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Maffenmörder Troppmann

Ein Gegenstück zu Kürten und Angerstein

Aber ein Argument für die Todesstrafe?

Dieser Tage meldete der Amtliche Preußische Pressedienst, daß die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie in München , die das Gehirn des im vorigen Juli hingerichteten Peter Rürten zur Untersuchung erhalten hatte, zu der Ueberzeugung gelangt fet, daß der Bampyr von Düsseldorf " an teiner Geistestrantheit gelitten habe, sondern normal" gewesen sei. Gerade da diese Nachricht die Erinnerung an einen der schaurigsten Kriminalfälle aller Jahr hunderte wieder heraufbeschmört, schildert ein zu Paris erschienenes Buch P. Bouchardons Troppmann"( Berlag 21bin Michel) an Hand der Aften und der Berichte aus der Zeit die Untaten eines Verbrechers, der nicht nur vor mehr als zwei Menschenaltern in Frankreich ähnliche Aufregung hervorrief wie in dem Deutschland unserer Tage die Massenmörder Kürten , Angerstein und haarmann, sondern auch noch heute

als Urbild des entmenschten Würgers

genannt und bekannt ist. Sein Name ist fast zum Gattungsbegriff gemorden: Troppmann .

Wenn heute Pantin ein belebter und bevölkerier Industrie­vorort von Baris ist, zu dem man durch die Avenue Jean Jaurès und das Jean- Jaurès- Tor tommt, so lag es vor zweiundsechzig Jahren als unbeachtetes fleines Nest in trostloser Einöde mit dem Fort Aubervilliers als Hintergrund da. Dort stieß am Morgen des 20. September 1869 ein Bauer, der mit seinem Fuhrwert zu seinem Ader zottelte, etwas abseits vom Wege auf Blutspuren und frisch geloderte Erde. Hade angesetzt, und gleich legte er ein menschliches Ohr und Haar bloß. Die rasch benachrichtigte Polizei erschien, Soldaten vom nahen Fort sperrten den Platz gegen den Andrang der Neugierigen ab, und zum eisigen Entsezen aller gruben eifrige Spaten aus, was der Boden hier verbarg: erst die Leiche eines fünfjährigen Knaben, dann die eines zehnjährigen Knaben, danach die eines zweijährigen Mädchens, hierauf die einer etwa vierzig jährigen Frau, endlich die eines achtjährigen Knaben, und als man das unheimliche Massengrab leer glaubte, noch die eines vierzehn­jährigen Knaben. Alle Körper wiesen graufige Verlegungen durch Messerstiche und Schaufelhiebe, einige auch Bürgespuren auf.

Ganz Paris schrie auf, ganz Frankreich schauderte: ein Ber­brechen, wie es die Kriminalgeschichte seit Menschen gebenten nicht verzeichnet hatte, war hier aufgedeckt worden! Die Ermittlungen der Polizei ergaben sofort, daß am Abend vorher in einem bescheidenen Hotel in der Nähe des Nordbahnhofs eine Frau von Aussehen der ermordet Aufgefundenen, umringt von fünf sich ängstlich an ihre Röcke schmiegenden Kindern, nach ihrem Mann, Jean Rind mit Namen, gefragt habe; auf die Ant wort, daß er wohl hier abgestiegen, aber nicht anwesend sei, er widerte fie, sie wolle auf den Bahnhof zurückkehren, wo er sie sicher zu einem späteren Zug erwarte. Im Leichenschauhaus erkannten die Hotelangestellten die Frau und die Kinder wieder, und da sie als Herkunftsort Roubaig angegeben hatte, stellte sich heraus, daß es sich um die Familie eines dortigen Bürgers handelte, der eine Mechanikerwerkstatt betrieb. Aber wo war der Mann Jean Kind? Wo der älteste sechzehnjährige Sohn Gustav?

