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August Strindberg   zum 20. Todestag am 14. Mai 1932
Emil Schering  : Strindberg und Deutschland  Am 14. Mai sind zwanzig Jahre vergangen, seit Strindberg in Stockholm   starb. Zwischen 1912 und 1932 liegt der furchtbar« Weltkrieg mit all seinen verheerenden Folgen. Kaiser sind gefallen, Reiche sind aufgelöst, die Welt hat sich geändert aber Strindberg besteht! Welcher ausländische Dramatiker hat in Deutschland   Strind- berg ersetzen können? Nur einer wäre zu nennen: Shaw? Aber dessen Hauptwerke erschienen bereits vor dem Kriege. Shaw hat allerdings vor Strindberg den Humor voraus. Statt die ver- pfuschte Welt zu beweinen, lacht er darüber! Statt es«schade um die Menschen" zu finden, verspottet er sie! Aber gerade Show hat Strindbergs Größe anerkannt, ja, be- wundert. In der Vorrede zu seinen Dramen nennt er Strindberg einenGiganten des Theater s". Wie lebendig Strindberg geblieben ist, bewies noch jüngst die Aufführung vonOstern", die das Schiller-Theater in Berlin  herausbrachte. Trotzdem keine geniale Künstlerin wie die Orska dieses Mol mitwirkte, wurde es ein voller Erfolg. Als Frankfurt am Main   vor dreißig JahrenOstern" zum ersten Male in Deutschland   spielte, schrieb mir der Regisseur der Uraufführung: Es ist immer gefährlich, wenn Geldgcschichtcn in einem Drama eine ernste, fast tragische Rolle spielen. Vor allem in Handelsstädten haben die Leute eine seine Witterung dafür, wenn das Stück sofort ein End« nehmen würde, sobald jemand einige Tausendmarkscheinc auf die Bühne würfe." Bei der heutigen Misere wird es niemandem einfallen, auch nur einen einzigen Tausendmarkschein auf die Bühne zu werfen!Ostern  " paßt also in das verannte Deutschland   besser als in das reiche, besser in die Republik   als in das Kaisertum. Da Strindberg sein ganzes Leben hindurch arm blieb, trotz seiner reichen Produktion, ist er schon aus diesem Grunde der Dichter der heutigen verarmten Generation. Diel mehr als der reiche Shaw, der mit seinen Dramen soviel verdiente, daß er den Nobelpreis ablehnen konnte. Aber erhielt denn Strindberg nicht den Nobelpreis? Nein! Aber Schweden Hot doch den Nobelpreis zu vergeben, und Strindberg ist doch Schwede! Strindberg ist nicht nur Schwede, sondern der größte Dichter, den Schweden   bisher hervorbrachte. Aber trotzdem erhielt er nicht den schwedischen Nobelpreis! Unbegreiflich! Warum denn nicht? Strindberg war der schwedischen Akademie zu revolutio- när! Deshalb verweigerte sie ihm elf Male den Nobelpreis! So, zu revolutionär! Ja, ober dann muß doch Strindberg gerode in das heutig« revolutionäre Deutschland   hinein- passen! Ja, das ist es ja gerade, was ich, fein Uebcrfetzer, immer wieder verfecht«. -i- Strindberg ist in allen seinen Werken revolutionär. Mit .39 Jahren schrieb er den großen sozialen RöinonDas rote Z i m m e r", in dem er die ganze bürgerliche Gesellschaft kritisierte. Er schilderte natürlich seine. Heimatstadt Stockholm  , aber die Kritik paßt auch für Berlin  , für jede europäische Ihauptstadt. Wie eine Feuersivcne in der Nacht wirkte das Buch: es weckte die Menschen aus dem Schlaf! Als die Generation von 1889 ins Grab gesunken war, revolu- tioniert« Strindberg die neue Generation von 1999 durch zwei neue soziale Roman«:Die gotischen Zimmer" und die Schwarzen Fahnen." Der letzte Roman war so revolutio» när, daß sich die schwedischen Verleger weigerten, ihn zu drucken. Strindberg sandte mir damals sein einziges Manuskript der Schwarzen Fahnen", damit ich den Roman in Deutschland  druckte. Aber auch für das deutsche   Kaisertum war das Buch zu revolutionär! Strindberg war seiner Zeit weit voraus: er dichtete 1999 bereits für das revolutionäre