1932
Der Abend
Erfcheint tåglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Borwärts" Bezugspreis für beide Ausgaben 73 Bf. pro Woche, 3,25 M pro Monat ( davon 87 Vf. monatlich für Zustellung ins Haus) im voraus sablbar. Bost bezug 3,97 m. einschließlich 60 Vf. Vostzeitungs und 72 Vf. Vostbestellgebühren
Spätausgabe des„ Vorwärts
"
10 Pf.
Rr. 217
B 109 49. Jahrgang
-
Anjetgenpreis: Die einspaltige Millimeterzeile 30 Vf. Reklamezeile 2.-M. Ermäßigungen nach Tarif. Vostfcheckkonto: Borwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37 536. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor! Redaktion und Erpedition: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Gernsprecher: Donboff( A 7) 292-297.
Bersailles, 10. Mai.( Eigenbericht.)
Kammer und Senat find heute vormittag in Bersailles in der Nationalversammlung zusammengetreten, um den vierten Präsidenten der Republik zu wählen. Den Vorsitz führt der Senatspräsident Lebrun, der zugleich kandidat des Amts des Staatspräsidenten ist. Der Kongreß tagt in einem im Flügel des Versailler Schloffes gelegenen Saal, der nach Ausrufung der dritten Republik für die Sihungen der Abgeordnetenkammer eingerichtet worden war. Als die Regierung im Jahre 1879 von Bersailles nach Paris verlegt wurde, erhielt der Saal seine jetzige Bestimmung als Tagungsort für die Nationalversammlung. Das Schloß ist seit mittag in riesigem Umfange durch Polizei und Truppen abgesperrt. Auch die beiden Bahnstreden nach Versailles werden von Truppen überwacht.
Gegen 11 Uhr vormittags trafen die ersten Parlamentarier in Versailles ein. In der sogenannten Büstengalerie, die der Nationalversammlung als Wandelgang dient, herrschte gegen mittag bereits ein lebhaftes Treiben. Auch zahlreiche neugewählte Abgeordnete find erschienen, obgleich fie an der Abstimmung nicht teilnehmen dürfen. Die Wahl Lebruns wird allgemein als gesichert angesehen. Die radikale Kammerfraffion, die erst eine halbe Stunde vor Beginn der Sihung zusammentritt, dürfte ihren Mitgliedern empfehlen, für Lebrun zu stimmen. Dieser Aufforderung werden die meisten Radikalen Folge leiften. Mit diesem Maffenvotum wollen die Radikalen nämlich erreichen, daß Lebrun, obgleich politisch rechtsstehend, nicht als kandidat der Rechten, fondern der Linken fiegt.
Die Haltung der radikalen Fraktion des Senats, die die Zurudziehung der kandidatur Painlevés ausgerufen hat und die angesichts des Ergebnisses der Kammerwahlen als etwas zweideutig erscheinen könnte, ist vor allem durch zwei Gründe zu erklären: Der Senat spielt in der französischen Politik die Rolle eines Dämpfers und Mäßigers.
Ebenso wie ihm jede zu rechts gerichtete Regierungspolifit verhaßt ist, was er durch den Sturz der Regierung Tardieus und Lavals bewiesen hat, wünscht er auch keinen zu scharfen Linkskurs, wie es nach den Kammerwahlen möglich wäre. Um nun den kommenden Linksregierungen gewiffermaßen ein Gegengewicht entgegen zu setzen, möchte der Senat einschließlich der radikalen Fraktion einen mehr rechts gerichteten Politiker an der Spitze des Staates wählen.
Der zweite Grund ist mehr materieller Art. Durch die Wahl Lebruns wird der Poften des Senatspräsidenten frei, den nun der radikale Senator Jeannenen zu erhalten Aussicht hat. Jeannenen war bei der letzten Senatspräsidentenwahl nur mit acht Stimmen Lebrun unterlegen. Wenn Lebrun zum Staatspräsidenten gewählt wird, dürfte als Gegenleistung auch die Rechtsfraktion des Senats diesmal für Jeannenen stimmen.
Die sozialistische parlamentarische Frattion ( Abgeordnete und Senatoren zusammen) hat furz vor der Kongreßfizung einstimmig beschloffen, für Paul Faure zu stimmen. Dieser Beschluß stellte eine Art Sympathiekundgebung für den allgemein beliebten Generalsekretär der Partei dar, der für seine Niederlage bei den Kammerwahlen entschädigt werden soll. Die Niederlage bei den Kammerwahlen entschädigt werden foll. Die Kommunisten werden gleichfalls für einen ihrer Abgeordneten
sfimmen.
Sozialistischer Parteitag in Frankreich bereits Mitte Mai. Paris , 10. Mai. Havas erklärt, daß der ursprünglich für den 29. Mai geplante außerordentliche sozialistische Parteitag, der sich mit der durch die Wahl geschaffenen Cage. insbesondere mit der Frage einer eventuellen Beteiligung der Sozialisten an der Regierung beschäftigen wird, bereits am 15. und 16. Mai tagen werde.
