Morgenausgabe
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49. Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Bolksblatt
Sonnabend
21. maí 1932
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Klare Vorschläge der Internationale.
Zürich , 20. Mai. ( Eigenbericht.)
Die Erefutive der Sozialistischen Arbeiter- Inter. nationale beendete heute ihre Beratung. An der heutigen Sigung nahm auch Breitscheid teil. Nach sehr eingehenber Debatte, in der Crispien für die deutsche Delegation sprach, wurde eine Entschließung über die Lage im Bernen Osten und die Kriegsgefahr an den Grenzen der Sowjetunion gefaßt.
Darin heißt es:
Die Internationale stellt fest, daß die Nachgiebigkeit und die Mitschuld einer Anzahl Großmächte Japan die Möglichkeit geboten hat, fich den Berpflichtungen zu entziehen, die es durch feinen Beitritt zum Bölterbundspatt und zum Kriegsächtungspaft ouf sich genommen hat. Die GUI. fordert alle ihr angeschlossenen Barteten auf, auf ihre Regierung einen Daud auszuüben, damit die pon ihnen eingegangenen
Berpflichtungen, einen Angreifer zur Achtung des Friedens zu 3wingen, nicht länger mißachtet
merden. Die G23. ist sich der Schwäche und der Mitschuld des größten Teils der in Genf vertretenen Regierungen bewußt und richtet daher on die organisierte Arbeitertiaffe die Aufforderung, handeln. Ein Krieg Japans gegen die Sopjetunion förbert notwendigerweise die Gegenrevolution nicht nur in Ruß land, sondern in der ganzen Welt. Ein Angriff Japans auf Ruß land fann einen eli tries heraufbeschmoren. Die Arbeiter fordern:
1. Gofortige und bebingungslose. Räumung Shanghais und der Mandschurei durch die japanischen Streitfräfte, 2. falls Japan dies verweigern follte, die 2bberufung aller Gesandten und Botschafter aus Japan ; 3. menn nötig, die Anwendung von mirtschaftlichen und finanziellen Santtionen, falls Japan nicht bereit ist, zu tun, was im Interesse des Weltfriedens geschehen muß.
Benn Japan trog allebem feine Angriffsvorbereitungen und Drohungen nicht einstellen sollte, so mird die SA3. an den Internationalen Gemertschaftsbunò appellieren, um gemeinsam mit allen Mitteln fich der Herstellung und Ber fchiffung von Munition, Kriegsmaterial und Baren nad) Japan zu miderseßen und alle Schiffe, die aus Japan eintreffen aber dorthin fahren, zu bontottieren. Die Arbeiter werden sich mit der Berteidigung ber Sowjetunion foliba risch erflären, falls fie angegriffen wird. Sie werden das Attentat auf den Frieden anprangérn. Sie werden jedem Uebergreifen: des Krieges auf andere Länder entgegentreten, ebenso wie sie sich jedem Bersuch widerlegen werden, andere Bander in den Krieg gegen Sowjetrußland einzubeziehen.
Falls Sowjetrußland gezwungen fein follte, fich gegen einen Angriff zu verteidigen, rechnet die SAJ. darauf, daß alle ihr angefchloffenen Parteien, die ihre Tätigkeit innerhalb der Grenzen
der Sowjetunion entfalten, sich nach den in der Berliner Re.. folution gegebenen Richtlinien verhalten und fich jeden separatiftischen und aufrührerischen Handlungen widersehen, die zur Lähmung der Verteidigung Sowjetrußlands gegen den japanifchen Ungriff führen müßten. Die S23. ftellt überdies feff, daß die Berteidigung der Sowjetunion um fo beffer gesichert fein wird, je mehr die Politik der Somjetregierung allen jozialiffifchen Kräften des Landes die attive Teilnahme an der Berteidigung der ruffifchen Revolution ermöglichen wird. Die Erefutive behandelte auf Grund von Berichten Hilferdings und Longuets die Probleme der internationalen Schulden, der Belt mirtichaftstrife und der Lage in Deutschland und Frankreich . Eine einstimmig beschlossene Resolution über die Lage in Danzig ruft die Arbeiterklasse aller Länder zum Protest gegen die Vergewal tigung der Arbeiterflaffe in Danzig wie in Polen auf, die mit den Hechten der Arbeiter zugleich den Weltfrieden bedroht. In einer
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Resolution über die Probleme der Donauftaaten
wird erflärt:
Die G23. begrüßt jeben Bersuch, die protettionistischen Hinder. niffe des internationalen Warenaustausches abzubauen. Aber ein Syftem der Borzugszölle zwischen den Staaten des Donau bedens würde nur dann einen Fortschritt in dieser Richtung bedeuten, wenn a) fichergestellt würde, daß die Borzugszölle zwischen diesen Staaten mesentlich niedriger wären als gegenwärtig in Berkehr zwischen diefen; b) menn die Einführung des Systems der Borzugszälle feinesfalls zum Bormans genommen würde, die Zollschranken gegenüber den außer halb des Donaubedens gelegenen Staaten zu erhöhen, und c) menn besonders die engere wirtschaftliche Verbindung zwischen den Staaten des Donaubedens ihre Ergänzung fände in Maß nahmen, die den Handel diefer Staaten mit benjenigen Ländern er leichtern sollen, welche sowohl an dem Erport als auch an dem Import der Staaten des Donaubedens einen größeren Anteil haben.