Schon brachte man beider Berschwinden mit dem Berbrechen in ursächlichen Zusammenhang, als am 24. September in Le Hapre ein junger Mensch, der sich dort seit vier Tagen in einem Gasthaus eingemietet hatte, einem Gendarmen auffiel. Da er feine Papiere bei sich hatte, sollte er mit zur Bache , enimischte aber unterwegs und warf sich, verfolgt, in eines der inneren Hafenbeden, mohl in der Abficht, sich zu ertränken. Ein Werftarbeiter sprang ihm nach und brachte ihn nach hartem Rampf aufs Trodene. Bei dem fast Ertrunkenen fanden sich außer zwei Uhren, einer goldenen und einer silbernen, und 110 Franken in Münze, Wertpapiere, Quittungen und Rechnungen, die

alle auf den Namen Jean kind ausgestellt waren. Anscheinend war der Festgenommene also Gustav Kind, der seine Mutter und Geschwister und wahrscheinlich auch seinen Bater umgebracht hatte, da er dessen Papiere bei sich trug. Aber im Verhör gab der Berhaftete in geläufigem Französisch, doch mit stark deutschem Akzent als seine Personalien an: Jean. Baptiste Troppmann, geboren am 5. Oftober 1849 in Brunstadt, Kreis Mülhausen, Mechaniker in Sennheim im Ober elsaß. Ohne Umschweife räumte er auch ein, an dem Mord von Bantin beteiligt gemesen zu sein, aber die eigentlichen Täter seien Jean Rind, der seine Frau aus Eifersucht und die Kinder als Mitmisser getötet habe, und sein ältester Sohn Gustav. Die Familie Kind habe er in Roubaig fennengelernt, wo er sich beruflich aufhielt, und mit ihrem Oberhaupt als einem elfäffi­1chen Landsmann schnell Freundschaft geschlossen; die Papiere habe er vom Mörder zur Aufbewahrung und mit der Beisung erhalten, ihn in Le Havre zu erwarten. Auch nachdem Tropp mann in Paris den Leichen der Ermordeten gegenübergestellt worden war, blieb er bei diesen wenig glaubhaften Behauptungen. In steigendem Maße beschäftigte der Mord von Pantin die öffentliche Meinung und, was Bouchardon nicht erwähnt,

die Regierung Napoleons III.,

die, fast am Ende ihres Lateins, wachsende Schwierigkeiten mit der Opposition hatte, förderte diese Erregung, um derart das Intereffe der Deffentlichkeit von den politischen Tagesfragen abzuziehen. Die Blätter, namentlich des Regimes, traten ohne Unterlag den traurigen Fall auf ganzen Seiten breit; Figaro" verdoppelte mit dieser üblen Sensationshascherei seine Auflage, Petit Journal" ging täglich in einer halben Million Exemplare ab. Jeden Tag ergossen sich auch Menschenmassen, Zehntausende und Zehntausende, auf das Feld von Pantin , um die Stätte des Verbrechens anzu­staunen; eilends aufgeschlagene Buden boten Lebfuchen, Lakrizen­masser und Bratkartoffeln feil, und Moritatensänger beklagten zum Leierkasten in vielen Strophen den Untergang der Familie Kind; ein Trubel war wie auf einem Jahrinarkt. Inmitten dieser Menschenmenge stieß man, unweit der anderen Grube, auf ein neues Grab, das die Leiche Gustav Kinds hergab. Mit sieben Messerstichen war der Junge gemeuchelt worden.

Obwohl dieser Fund das Lügengebäude Troppmanns er schüttern mußte, erklärte der Angeschuldigte seelenruhig, dann habe Rind Bater eben auch seinen ältesten Sohn auf dem Gewissen. Umfangreiche Nachgrabungen auf dem Felde von Pantin förderten nichts weiter zutage, und ähnliche Nachforschungen in der effäffischen Heimat Jean Rinds, wohin er sich von Roubair Ende Auguft begeben hatte und wo er in Sulh zulegt gesehen worden war, blieben ergebnislos. Die Teiche wurden abgelassen, die Wälder von Militär durchsucht, die Weinberge durchstöbert, Hellseherinnen be fragt alles umsonst. Da ließ sich Troppmann am 12. No­nember dem Staatsanwalt vorführen und legte ein volles Geständnis ab: jawohl, er allein und niemand anders sei der Mörder der gesamten Familie Rind,

