keine Verherrlichung der Mietfaserne sein.)

Schöne Dinge fosten Geid.

Auch Boote fosten viel Geld. Verhältnismäßig noch mehr Geld als Kraftwagen. Nur daß Motorboote eben seltener benutzt werden als Autos. Aber sonst sind auf dem Wasser zehn Liter Benzin nur allzu schnell verbraucht. Mit der Eisenbahn würde man für das gleiche Geld getrost viermal so weit fommen. Da winken jedoch schon die Bootsfahrer ab und lächeln: will etma jemand eine Eisenbahn­fahrt mit einer Motorbootfahrt vergleichen? Sonntags eingepfercht in der Bahn sitzen, womöglich keinen Sitzplatz haben und nur ein schmaler Fensterspalt ermöglicht einen Blick ins Freie. Dagegen wohlgemut im Motorboot sizen und See und Fluß durchsurchen, ohne Zweifel ist das höchst angenehm. Nur Selbstkostenrechnungen darf man dafür nicht aufstellen; dann kämen letzten Endes Flugzeug­preise heraus.

solchen Wagen 24 M. Steuer im Monat, 30 M. Garage, ein Ver­mögen für Reparaturen und dann ist noch kein Groschen dabei für Amortisation. Alles Schöne ist nun mal teuer. Es ist doch kein Zufall, daß der Pferdebestand Deutschlands   von einer Stabilität son­dergleichen ist. Vor dem Kriege( 1912) besaß Deutschland   70 000 Kraftwagen, davon waren noch 20 000 Krafträder. Heute beträgt der deutsche Bestand an Kraftfahrzeugen 1507 129 Stück! Aber hat es den Pferden etwas getan? Fast gar nichts. Am 1. Dezember 1913 ( heutiges Reichsgebiet) besaß Deutschland   3 806 000 Pferde, vor fünf Monaten, am 1. Dezember 1931, wurden immer noch 3447 000 Pferde bei uns gezählt. Trotzdem die alte Armee nicht mehr existiert.

Die Ueberwindung der Mietsfaserne. Schließlich sieht es so aus, als könnte man an den Westenknöpfen abzählen, was denn nun besser ist. Mit der. einfachen Fragestellung billig oder teuer kommt man auch der Lösung nicht allzu viel näher. Es stehen da noch andere Momente zur Entscheidung bei den Gärten, den Hühnern, den Häusern und den Booten. Der Großstädter ist heimatlos. Er hat sich irgendwo seine 30, 40 Quadratmeter Dielen gemietet, der er nun jahraus, jahrein abtritt. Das wirkt auf die Dauer erdrückend und so sucht er nach einem Stückchen Garten, der sein Eigentum ist und in dem er nach Herzenslust wirtschaften kann. Dieses Bewußtsein des Besizes ist schon etwas Außerordentliches und Aehnlich ist es mit den Autos. Es ist sehr schön, morgens so steht der Mann unter seinen blühenden Bäumen und freut sich. in zehn Minuten in der Stadt zu sein. Nur ein wenig teuer. Ein Und wenn die Männer dann noch die Sache mit dem halben oder Mann, der von seinem nur 10 Kilometer von der Innenstadt ent- ganzen Morgen Scholle richtig und geschicht angefangen haben, dann fernten Siedlungshaus täglich zur Arbeit fährt, müßte dafür 1 m, fommt noch eine gewiffe Sicherheit gegenüber den Zufälligkeiten un­aufwenden. Dabei den typischen deutschen 8/ 40er Normalwagen vorferer, trüben Tage hinzu; denn Hühnerzucht braucht nicht unter allen ausgefeßt, die etwa 13 Liter Brennstoff pro 100 Kilometer ver- Umständen unrentabel zu sein. Wenn der Stadtmensch nicht mehr brauchen; dazu einen halben Lifer Del. Es ist wunderschön, das die 8 Pf. für das Ei und die 20 Pf. für die Kartoffeln hat, ist er tot, Autofahren, aber diese winzigen 20 Kilometer( nämlich hin und zu- wenn dagegen dem Landmann 28 Pf. fehlen, weiß er sich noch immer rück) fosten allein an Betriebsstoff pro Tag 1 M. Dazu für einen zu helfen.

Ein falsches Mordgeständnis.

Der Doppelmord war lange vorbereitet.