Die Bemühungen um die engere mirtschaftliche Verbindung der Donauftaaten dürften jedoch in feinem Falle zum Bormand irgendwelcher machtpolifischer, imperialistischen Zweden dienenden Kompenfationen oder polififchen Allianzen mißbraucht werden, weder für imperialistische Zwede Frankreichs noch für
imperialistische 3mede Jtaliens und Deutschlands .
Das Gefretariat foll, sobald die internationalen Berhandlungen über die Donaufrage tonfrete Gestalt annehmen, die daran intereffierten fozialistischen Parteien zu einer Konferenz einladen, um ihre Zusammenarbeit im Kampfe um die Gestaltung dieser Pläne ficherzustellen.
Die Resolution protestiert ferner gegen jebe inter. nationale Rontrolle über die Finanzen einzelner Sander, die erfahrungsgemäß zum Drud auf die Löhne und auf die sozialen Einrichtungen diefer Lander mißbraucht wird.
Der selbstmörderische Kurs der Komintern .
Mon fennt die Fabel vom Schäferjungen, der aus llebermut die Dorfbewohner immer wieder mit dem Ruf alarmierte: Der Wolf kommt!" Als der Wolf wirklich erschien und der Hirt um Hilfe schrie, rührte sich niemand mehr. Man mar fchon zu oft genarrt worden. So fielen die Schafe und ihr Hüter dem Wolf zum Opfer.
Seit zehn Jahren ertönt in der kommunistischen Presse der ganzen Welt immer wieder der Ruf: Drohende Kriegsgefahr! Verteidigt die Sowjetunion !" Auf ein Stichwort von Mostau ging ein Höllenfonzert in allen europäischen Hauptstädten los. Breiteste Balfenüberschriften, spaltenlange Artikel, unzählige Meldungen in fetteften Drudtypen, Aufforderungen zu Protestfundgebungen füllten die Spalten der kommunistischen Presse. Bas stedte hinter diesen unzähligen Alarmrufen? Meist nur irgendein taftisches Manöver der Sowjetregierung. Man hielt es aus inner- oder außenpolitischen Gründen gerade für zweckmäßig, Erregung unter die Massen zu tragen. Es war reine Propaganda. Entweder um das russische Bolf von seinen Nöten abzulenken, oder um irgendeinen diplomatischen Augenblicks. vorteil zu ergattern. Diese Propagandafeldzüge waren stets verbunden mit den müftesten Beschimpfungen sowohl der Sozialdemokratie wie der europäischen Regierungen, am mildesten in solchen Fällen, in denen die sozialistischen Barteien an diesen Regierungen Anteil hatten oder auf ihre Außenpolitik Einfluß ausüben fonnten. Mon schredte por feiner noch so blöden Beschuldigung zurüd. Das tollite Stück auf diefem Gebiet war wohl der berüchtigte Mensch es misten prozeß vor zwei Jahren, bei dem die Angeklagten beteuerten, fie hätten in Moskau mit 21 bramowitsch über eine weißgardistische Intervention persönlich fonfpiriert obwohl Abramowitsch seit 1920 russischen Boden nie wieder betreten hatte und durch zahlreiche Zeugen nachweisen fonnte, daß er fich zur fraglichen Zeit wochenlang in Mecklenburg aufgehalten hatte.
Am lächerlichsten mutete diese Propaganda in Deutschlond an. Denn die Wilhelmstraße hat seit Rapallo die Ruffen freundschaft oft his freundschaft oft bis zur Selbstverleugnung getrieben. Jeder Schritt, der eine gleichzeitige Annäherung an die Westmächte bedeuten foute Locarno, Bölferbundseintritt, Haager Abfommen, wurde von den Kommunisten mit geradezu hyfterischen Wutausbrüchen als ein Einschmenfen Deutschlands in die Antisowjetfront" bezeichnet. Der wundert sich, daß es der Bolschewistenpresse so ging wie dem Hirten der Fabel und daß fich niemand mehr um ihr Geschrei fümmerte?