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des Mannes, der Frau, der sechs Kinder. Er habe seinen Lands mann nach dem Elsaß gelockt, ihm dort in der Nähe der Schloßrume Herrenflüh mit Blausäure perfezien Bein gereicht, den Leichnam an Ort und Stelle eingegraben. Dann sei er nach Baris gefahren und habe Guftan Rind, der ihn am 17. September aufsuchte, bei Pantin umgebracht und verscharrt, desgleichen den Rest der Familie, der die Anwesenheit des Vaters auf jenem öden Felde vorgespiegelt worden sei, am 19. September. In der Tat entdeckte man an dem angegebenen Plaz im Elsaß den schon start verwesten Kadaver Jean Rinds.

Troppmann , dessen Vater mit phantastischen Erfindungen viel Zeit und Geld verplempert hatte, erwies fich bei näherem Zu­fehen als einer jener ajozialen Typen, die als Sumpfblüten der tapitalistischen Gesellschaftsordnung gelten können. Wie jedem strebsamen jungen Manne" schwebte ihm das, Ideal" vor, zu Geld zu kommen; nur war er bei seiner an geborenen Gefühlstälte und einem durch Schauerromane verderbten Gehirn in den Mitteln außergewöhnlich wahllos. Als Opfer suchte er sich seinen Landsmann Kind aus, der es durch harte Arbeit zu einem Vermögen von rund 100 000 Franken gebracht hatte. Nach dem er ihn in den heimatlichen Bergen verscharrt hatte, eignete er sich seine Papiere an und ließ sich auf Grund gefälschter Schecks von Roubair zunächst einmal 5500 Franten nach Gebmeiler über­weisen. Aber die Post verweigerte dem jungen Mann, der der genügenden Ausweise entbehrte, die Aushändigung des Geldes. Auch der Versuch, die Summe durch Gustav Kind erheben zu lassen, den er, immer als Kind Vater unterzeichnend, nach Geb­weiler beorderte, scheiterte aus dem gleichen Grunde. Ob er dann die weiteren Morde nur beging, um die Spur feines ersten Ber­brechens zu verwischen, oder ob er die ganze Familie unbewegt ausrottete, um sich von Amerika aus als Jean Rind nach Roubaix zu wenden und fich das Vermögen seines Opfers nachschicken zu lassen, blieb im Dunkel.

gelten, mit dem der Geheime Medizinalrat Kasper sein Buch über seine gerichtsärztlichen Erfahrungen einleitete:

..Meine Mörder sahen alle aus wie junge Mädchen." Klein, fast zart, bartlos, halb Kind, halb Jüngling, wirkte der Massenschlächter von Pantin durchaus unscheinbar und harmlos, als er Richtertisch und Geschmorenenbant mit zwei höflichen Ver­beugungen begrüßte. Wie bei seinen legten Berhören wandte er die Lattik an, daß er die unbekannten Romplicen ins Treffen führte. Seine fühle Ruhe, verfor er nur einmal, um dide Tränen zu ver­gießen, als der Verteidiger, der berühmte Anwalt Lachaud, die Mutter des Angeflagten erwähnte. Das unvermeidliche Todesurteil nahm er äußerlich ungerührt hin und raffte sich erst an der Tür, als die Zuhörerschaft dem Spruch Beifall flatschte, zu einem wilden Zähneffetschen auf.

