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BERLIN  Dienstag 17. Mai 1932

Der Abend

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B 114 49. Jahrgang

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Unwetterfatastrophe am Rhein  

Bisher fünf Tote, eine Frau und vier Kinder geborgen

Koblenz  , 17. Mai.

Gestern abend ging über ganz Westdeutschland ein schweres Unwetter nieder. Besonders schwer heim­gesucht wurden das Gebiet der unteren Mosel und die Höhenlagen der Eifel  . Wolkenbrüche mit Hagelschlag ließen in einigen Ortschaften das Wasser in den Straßen bis zu einem Meter ansteigen. Das Wasser riß alles mit sich, was im Wege stand. Auf der Straße Koblenz­Weißenthurm standen die Fluten so hoch, daß der Ver­fehr umgeleitet werden mußte. Auch die Schienen der

Reichsbahn waren vorübergehend überflutet. In Güls an der Mosel   ergoß sich eine Sturzflut von über einem Meter in das Dorf, füllte Keller und tiefer liegende Wohnungen; die Wassermassen unterspülten die Funda­mente zweier Häuser, die schließlich einstürzten. Eine Frau und vier Kinder und ums Leben gekom men. Riesengroß ist der Schaden in den Weinbergen, auf den Aeckern und an den Obstbäumen. Der fast hühnereigroße Hagel hat sämtliche Blüten abgeschlagen.

Wolkenbruch und Schlammfluten.

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Bon der Untermofel weiter einlaufende Nachrichten bestätigen, daß es sich um ein Unglüd größten Ausmaßes handelt. Das Ge­lände, das von dem Wolkenbruch betroffen wurde, erstreckt sich noch über Winningen   hinaus bis etwa Hakenport, dem be­fannten Weinort. Allerdings ist es nicht möglich, aus diesen Ge­meinden Nachrichten zu erhalten, da auch hier die Telephon leitungen zerstört und die Zugangswege von Geröll und Schlamm überdeckt sind. Von Reisenden, die mit der Eisenbahn mojelabwärts gekommen sind, wird berichtet, daß in der Gegend von Hazenport der Wolkenbruch die Weinberge auf weite Streden voll­ständig verschlammt hat. Die Rebstöde samt dem Wein­bergboden wurden zu Tal geschwemmt. In den westlichen Rand­gebieten des Unglüds war der Wolkenbruch von Hagelschlag begleitet, bei dem taubeneigroße Hagelförner niedergingen, Gärten und Felder vernichteten und selbst Personen verletzten. Stundenlang floß der Wolfenbruchschlamm zu Tal. Zwischen Güls und Win­ ningen   hat die Höhe der Wassermassen, die sich über eine Stunde lang, mit Geröll vermischt, zu Tal wälzten, drei Meter betragen. Dazwischen befanden sich totes Bich, Scheunenteile wie Scheunentüren und-dächer und Hausrat. Zahlreiche Mauern find durch die Wassermassen eingedrückt worden. Auch der Bahn­damm wurde in Mitleidenschaft gezogen. Von Rübenach wird ge­meldet, daß dort der Damm der Maifeld- Bahn durchbrochen worden ist. Der Zugverkehr ist unterbrochen. Aus Güls wird gemeldet, daß die Wassermassen den auf einem Berghang gelegenen Friedhof zum größten Teil abgeschwemmt haben, so daß Särge und Leichen freigelegt wurden. Bis 24 Uhr waren fünf Tote geborgen, und zwar eine Frau und vier kinder, die beim Einbruch des Unglücs sich von der Straße in eine Waschküche flüchteten und dann von den einstürzenden Trümmern begraben wurden, Vermißt werden noch verschiedene Personen.

Koblenz  , 17. Mai.

