1932
Der Abend
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10 Pf.
Nr. 236
B 118 49. Jahrgang
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Die BVG. faniert
Herabsetzung des Aktienkapitals von 400 auf 200 Millionen
Der Magistrat der Stadt Berlin und der Aufsichtsrat der BVG. haben jetzt ihre Zustimmung zu einem Sanierungsprojekt des Groß- Berliner Berkehrsunternehmens gegeben. Eine entsprechende Vorlage der Finanz- und Steuerdeputation wird der Stadtverordnetenversammlung demnächst zugehen.
Zu dem Sanierungsprojekt machte heute vormittag der Bürgermeister Elsas in einer Pressekonferenz nähere Angaben. Die BBG. wurde im Dezember 1928 mit einem kapital von 400 Millionen gegründet. Zu jener Zeit waren die Anlagen der in der BVG. vereinigten drei Verkehrsmittel( Hochbahn, Omnibus, Straßenbahn) entsprechend der günstigen Berkehrsanlage fast voll ausgenutzt. Die Wirtschaftskrise hat in ihrem dreijährigen Berlauf natürlich auch starte Berheerungen im Verkehrsumfang der BVG. angerichtet. Von 1929 bis 1931 ging die Zahl der von der BVG. beförderten Fahrgäste von 1227 auf 881 Millionen Personen zurück. Das groß ausgebaute Berliner Verkehrsnetz hat heute nur noch einen Verkehr zu bewältigen, der dem Umfange des Jahres 1912 entspricht.
Infolge des allgemeinen Wertschwundes investierter Kapitalien sieht sich die Stadt Berlin genötigt, das BVG.- Vermögen diejem Schrumpfungsprozeß anzupassen.
So soll das im Alleinbesitz der Stadt befindliche Aktienkapital der BVG. von 400 auf 200 Millionen, also im Verhältnis 2: 1, zusammengelegt werden.
Der durch die Kapitalzusammenlegung freiwerdende Betrag von 200 Millionen Mark wird zu Abschreibungen auf Anlagewerte mit 166,1 und zu Rückstellungen auf Reservefonds mit 33,9 millionen verwendet. Es handelt sich also bei dieser Kapitalumstellung nur um eine buchmäßige Veränderung der Anlagewerte. Der Vermögensbestand der BBG. wird nicht berührt.
Auf der Passivseite wirkt sich die Kapitalherabsetzung nur gegenüber der Stadt Berlin als der alleinigen Aktionärin aus. Die Stadt hat nach der Kapitalzusammenlegung eine entsprechende Ab
Weil die Unterstützungsfäße gewaltsam gekürzt wurden
Waltershausen , 21. Mai. ( Eigenbericht.) Waltershausen ist eine Arbeiterstadt mit rund 10 000 Einwohnern. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung lebt von Erwerbslosen unterstützung bzw. öffentlicher Fürsorge. Vor etwa drei Wochen hat das Kreisamt angeordnet, daß nur 90 Prozent der Wohlfahrtsunterstügung noch ausgezahlt werden dürfen. Die Stadt hat trotzdem voll ausgezahlt. Sie bekam die Mitteilung vom Kreisamt, daß sie keinen Erstattungsanspruch habe. Verhandlungen mit der thüringischen Regierung verliefen refultatios. Am Freitag vor Pfingsten begann das städtische Wohlfahrtsamt die Säte wieder voll auszuzahlen. Während der Auszahlung kam die Anordnung des Gothaer Kreisamtes, die Auszahlungen seien sofort einzustellen bzw. nur 90 Prozent auszuzahlen. Wenn der Beamte weiterhin voll auszahle, werde er sofort seines Dienstes enthoben. Daraufhin hat unter Leitung eines Ausschusses der Erwerbslosen die
Arbeiterwohlfahrt in Berbindung und unter Hinzuziehung eines noch vorhandenen Fonds der Winterhilfe, die ebenfalls von der Arbeiterwohlfahrt organisiert war, der Beamtenbund und die Geschäftswelt durch die Rabattsparvereine den fehlenden Betrag von rund 700 Mark aufgebracht,
so daß durch diese Sammelaktion am Freitag vor Pfingsten wiederum 100 Pro3. zur Auszahlung tommen fonnten. Im
Laufe der Woche wurde bekannt, daß das Kreisamt auf der neunzigprozentigen Auszahlung bestehe. In zwei Versammlungen nahmen am gestrigen Tage die Wohlfahrtserwerbslosen, unterstützt von der gesamten Einwohnerschaft, einschließlich der Geschäftswelt, Stellung zu diesem Verlangen. Nach Schluß der Versammlung fam es zu Ansammlungen auf dem Marktplatz. Inzwischen war das lleberfallkommando der Gothaischen Polizei herbeigeholt worden. Die Polizei war außerordentlich nervös.