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Daß der Berurteilte immer wieder von einer Brieftasche mit den Beweisen für die Existenz seiner Mitschuldigen gesprochen hatte, die an einer genau bezeichneten Stelle bei der Straße von Senn­ heim nach Thann verborgen sei, stimmte immerhin einige Gemüter nachdenklich. Zwei Redakteure des Gaulois" reisten ins Elsaß und wühlten an Hand einer von Troppmann angefertigten Stizze tagelang im Schweiße ihres Angesichts die Erde um und un, ohne das geringste zu finden. Wenige Tage später, am 18. Jamuar 1870, lehnte es der Kaiser ab, von seinem Be­gnadigungsrecht Gebrauch zu machen; am folgenden Morgen beim Sellwerden wurde Troppmann im Beisein einer nach Zehn= tausenden zählenden, bestialisch brüllenden Menschenmenge auf dem Blaz vor dem Gefängnis La Roquette hingerichtet.. Wie der Mörder und sein erstes Opfer war der Scharfrichter Heiden­reich ein Elfäffer; ihn biß der Delinquent, fich mit seinen nicht geringen Kräften wild sträubend, noch als sein Kopf zwischen den Balken der Guillotine lag, in den Finger.

Der Streit

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um die Abschaffung der Todesstrafe,

in den Bittor Hugo schon vor Jahrzehnten mit seinem ,, Der seit Jahr und Tag die Geister. Als jetzt durch Zufall wenige Tage lezte Tag eines Verurteilten" eingegriffen hatte, bewegte damals in die gleiche Rerbe hieb wie Hugos Erzählung, wurde der nach dem Verbrechen von Pantin eine Schrift von Jules Simon republikanische Politiker von der Presse des Regimes rüde an­gepöbelt; wirklich schien die Forderung: Fort mit dem Henker! unzeitgemäß, da die aufgepeitschte öffentliche Meinung nach dem Denn da es um seinen Kopf ging, erfand Troppmann , Kopf Troppmanns als der gelindesten Sühne schrie; es freilich ohne sie näher bezeichnen zu fönnen, Helfershelfer, die ihn stimmte schon, was ein bekannter Publizist, Maxime du Camp, angeblich zu seiner Schandtat fast gezwungen hatten; er gefiel fich feststellte: Ein solches Verbrechen und ein solcher Berbrecher fogar in der Phantasie, der Mord sei begangen worden, weil schieben die Abschaffung der Todesstrafe um fünfzig Jahre hinaus." Rind einem Staatsgeheimnis, einem Kriegsplan Deutsch . Aber ein anderer Großer aus der Zunft Viktor Hugos, der lands gegen Frankreich , auf die Spur gelommen sei. ruffische Dichter Iwan Turgenjem, der den Vorbereitungen Diese plumpen Ausflüchte machten wenig Eindrud auf Unter- zur Hinrichtung und der Exekution selber beiwohnte, zeichnete ,, alle fuchungsrichter und Staatsanwalt und noch weniger auf die Beschweren Eindrücke jener Nacht" auf; fein Bericht, der sich in schworenen, die vom 28. bis 30. Dezember über diesen Entarteten deutscher Uebertragung im zehnten Bande der Propyläenausgabe zu Gericht zu sitzen hatten. Die Verhandlung hatte wie ein feltenes feiner Sämtlichen Werte" findet, ist gerade wegen seiner von Schauspiel alle Größen" der ganzen und der halben Welt an= Reflerionen faum unterbrochenen Sachlichkeit ein erschütterndes gelodt; Dichter, Herzoginnen, Kokotten drängten sich in dem über- 3eugnis gegen die Barbarei, daß ein Mensch, ein Mensch von füllten Zuschauerraum. Als sich Troppmann dem gespannt Staats wegen unter Formeln und Zeremonien geschlachtet wird gaffenden Saal vorstellte, konnte er als Musterbeispiel des Gazes und sei es auch ein Troppmann ! Hermann Wendel .

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Seefahrt achtern her...!

Cuxhavener Reportage/ Von S. Richards

Der Mündungsschlauch der Elbe meitet sich ins Ungemeffene.[ und dann auf der Rüdreife hatt' ich endlich 293 Mart beim Quartier Das jenseitige Ufer ist ein biefiger, nebelgrauer Strich gemorden. Leuchtbaken, Bojen und Landmarken tauchen meiter zurüd. Der Wind weht einen leichten Geruch von Teer, Salz und bradigem Wasser herüber. Die ersten Leuchtfeuer der Seeküste blizen auf. Lichter Cuxhaven die letzte Station vor der Reise über den

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großen Teich...!

