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Theodore

Dreisers Leben

Eine Autobiographie

Von Friedrich Lichtneker

nische Dichter Theodore Dreiser   sein legtes Bert( erschienen Das Buch über mich selbst" nennt der große amerita, die Schule verlassen hat, wird von Beruf zu Berufgehegt; bei Paul Zsolnay Verlag, Berlin  - Wien  ). Ein Befenntnisbuch, eine Lebensbeichte, Beichte vielmehr über den Abschnitt eines Lebens, den wichtigsten, entscheidendsten im Leben des Menschen überhaupt: Kindheit und Jugend. Wenngleich auch Dreiser   nicht be­haupten mill ,,, daß dieser Bericht wahr sei", den er ,, nach bestem Wissen und Gewissen" niedergeschrieben hat, so wahrheitsgetreu, wie die Erinnerung es gestattet", so wollen wir dennoch annehmen, daß das Kindheitserlebnis Dreisers so stark und nachdrücklich war, um einigermaßen als authentisches Dokument für die Entwicklung eines großen Geistes zu gelten.

Es mag richtig sein, daß unser Erinnerungsvermögen stets rela­fin zu merten ist und gerade Geschehnisse aus der Kindheit und frühen Jugend in der Erinnerung daran ihre ursprüngliche Gestalt verändern. Während nämlich diese frühen Ereignisse unseres Lebens allein Sache des Instinkts waren, werden sie später der Kritik unserer Bernunft unterstellt. Im wesentlichen aber nimmt unser Kindheitserlebnis die gefestigtste Stellung in dem Reservoir unserer Lebenseindrücke ein. Alles, was wir sind und tun, leitet sich von diesen ersten, elementaren Eindrücken her, im Kindheits­erlebnis finden wir den Schlüssel zu allen unseren späteren Lebens­lagen. Denn: Unsere Seele fommt neu und voll freudiger Er­wartung aus einem gänzlich anderen Reich, und die Wachstafel, die sie mitbringt, ist völlig unbeschrieben und rein. Alles wird darauf verzeichnet und wie nachdrücklich und andauernd dazu!" So schreibt Dreiser   selbst und gibt damit seinem Bericht das Rückgrat seiner Wahrheit.

Jugend in Armut...

Ehe er auf sich selbst eingeht und jedes kleinste Ereignis und jede geheimste Regung seiner Jugend schonungslos mitteilt und dabei deren Wirkung auf sein späteres Leben prüft, macht er uns mit seiner Familie bekannt. Vater Dreiser   war Deutscher und stammte aus Mayen   bei Koblenz  , die Mutter war die Tochter eines wohlhabenden, aus Mähren  . stammenden m'ennonitischen Farmers, der in Pennsylvanien   lebte. In Sullivan im Staate Indiana   ist der alte Dreiser   Besizer einer Spinnerei und Weberei. Die Fabrik brennt ab. Da sie nicht versichert ist, bedeutet das für den Mann Ruin. Die Eltern Dreifers übersiedeln nach Terre Haute  , wo er am 27. August 1871 geboren wird.

Er war ein fränfliches Kind, an dessen Aufkommen gezweifelt murde. Diese körperliche Schwäche verließ Dreiser   in seiner ganzen Jugend nicht und wurde, von den ihm an Körpertraft überlegenen Kameraden zu Bewußtsein gebracht, oft zu seinem Verhängnis und einem mit viel Bitternis getragenen Leid. Der früh in ihm ge­schaffene minderwertigteitstomplex machte sich dann in der Zeit der Pubertät besonders katastrophal bemerkbar und setzte ihn mancher Kräntung, ja sogar der Gefahr einer ernstlichen Er­frantung aus. Gerade aber wegen seiner schwächlichen Körpers konstitution war er der Liebling seiner Mutter, die außer ihm noch vier Knaben und fünf Mädchen das Leben schenkte.