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Aber jetzt jetzt ist der Wolf mirklich in nächster Rohe! In Japan haben die Revolverschüsse der nationalistischen Er. tremisten, wie man fürchten muß, auch die letzten Hemmungen beseitigt, die einer imperialistisen Draufgängerpolitik im Wege ftanden. Eine japanische Siegfriedenpolitik in der Mandschurei mird nicht mehr imftande fein, vor den Buntten haltzumachen, die der Sowjetunion als lebenswichtig erscheinen. Die Mostauer Regierung wird dann vor der Wahl stehen, ob sie durch Duldung japanischer Uebergriffe eine nationalistische Hochflut im eigenen Bande erzeugen will, die sich sehr leicht gegen fie felber menden fonn, oder oh fie einen Kampf auf nehmen will, der schon aus geographischen Gründen für sie
Erregung über Kürzung der Wohlfahrtsunterstützung.- Ein Toter, 10 Verletzte. fehr schwer zu führen ist.
Weimar , 20. Mai. ( Eigenbericht.)
In Walfershaufen, einer Stadt von über 7000 Einwohnern im Landkreis Gotha , ift es am Freitagnachmittag zu ernsten 3ujammenstößen zwischen der Polizei und den Wohlfahriserwerbslosen gekommen. Als Profeft gegen eine zehnprozentige Kürzung der Wohlfahrtsunterstüßungsfähe waren einige Bersammlungen einberufen. Die Wohlfahrtserwerbslosen weigern sich, die gefürzten Unterstühungen in Empfang zu nehmen. In den Versammlungen follen nach einer Meldung aus Walfers. hausen alle parteien vertreten gewefen und zu Wort gekommen fein, felbft bürgerliche Stadtratsmitglieder wären anwesend gewefen. Die Landespolizei aus Gotha war mit einem Kommando in Waltershausen erschienen. Hierüber foll es schon in den Verfommlungen Unzufriedenheit gegeben haben.
nach einer anderen Meldung nur 1 Toten. Ein elfjähriges Kind erhielt zwei Schüsse, einen Schulfer. und einen Süftenschuß.
Die Ruhe, foll, wie mitgeteilt wird, zwar in der Stadt wieder hergestellt fein, doch habe man von den Anhöhen, die neben der
Stadt liegen, noch gefhoffen.
Schwierige Kabinettsberatungen.
Rotverordnung erst Ende nächster Woche. Das Kabineff fraf am Freitagabend um 9 Uhr zu der vor gesehenen Sigung zusammen. In der Sitzung wurde u. a. das Arbeitsbefchaffungsprogramm der Regierung besprochen. Ueber die Aussprache wurde ftrenge Bertraulichfeit vereinbart.
Zugleich wird aber für Mosfau auch die Sorge sehr ernst, ob ein ruffisch- japanischer Krieg, wenn er eines Tages mirffich ausbrechen follte, lokalisiert werden könnte oder ob es dann nicht doch zum großen Interventionsfrieg käme, dessen Gespenst die ruffischen Machthaber schon längst in ihre Träume hinein verfolgt.
Ja, die Dinge sind jetzt wirklich so ernst geworden, daß Moskau allen Grund hätte, feine bisherige Außenpolitif einer gründlichen Revision zu unterziehen. Vor allem müßte die Juufion preisgegeben werden, als ob nur die Kapitalisten Gegner der Sowjetunion wären, die Herzen der Arbeiter aber für sie schlügen. In Wirklichkeit liegen die Dinge beinahe schon umgefehrt. Denn die Kapitalisten hören auf, Feinde der Somjetunion zu sein in dem Augenblid, in dem sie mit ihr Geschäfte machen können. Die Masse der Arbeiter aber, von einer fommunistischen Minderheit abgefehen, fühlt fich Angesichts der fachlichen Schwierigkeiten der Materie ist damit dauernd von Mostau ungerecht behandelt und schmer geschä34 rechnen, daß die Beratungen des Kabineffs noch mehrere Sie lieft in der ruffischen Presse nichts als wüste BePolizei von der Schußwaffe Gebrauch machte. Nach einer Meldung Tage in Anspruch nehmen werden und sich bis in die mitte schimpfungen und sie erlebt immer wieder, wie ihr in ihren foll die Polizei ohne nach einer anderen Meldung aus dem Minifterium in Weimar foll nächster Woche ausdehnen. Auch der Reichspräsident wird, wie jest politischen und sozialen Kämpfen die Anhänger Mostaus in Daß die Sozialdemokratische Bortei unter. folchen Um zuerst aus der Menge gefchoffen und mit Steinen geworfen worden feftfteht, erft Ende nächfter Woche nach Berlin zurüdfehren, so daß fein. Bei den Zusammenstößen gab es nach einer Meldung 2 Tote die neue große Kofverordnung ihm erst dann zur Unter- ständen für Moskau feine übermäßig freundlichen Gefühle haben kann, versteht sich von selbst. Aber wenn wir das mit und 8 bis 10 Bermundefe, darunter 2 Polizeibeamte, fchrift vorgelegt werden dürfte.
Nach Schluß der Bersammlung ist es dann in den Straßen der Stadt zu eraften Zusammenffößen getommen, wobei die
zu
den Rüden fallen.