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Morgenausgabe

Nr. 229

A 116

49. Jahrgang

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gió no seu

Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Mittwoch

18. maí 1932

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Faschistenkabinett in Japan  ? Das faiferliche Rom  

Kriegsgefahr rückt näher.

London  , 17. Mai.  ( Eigenbericht.)

Die japanische   Armee hat sich geweigert, einen Kriegsminister zu nominieren. Sie hat dadurch die Kabinettsbildung auf dem üblichen Wege unmöglich gemacht. Es ist deshalb mit einem Ka binett des faschistischen Führers Jramuna zu rechnen. Die Entscheidung fann jedoch nicht vor Freitag fallen, jedenfalls verläuft die Entwicklung in einer gefährlichen Richtung.

Die Beurteilung, welche die Lage im Offen zwischen China   und Japan  , wie sie infolge der inneren Ereignisse in Japan   ent­standen ist, in London   erfährt, iff nicht einheitlich. Einig ist man sich allerdings darüber, daß, wenn als Ergebnis der außer­ordentlichen Krise in Japan   der Einfluß des Militärs auf die Politik wächst, wie das anzunehmen ist, die Mandschurei mit noch größerer Gründlichkeit japanischem Einfluß unterstellt

werden wird, als das sonst der Fall gewesen wäre. Wenn eine japanische Militärdiktatur, ohne Rücksicht auf einen Krieg mit Rußland  , etwa Truppenbewegungen in der Mandschurei vornimmt, oder wenn sie Bahnbauten in Angriff nehmen sollte, die die chinesisch- russische Linie wertlos machen würden, so würde die Friedensliebe der Russen auf eine äußerst harte Probe gestellt und die Gefahr eines Krieges im Osten nähme greifbare Gestalt an. Diese Gefahr wird um so größer, wenn man berüc fichtigt, daß selbst vorsichtige fapanische Politifer zum Teil glauben, daß sich die Politik des japanischen Einfluffes in der Mandichurei auf die Dauer nicht ohne dirette Annettion durchführen lassen werde.

Diese aktuelle Gefahr, die zu realisieren die europäischen   Staats­männer wenig Anstalten machen, erkennen der" Daily Herald" und der" Manchester Guardian". Die Times" dagegen, die eher die Ansichten des englischen Auswärtigen Amts wiedergeben dürfte, fieht es in einem Leitartikel als vernünftig" an, daß die japanis.he Armee noch lange Zeit in der Mandschurei   ihre Herrschaft aus= üben werde.

Benn eine ausgesprochen faschistische Regierung nach dem Willen jener militärischen Kreise gebildet wird, die so eben ihren vor feinem Verbrechen zurückschreckenden Fana tismus bewiesen haben, dann wächst tatsächlich die Kriegs­gefahr im Fernen Osten ungeheuer. Sogar unter den bisherigen Regierungen, die nach Ansicht der Militärs zu schlapp waren, gestaltete sich die Lage an der mandschurisch­fibirischen Grenze von Woche zu Woche ernster. Wenn aber erst die Militaristen in Tokio   offiziell und ungeniert regieren dürfen, dann sind in der Tat die schlimmsten kompli tationen zu befürchten.

Not und Schmuh hinter glanzvollen Kulissen.

Locarno  , im Mai.( Eigenbericht.)

,, Dein Reich fomme" beten die Nazis in Deutschland   und sehen andächtig zu Hitler   auf. In Italien   ist es schon ge=

Lire, mit Leuten, die Schlange stehen um Bettelsuppen, mit einer Obdachlosigkeit, von der man in der ärmsten Zeit feine Vorstellung hatte. Und die Hauptstadt dieses Reiches ist das kaiserliche Rom  ", in dem ein moderner Nero zwar nicht Brände entfesselt, aber aus ästhetischen Gründen die Leute aus ihren Wohnungen vertreibt.

Riesengroß ist dabei die moralische Verfommen, mit einem Staatsdefizit von zweieinhalb Milliarden antwortung des Wölferbundes und der Mächte. Erst ihre erbärmliche Nachgiebigkeit gegenüber Japan   im Anfangsstadium des Konfliktes mit China   hat die japani­schen Militaristen übermütig und übermächtig werden laffen. Anstatt den Anfängen zu wehren, hat man Zeit gewinnen wollen, die Situation aber dadurch nur katastrophal ver­schlechtert. Man hat unter Breisgabe des Völkerbundstatuts, des Kellogg   Battes und des Neunmächtevertrages China dem japanischen Raubzug preisgegeben und darüber hinaus die Gefahr eines neuen Weltbrandes durch einen Krieg zwischen der Sowjetunion   und Japan   unmittelbar heraufbeschworen, der bei einer anderen Haltung der Mächte niemals in den Bereich der Möglichkeiten hätte treten dürfen.