Die zahlreiche Familie und der Bankrott des Vaters schufen natürlich immer wieder neue wirtschaftliche Schwierigkeiten, die nicht selten auch in bitterste Not und trostlosestes Elend ausarteten. Dieser Umstand bedang auch, daß die Familie immer wieder ge­trennt und zersprengt wurde und sich auf einer ewigen Wanderung nach besseren Lebensmöglichkeiten befand. Rührend das Bild von Mutter Dreiser  , das der Dichter mit wahrer Inbrunst und Liebe zeichnet: Eine Frau, deren Pflichtbewußtsein von heroischer Größe ist. Dabei von rührender Anteilnahme am Geschickt ihrer Kinder und einer Hochherzigkeit und Verständnisfülle, wie es nur das Idealbild einer Mutter sein kann.

Schuljahre.

Im wahren Gegensatz zu ihr steht der alte Dreiser, der, einmal ruiniert, nie wieder hoch kommen kann, weil es ihm an Initiative fehlt, das Leben dort zu packen, wo es am lebendigsten ist, und statt dessen sich dem Mystizismus der katholischen   Religion ergibt, in dem er Troft für ein bankrottes Leben sucht. Die Fröm­migkeit und das Eingesponnensein in diesen mystischen Katholizis­mus Dreisers senior werden für den jungen Dreiser und seine Ge= schwister zu einer wahren Geißel. Am empfindlichsten aber da, mo der alte Dreiser   seine Kinder zum Besuch der katholischen  Schule fommandierte, obwohl es genügend öffentliche Schulen gab, deren Besuch überdies unentgeltlich war.

Der junge Dreifer haßte die geistliche Schule, von der er be­richtet, daß sie ,, das Armseligste war, was man sich denken konnte", und deren Lehrstoff er folgendermaßen skizziert: Keine Geschichte der Vereinigten Staaten  , feine Geographie, feine Algebra, Geo­metrie, Zoologie oder Botanik, noch irgendeine der Wissenschaften oder Künste, deren Elemente Kindern oft solche Freude machen. Die Hauptsache war, daß sie Lesen, Schreiben und Rechnen lernten und als vollwertige und gläubige Katholiken in irgendeine Werkstatt eintraten." Dazu bei Bersäumnis der Messe eine Tracht Prügel, gleichviel, ob die Eltern damit einverstanden waren oder nicht.

Ich will nicht ungerecht sein gegen eine Institution", sagt Dreiser   ,,, aber auch bei größter Nachsicht kann ich mir nichts anderes Borniertes denken als das in solchen Schulen herrschende System, das im Laufe von ungefähr zwanzig Jahren die Schicksale einiger tausend Kinder entscheidend beeinflußt haben muß." Diese Schule ist auch gewiß die Ursache für Dreisers bis zum heutigen Tage feind felige Stellungnahme zur fatholischen Kirche.

Biele Jahre führten er und seine Geschwister um den Besuch einer öffentlichen Schule einen verzweifelten Kampf mit dem in feinen Glaubensdogmen festverankerten Vater. Als die Familie das zweitemal nach Chifago fam und ihre wirtschaftliche Krise den Höhepunkt erreicht hatte, gewannen die Geschwister Oberhand und stellten den Vater, der arbeitslos und nur eine Bürde der Familie war, vor die Alternative, seine Moralpredigten einzustellen zu­gunsten einer freieren, lebenstüchtigeren Gesinnung, deren Duldung fie forderten. So gelang es Theodore, endlich das damalige amerikanische   Schulsystem fennen zu lernen, das er als eine fröhliche Obhut über Millionen von Kindern nach der Art liebender Eltern" bezeichnet, aber mit mehr Liebe und weit mehr

