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Beilage

Sonnabend, 14. Mai 1932

Der Abend

Spalausgabe des Vorwards

Gerhart Herrmann Mostar/ Brief vom Lande:

Drama im Sandweg

Ein Insekt, das sich auf mein Auge segt, bringt meine Wimpern| zum Zittern, und ich erwache. Mein Kopf ist im Schlaf zur Seite gefunken, so daß die Nase in den Sand stößt und die Augen schräg nach unten bliden. So kommt es, daß die Sträucher am Weg­rand und die Bäume des nur menige Meter entfernten Waldes von meinem Blick nicht mehr erfaßt werden, daß ich nichts über­fehe als eine Sandfläche von vielleicht zwei Meter im Geviert. Und es zeigt sich mir, daß nun, da die Vergleichsmöglichkeit mit größeren Gegenständen fehlt, diese kleine Fläche mir groß erscheint mie eine Wüste, und daß jede kleine Abschürfung und Aufhöhung des staubigen Sandes, wie vielleicht ein hinschleifender Fuß oder ein Windhauch sie verursacht haben, weit geschlungen daliegt gleich einem Tal oder einer Sanddüne. Da ist auch das Insekt, das mich wedte; es ist mit einem Mal kein Insekt mehr, es ist irgendein großes Fabeltier, das über diese Wüste hinkriecht und hinschwirrt. Schmale, hohe Beine hat es, die sich in der Mitte knicken, so daß der Körper in ihnen hängt wie ein Rettungsboot auf einem Dzean­dampfer zwischen stählernen Trägern. 3wiegespalten ist dieser Körper: ein rotes Brustschild, ein schwarzer Hinterleib, der einen langen Stachel trägt wie ein Steuer. Das Brustschild trägt noch den Kopf, der Kopf läßt Fühler spielen, es sieht aus, als seien zwei Rundfunkantennen plötzlich in schwirrende Bewegung geraten. Das Wesen bewegt sich in einer seltsamen Art; es will fliegen mit Hilfe zweier dunfelgläsernen Flügel, aber es wird nur ein Springen, denn eine Last, welche die beiden Borderbeine tragen müssen, zieht es immer wieder zu Boden. Diese Last ist größer als das Tier selbst; es ist eine tote oder doch betäubte, graue Sandspinne.

Mein Intellekt kann nun das Fabelwesen in mein Wissen ein­ordnen. Es ist eine Schlupfwespe, eine von der kleineren Art. Wir sind erst im Mai, das Tier kann bestenfalls drei Wochen gelebt haben, und doch hat es die Zeit erreicht, da es gebären und also sterben muß; denn für dies Insekt wird das Schaffen neuen Lebens mit dem Opfer des eigenen bezahlt, und nur die Hand des Todes zieht neue Wesen ans Licht. Nun tut die Wespe ihre legte Pflicht: da sie selbst den Kindern, die in hundertfältiger Anzahl auf dem Umweg über winzig fleine Eier aus ihrem schmalen Leibe tommen werden, feine Nahrung wird zutragen fönnen, weil sie inzwischen zermest oder vertrodnet unter irgendeinem Grashalm liegen mird, darum muß sie dem Jungvolt eine Nahrung für lange Zeit schaffen und es vor den Angriffen der vielgestaltig feindlichen Natur zu sichern versuchen. Kurz bevor sie mich medte, fand sie die Sand­spinne auf ihrem Wege; sie stürzte sich auf die eilfertig Kriechende, und nach kurzem Kampf drang das Gift aus ihrem Körper in den Dieser betäubte, fremde Organismus verzudenden Spinnenleib. mird der qualvoll zitternde Mutterschoß sein für die fleinen Raub­wesen, die in seinen Eingeweiden erwachen werden. Aber noch gilt es, der todesträchtigen Beute und den lebensträchtigen Eiern ein Bett zu schaffen, ein Bett in der Erde. Wohin aber während der fünf Menschenminuten und während der Insektenewigkeit, die diese Arbeit fosten wird mohin derweil mit der tostbaren Spinne? Sie fann nicht meglaufen, gemiß, fie ist betäubt, ihr ist die Qual des Lebendiggefressenwerbens unwiderruflich bestimmt; aber gibt es nicht unendlich stärkere Wesen, große Goldlauffäfer, die ein undurchdringlicher Chitinpanzer vor dem Gifte schüßt, minzige Ameisen, welche die Vielzahl start macht gegenüber dem Einzelmesen gibt es nicht hundert Tiere, auf Leben, Fressen, Zeugen und Gebären fanatisch versessen wie die Schlupfwefpe selbst, welchen die Spinne eine leichte und willkommene Beute märe? Man muß fie einstweilen verbergen, sicher verbergen.