In den Vormittagsstunden des Sonnabends hat sich heraus-, hat er sich erst im ganzen nach dem Mord angeschafft. Die Unter­gestellt, daß das Geständnis des jugendlichen Mörders Ernst suchung der Mordkommission ist durch diese ganzen Umstände in Waldow, das er am Freitag dem Kriminalrat Gennat   ablegte, neue Bahnen gelenkt worden. erlogen war. Die Angaben über die angebliche Ausführung des Mordes sind von A bis 3 falsch. Die Tat selbst steht jedoch außer jedem Zweifel.

Die Feststellungen der Mordkommission haben ein ganz anderes Bild ergeben: Danach hat der junge Bursche die schreckliche Tat nicht in der Eingebung des Augenblicks ausgeführt, sondern sie schon seit Wochen auf das sorgfältigste vorbe reitet. Ernst W. hatte einen Freund im gleichen Alter, den er dafür zu gewinnen versuchte, mit ihm zusammen die Baars zu machen". Er schilderte ihm, wie leicht es sei, sich in den Besitz der dort befindlichen Gelder zu setzen und wies ihn eindringlich darauf hin, daß alles nur eine Kleinigkeit sei, weil ihm die Verhältnisse dort genau bekannt wären. Die beiden Burschen wollten zunächst einen großen Einbruch während der Abwesenheit des Greifen­paares begehen. Dem Freund kam aber die ganze Sache doch zu unheimlich vor, so daß er es ablehnte, die Sache mit W. zusammen zu begehen. Als er das dem Jungen sagte, erwiderte dieser: ,, Wenn du nicht willst, dann werde ich es eben alleine machen. Ich werde dann die Leute erschlagen."

Einige Tage vor dem Mord sand der junge Bursche in der Wohnung des Greisenpaares, als er dort die Zimmern aufräumte, einen Tesching mit abschraubbarem Lauf. Diese kleine Waffe nahm er an sich. Kurz bevor er am Montag zu dem graufigen Mord schritt, fragte er noch einmal seinen Freund, ob er sich's nun inzwischen überlegt hätte. Dieser aber ließ ihn stehen und ging seiner Wege. Dann geschah das Verbrechen.

Die Kriminalkommissare fonnten dem jungen Mörder nach meisen, daß auch noch weitere Angaben erlogen waren. Der Bursche hat höchstwahrscheinlich doch mehr Geld an sich genommen, als er erst zugab. Die Anschaffungen, die er gemacht hatte, fosteten über 130 Mart. Die ganze Ausrüstung, die bei ihm gefunden wurde,

selber bauen

nach dem gründlichen

billigen

zuverlässigen

Die Bluttat in der Glienicker Heide. Ueberfallene Frau ihren Verlegungen erlegen.

In der Nacht zum Sonnabend ist die 26 Jahre alte Frau Charlotte Kurth aus der Beusselstraße im Moabiter Krankenhaus ihren schweren Verlegungen erlegen.

Wie berichtet, war Frau Kurth mit ihrem Manne am Freitag vergangener Woche mit dem Auto nach der Glienicker Heide hin ausgefahren. Als das Ehepaar den Wagen zur Rückfahrt besteigen wollte, wurden sie beide von einem Manne, der sich zuerst als Forstaufseher ausgegeben hatte, angehalten. Der Strolch bedrohte den Ehemann mit der Pistole. Als Frau K. hilferufend davonlief, feuerte der Räuber mehrere Schüsse auf die Frau ab. Eine Kugel traf den Rücken und durchschlug den Leib. Trotzdem der Ehe­mann seine Frau allerschnellstens zu einem Arzt brachte, konnte sie nicht mehr gerettet werden. Nach der Bluttat brachte Kurth seine Frau zum Wagen und fuhr den Feldweg entlang, bis zur Groß­Glienicker Chaussee. Hier traf er auf eine Limousine, an der drei Männer standen. Diese Zeugen haben sich jetzt gemeldet. Es sind ein Kaufmann aus Potsdam   und zwei Handwerksburschen. Alle drei hatten Schüsse und Hilferufe gehört. Sie suchten gleich danach das ganze Gelände ab, konnten aber den Mörder nicht finden. Nach der Beschreibung, die Kurth von dem Täter gegeben hat, konnte festgestellt werden, daß der Schüße am Tage zuvor in der Gegend gebettelt hatte. Bisher fehlt noch jede Spur von ihm.

Wie ergänzend mitgeteilt wird, ist in Anbetracht der Schwere des Verbrechens die Belohnung, die auf die Ergreifung des Mörders in der Glienicker Heide ausgesetzt worden war, auf 1000 Mark erhöht worden.

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