Zu dem Unwetterungfüd bei Güls erfahren wir noch: In einer Meinen Kapelle im Mühlental bei Güls ist durch die Geistesgegenwart und persönliche Tapferfeit eines Schu po beamten ein Unglück allergrößten Ausmaßes vermieden worden. Etwa 20 Ausflügler, die den Nachmittag zu einem Spazier­gang benutzt hatten, flüchteten vor dem hereinbrechenden Unwetter in die Kapelle. Die Flutwelle, die dann das Tai hinabbrauste, setzte die Kapelle im Augenblick fa ft bis zur Dede unter Wasser. Durch die Gewalt des Wassers wurden die Menschen gegen die Decke geschleudert und standen dann, als sich die Fluten etwas beruhigten, bis zum Halse im Wasser. Ein Entweichen war unmöglich. Mütter und Männer hielten die Kinder in die Höhe, so daß sie knapp noch in dem Zwischenraum zwischen Decke und Waffer atmen konnten. Einige Eingeschloffene wurden durch den plötzlichen Anprall an die Decke verlegt. Als die erste Schuporettungspatrouille auf die verzweifelten Hilferufe der Eingeschlossenen hin eintraf, blieb tein anderer Weg zur Rettung, als durch die Decke. Die Beamten schlugen das Dach ein und schafften durch die Bresche die fast Ertrintenden einzeln in Sicherheit. Bon den Befreiten mußten drei mit schmeren Verlegungen in ein Krankenhaus eingeliefert merden. Ein junges Mädchen erlitt einen Nervenschock. Infolge der Dunkel heit war es am Abend der Katastrophe nicht mehr möglich, den riesigen Schaden auch nur annähernd abzuschätzen.

( Weitere Meldungen fiehe auch zweite Seite.)

Armeeputsch in Japan  

Das Heer verlangt ,, nationale" Regierung

Tofio, 17. Mai.  ( Reuter.) Die Armee ist mit einem Ultimatum hervor: getreten, in dem sie die Bildung einer nationalen Regierung verlangt.

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Der Europäer vernimmt mit Interesse, daß der Begriff einer nationalen" Regierung auch in Japan   be= fannt ist und daß mit ihm dort ebenso Schindluder getrieben wird wie hier. Wenn ,, die japanische   Armee", d. h. ein terro­

Ki Inukai,

der von Offizieren der japanischen   Armee ermordete Minister­präsident Japans  . Inukai mar 77 Jahre alt. Er wurde im Dezember vorigen Jahres als Nachfolger des zurückgetretenen Wakatsuki mit der Bildung der Regierung beauftragt.

ristisch arbeitender Offiziersklüngel, ultimativ eine natio= nale" Regierung fordert, so schließt dieses Verlangen die Vor­aussetzung in sich ein, daß die bisherige Regierung, deren Chef ermordet auf der Bahre liegt, eben nicht ,, national" gewesen sei. Das kann uns freilich nicht wundern, zumal Deutschland   nach der Auffassung unserer Nationalisten über­haupt noch nie oder zum mindesten seit Bismards Zeiten nicht mehr eine ,, nationale" Regierung besessen hat.

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Das Vorgehen Japans   in der Mandschurei   und in Schanghai   war nach allgemeiner europäischer Auffassung der Inbegriff des überspannten Militarismus. Die viel zu schwächlichen Versuche des Völkerbundes, den Japanern Ein­halt zu gebieten und sie zur Achtung der internationalen Ver­pflichtungen zu zwingen, haben in Schanghai   einen nur sehr relativen und in der Mandschurei   gar keinen Erfolg gehabt.

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Aber ,, die Armee" findet, daß die Haltung der ,, Zivilisten" immer noch viel zu schlapp" und sogar landesverräterisch ist. Denn die japanischen Diplomaten haben einem Waffenstill­ftandsabkommen in Schanghai  - allerdings ohne jegliches bindende Räumungsversprechen zugestimmt und der Untersuchungskommission des Völkerbundes das Betreten der Mandschurei   gestattet. Grund genug für die japanischen Offiziere, ihre Staatsmänner niederzufnallen und, soweit dies noch nicht erfolgreich durchgeführt, davonzujagen

Inukai war im Dezember 1931 zum Ministerpräsidenten bestimmt worden, nachdem seinem Vorgänger Wal atfufi zuviel Nachgiebigkeit gegenüber dem Völkerbund vorgeworfen wurde. Er war also gewissermaßen der Scharfmacher, der die Gemüter in der Armee beruhigen und dem Ausland die Zähne zeigen sollte.