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In immer engerem Kreise umschwirrt die Schlupfwespe ein zentimeterhohes Kraut meinem Auge, das die Maßstäbe verlor, erscheint es wie ein staubiger Baum seltsamer Form in der weiten Wüste. Eine Falte im obersten Blatt scheint der besorgten Mutter ein sicheres Versted. Mit einer furchtbaren Anstrengung gelingt es ihr nach vielen vergeblichen Versuchen, die Spinne im Fluge auf dies Blatt zu heben. Da liegt sie nun, nach Insektenermessen aufs beste verborgen. Und das Bett für Tod und Leben kann be­

reitet werden.

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Die Wespe triecht über den Boden, vorsichtig und nervös wie ein Wünschelrutengänger. Unaufhörlich trommeln ihre Fühler den Sand ab. Endlich scheint sie einen Plaz gefunden zu haben, der die Arbeit lohnt. Sie vergewissert sich noch einmal, ob die Spinne noch auf dem Blatt liegt dann, nachdem sie mit unglaubhafter Sicherheit das gefundene, millimetergroße Fledchen wieder er­reicht hat, beginnt sie ein Loch zu graben. Die Borderfüße heben die Sandkörner heraus, die Hinterfüße werfen sie mit der Ge­schwindigkeit eines rasenden Motors nach hinten. Nach drei Mi­muten, als das Loch etwa zentimetertief ist, hält sie inne. Sie friecht hinein, man sieht den Hinterleib beben in der Anstrengung des Hebens. Eine sehr schwere Last ich stellte es später fest, ein Stein liegt im Wege. Sie bewältigt ihn nicht. Die Wünschelruten­fühler hatten getrogen... Die Wespe gibt auf. Sie vergewissert sich wieder des Vorhandenseins der Beute auf dem Krautblatt dann sucht sie aufs neue nach einem Platz, der gut genug scheint für das Grab des Opfers und die Wiege der Kinder. Sie findet ihn bald und beginnt wieder zu graben, und da wird wohl kein Stein­chen sein, das sich abermals in den Weg legen könnte.

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gesenkt hat, die mehrios sein muß und doch nicht tot sein darf. Fünf Zentimeter unter der Erde merden nach kurzer Zeit die Larven aus den Eiern friechen, und das graufige Ende der Spinne wird sich vollenden, und eines Tages merden Schlupfwespen aus dem Sande kriechen und sich von Blütensäften nähren und am Ende dieses Blütenlebens zu Mörderinnen merden...

Sie schaufelt das Loch wieder zu, das Wiege und Grab zu­gleich ist. Es geht sehr schnell: die Vorderbeine schieben die Sand­förnchen den Hinterbeinen zu, die den Staub in diden Wirbeln in das Loch schleudern. Als alles wohlgefüllt ist, wird sorgsam ge glättet, und sogar ein Steinchen und ein winziges Aststückchen werden herbeigeschleppt und zwanglos darübergelegt haben Stein und Holz schon vorher da gelegen, und genau so da gewiß gelegen. Die Räuberin umkreist noch ein paarmal den Ort und fliegt dann matt davon.

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Ich fehre zu der Beraubten zurüc

hat

aber ich sehe mohl, daß es fertig ist, und daß es often steht, eine Gruft, die ihren Sarg erwartet. Die Schlupfwespe selbst aber sigt auf dem Blatt, das vorhin die Spinne trug. Sie sucht die Beute und findet sie nicht. Sie trommelt in sinnlosem Suchen alle Stengel und Blätter des Krautes ab. Sie patrouilliert den Sand­boden ab, der sich rings um das Kraut breitet, leer und fühl, denn die Sonne schwindet, es wird Abend. Sie fliegt zum Loch zurück, ob sie das Gesuchte vielleicht nicht dort fände, ist schon wieder beim Kraut. Sie scheint es nicht fassen zu können, vorerst nicht fassen zu können..

Die Minuten vergehen. Die Viertelstunden vergehen. Manche Spinne eilt an der verzweifelt suchenden Wespe vorbei, dem Ver­steck zu, das sie vor der Kühle der Nacht schützen soll, manche Raupe schleppt sich schmerfällig vorüber. Die Wespe beachtet sie gar nicht. Ist das, weil sie auf diese eine, erste Beute versessen ist? Ist das, weil ihr die Natur vielleicht nur das Gift für einen einzigen Stich schenkte? Oder ist das einfach, weil die Verzweiflung fie blind und störrisch macht? Ich weiß es nicht. Aber ich meiß, daß dies traurige und rasende herumschwirren und Herumsuchen an das Gebaren von Menschen erinnert, denen das Unheimliche, das sie Schicksal nennen, ein Ding, einen Menschen, ein Glück megnahm, und die nun nicht wissen, warum, marum, marum?