Die
Bei dem Versuche, die Menge von über 2000 Personen vom Marktplatz abzudrängen, kam es zu einem Handgemenge. Polizei machte sehr rasch von der Schußwaffe Gebrauch. Das Ergebnis waren 1 Toter und 19 Berlegte, darunter mindestens zwei, die in Lebensgefahr schweben. Es ist für die nervöse Haltung der Polizei bezeichnend, daß nur ein einziger Schuß eine Fußverletzung herbeiführte. Alle Verletzten haben Brusts, Kopf, Arm- und Bauchschüsse. Eine Anzahl Berhaftungen wurden vorgenommen, darunter ist auch der Vorfizende unserer Partei im Ort.
Heute früh legte die Belegschaft des einzigen im Ort arbeitenden Betriebes- 250 Mann die Arbeit zum Protest nieder. Um 11 Uhr kam es mit dieser Belegschaft zu Zusammenstößen, wobei die Polizei rücksichtslos mit dem Gummifnüppel vorging. Die Thüringer Regierung erklärt, daß sie keine Anweifung zur Kürzung der Wohlfahrtsunterstützung gegeben habe.
Gewaltstreich in Anhalt
fchreibung von ihren Beteiligungen an der BBG. vorzunehmen. Nazipräsident schließt sozialdemokratischen Pressevertreter aus
Bereits für 1931 aber hat die Stadt in Voraussicht kommender Er
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Hugenberger,
eigniffe ihren BBG.- Aktienbefiß nur mit 200 Millionen bewertet Dingeldeyer und Wirtschaftsparteiler decken den Verstoß gegen die Pressefreiheit
und damit also bereits den Wertschwund vorweggenomDie nichtstädtischen Gläubiger werden von der Sanierung in feiner Weise betroffen.
men.
Die Umstellung des Kapitals ift zugleich zum Anlaß genommen worden, die noch ausstehende 2brechnung zwischen Stadt und BBG. über die Kosten der neuen U- Bahn- Linien vorzunehmen. Diese Kosten belaufen sich auf rund 335,4 Millionen Mark. Im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Senkung der Löhne und Materialpreise ist vorgesehen, daß die Stadt vorweg 50 Millionen abschreibt. Damit stellt sich der Uebernahmepreis für die BVG. auf rund 285,4 Millionen Mark. In Anrechnung auf diesen Betrag erhält die Stadt von der BBG. 50 Millionen Mark neuer Aktien. Die restlichen 35,4 millionen Mark verbleiben bei der BBG. als Schuld. Hiervon übernimmt die BBG, 71,6 Millionen als direkte Schulden gegenüber nichtstädtischen Gläubigern, so daß eine Restschuld als Forderung der Stadt Berlin an die BVG. mit 163,7 millionen Mark verbleibt.
Wegen der Berzinsung und Schuldentilgung aus den neuen U- Bahn- Linien ist der Grundsatz aufgestellt, daß die BVG. den Zinsen- und Tilgungsdienst zu tragen hat. Infolge der fataStrophalen Krise ist jedoch im Vertrage mit der Stadt Berlin vorgesehen, unter Aufrechterhaltung der grundsätzlichen Berpflichtung der
BBG. erhebliche Erleichterungen zu gewähren. Für 1932 wird nicht damit gerechnet, daß die BVG. sich an der Aufbringung der Zinsund Tilgungsraten durch die Stadt Berlin beteiligt. 2b 1933 wird mit einem Beitrag der BBG. gerechnet.
Nach Durchführung der Kapitalherabschung und Wiedererhöhung wird das neue Sapital der BBG. 250 Millionen Marf betragen. Die Transaffion ist, wie Bürgermeister Elsas befonte, für die Stadt sehr einschneidend und die getroffenen Maßnahmen nur vertretbar im Gesamtrahmen der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation.
Deffau, 21. Mai.( Eigenbericht.)