Eine besondere Schuld an dem Versagen des Völker bundes und an allen weiteren Folgen trägt die von den Kon­bundes und an allen weiteren Folgen trägt die von den Kon­ſervativen beherrschte englische Regierung. Vielleicht spielte bei ihr, und auch bei den Franzosen  , der Hintergedanke eine Rolle, daß es nichts schaden könnte, menn Japan   die Initiative zur großen friegerischen Abrechnung mit dem Bolschemismus ergreife. Bollständig versagt hat dabei auch die deutsche Diplomatie, die zwar der artige Bermidelungen feineswegs wünschte, aber zu furz­sichtig war, um sie vorauszusehen, und die zu kleinmütig war, um sich entschlossen an die Spize der Bewegung zugunsten eines wirksamen Schuzes für China   zu stellen und diese Rolle ausschließlich den fleineren neutralen Staaten in Genf  überließ.

Noch größer würde die Gefahr einer neuen Weltfata strophe werden, wenn auch noch in Deutschland   die Natio nalsozialisten ans Ruder fämen. Denn der einzige positive außenpolitische Programmpunkt der Hakenkreuzler ist die würdelose Anbiederung an die Anti bols chemisten aller Länder.

Ein humoristisches Dementi.

Tofio, 17. Mai.

Das japanische Kriegsministerium erflärt, daß die in letzter Zeit in der ausländischen Presse verbreitete Nachricht, in Japan   sei der Kriegszustand erklärt worden, nicht den Tatsachen entspreche. Die Armee bleibe unpolitisch(!) und werde sich nicht in das politische Leben einmischen(!!).

Blum für Regierungsbeteiligung.

Die Bedingungen der französischen   Sozialisten.

Paris  , 17. Mai.  ( Eigenbericht.)

Im Populaire" spricht sich Léon Blum   für die Bil. dung eines Linksfabinetts mit sozialistischer Bes teiligung aus. Blum begründet dies folgendermaßen: Eine Beigerung der Sozialisten, an der Regierung mitzuarbeiten, würde zweifellos eine große Enttäuschung im Volke hervorrufen. Das Land möchte nicht ein zweites Mal der Früchte seines Sieges beraubt werden, und ich fann, ohne jemand zu verlegten, sagen, daß es vor allem auf uns zählt, um sich diese Früchte zu sichern.

und der radikalen Partei entnommen. Denn jede dieser drei Maß. nahmen ftügt sich auf die letzten Beschlüsse wie auf die älteste Tra­dition der radikalen Partei."

Belgische Regierungsfrise.

Der alte Streit um die Sprachenfrage. Brüssel  , 17. Mai.  ( Eigenbericht.) Die lang erwartete Regierungskrise ist aus. tagnachmittag dem König den Rücktritt des Gesamt

,, In Rom   ist feine Wohnungsnot" sagen die Fremden, die die vielen leeren Wohnungen in der Haupt­stadt sehen, wo ganze Straßenzüge zu vermieten sind. Und dann freuen sie sich über die freigelegte Kaiserfora, freuen sich, daß in diesen Zeiten platter Not noch eine Regierung da ist, die Geld und Energie hat, den Spuren vergangener Größe in der Erde nachzuforschen. Aber sie fümmern sich nicht darum, daß die für diese Ausgrabungen niedergelegten Häuser Tausenden von Proletariern Obdach gaben, und daß der Faschismus wohl das Geld findet, um vergangene Größe aus der Vergessenheit zu ziehen, nicht aber, gegenwärtiger Not abzuhelfen. In runder 3ahl find durch die Ausgrabun­gen um das Kapitol zehntausend Menschen ermittiert worden. Es gibt nur ein modernes und halbwegs menschenwürdiges Obdachlosenasyl in Rom  , das im Quartier der Garba­tella, vor dein Tor von San Paolo. Dies zeigt man den Fremden. Aber es gibt andere Asyle, die man nicht zeigt, und die sind so beschaffen, daß fie fich in Dantes Hölle sehen lassen könnten. Das größte und fürchterlichste ist das des Forno Militare", auf dem Esquilino, wo die Familien in Bor- Abteilungen schlafen wie in Pferdeställen. Keine Klo, fetts, feine Tagesräume, feine Heizung, die gemeinsame Küche völlig unbenußbar, so daß die Leute auf Petroleum­fochern oder Spirituslampen fochen. In einer solchen ,, Bor  " hausen neun Personen, Vater, Mutter, sechs Kinder und Großmutter. Die Mutter ist vor furzem niedergekommen, ein Kind hat Rippenfellentzündung. Der Lärm und Gestant, der aus den nur durch eine dünne, mannshohe Scheidewand abgetrennten Nebenräumen dringt, ist, unerträglich. Wasser ist knapp. Im Winter kommt man vor Kälte um und im Sommer vor Ungeziefer.