Es wird fühl, mich fröstelt, ich gehe ins Haus. Aber die Wespe fliegt und friecht und irrt und schwirrt noch immer zwischen Loch

Die ist nicht mehr an der Stelle, wo sie das Loch gegraben im Sand und Kraut im Sand.

Arbeitslosenhilfe in USA .

Ein Ueberblick/ Von Richard Junge

Durch die Presse ging die Nachricht, daß die maß­gebenden Körperschaften in USA . beschlossen hätten, noch vor der Vertagung des Kongresses ein Arbeitslosen­gesetz fertigzustellen. Hier ist ein Ueberblick über die bisherigen Maßnahmen zur Unterstützung der Erwerbs­losen.

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Was tut der amerikanische Arbeiter, wenn er eines Tages von seinem Unternehmer entlassen wird? Vor einigen Jahren noch war die selbstverständliche Antwort darauf, daß er ja genügend verdient habe, um für schlechte Zeiten gerüstet zu sein. Man muß allerdings hier einfügen, daß die phantastischen Stundenlöhne von zwei und zweieinhalb Dollar, von denen man uns erzählte, feineswegs ver­allgemeinert werden dürfen. Denn wenn diese Löhne, besonders im Baugewerbe, auch gezahlt worden sind, so waren die Arbeiter doch teine 40, geschweige 48 Stunden in der Woche beschäftigt. Heute stehen diese und auch niedrigere Löhne mur auf dem Papier der Tarifverträge." Aber ein Wochenlohn von 25 bis 30 Dollar ge nügt", sagt Blauth( ,, Die Arbeitslosigkeit in den Bereinigten Staaten von Nordamerika und die verschiedenen Maßnahmen zu ihrer Be­fämpfung" in der Reihe ,, Sozialpolitische Schriften des Forschungs: instituts für Sozialwissenschaft in Köln ") ,,, um ein Auto und unter Umständen ein Haus im Abzahlungsgeschäft zu erwerben, besonders benn nicht nur ein Mitglied der Familie arbeitet." Es waren also neben einem kleinen ersparten Vermögen meist noch Sachwerte vor­handen. Aber während einer zweijährigen Arbeitslosigkeit sind die fleinen Ersparnisse der Arbeiter, soweit Abzahlungsgeschäfte und Börsenspekulationen sie nicht schon vernichtet hatten, aufgezehrt. Mindestens die Hälfte der Arbeiter, nimmt Blauth an, find im Besiz einer Lebensversicherungspolice, und diese ist dann das erste, was verpfändet wird. Später tommt das Mobiliar dran. Die Frauen gehen auf Arbeit, denn durch die Arbeitslosigkeit der Männer werden Stellen für Frauen frei eine Form des Lohnbruds.

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Die Hilfe der Gewerkschaften.

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Wenn die persönlichen Hilfsmittel erschöpft sind und nicht mehr ausreichen, hat die Gemeinschaft für den Betreffenden einzutreten. Nach individualistischer amerikanischer Auffassung darf diese Ge­meinschaft indessen nicht der Staat sein, sondern die private Initiative in der privaten Gemeinschaft muß erhalten bleiben." Die nachbarliche Hilfe des Arbeitsgenossen die besondere Bedeutung bei den Negern hat und die gewerkschaftliche Hilfe sind die ersten Stufen. Aber die gewerkschaftliche Hilfe hat mehr theoretische als praktische Bedeutung. Denn einmal ist die Zahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter überhaupt klein nicht zehn Prozent der gesamten Arbeiterschaft und dann treiben auch nur wenige, meist fleine Gewerkschaften Arbeitslosenfürsorge. Es sind dies besonders die Gewerkschaften der Bekleidungsindustrie, in der fast ausschließlich eingewanderte Arbeiter tätig sind. Das wesentliche dieser Arbeitslosenfürsorge ist die Garantie einer Minimalzahl von Arbeitswochen im Halbjahr oder Jahr( 16 bzw. 32 Wochen). Für jede Woche, die ein Mitglied weniger arbeitet, erhält es aus einem Fonds, der sich aus Beiträgen von Arbeit­nehmern und Arbeitgebern zusammenfeßt, eine Unterstügung. Außer­dem wird die gesamte Arbeit der Firmen, die mit der Gewertschaft Berträge abgeschlossen haben, auf die einzelnen Arbeiter umgelegt.