Schenken und Seemannsstuben sind übervoll. Der große Baffagierfasten draußen am Pier wird morgen in See gehen; heute sind alle Hafenquartiere befeßt. Trubel herrscht überall. Aus manderer, Globetrotter, Arbeiter und neugierige Bürger figen in den alten, verräucherten Schiffertneipen und betrachten intereffiert die Gestalten, die immerwährend kommen und gehen: einheimische Fischer, die mit auffrischender Brise die Flottillen in den Hafen ge­bracht haben.

Born, auf seinem Stammplaß an der Thefe des Blauen Wal", fikt Hein Klüsgat, ein ausgedienter Segelmacher. Der alte Nagel neiher, wie er in der Seemannssprache genannt wird, fuhr ein Leben lang auf Segelschiffen, bis er mit der letzten Brigg in Cur haven hängen blieb, ganz dichte dabie", damit er den Geruch des Salzmaffers nicht aus der Nafe verlor.

Befinnlich reibt fich Hein Klüsgat die rheumatischen Knie. Wie ein Terrier schnüffelt er durch den warmen Dunst der Schenke. Hen doch glüch seggt...' s giot Sturm, Bos'n...!" ruft er dem Wirt über die Theke hinüber.

,, Sturm...? Gedanken wirbeln auf, Ideen verbinden sich, das Wort läßt aufhorchen. Spürbar ebbt der Lärm der Schenke ab! Fremde, Passagiere des morgen ausfahrenden Dampfers, um drängen neugierig stumm den Tisch des Segelmachers. Die Basten müße über die Glaze gezogen, die struppige, eisengraue Fräse um das ausgetrocknete Gesicht, so fizt Hein Klüsgat auf seinem Blaze: fchweigfam, gedankenverloren. Endlich magt einer der Gäste, mit grünem Lodenanzug, gezwirbeltem Bärtchen und nervösen Gesten, ein Wort an den Alten zu richten. Scheint ein Hosenbodentechniker zu sein. täh... Herr Segelmacher... muß herrlich sein, thr Beruf? Abenteuer und die See, die ganze Unendlichkeit der Welt liegt in folchen Dingen...!- Hein sieht scheel über den Rand feines Groggiajes zum Schulmeister hinüber und setzt das Gefiß hart auf die Tischplatte zurüd. Es flirrt!

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,, Döstopp du...! brummt er böse, geh mal raus mit' n Appelfahn und arbeet. Wirst seh'n, wie romantisch du fozen fannst...!" Der Schulmeister, oder wer er auch sein mag, fühlt fich tief verlegt und hüllt sich fortan in verächtliches Schweigen. Die Schenfe wendet sich anderen Themen zu.

an.

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Unermüdlich knarrt die Tür des Lofals und saugt neue Gäste Ein Janmaat schiebt sich unsicher herein und drängt zum Stammtisch hinüber. Och hallo... Smutje...! Hein Rlüsgat ficht erstaunt fein neues Gegenüber an. Wat muß id seh'n... du hier? Dent', bist drüben über'n Teich? Nanu...? Hast teen Schipp...? Da setz dich und vertell!" Der An­gerufene schüttelt derbe Hände, zieht einen Schemel heran und hodt sich am Tische nieder. Der Wirt bringf Kümmel und Bier. ,, Hem... tja... Nagelneiher

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mit der Seefahrt ist's aus", er frault sich bebentlich in seinem Schopfe, das mit der ,, Litania " war auch Schiet. Hat' n angemustert, milde Fahrt! 311­legt waren mir mit Roblen ums Rap unterwegs. Echlechter Trimm, hab'n gearbeiteet wie die Affen. Sind faum an Land gekommen. Auf so'n neumodischen Steamer gibt's allerhand zu tun, bist gar tein Matroje fehr, mur Decarbeiter oder Rohlenschlepp. Tja...