Europa   von 1929! Aber nicht nur negative Kritik gab der Dichter, er kam auch mit positiven Vorschlägen. In seinenSchweizer Novel- l e n" verkündigt« er bereits 1884 die Vereinigten Staaten   von Europa  ! Nach dem Muster der Schweiz  , in der Deutsche  , Franzo- sen, Italiener leben, ohne sich zu bekriegen! In demselben Bande schildert! er die neue Gesellschaft, den modernen Sozialismus, nach dem Muster von Godins Familien» haus, in dem er ein« Utopie verwirklicht sah. Di« russische   Revolution nahm er voraus in der Novelle Russen im Exil". Zwar begegnete Strindberg nicht Lenin   in der Schweiz  , ober dessen Geistesverwandten, dem Nihilisten Elpidin.' Wie mir Freunde von Lenin   erzählten, hat dieser Strindberg als revolutionären Dichter bewundert. Natürlich erwiderte die bürgerliche Gesellschaft Strindbergs Angriffe mit d«r üblichen Waffe:Kehre vor deiner eigenen Tür!" Strindberg tat es! Ohne auf sich selbst Rücksicht zu nehmen. schilderte er sein eigenes Leben imSohn einer Magd''. Auch da war er Revolutionär! Nicht einmal vor dem eigenen Ich machte seine Kritik halt. Die meisten Autobiographen idealisieren sich selbst. Sogar Goethe hat das getan. Strindberg dagegen empörte sich ein echter Revolutionär auch gegen sich selbst, gegen seine eigene Entwicklung! In den folgenden Bänden seiner Lebcnsgeschichtc steigert« sich diese Revolution noch. In derBeichte eines Toren" em- pört sich Strindberg gegen das Weib, das den Mann tyrannisiert. Dieses Buch Hot die bürgerliche Gesellschaft dem Dichter be» sonders vorgeworfen. Er habe darin seine eigene Frau vernichtet. Der revolutionäre Sirindberg bcantwotet den Vorwurf damit, daß er im nächsten Bande seiner LebensgeschichteInferno" sich selbst vernichtet! * In seinen DramenDer Boter",Kameraden".Fräulein Julie  ",Gläubiger" hat Strindberg das Theater revolutioniert. Sein« Vorrede zuFräulein Julie  " ist herübmt geworden. Van ihr datiert eine neue Epoche des europäischen   Dramas! Reinhardts Kammerspiele beruhen darauf, wären ohne Strindberg nicht ent- standen! Bis in die historischen Dramen reicht der revolutionäre Geist in Strindberg. Seine Königsdrcmien konnte nur ein Republikaner dichten! In diesem Jahre 1932 sind 399 Jahre vergangen, seit Guston ?l d o l f Deutschland von Rom   befreite und in Deutschland   fiel. Gustav Adolf   gilt als protestantischer Jjeiligcr. Strindberg wagt« es, ihn als Menf'chen zu schildern. Seine Landsleute, die
Schweden  , haben ihm dos nie verziehen. Sein Meifterdrama spielen sie nicht! Nicht einmal jetzt, 29 Jahr« nach Strindbergs Tode, 399 Jahre nach Gustav Adolfs Tode! Aber das republikanisch« Deutschland   kann sich keinen anderen Gustav Adolf wünschen als Strindbergs. Während Schiller   den Feldherrn Wollenstem idealisiert, vermenschlicht Strindberg den König Gustav Adolf  . Während es sich in Schillers Wallenstein die ganze Trilogie hindurch nur um«ine Frage handelt, den Abfall vom Kaiser, schildert Strindberg seinen Gustav Adolf van allen Seiten. Nicht weniger als vier Leitmotive ziehen sich durch die Handlung. Aus dem Vorkämpfer des Protestantismus   wird ein Nothon der Weise, der jede Religion duldet. Mit seinen Gene- rälen ist Gustav Adolf   in trogischer Weise verbunden durch die Blutschuld seines Vaters, der schwedische Edclleute enthaupten ließ. Mit seiner Gattin hat er nur eine Tochter gezeugt, während er von der Geliebten seiner Jugend einen unehelicheci Sahn besitzt. Schließlich zieht der ganze Dreißigjährige Krieg durch das Drama. Für das heutige republikanische Deutschland   ist Strindbergs vermenschlichter Gustav Adolf   wahrhaftig besser geeignet als Schillers idealisierter Wallenstein  ! Wäre Strindberg ein deutscher Dichter, würde er in