Die Versuche in der Industrie.

Als zweite Gruppe, die sich mit der Lösung der Arbeitslosen­frage beschäftigt, nennt Plauth die Industrie. Drei Maßnahmen sind dabei besonders hervorzuheben: Kurzarbeit, Bersicherung und Aber da ist etwas anderes, das sie nicht sieht, das nur ich die Versuche zur Ausschaltung der Produktionsschwankungen". sehe, der mit seinen großen Menschenaugen zwei Meter Sand- Da dem Millionenheer der Arbeitslosen mindestens die gleiche fläche überblickt. Es ist eine zweite Schlupfwespe. Sie schwirrt 3ahl Kurzarbeiter gegenübersteht, hat sich gezeigt, daß man herum, sie ist auch eine Mutter, sie ist auch auf der Suche nach mit Kurzarbeit an eine Lösung des Problems nicht herankommt. einem Opfer. Sie hat auch, wie die erste, ihr kurzes Leben hin- Durch Streckung der Arbeit ist lediglich erreicht, daß die Betriebe durch nur von Blütenfäften gelebt, und sie muß nun auch, furz sich einen geschulten Arbeiterstamm sichern und ihnen Arbeitsluſt vor Gebären und Sterben, zur Mörderin werden so will es die und Arbeitskraft erhalten. Zwar hat sich der Versuch eines großen Natur, die nur darum mochenlang das betäubende Gift in ihrem Unternehmens, den Achtstundentag durch den Sechsstundentag zarten Körper hat wachsen lassen. Von ungefähr gerät die zweite und den Dreischichtentag durch den Vierschichtentag zu er auf das Kraut, von ungefähr entdeckt sie die Spinne.. Sie fezen, gut bewährt, 20 Prozent neue Arbeiter fonnten auf diese sieht nicht lange hin, ob das leise Zucken des Spinnenkörpers noch Beise eingestellt werden und die Gesellschaft außerdem durch erhöhte unbetäubtes Leben ist: sie versetzt dem grauen Körper einen zmeiten Produktion höheren Geminn erzielen. Aber man wird sich auch hier Stich, fie wirft ihn mit leichter Mühe von dem Blatt hinunter auf vor Berallgemeinerungen hüten müssen, da besonders günstige Be­den Boden, das mar leichter, als ihn hinaufzuheben fie schleppt dingungen vorliegen können. ihn wohl fünf Meter weit fort, ich folge ihr, und ich sehe zu meinem Erstaunen, daß sie eine andere Methode angewandt hat als ihre Artgenoffin: sie hat das Loch ivi Sande schon fertig.

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Mit dem Hinterleib zuerst friecht fie hinein und zieht den Spinnenleib hinter sich her, der schmerfällig nachfinkt. Noch drei Minuten etma tommt sie wieder heraus, und ich weiß, daß ihr Begeftachel inzwischen die Vielzahl der Gier in die Spinne hinein.

Ebensowenig haben sich die Maßnahmen zur sogenannten 2usschaltung der Produktionsschwankungen" ge­eignet ermiesen, die Arbeitslosigkeit zu hefämpfen. Es handelt sich dabei um den Gedanken, auf Grund der Konjunfturtheorie einen Ausgleich der Arbeit durchzuführen, indem in Depressionszeiten auf Borrat für die Konjunkturspigen gearbeitet wird, während in der Hochtonjunttur der Produktionsprozeß gehemmt werben foll. Bei

Niedergang der Konjunktur sollen Arbeiter, die nicht eigentlich zum Wert gehören, entlassen werden. Fabriken mit Saisonbetrieb sollen die Arbeit auf das ganze Jahr verteilen oder noch eine zweite Fabrikation mit aufnehmen, um die Arbeiter das ganze Jahr zu beschäftigen.

In der Praxis hat sich die llnzulänglichkeit dieser Methode herausgestellt. Sie hat eben nur dazu geführt, einen gemisien Ar­beiterstamm gleichmäßig zu beschäftigen.