Klugheit und Sorgfalt, als die meisten ärmeren Eltern aufbringen". Dreiser   glaubt nicht an die Demokratie, aber doch an eine Form fozialer Ordnung, die das Kind ebenso vorteilhaft erziehen könnte wie ein anderes der Aufzucht würdiges Wesen". Und er fragt, ob es das je geben wird, denn die jetzige Richtung der amerikanischen  Demokratie ist nicht sehr vielversprechend. Aber bestimmt braucht die geistige Entwicklung des Menschen viel Zeit, und der Weg jeg­licher Regierungsform ist überwuchert von den anscheinend unaus­rottbaren Dummheiten, Gelüsten und Begierden der Menschheit." Von den Lehrerinnen dieser Zeit berichtet er, daß sie feines wegs Geistesgrößen, aber freundlich, gütig und hilfsbereit waren. Von Beruf zu Beruf.

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Einem dieser hilfsbereiten Wesen verdankt er Jahre später eine ganz entscheidende Wendung in seinem Leben: Dreiser  , nachdem er

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erst versucht er es auf einer Farm, fehrt nach Chikago zurüd, geht den Leidensweg aller Stellungsuchenden, bis er als Tellerwascher in einem vor Dred starrenden griechischen Restaurant einen menig verheißungsvollen Anfang seiner Karriere nimmt; in rascher Folge erlebt er dann das typische Schicksal der proletarischen Jugend Amerikas   dauernder Berufswechsel, der nicht selten zur Kata­firophe für junge Menschen wird-( Dreiser hat einen solchen Fall in seiner Amerikanischen Tragödie" aufgezeigt). Bald ist er Lauf­junge, bald Ofenpuzer bei einem Eisenhändler, wo er viel Roſt und Staub schlucken muß, dann Bediensteter auf einem Rangier bahnhof, Malergehilfe und dann wieder in einer Eisenhandlung Handlanger.

Hier holt ihn jene vorhin erwähnte Lehrerin heraus und bringt ihn auf die Universität. Sie hat früh genug den Bildungs­hunger und vor allem die Bildungsfähigkeit des jungen Dreiser erkannt. Hat er bisher das Leben der arbeitenden Klasse, die Welt des Proletariers erlebt, so wurde er nun auf dem College mit einer neuen Lebensweise bekannt. Aber welche Gesellschaftsordnung, welches Kasten und Rassenwesen mußte er hier tennen lernen! Welcher Hochmut der Senioren! Welcher Hochmut des Geldes! Und das in unserer jungen, friedfertigen, sogenannten demokratischen Republik  !" ruft einmal Dreiser aus. Diese Studentenverbindungen, alberne Vereinigungen, die als ideale Bande der Verbrüderung hingestellt werden! Die aber den ärmlich gekleideten. Jungen nicht als vollwertig ansehen und des halb. nicht bei sich aufnehmen.

Mutters Tod und ein Verbrechen". Wiewohl Dreiser der Kopf mit viel Wissen vollgepadt wurde, kehrt er dennoch leer und unbefriedigt von dem College nach

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Chitago zurüd und geht hier von neuem auf die Arbeitssuche. Findet Anstellung in einem Realitätenbüro, hat zweimal die Ge · δα legenheit zu heiraten, ohne davon aber Gebrauch zu machen ereilt ihn ein schwerer Schicksalsschlag: seine Mutter stirbt. Das Leben geht weiter- Dreiser  , von neuem auf der Stellung suche, findet Arbeit als Kutscher in einer Wäscherei, dann mieder

seine Beschäftigung darin, armen Leuten billigen Schund und Kitsch mal in einer anderen und kommt schließlich zu Dr. Nesbit, wo er das sogenannte Ratengeschäft kennen lernt. Hier besteht mir damals, wenn auch noch unklar, aufdämmerte, war das anzudrehen und dann die fälligen Raten einzufassieren. Was rührendste der blind einhertappenden Menschheit, die ein paar Bro­samen von dem Festessen zu erhaschen sucht, das die Kunst ihren Jüngern bereitet", erzählt Dreifer.