Deutschland   so populär sein wie kaum ein anderer. Es ist den Deutschen   ja nicht zu verdenken, daß sie seit dem verlorenen Kriege ein« Abneigung gegen olles Ausländische hegen. Aber Strindberg stammt aus einem befreundeten Volte! Als Schwede ist er den Deutschen   blutsverwandt, ist Germane wie sie. Dr. Hans Hartmann: Strindberg der Märtyrer seiner selbst August Strindberg   ist schon manches Mal totgesagt worden. Als eines seiner berühmtesten StückeNach Damaskus  ", wo er sich selbst seelisch zerfleischt, vor zehn Jahren in Frankfurt   ausgeführt wurde, kritisierte Bernhard Diebold   ,chie Szene, auf der das ab- gelebte Kammerspiel Strindbergs eine seiner letzten Aufführungen fand". Und Egon Friede!!, der bekonnte Kulwrhistorikcr, meinte im gleichen Jahre: So wie Strindberg die Welt darstellt, mit all dieser inneren Zerrissenheit und bohrenden Ironie, dürft« sie gar nicht aussehen Kunst bedeute, eine wllnschbare West darzu- stellen und nicht nur immer ihre Schatten, ihre Verzweiflung abzumalen. Ist der geniale Strindberg aber wirklich tot? 5)oben die zehn Jahre, die seither verflossen sind, sein Werk noch mehr verblassen lassen? Muten uns feine historischen Dramen noch unhistorischer an als damals, seine Traumspiele noch verzweifelter, seine Kammer- spiele noch öder, seine Moses-Sokrates-Christus-Trilogie noch ab- stratter, seine naturwissenschaftlichen Forschungen noch weltferner? Und scheinen seine Selbstanalyscn, zu deutsch   Selbstzerfleischungen. wiedas rote Zimmer",Inferno", viele seiner Briefs nicht iwch grausamer als früher, in jenen Tagen, wo man die großen Psycho- logen des ausgehenden 19. Jahrhunderts: Nietzsche  , Ibsen   und die anderen, gar nicht genug studieren konnte? Die Frage stellen heißt noch nicht sie beantworten. Strind- berg ist kurz vor dem Weltkrieg gestorben. Er gehört also zu einer früheren Epoche der Kultur- und Geistesgeschichte. Aber er hat die 'Fragen nach dem Sinn des Lebens! nach der Bedeutung der Frau, nach der'Religion und Mystik mit so ungeheurer Wucht immer aufs neue bestürmt, daß diese Wucht doch noch stark bis heute nachwirkt und wir nicht einfach an ihr vorbeigehen können. Wir sind noch, bewußt oder unbewußt, in seinem Banne. Es ist noch nicht so, daß wir«ine wahre Distanz zu ihm haben und«in- fach wagen könnten, das Ewig-Bleibende und das Zeitlich-Ab- fallende in ihm klar zu scheiden. Es ist jetzt gerade die Zeit, wo sein Bild anfängt, sich aus dem rein Zeitlich-Psychologifchen lang- sam zu lösen und seine dauernde Bedeutung zu gewinnen. Dieser Mann war Student, Volksschullehrer, Hauslehrer, Me- diziner, Schauspieler, Schriftsteller. Maler, Telegraphist, Redakteur an verschiedenen Zeitungen, Bibliochekar, Sinologe und noch viel mehr! Im bunten Wirbel stürmt sein Leben dahin, aber in einem bleibt er sich treu: er leidet am Leben, er sieht alles zugespitzt bis zum äußersten, er scheitert mit Wollust an den Er- eignissen. Gleich Dostojewski   bettest er um Geld, gleich Chateau- briand flüchtet er verzweifelt in die Mystik, gleich Nietzsche   vor
dem er immer wieder warnt! stilisiert er das Leben hoch zu einer einzigen großen Qual nur daß er die Flucht nicht ergreift in Richtung auf das positive Bild des Uebermensthcn hin, sondern in nebelhafte Mystik. Aber genau wie Nietzsche   seine Ideen mit unmöglichen naturwissenschaftlichen Theorien unterbauen will, so verbrämt Strindberg in seinen Blaubüchern seine Mystik mit der Naturwissenschaft. Am meisten aber scheitert Strindberg an den Frauen. Drei- mal ist er verheiratet, immer mehr wird ihm die Frau zur Der- derberin der Welt. Stolz wie er ist, oft bis zur Selbstgefälligkeit. sagt er von sich, er habe im Norden und in Norddeutschlanddie ganze