Annahme oder Ultimatum?

Man glaubt, daß das Ultimatum der japanischen   Armee be­rüd sichtigt werden kann(!), da nach der Verfassung der Kriegs­minister aus der Zahl der Generäle gewählt werden muß und daher ein kabinett nicht ohne Billigung der Armee, die jetzt die Beteiligung an einem Parteikabinett ablehnt, gebildet werden kann.

Kriegsminister Araki und Marineminister Usumi haben erklärt, daß sie dem kommenden kabinett nicht mehr angehören würden.

Wie die Telegraphen- Agentur Schimbun Rengo" mitteilt, werden die Mörder des Ministerpräsidenten vor ein Kriegs­gericht gestellt werden, das demnächst zusammentrefen wird.

Gefährliches Spiel um Danzig  .

Hakenkreuzler Zuzug in Maffen.

Die in der Freien Stadt Danzig   noch nicht verbotenen militärischen Formationen der Hitlerpartei haben in den letzten Tagen einen starten 3ustrom aus Deutschland   erhalten. Man hat vor allem den durch mehrere größere Tagungen verschiedener Bereine verstärkten Fremdenverkehr benuht, um den 3u3ug möglichst unauffällig vollziehen zu können. Obwohl sich die Hakenkreuz- Soldaten im Tragen ihrer Uniformen augenblicklich wieder Zurückhaltung auferlegen, ist bei den Felddienstübungen, die auf dem Lande selbst während der Feiertage durchgeführt worden sind, eine wesentlich stärkere Teil­nehmerzahl festgestellt worden.

In den Kreisen der Hakenkreuzanhänger bringt man die Ver­stärkung und vermehrte Uebungstätigkeit der SA.­Verbände mit den von der örtlichen Nazi- Leitung schon seit geraumer Zeit öffentlich in Aussicht gestellten entscheidenden Aus­einandersetzungen" in Verbindung. Unter diesen entscheidenden Auseinandersetzungen" wird bei den Nazis weniger eine Affion nur innenpolitischer Machtergreifung als vielmehr eine Unternehmung mit außenpolitischen Wirkungen verstanden. Dabei bezieht man fich auf die immer noch hartnädig verbreiteten Gerüchte über angebliche polnische Handstreichpläne auf den Freistaat, die nationalistischen Kreisen als Vorwand für eine gewaltsame Lösung des Danzig  - Problems nicht ungünstig erscheinen.

Die durch gegenseitige Unterstellung von Ge­waltabsichten bis zur Siedehike gesteigerte Atmosphäre, die auch durch immer wieder neu auftauchende Meldungen von polnischen Truppenanjammlungen im Korridor gekennzeichnet ist, drängt auf eine Entspannung, damit unübersehbares Unheil verhütet wird.

Feiertagsstimmung an der Börse.

Freundliche Stimmung bei sehr ruhigem Geschäft. Die heutige Börse stand noch im Zeichen der Pfingstfeiertage. Das Geschäft hielt sich in engstem Rahmen. Anfangs brachten die politischen Mordnachrichten aus Japan   eine gewisse Beunruhigung mit sich, jedoch setzte sich bald eine freundliche Tendenz durch.

So fonnten J. G. Farben von 93% auf 94%, Schuckert von 59 auf 60% und Reichsbank von 116% auf 117% anziehen. Fest lagen auch Kalimerte, von denen Westeregeln   von 97% bis 100 stiegen. Siemens u. Halste gaben von 113 auf 111 nach. Reichsbahn- Bor zugsaftien waren mit 78% gefragt.