Chikagos, war es auch, wo Dreiser   sein bekanntes ,, Verbrechen" Hier bei Mr. Nesbit, dem ,, Kunstversorger" der Elendsquartiere verübte, aus dem ihm Jahrzehnte später die amerikanische   Gesellschaft einen Strid drehen mollte. diesem Mr. Nesbit 25 Dollar unterschlagen, um sich Es stimmt, Dreiser   hat damals bei Kleider und Wäsche zu kaufen, vor allem aber einen Mantel. Er fassierte Raten und lieferte das Geld nicht ab, wollte aber selbst in Raten von seinem Gehalt den Fehlbetrag ergänzen. Wie das aber fam Mr. Nesbit schon dahinter nun mal ist ehe ihm diese geschäftliche Transaktion" gelang, schonungslos vor die Tür gesezt. und Dreiser wurde sanft, aber

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Dieses Ereignis scheint Höhe und Schlußpunkt seiner Jugend zu sein, denn damit schließt er seinen Bericht über sich selbst". Eine Fülle von Wissen und Erfahrung ist in diesem Bekennt nisbuch zusammengetragen. Mit selbstkritischer Schonungslosigkeit rührt der Dichter an die heikelsten Dinge! Mit mutiger Offenheit spricht hier ein ganzer Mensch von den Qualen einer an Hemmungen reichen Sexualität und von dem Erlebnis einer reinen Liebe. Ein Dichter schrieb den Roman seiner Jugend, aufregend, erschütternd und belehrend, zugleich erhebend. Ein Buch für die Jugend und vor allem für die, die sie führen und erziehen. Wäre das Buch fnapper, gedrängter, würde es auch den Weg in die breitesten Schichten finden. Und dahin gehört es!

Die Bettler- Oper

John Gay   zum Gedächtnis, 1732/ Von Paul H. Emden

Die ausgezeichnete Bearbeitung für die deutsche Bühne und die filmische Darstellung haben eine literarisch interessante Tatsache vollkommen in den Hintergrund gerüdt: der Titel der Drei­groschen oper" heißt im Original ,, The Beggars Opera  " und ihr Autor John Gay  , der keine wie auch immer gearteten Autorenrechte geltend machen kann, und auch keine Vertragspflichten zu erfüllen hat, denn in diesem Jahre wird er gerade 200 Jahre tot sein.

Der englische   Autor hatte die Absicht, ein 3eitstück zu schreiben, d. h. eine Handlung aus der Zeit für die Zeit, aber die fünstlerische Höhe der Gestaltung stempelte es zu einem zeitlosen Kunstwerk; der Erfolg der Dreigroschenoper  " ist dessen Beweis.

Es ist reizvoll, sich in diesem Jahre des Gedenkens auch des John Gay  ( gest. 1732) wieder zu erinnern.

In England regierte, nach dem Tode des ersten George( 1727) George II.   aus dem Hause Hannover  . Es war eine Zeit der stärksten Anteilnahme aller Schichten des Volkes an Politik und Regierung. In London   erschienen damals 18 politische Zei tungen, d. h. fieben mehr als hundert Jahre später drei der heute noch wertvollsten Zeitschriften Tatler", Spectator" und " Guardian  " entstanden. Kunst und Literatur hatten Zeitereignisse zum Gegenstand: Hogarth malte das satirische Genre( auch Szenen aus der Bettleroper  "), Defoe  ( Robinson Crusoe  ") und die politischen Zeitereignisse verwickelt. Swift(, Gulliver") schrieben politische Pamphlete und waren in

John Gay  ( 1688-1732) mit der ausgesprochenen Absicht der In diesem Milieu erschien( 1728) ,, The Beggars Opera  " von politischen Satire im Gewand des komischen Singspiels. Walpole  , trotzdem er 1711 wegen Korruption aus dem Bar­An der Spize des Ministeriums stand damals Robert und bürgerliche Bestechlichkeit in allen Schichten, und von ihm lament gestoßen war; während seiner Amtszeit blühte die staatliche stammt das Wort: Jeder Mensch hat seinen Preis." Diese Kor­ruption bloßzustellen, von der Bühne herab zu geißeln, war Gays Tendenz; einzelne Szenen sind geradezu Anspielungen auf Walpole, der in der Person des Pea chum perfifliert wird.