Jbsen-Björnson-Gynolatrie"(Frauenverehrung) gestürzt. Da- bei muß man wissen, daß er, der Schwede, im Lande Ibsens   und Björnsons, in Norwegen  , kaum je Anklang fand. Strindbergs Ma- donnenkult verlehrt sich in Frauenfeindschaft. Er will ein Kloster gründen, er spielt mit der Einsamkeit. Dann wieder treibt es ihn ins Leben, er will Macht ausüben, es gibt Perioden, wo er immer wieder das WortMachtgefühl" niederschreibt und darin schwelgt. Dann aber ironisiert er sich selbst, er findet nicht mehr den Aus­weg aus dem Labyrinth des Lebens. Sein Held spricht die Worte aus(inNach Damaskus  "):Welcher Scherz, wenn man dos Leben ernst nimmt, und welcher Ernst, wenn man scherzt!". Das Leben wird zum Wirrwarr, in dem sich kein Mensch mehr zurecht finden kann, am wenigsten der leidenfähigste von allen, der Märtyrer seiner selbst, der immer wieder magisch angezogen in olle Tiefen der Hölle steigen muß: der Dichter. Und doch: selbst wenn wir diese persönliche Gebundenheit Strindbergs, dieses ständige egoistische oder besser egozentrische Kreisen um sich selbst erkennen und zugeben, es bleibt doch etwas an ihm. was erlebnisfähige Menschen immer von neuem anzieht. Was ist es? Als Strindberg seine leidenschaftlichen Versuche eines eigenen Theaters durchführen will, nennt er es selbstStimmung". Es ist aber mehr als das, was uns Heutigen dieses Wort ausdrückt. Denken wir an das, was wir in einer guten Aufführung von StrindbergsScheiterhaufen",Rausch" oderOstern" vor allem erleben. Es ist das Fluidum, das. was zwischen den Dingen vor sich geht, das, was an den Gegenständen als Unbegreifliches, kaum zu Beschreibendes hängt. Wenn bei Strindberg gar nichts geschieht, wenn die Menschen schweigen, nachdem sie sich vorher aneinander zerredet und zerrieben haben, dann geschieht in Wirk- lichkeit etwas: der Welthintergrund, bei Strindberg zumeist dämo- nisch, luziserisch, qualvoll, wird sichtbar, und zeigt die Menschen. die arm und geplagt in den Maschen und Drähten dieses Netzes hängen, das die Welt für sie bedeutet. Die Totenstille, die innere und äußere, die zwischen den Eheleuten auf der einsamen Lcucht- turminsel herrscht, und dies inmitten einer unheimlich geladenen Atmosphäre, sie hat Strindberg so meisterhaft aufgefangen, wie es nur einer kann, der selbst alles tief durchlebt und durchlittcn hat. Strindberg nennt Nietzsche   einmal(1897) eineschon vor der Zeit verbrauchte und ins Feuer geworfene Zuchtrute". Aehnlich könnte man Strindberg einen Märtyrer nennen, der sich selbst vor der Zeit verbraucht und im eigenen Feuer verbrennt, ohne sich für«ine überragende weltgeschichtliche Idee ge- opfert zu haben, wie es alle wirklichen Märtyrer stets taten und stets tun werden. Und ist nicht auch trotz des Goethe-Jahre» ein Vergleich mit Goethe aufschlußreich? Goeche auch er am Leben leidend, besonders in Wercher-Zeiten aber er hat sich freigekämpft durch die Flucht in die Kunst: sie läuterte ihn. schuf ihm Klarheit. Strind- berg aber, der vielleicht der größere Dramatiker ist, will gar nicht frei werden, er will wühlen in den Dingen und Erlebnissen bis zur äußersten unmöglichen Steigerung. Goeche: auch er universal, in alle Tiefen des Lebens, des Geistes und der Nawr eindringend. Wie Strindberg. Aber Goetbe kann sich bescheiden. Er lernt immer mehr die Grenzen alles Mensch- lichen erkennen, er baut sich«ine frohe, gesunde, standhafte, durch- sichtige Welt, in der man tätig und sinnvoll wirken kann. Strind- berg will alles erraffen und scheitert auf seiner Flucht in die Mystik. Trotzdem war er ein großer Mann oder mehr noch ein großes Symbol unserer ziellosen, zerrissenen, suchenden Zeit. Und wird alle Suchenden wohl noch eine Weile, deutend und warnend zugleich, geleiten.