In vorfaschistischer Zeit, unter der Verwaltung der Radikalen mit dem Bürgermeister Nathan, erhielt jeder in der Abfallbeförderung angestellte Arbeiter Dienstkleidung, die auf städtische Kosten gewaschen wurde: einen Sweater und einen Kittel in der Woche. Jm ,, faiserlichen Rom" von heute ist das abgeschafft. Die Löhne find so gering, daß diese Arbeiter, die in Säden den Abfall aus den Häusern holen, fast alle in einem der Obdachlosenheime schlafen müssen. Da verpesten sie alles mit ihren schmutzigen Anzügen, die sie selbst waschen lassen sollten und nicht waschen lassen fönnen. Eine besondere Qual für die Obdachlosen ist die Nähe eines. solchen Arbeiters, dessen Zeug stinkt und Krankheiten ver­breitet.

Dabei gibt es in Rom   feine Boltstüchen und Suppenverteilungen, wie sie der Faschismus in allen anderen Städten eingerichtet hat. Für Rom   ist das nicht faiserlich genug, wenn sich das Elend so zusammen. staut. Da haben nur die Nonnen und Mönche Ausspeisungen eingerichtet, und die Kasernen verteilen einen Teil der den Soldaten oder Carabinieri zugedachten Nahrung. Rom   hat andere Bedürfnisse. Dort hat man jest auf Staatskosten in nächster Nähe der Villa Torlonia  , wo Mussolini   wohnt, eine große Billa   gemietet. Sie toftet die Bagatelle von 500 000 Lire im Jahre und soll die jetzt dem Premierminister gesetz­lich zugesprochene Militäreskorte dauernd beherbergen. Da wird die für die Sicherheit des Premierministers bestimmte Renkin machte am Dienstagvormittag einen legten Versuch, Geheimpolizei hausen, die Politische Polizei  , Polizisten in die katholischen und liberalen Parteiführer seiner Mehrheit noch zu Uniform, Carabinieri, Miliz und die Musketiere Mussolinis. einem Kompromiß über die Sprachenfrage im Unterricht zu be Es wird eine Art Kasernenpotpourri sein. Man wird dort wegen. Es war vergeblich. Die Flamen wollten nichts von einer die Kanonen unterbringen, deren Böller bei offiziellem Auf­Aenderung ihres Standpunktes hören, während die Liberalen auftreten Mussolinis in Funktion treten, das Musikkorps, furz, ihrem Schein, d. h. auf die Einlösung des ihnen von Renkin ge- all das Drum und Dran, was der Sohn des Schmiedes" gebenen Versprechens drängten. So blieb dem Ministerpräsidenten nicht entbehren kann, will er sich vor der Liebe seines Boltes nichts übrig als der Rücktritt. schützen.

Selbst bei den radikalen Wählern rechnet man auf die Wirksamkeit gebrochen. Ministerpräsident Rentin hat am Diens.

unserer Gegenwart und unserer Aktion."

In einem zweiten Artikel setzt Léon Blum   die Mindestbedingun gén für die Beteiligung der Sozialisten an der Regierung ausein­ander. Nach seiner Ansicht müßte die Mitarbeit der Sozialisten eine entscheidende Etappe auf dem Wege der fozialen Gerechtigkeit und des Friedens darstellen. Ueber die Bedingungen schreibt er: Nur unser Parteifongreß wird in souveräner Weise die Beschlüsse fassen fönnen. Niemand kann jezt etwas anderes als Eindrücke und per fönliche Wünsche formulieren. Ich habe die meinigen in Rar bonne bekanntgegeben und ich glaube immer noch, daß die drei

kabinetts überreicht.

"

Und dieses Schußes fann Mussolini   nie genug haben,

Maßnahmen: fofortige herabseßung der Militär. gelöst, daß die Regierung Rentin mit einigen Personaländerungen nie soviel, wie seine Angst es verlangt. Da ist die Angst

trebite, Crweiterung der Sozialversicherung und Nationalisierungg der Versicherungs- und Eisen bahngesellschaften, ein zugleich genügendes und notwendi ges Programm bilden. Ich habe diese Bindungen nicht zufällig ge wählt, sondern sie den gemeinsamen Programmen der sozialistischen  

In Regierungsfreifen wird behauptet, die Krise werde dadurch wieder erscheint. Der Zweck des Rücktritts und die Neubildung der Regierung wäre demnach im wesentlichen der, Renfin zu ermög­lichen, sich von den Zusagen, die er den Liberalen in der Sprachen frage gemacht hat, zu lösen und als Chef einer neuen Regierung eine den Flamen genehme Lösung vorzuschlagen. Es bleibt abzu­warten, ob dieses etwas eigenartige politische Manöver gelingt

vor antifaschistischen Flugzeugen. Seit Bassanesi über Mai­ land   und De Bosis über Rom   geflogen ist, hat man einen besonderen Nachrichtendienst eingerichtet, dessen Mittelpunkt der Palazzo Biminal, der Sitz des Ministeriums des Innern, ift. Jeder Flugapparat, der über die italienische Grenze