Es bestätigt sich, daß bei der Erdrutschkatastrophe in Lyon 32 Menschen ums Leben gekommen find. Im Laufe der Verschütteten noch lebend zu bergen. Die Aufräumungsdes Montag mußte die Hoffnung aufgegeben werden, einen Teil
Die Trümmer des eingestürzten Hauses. arbeiten wurden daher unterbrochen, um zunächst die bei dem Erdrutsch stehen gebliebenen Mauern und Teile des Hügelabhanges, die jeden Augenblick die Bergungsmannschaften unter sich zu begraben drohten, zum Einsturz zu bringen. Zu diesem Zwed wurden drei kleinkalibrige Geschuhe aufgestellt, die mehrere Stunden lang in die Trümmer hineinfchoffen. Die Granaten riefen einen Brand hervor, der von der Feuerwehr gelöscht werden mußte. Die Aufräumungsarbeiten wurden daher erst am späten Nachmittag
wieder aufgenommen. Bis Mitternacht wurden sechs schrecklich verstümmelte Leichen aus den Schuftmassen hervorgezogen, darunter die Leichen mehrerer Frauen. 26 Mieter der eingestürzten Häuser werden noch vermißt. Sie liegen höchstwahrscheinlich unter den Trümmern begraben.
meldet, durch die sich ein ganzes Dorf in Gefahr be
-
findet, verschüttet zu werden. Etwa 2 millionen Kubikmeter Erde haben sich in Bewegung gesetzt und rutschen langsam abwärts ins Tal. Von zehn Häusern auf dieser wandernden Oberfläche wurden drei bereits vollkommen zerstört, da die Erdmassen während des Abrutschens wie bei Erdbeben plötzlich klaffende Risse bekommen, in denen Bäume und Häuser versinken. Die Bewohner der im Tal gelegenen Dörfer beeilen sich, ihre Wohnungen zu räumen und lebendes und totes Inventar in Sicherheit zu bringen.
-
Luftschiff in höchster Gefahr.
Riesenzeppelin Afron" in schwerem Sturm. Fortworth ( Texas ), 10. Mai. Das Riesenluftschiff Akron geriet bei einer Fahrt nach dem pazifischen Küstengebiet in einen schweren Sturm. Sämtliche Einwohner der Stadt San Angelo wurden alarmiert, um bei einem Landungsversuch des Luftschiffs Hilfe zu leisten. Alle Versuche, das Luftschiff landen zu lassen, schlugen jedoch wegen des heftigen Sturms fehl. Die Akron trieb in der Richtung auf Christobal ab. Man ist über ihr Schicksal in größter Unruhe.
Was sie über den Mörder Doumers zu sagen weiß. Paris , 10. mai.( Eigenbericht.)
Die Frau des Mörders Gorgulon ist am Sonntagnachmittag von zwei Polizeikommissaren begleitet in Paris eingetroffen und von der Gerichtspolizei sowie dem Unterfuchungsrichter verhört worden.
Sie sagte aus, daß ihr Mann keinerlei Anzeichen von Geistess frankheit gezeigt hat. Er sei ihr gegenüber stets sehr höflich gewesen und habe nur, wie alle Menschen, ab und zu schlechte Laune gehabt. Er sei auch sehr gläubig gewesen und habe sie stets zur Messe begleitet. Ueber seine politische Gesinnung habe er sich nie geäußert.
Die Zeugin ist gebeten worden, sich weiter zur Verfügung der Untersuchungsbehörde zu halten.
Geldbriefträger überfallen
Täter nach längerer Verfolgung festgenommen
Fennstraße handelt. Aus verschiedenen Gründen wird angenommen, daß er noch mit einem Komplicen zusammengearbeitet hat. Die Nachforschungen der Polizei nach diesem zweiten Mann sind im Gange. Der überfallene Briefträger mußte nach dem Achenbach- Krankenhaus gebracht werden.
Ein dreister Raubüberfall wurde heute gegen 29 Uhr| 23 Jahre alten Arbeiter Erich Kornblum aus der auf den 40 Jahre alten Geldbriefträger Karl Weichert verübt. Weichert befand sich auf seinem Bestellgang, als er plötzlich im Hause Stubenrauchstraße 71 in Friedenau von einem jungen Burschen, der ihn wahrscheinlich schon längere Zeit beobachtet hatte, auf der Treppe überfallen wurde. Der Bandit schlug mit einem in Kammgarnstoff gewickelten, etwa 5 Pfund schweren Stein auf den Geldbriefträger ein und brachte ihm eine klaffende Kopfwunde bei, so daß der Ueberfallene zu Boden stürzte. Er hatte jedoch noch die Kraft, laut um Hilfe zu rufen. Als auf seine Hilferufe nunmehr mehrere Hausbewohner herbeiliefen, ergriff der jugendliche Täter die Flucht. Nach kurzer Verfolgungsjagd konnte er schließlich an der Ecke Stuben rauch- und Odenwaldstraße gestellt werden. Im Polizeiverhör stellte sich heraus, daß es sich um einen
Der Postschaffner Weichert, der gegenwärtig einen in Urlaub befindlichen Kollegen vertritt, machte in den heutigen Morgenstunden gegen 8 Uhr seine Tour. Um 8.30 Uhr tam er in das Haus Stubenrauchstr. 71 und suchte das erste Stockwert auf. Auf der Hälfte der Treppe wurde er plöglich von einem jungen Burschen eingeholt, der nach ihm das Haus betreten hatte. Der Bursche verKopfseite, so daß Weichert gegen die Wand taumelte und zusetzte dem Briefträger von hinten einen Schlag gegen die linke sammenbrach. Durch den Sturz schlug er wieder so unglücklich mit dem Kopf auf die Stufen, daß er besinnungslos liegen blieb. Als sich jetzt der Räuber an der Geldtasche des Postbeamten zu