Waller Analole 3>crfich:
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Der Dompteur Alfons Mayer, genannt Alfonso, der Herr der Tiere und eine große Nummer in den wandernden Zelten, erschlug den Zauberkünstler Giraldi. Di« Serpentinentänzerin Anastasia hatte allzusehr auf den gutgeschnittenen Frack und den Brillantring des Illusionisten geachtet und war somit im doppelten Sinne ein Opfer der Täuschungskunst, wenn auch nicht der arglistigen, geworden: sie verlor den angebeteten Zauberer, den man zu Grabe trug, voran die Zirkuskapelle in liusarenunisorm, und sie verlor den Geliebten, den Dompteur, dem man den Prozeß machte und den man wie jeden anderen Sterblichen an gleicher Statt ins Gefängnis steckte. Hier sah er nun. Nicht störte ihn die Primitivität der Zelle er hatte oft in Ställen schlafen müssen und auf nackter Erde. Doch es roch so seltsam in den Mauern, und eines Tages machte er die fürchterliche Entdeckung, daß auch an feiner Haut nichts mehr vom Dunst der Manege hoste, daß das letzt« Fluidum seiner selbst, der aufgesogene Raubtierdunst, verschwunden sei. Er tobte und brach zusammen, der starke Kerl, der Löwen   wie Babys gezähmt hatte, ihn befiel ein Nervenfiebcr und der Anstaltsarzt, einsichtig und er- fahren, wie es auch bei diesem Beruf nicht selten ist, hörte besorgt stundenlang die psychologisch interessanten Phantasien des Kranken an. Daim hatte er ein langes Gespräch mit dem Anstaltsdirektor, Wärter mußten ausführliche Berichte geben und es stand hart gegen hart: der Direktor wollte Dunkelhaft als Strafe, der Arzt pochte auf Humanität. Alfonso, der Herr der Tiere, gesundet« langsam und sehr apa- thisch und ließ sich wortlos dann in fein« Zelle zurückbringen, wo er sich auf die Pritsche setzt« und auf den Boden starrte. Sein« Löwen  ! Seine tanzenden Schakale! Wo mochten sie sein? Welcher Stümper verdarb ihm dieses wunderbar«, in einem Jahrzehnt ge- sammelte und erzogene Material? Er weint« leise, der Kerl, sein« Tränen liefen durch die ans Gesicht gepreßten Fäuste und sein« Schultern zuckten dieses Geräusch muß den Gcselligkeitssinn der Tierseele wachoerusen haben, denn es sagte erst leisePiep", und dann lauterPiep", und als der Mensch immer noch nichts Höne, startete ein Triller, vor dessen Kadenzen die Galli-Curci   neidisch erblaßt wäre. Erschreckt hob Alfonso den Kops neben dem Zellen-
fcnster war ein kleiner Käfig ausgehängt, so daß schräg die Soiu»« hineinfallen tonnte und dort hüpfte und trillerte ein kleiner gelbe? Vogel. Der Arzt war aus diese Idee gekommen, hatte sie verfochten und durchgesetzt. Er verstand ein wenig, wir sagten es schon, von den Menschen. Alfonso achtete dann nicht weiter aus das Tierchen, aber es blieb da und neben seiner Nation lag täglich eine kleine Tüte mit Sing- futter, die, das wußte er ja nicht, der Arzt aus feiner Tasche zahlte. Er mußte wohl oder übel für Wasser, Nahrung und Sand seines Zellengefährten sorgen, und bald, wenn er den täglichenSpazier- gang" hinter sich hatte, trat er in die Zelle und pfiff rufend, worauf der Gelbe antwortete. So vergingen Tage und Nächte und Wachen und Monate. In den Türen sind kleine Fenster, durch die man, ungesehen selbst, die Gefangenen beobachten kann. Bei einem Rundgang rief der Wärter den Arzt, hmdurchzu schauen: da saß am Boden Alfonso, der Herr der Tiere. Auf der Pritsche hüpfte der Kanarienvogel hin und her und der Dompteur rief:Allans hopp!" Und der Vogel stand starr-, er rief diesen und jenen Befehl, und der Vogel schoß Kabolz, sang, wenn er es sollte, stand auf einem Bein, legt« sich, wie tot, auf die Seite, ja, Alfonso probte einen Kopfstand, eine Balance auf der Schnabclspitze alles mit rührender Vorsicht und zärtlicher Energie, daß dem Arzt, der ein sehr seltsamer Mensch war, wie man sagte, die Tränen in die Augen traten. Er nickt« dem Wärter zu und ging bald weiter. Bei seiner Enssaflung erfuhr Alfonso, wer ihm das Leben im Gefängnis lebenswert gemacht l>atte, er ging zu dem Doktor, be- dankte sich und trug d«n Vogelkäfig unterm Arm. Sie sprachen hin und her und da Alfonso nicht zum Zirkus zurückwollte, so gab ihm der Arzt eine kleine Summe Geldes. Heute hat er sie schon long« zurückbezohlt aber man kann in jener Stadt, deren Name nicht verraten wird, einen hübschen, mit Getier aller Sorten angefüllten Laden sehen, darüber steht: Haben Sie schon einen Vogel? Zoologi  - jche Handlung von Alfons Mayer. Und dos Geschäft geht gut, denn alle seine Vögel singen und olle seine Papageien können ausgczcich- net sprechen, sogar die weißen Mäuse gehorchen auf» Wort.