Wesentlich größere Bedeutung haben die in der Industrie ein­geführten Versicherungen. Neben einer ganzen Anzahl klei­nerer, meist quäferisch beeinflußter Firmen, die seit langem ihre Versicherungen laufen haben, die auch einen guten Rechtsschutz für die Versicherten vorsehen, ist jetzt ein neuer Typ entstanden, der zmar feine große praktische, aber eine starte prinzipielle Wirkung hat. So hat die ,, General Electric " eine Kaise gebildet, die Dar lehen an Arbeiter gibt und auch Arbeitslosenunter­st ügung zahlt, jedoch nur nach dem Ermessen der Administratoren und höchstens zehn Wochen im Jahr. Aehnlich sind auch andere Einrichtungen, die alle jedoch keinen Rechtsanspruch für die Versicherten" vorsehen. Aber worauf es hier besonders an tommt, ist die Wirkung auf die Psyche des Amerikaners. Bis vor furzem, sagt Plauth, hielt man die Einführung einer Arbeitslojen versicherung für einen Schritt zum Sozialismus. Aber wenn sogar Eastman Kodak und General- Electric für Arbeitslosenversicherung sind, dann kann das doch nichts mehr mit Sozialismus zu tun haben.

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Unzureichende private Wohltätigkeit.

Daß man durchgreifende Maßnahmen unternehmen muß, wird von Tag zu Tag offensichtlicher. Die private Wohltätigkeit, die bis: her in den Zeiten der Krise in Tätigkeit trat, reicht bei weitem nicht mehr aus, der Not der Arbeitslofen zu steuern. Da helfen alle Ronzentrationsbestrebungen nichts, die sich in den Berbänden der freien Wohlfahrtspflege vollziehen, gemeinsame Sammlungen und gemeinsame Kassen; die Fonds, die durch private Sammlungen aufgebracht werden, sind rasch erschöpft und in immer stärkerem Maße müssen öffentliche Mittel in Anspruch ge­nommen werden. Dr. Hertha Kraus berichtet in einer Schrift über die Versuche genossenschaftlicher Planung und Finanzierung der freien Wohlfahrtspflege in den Vereinigten Staaten: Community Chests und Councils"( Berlag Franz Bahlen, Berlin ), morin sie den Aufbau, die Leistungen und die Mittelbeschaffung der freien Wohlfahrtspflegeverbände schildert und Anregungen für die deutschen Berbände erhofft. Plauth befaßt sich ebenfalls mit der Arbeit dieser Verbände, und er kommt zu dem Schluß, daß der Glaube daran, die private Wohltätigkeit reiche aus, um alle Notstände zu be kämpfent, heute in Amerika erschüttert sei.

Die letzten Widerstände.

Obwohl sich für den kundigen Beobachter erwiesen hat, daß alle bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Not unter den Arbeitslosen in USA . feinen Erfolg hatten, ist die Gegnerschaft gegen die Arbeitslosenversicherung heute noch so groß, daß fie immer noch nicht verwirklicht werden konnte. Aber bereits beginnen die psychologischen Widerstände nachzulassen. Präsident Hoover und der Präsident der Federation of Labor, Green, die sich früher heftig gegen die Einführung einer Arbeits: losenversicherung sträubten, scheinen jegt umgestimmt zu sein.

Heute fallen die Arbeitslosen den Gemeinden zur Last, und auch hier dürfen sie eigentlich erst unterstützt werden, wenn sie aus Arbeitern zu paupers"( Arme) geworden sind, d. h. also, wenn sie völlig mittellos dastehen. Auch die Bundesregierung muß feit langem, trog der ablehnenden Stellung Hoovers, Mittel in immer größerem Umfange herausgeben. Allerdings wählt man dafür den indirekten Weg, indem man für Notstandsarbeiten und Vorschüsse Geld bewilligt. Und das in völlig unorganischer Weise, die nicht im entferntesten ausreicht, wie Plauth feststellt, und außer­dem ein Vielfaches einer organischen Hilfe kostet.

Verschiedene Methoden der Arbeitslosenhilfe werden heute dis­kutiert, die alle den Gedanken gemeinsam haben, daß an Stelle der milden Gabe" der Rechtsanspruch auf Unterstützung treten muß.

In vielen Einzelstaaten sind Geseze der verschiedensten Art für die Durchführung einer Arbeitslosenversicherung beraten worden. Welcher besondere Typ der Versicherung sich entwickeln wird, läßt sich heute noch nicht feststellen, aber ihre Notwendigkeit fann ernsthaft nicht mehr bestritten werden. Plauth schließt seine inter­essante und aufschlußreiche Schilderung mit der Feststellung: Das Interesse der arbeitenden Klasse, nein, der ganzen Welt erheischt die Sozialpolitif, ppm der die ArbeitsInfennerficherung ein mesent. licher Teil ist"