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anstehen. Die Heuer für sieben Monate und Ueberstunden dazu. Hatten den Kanal passiert und mit legtem Stüdgut Rotterdam angelaufen. Dachten: in ein paar Tagen find wir in Hamburg , daheim! Essig war's! In Rotterdam tam ein Beamter an Bord; wir wurden abgemustert. Gab mächtigen Krach, wollten natürlich nicht runter vom Eimer. Sieben Monate hatten wir mit der Litania" gelebt, wollten sie auch wieder anständig nach Hamburg zurücbringen, wie sich's gehört! War'n flottes Mädchen, der Kasten, meiße Schornsteine und prima Logis...!" Mit großer il­ständlichkeit erzählt er von den Borzügen des Schiffes, das ihm in ungezählten Wochen auf dem Meere ans Herz gewachsen war, dem er alle Kraft geopfert hatte, und das ihn in Rotterdam schmählich im Stiche ließ: gleichgültig, falt; wie die Frauen mit den wasser­hellen Augen im Hafen, wenn das Geld ausgegangen ist!

Um­

,, Half nichts; mußten den Seesad packen und hin zum Konsul. Sat viel geredet von Seemannspflichten und so; Heuer bekamen mir nicht. Nur die Papiere und Fahrgeld für die Eisenbahn von Rotterdam nach Hamburg . Na. Na... wir sind losgegondelt und in Hamburg dem Reeder gleich auf die Bude gerückt. Wollten unsere Heuer haben, vierzehn Mann, alle von der Titania". Ramen aber schön an, du...! War pleite gegangen, der Bogel , vollständig pleite. Geld friegten wir nicht...!" Er schluckte gurgelnd in der Kehle. Sein bartloses Gesicht, mit der kurzen feinen Nase und dem gutmütigen Lächeln um den vollen Mund veränderte sich. Es wurde trüber, als zöge sich ein feiner Schleier über die gegerbte Haut. Mit zufammengefniffenen Augenwinkeln sprach er, und die Worte rumpelten fortan aus seiner Brust wie aus einem Haufen rostigen, alten Eisens.

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,, Sieben Monate schwere Arbeit auf dem Steamer waren um­sonst. Gott verdamm mich, alles futsch: das Schiff, die Arbeit, die Heuer. Der Reeder wollte Steuern sparen, das Schiff fuhr des halb unter dänischer Flagge, und mun fonnten wir beim Gericht die ausländische Heuer" nicht erreichen.

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Der alte Segelmacher starrte Smutje mit großen wunderlichen Augen ungläubig an, tastete über den Tisch nach der rauhen Faust: Die... ganze. Heuer?... Du!" Tja... Nagel­- Nur Ar­

neiher, die Heuer und die Ueberstunden dazu beitslosenunterstüßung gaben sie uns. Zehn Mart- damit sollten wir, wie die anderen sechstausend Seeleute im Hafen, auskommen und warten, bis mal wieder ein ordentliches Schiff und ehrliche Heuer zu haben sein würde. Hab' nicht mitgehalten. Für zehn Mart in der Woche gibt's in Hamburg zu wenig Speckerbsen und zuviel Katerlaten...! Bin abgehauen. Werd' Wasserflöhe fischen oder in die Marsch zu den Bauern gehen. Verdammt nochmal...!" Aufgeregt mit puterrotem Kopf, schweigt der Janmaat. Die fremden Gäste sind enttäuscht! Nur eine Alltagsgeschichte fein Aben­teuer!?-

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Der alte Segelmacher nidt bebächtig und murmelt kaum hörbar nor sich hin. Die langen, weißen Bartstoppeln um sein unfrucht­bares Rinn erzittern. Zwischen den halbgeschlossenen Lidern glitzern wäffrig und farblos die Augen: Zu den Bauern midst du? Nun, tja...' s ist gleich... bestellen den Ader, mir pflügen die See. Aber die Erde und die See... bah... sind grausam, missen uns nie Dant. Die Arbeitsfrucht gehört andern!... Das ist's eben.. Seeleute sind teine Helden mehr heutzutage!... nur noch Bettler!" Er schweigt. Eine Harmonita fchluchzt auf. Die fremden Gäste zahlen und gehen.

nee, nee

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