statt; der Erfolg war ungeheuer und 62 mal hintereinander Die Erstaufführung der Bettleroper   fand am 29. Januar 1728 dagewesene Folge. Die Regierung, in ihrer Bestürzung, ließ fogar wurde das Stück wiederholt; für die damalige Zeit eine noch nie dagewesene Folge. Die Regierung, in ihrer Bestürzung, ließ sogar von den Kanzeln herab gegen das Werk predigen, aber trotzdem daß es auch das Kunstgewerbe beeinflußte; Fächer und Wandschirme wurde es so populär und ging so start in den Zeitgeschmack über, wurden mit Liedern aus der Oper bemalt oder bestickt. Der glück­liche Theaterdirektor hieß Rich und der glänzende Erfolg führte zu Gay rich.( Das Stück machte Rich froh und Gay reich.") Die dem nicht übersetzbaren Wortspiel: the piece made Rich gay& erste Darstellerin der Polly Peachum, die schöne Miz Lavinia Fenton  , fonnte noch einen besonderen Erfolg für sich buchen: sie eröffnete den Reigen der ehelichen Verbindungen zwischen Bühne und Adel, sie wurde Herzogin von Bolton. Der Erstausführung wohnte Walpole   bei, der demonstrativen Beifall gab, um zu zeigen, daß er sich nicht getroffen fühle, aber er rächte sich, als er Gans spätere Werke aufs rigoroseste unterdrückte und verbot: der Dichter starb verarmt und verbittert; auf seinem Grab­stein stein in der Westminster Abtei ist zu lesen:

., Life is a jest and all things show it;

I thought so once and now I know it."

So habe ich früher gedacht. Doch jetzt weiß ich's genau, seitdem ich Was zu übersetzen wäre etwa mit: ,, Das Leben ist ein Wih.

das Leben vollbracht."

Die Bettleroper, eine der merkwürdigsten Erscheinungen der englischen Bühnenliteratur, ist nie von den Brettern verschwunden. Eine der vielen Wiederholungen fand im Juni 1920 im Lyric in London   statt und lief, ununterbrochen, bis Dezember 1923, also Jahre; auch 1930 wurde sie in London   monatelang auf­geführt. Von irgendeiner Ueberalterung fann also, selbst nach über 200 Jahren, keine Rede sein.

Unnatur der baroden, steifen italienischen Prunkoper und ihre an­Eine weitere bewußte Tendenz der Bettleroper   zielt gegen die spruchsvolle Aufmachung; Gay und sein musikalischer Mitarbeiter Pepusch   perfiflieren nicht nur diesen Stil mit seinen Auswüchsen -hierdurch sind sie gewissermaßen Vorläufer von Jacques Offenbach  , sondern sie haben den Mut, eine ganz neue Art des Singspiels zu schaffen; statt der Bravour- und Koloraturarien bieten sie schlichte Melodien, neu erfundene und an Volkslieder an­gelehnte, und das gesungene Rezitativ wird ersetzt durch das ge­

sprochene Wort. So ist Gays Bettleroper ein Markstein, ein Wende puntt auch in der Entwicklung des Bühnen- und des Singspiels.