Im Anhaltischen Landtag, der heute vormittag zur Wahl der Rechtsregierung zusammengetreten war, ereignete fich vor Beginn der Beratungen ein unglaublicher Borgang. Der nationalsozialistische Landtagspräsident, Rechtsanwalt Dr. Nicolai, erklärte, er stelle durch Augenschein fest, daß am Preffetisch des Landtags als Vertreter des sozialdemokratischen ,, Bolksblattes für Anhalt" der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Redakteur Seeger Platz genommen habe. Er ordne hiermit an, daß Seeger sofort den Landtagsfihungsfaal zu verlassen habe, und begründete diese Anordnung damit, Seeger habe die stärkste Partei des Hauses aufs schärffte angegriffen", so daß seine Anwesenheit im Landtagsfihungsjaal für die nationalsozialistische Fraktion unerträglich sei. Der Führer der sozialdemokratischen Landtagsfraktion, Genosse Günther- Bernburg, erhob sich sofort und protestierte aufs Anhaltinischen Landtages ohne Beispiel sei. Ihm schloß sich der schärfste gegen den Vorgang, der in der ganzen Geschichte des Führer der kommunistischen Fraktion an.
Ein Antrag der Linken, die Sitzung zu unterbrechen, damit der Aeltestenrat sich mit der Maßnahme des Präsidenten beschäftigen könne, wurde abgelehnt. Für den Antrag stimmten nur die Sozialdemokraten, die kommunisten und der eine Demofrat. Gegen den Antrag stimmten nicht nur die Nationalsozialisten, fondern auch die Deutfchnationalen, die Bolkspartei
Danzig , 21. Mai. ( Eigenbericht.) Die Teilnehmer der Elbinger Pfingsttagung des VDA.( Vereins des Deutschtums im Auslande) veranstalteten am Ostseestrande bei Danzig eine Dankesfundgebung. Wie bereits in Elbing , so waren auch hier unter den Teilnehmern zahlreiche Hakenkreuzträger. Diesem Treiben wurde die Krone dadurch aufgesezt, daß der
Danziger, Senat SA. Leute in voller Uniform am Strande als Absperrfette duldete. Selbstverständlich blieb deshalb die Arbeiterschaft fern. Daran fönnen auch die Reden des stellvertretenden Senatspräsidenten Wjerczinski und des Vorsigenden des VDA., Reichsminister a. D. Geßler, über die Volks gesamtheit als Träger des VDA.- Gedankens nicht hinwegtäuschen. Anläßlich der Tagung fand in Danzig auch ein großer Um zug der VDA. Jugend statt. Außer den reichsdeutschen Gruppen nahmen an dem Umzug die VDA.- Gruppen der Danziger Schulen teil. Die Nationalsozialisten versuchten, wie bereits bei der Vormittagskundgebung, auch diese Veranstaltung für ihre Parteipropaganda zu mißbrauchen, ohne daran von den Behörden gehindert zu werden. Autos mit SA. in voller Uniform standen auf den Plätzen der Stadt, und auf den Bürgersteigen hatten Gruppen von Nationalsozialisten Aufstellung genommen, um die Heil"-Rufe aus dem Zuge mit Heil Hitler" und Deutschland erwache" zu regierung gepflegte Neutralität" der Schulerziehung in Danzig ist überschreien. Besonders charakteristisch für die unter der Rechtsdie Tatsache, daß Lehrer und Schüler von Danziger höheren Schulen des öfteren mit dem Hitler- Gruß antworteten. Der für diese Kreise sehr bezeichnende Mangel an echter nationaler Würde, die gerade in Danzig so bitter notwendig wäre, wurde auch dadurch offenbar, daß man sich nicht scheute, im Zuge Liederterte wie und kommt der Feind ins Land hinein, und sollt's der Bollad selber sein“ zu singen. In dieser Beziehung hoben sich die reichsdeutschen Gruppen von zahlreichen Danzigern vorteilhaft ab.
Nächtliche Geländeübungen statthaft. Der Preußische Minister des Innern weist in einem Runderlaß die Polizeibehörden darauf hin, daß die Polizeiverordnung betr. das Verbot nächtlicher Geländeübungen und Märsche vom 20. 11. 1931 gemäß der Bestimmung in ihrem§ 4 Abs. 2 mit dem Ablauf des 20. Mai 1932 Grund von Anzeigen wegen Verstoßes gegen diefe Polizeiverordnung außer Kraft tritt. Etwa noch nicht erledigte Verfahren auf sind, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, mangels Vorliegens eines öffentlichen Interesses nicht weiter zu verfolgen.