Warum der Name Bettler oper?" Bor- und Zwischen. spiel machen dies fenntlich. Ein Amateurdichter hat, mit Amateur darstellern, eine Stegreifkomödie gedichtet und zur Aufführung gebracht; alle sind tätige Mitglieder einer Bettler­3unft, in deren Vereinshaus" das Stück aufgeführt wurde; es ist also ein Theaterstück von Bettlern für Bettler. Es hatte aber in dem engen Rahmen solchen Erfolg, daß ein Theaterdirektor sich ent schließt, seine Bühne zur Verfügung zu stellen und bei der Inszenie rung vor dem Publikum zu helfen. Das ist die Rahmenhandlung, die überdies klar zum Ausdruck bringt, daß es sich um ein moralisierendes Tendenzstück handelt.

Die deutsche Bearbeitung, die Dreigroschenoper", gibt nichts von dieser Rahmenhandlung, deutet sie nicht einmal an, obgleich sie besonders wertvoll und aktuell ist. So der geistreiche und wizige Dialog zwischen dem Bettlerautor und dem Schauspieldirektor; der bühnenfremde Dichter will Macheath hängen lassen, um strenge, poetische Gerechtigkeit zu üben". Der Fachmann aber, der sein Publikum kennt, hält das für unwirksam; ,, eine Oper muß gut ausgehen. Wir brauchen ein Happyend." Der Dichter, dem ja schließlich auch um Wirkung und Erfolg zu tun ist, gibt notgedrun­gen nach; er wollte zeigen ,,, daß die Manieren bei Hoch und Niedrig genau dieselben sind und daß es schwer ist, festzustellen, ob die feinen Herren den Hochstapler imitieren oder die Hochstapler die Gentlemen." Bor zweihundert Jahren wurde das Stück geschrieben!

Die eigentliche Handlung ist so start, immer fortschreitend und voll innerer Spannung, daß sie, mit geringster Umarbeitung, heute zeigen feine Spur von Ueberalterung. noch durchaus bühnenfähig wäre. Selbst die rein lyrischen Stellen Eine Kostprobe sei übersetzt:

Ein Fuchs kann euch die Hühner mausen, Die Tochter in dem Geldschrank hausen, Eine Hure um Geld und Gesundheit euch quälen, Die eigene Frau die Ruhe euch stehlen

Und ein Dieb euch Ware und Silberzeug klaut. Das bleibt noch alles in bescheidenem Rahmen, Wenn sie Ruhe und Silber und die Hühner euch nahmen. Kommt aber ein Anwalt mit der Liquidation, Ist der ganze Besiz zum Teufel schon.

Der bestiehlt euch bis auf die nackte Haut. Bielleicht findet sich ein literarischer Theaterdirektor, der uns die

richtige ,, Bettleroper  " bringt. Sie ist der Ausgrabung wert.

Ruffifche Sprichwörter.

Ohne Donner befreuzigt der Bauer sich nicht.

Ein Narr wirft den Stein ins Meer; hundert Weise ziehen ihn

nicht heraus.

Beim Streit schont der Reiche sein Gesicht; der Arme seinen Rod.

Bom Schweigen wird die Zunge nicht müde.

*

Ein schmeichelndes Kälbchen saugt unter zwei Müttern.

Je weiter du begleitest, desto mehr Tränen.

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*

Er floh vor dem Wolf und fiel dem Bären in die Pranten. Gewinn und Verlust fahren in einem Schlitten.

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Füttere den Wolf noch so gut; immer gudt er nach dem Bald. Ein Esel gefällt den anderen Eseln besser als das schnellste Pferd. Balge   dich mit feinem Starten.

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( Gesammelt von Hans Erman.)

Verantwortlich für Politik: Bictor Schiff; Wirtschaft: G. Klingelhöfer; Gewerkschaftsbewegung: 3. Steiner; Feuilleton  : Dr. John Schitowsti; Lofales und Sonstiges: Frig Karstädt, Anzeigen: Th. Glode; sämtlich in Berlin  . Verlag: Vorwärts- Berlag G. m. b. S., Berlin  . Drud: Borwärts- Buchdruderel und Berlagsanstalt Paul Ginger u. Co., Berlin   SW. 68, Lindenstraße Hierzu 2 Beilagen.